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24.04.2011


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Ostermärsche und -aktionen 2011

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Redebeitrag für den Ostermarsch Senne 2011 am 23. April

Liebe Friedensfreundinnen " liebe Friedensfreunde

Hubert Kniesburges (in Hövelhof)



- Es gilt das gesprochene Wort -



wir sind mit dem Ostermarsch Senne an einem der neu errichteten Kampfdörfer gestartet. In Hörweite der Senneanwohner, sowohl der Erwachsenen wie der Kinder, üben britische Soldaten für ihren Kriegseinsatz das Töten im Häuserkampf in den Dörfern und Städten in Afghanistans. Betroffen ist besonders die Zivilbevölkerung im Kriegsgebiet, für die der Häuserkampf tausenfacher Tod bedeutet.

Vor Beginn der Errichtung der Kampfdörfer hatte der Hövelhofer Gemeinderat die Möglichkeit im Anhörungsverfahren 2009 eine Stellungnahme abzugeben. Im Protokoll der entsprechenden Ausschuss-Sitzung ist nachzulesen, dass nach Aussage von Bürgermeister Berens "die Gemeinde Hövelhof ausdrücklich die Notwendigkeit optimaler Ausbildungsbedingungen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Soldaten anerkennt. Der deutsche Verbindungsoffizier Major Mann wurde da schon deutlicher. Er stellte klar, "dass jede Verbesserung der Ausbildungsbedingungen für die Soldaten im Ernstfall "Blut spart". (BUA-Protokoll 19.03.2009)

Kein Wort davon, dass die Zivilbevölkerung den höchsten Blutzoll zu tragen hat. Kein Wort davon, dass Kriege diesen und andere Konflikte nicht lösen. Niemand räumte offensichtlich dem Frieden eine Chance ein.

Stattdessen richteten Bürgermeister Berens und der CDU-Fraktionsvorsitzende Lappe den Blick auf vermeintliche wirtschaftliche und Standortvorteile, die mit dem Ausbau des Truppenübungsplatz verbunden seien. (Ratsprotokoll 02.04.2009) Dabei stellte sich im Herbst vergangenen Jahres heraus, dass der Truppenübungsplatz Senne ein Auslaufmodell ist.

Die britische Rheinarmee hat angekündigt, dass sie sich bis 2020 zurückziehen will. Für die Friedens- und Umweltbewegung in der Region steht fest, dass jetzt die Stunde für die zivile Nutzung geschlagen hat. Seit Jahrzehnten wird der Nationalpark Senne/Teutoburger Wald/Egge gefordert. Dies ist die einzige Alternative zum Truppenübungsplatz. Nur so kann die Region Ostwestfalen-Lippe das Image loswerden, in einem fast 120 Quadratkilometer große naturschönen Areal im Verlaufe der letzten mehr als 100 Jahren immer wieder neuste Militärtechnik oder Strategien trainiert zu haben. Hier sind die Kaisertruppen gedrillt worden.

Hier haben die Krauss-Maffeis und Krupps für das Terrorregime des Hitlerfaschismus ihre Panzer und Kanonen getestet. Hier werden britische Soldaten gedrillt, den tausendfachen Tod über die Zivilbevölkerung in Kriegseinsatzgebieten zu bringen.

Gegner eines Nationalparks versammeln sich hinter dem Argument, schließlich habe die militärische Nutzung dafür gesorgt, dass die Natur so intakt geblieben und so für große Bevölkerungskreise erlebbar ist. In der über 100jährigen Geschichte des Truppenübungsplatzes ist ein unübersehbarer Expansionsdrang einhergehend mit einer unwiederbringlichen Zerstörung von schützend werter Landschaft zu verzeichnen gewesen. In Vorbereitung des zweiten Weltkrieges gingen die Nationalsozialisten äußerst brutal vor.

Senneanrainer mussten scharenweise ihre Dörfer oder Ansiedlungen verlassen. Lange gefackelt wurde bei der Umsiedlung nicht. Wer aufmuckte, dem wurde mit KZ-Inhaftierung gedroht. Die zusammengeschossenen Ruinen von Haustenbeck sind heute ein sichtbares Zeichen.

Die Intensivierung der Nutzung der Senne als Truppenübungsplatz durch die kriegsvorbereitenden Ansprüche des übenden Miltär wirkte sich negativ auf die Landschaft aus. Der Senneboden wurde durch schwere Kettenfahrzeuge und großkalibrige Geschütze durchwühlt. Die mit den Kriegsvorbereitungen einhergehenden Autarkiebestrebungen bei der Versorgung der Bevölkerung trieb die Kultivierung von Ödlandflächen, die außerhalb des Truppenübungsplatz lagen, voran.

Ab 1941 erledigten diese Knochenarbeit überwiegend die sowjetischen Kriegsgefangenen des Stukenbrocker Lagers Stalag 326. Unzählige dieser Menschen starben an den Folgen der körperlich schweren Arbeit oder an den Folgen von Krankheiten und Seuchen. Die Massengräber des sowjetischen Soldatenfriedhof geben Zeugnis von dem unvorstellbaren Verbrechen, dass von der Wehrmacht an den Kriegsgefangenen verübt wurde. Auch das ist Bestandteil der Militärgeschichte der Senne.

Wenn heute gesagt wird, das britische Militär ist das Beste, was der wildschönen Landschaft der Senne überhaupt passieren konnte, den verweise ich auf den ehemaligen Archivar aus Detmold, Karl Sundergeld. Er befasst sich in seinem Beitrag "Liebe einsame Senne" mit der Frage "Stirbt unsere schöne Senne?" und kommt zu dem Schluß, dass zivilisatorische Eingriffe durch landwirdschaftliche und städtebauliche Vereinnahmungen und die militärische Nutzung dem Naturschutz nicht zuträglich sind. Wörtlich schreibt er: " Seitdem der stille Wanderer und die Ehrfurcht vor der Vergangenheit durch die neue Zeit verdrängt werden, ist leider vieles anders geworden. Panzer durchwühlen den weiten Senneraum, haben das schöne Antlitz "der lieben alten Frau Einsamkeit" zerschunden, die Stille und Schönheit der Natur mit ihren Hünengräbern weitgehend zerstört und Heide vernichtet. ..." (DER GEMEINDEBOTE,1963, Schlangen)

Der ehemalige Gemeindedirektor von Schlangen, Hans Winter, spricht von den Sperrgebieten, die auf dem Truppenübungsplatz eingerichtet sind, als "Zone des Todes".

(Hans Winter in "Erhaltung der Heideflächen im Gebiet des Truppenübungsplatzes Senne", Heimatland Lippe 56, 1963, S. 75-76)

In der Auseinandersetzung über die militärische oder zivile Nutzung wird von den Militärbefürwortern immer wieder das Argument ins Feld geführt, der Truppenübungsplatz hat seit Kaisers Zeiten den Menschen in der Region Arbeit und Wohlstand gebracht. Der Hövelhofer Bürgermeister Berens glaubt zu wissen, dass von den millionenschweren Investitionen in Kampfdörfer, Panzerstraßen und anderen Infrastrukturmaßnahmen Geld bei heimischen Handwerkern hängen geblieben ist. Zum volkswirtschaftlichen Nutzwert von Rüstungsausgaben ist im Handelsblatt, das wahrlich unverdächtig ist, der Friedensbewegung das Wort zu reden, eine bemerkenswerte Aussage zu finden. Am 04. April diesen Jahres ist dort zu lesen, dass durch die Terrorhysterie seit Anfang diesen Jahrtausend die Rüstungsausgabe explosionsartig ansteigen. Wörtlich heißt es dann weiter: "Höhere Rüstungsausgaben und Zahlungen ans Militär stimulieren die Konjunktur zwar kurzfristig, langfristig bremsen sie aber das Wachstum. Denn ein Panzer sorgt zwar für "Sicherheit" als wichtige Rahmenbedingung des Wirtschaftens, er fördert aber nicht das Wirtschaftswachstum, wie beispielsweise eine neu gebaute Straße." Dem ist nichts hinzu zu fügen.

Der eingefleischte Militarist und CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok, der sich gerne als "waschechter Senne-Junge" verkauft, ist ein vehementer Vertreter der Leerformel vom prosperierenden Wohlstand durch das Erlernen des Kriegshandwerks in der Senne. Die Zeitschrift "Ossietsky" vertieft Broks lückenhafte Geschichtkenntnisse. "In der Senne wurden Soldaten für den Ersten und den Zweiten Weltkrieg trainiert, Kanonen und Panzer ausprobiert, und seit einigen Jahrzehnten wird dort für NATO-Einsätze geübt. Arbeit hat das allemal gebracht, allerdings hat so mancher der einst dort Ausgebildeten nicht lange überlebt.

Auch Wohlstand war und ist dabei herausgekommen, wenngleich nur selektiv: bei höheren militärischen Chargen und bei Rüstungsindustriellen. Aber so weit in die Einzelheiten, werden Sie gedacht haben, muß man bei historischen Belehrungen nicht gehen." (Ossietsky 5/2009)

Wer heute fordert, das Militär muss bleiben, weil Landschaft und Natur der Senne geschützt wird und die Anrainerkommunen ihr wirtschaftliches Auskommen haben, der verschließt wissentlich oder unwissentlich die Augen vor dem jetzt schon erreichten Zerstörungsgrad. Trotz der dargestellten irreparablen Schäden an der Senne Landschaft gibt der Bürgermeister von Augustdorf, Dr. Andreas Wulf, der militärischen Nutzung weiter den Vorzug. In Schloß Holte-Stukenbrock hat sich im letzten Monat der Verein zum Erhalt des Truppenübungsplatzes gegründet. Der Hövelhofer Gemeinderat hat am 14.04.2011 bei einer Gegenstimme eine sogenannte "Senne Resolution" beschlossen. Damit wird die Forderung für die Beibehaltung der militärischen Nutzung und gegen einen Nationalpark unterstrichen. Die Frauenunion in Hövelhof sammelt Unterschriften dazu. Und alle halten das Gelbe Band als Zeichen der Verbundenheit mit den kämpfenden Soldaten und Soldatinnen in Afghanistan fest.

Wer glaubt, durch das Festhalten an einem irgendwie farbig gestalteten Band, durch Festhalten an Übungsgelände für das Töten gibt den deutschen Männern und Frauen Halt bei ihrem mörderischen Job in Afghanistan, der handelt zynisch.

Wer glaubt, dass die Männer und Frauen moralisch unversehrt aus dem Krieg zurück kommen, der hat aus den aktuellen und vergangenen Kriegen nichts gelernt.

Was hilft, ist der sofortige Abzug der Bundeswehr und der NATO-Truppen aus Afghanistan, darunter die 1500 Soldatinnen und Soldaten aus Augustdorf.

Die Senne darf nicht weiter ein Lernort des Tötens sein.

Die Kriegsübungen in den Kampfdörfern muss sofort eingestellt werden.

Dies gehört in die Resolutionen der Kommunalparlamente der Senne-Anrainerkommunen. An die Frauen und Männer, an die Mütter und Väter, deren Partnerinnen/Partner oder deren Kinder im Einsatz in Afghanistan sind, appelliere ich, sammelt unter diesen Forderungen Unterschriften in Hövelhof und anderswo, damit eure Angehörigen nach Hause kommen.

Den Soldatinnen und Soldaten in Augustdorf rufe ich von dieser Stelle aus zu, wenn ihr einen Ausweg aus eurer Situation sucht, hier sind Menschen versammelt, die euch helfen. Und es gibt für alles Lösungen.


Hubert Kniesburges ist Vorsitzender des Arbeitskreises "Blumen für Stukenbrock".

E-Mail: h (Punkt) kniesburges (at) kniesburges (Punkt) net
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