2011
Inhalt

update:
25.04.2011


 voriger

 nächster

Ostermärsche und -aktionen 2011

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2011 in Nürnberg am 25. April

Liebe Teilnehmende am Ostermarsch 2011,

Gisela Voltz (in Nürnberg)





- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 25. April, Redebeginn: ca 16 Uhr -



im Jahr 50 nach dem ersten Ostermarsch in Nürnberg, im Jahr 25 nach Tschernobyl, im Jahr 20 nach den ersten out of area -einsätzen der Dt. Bundeswehr und im Jahr 1 von Fukushima schauen wir heute auf eine Welt des Unfriedens, weltweiter sozialer Ungerechtigkeit und massiver Umweltzerstörung.

Die derzeit herrschende neoliberale Weltwirtschaftsordnung setzt auf den unbegrenzten Zugang zu und Verbrauch von natürlichen Ressourcen. Dadurch werden soziale Konflikte und ökologische Zerstörung verschärft. Immer deutlicher treten die Folgen, Widersprüche und Perversitäten eines auf unbegrenztes Wachstum ausgerichteten, ausbeuterischen Wirtschaftssystems zutage, das an menschenwürdigen Lebensbedingungen für alle Menschen auf unserer Welt nicht interessiert ist:

Reaktorkatastrophe in Fukushima, Bürgerkrieg in Libyen, Verteilungskämpfe um wichtige Ressourcen in Zentralasien und Afrika und anderswo, militärische Absicherung der Handelswege wie z.B. am Horn von Afrika, Sicherung der Absatzmärkte durch unfaire Freihandelsabkommen, massive Verarmung weiter Teile der Weltbevölkerung, Flüchtlingsdramen im Mittelmeer, Abschottungspolitik gegen Flüchtlinge in der Festung Europa, Atom- und Rüstungsexporte sowie Klimawandel um nur einige der zahlreichen Schauplätze zu nennen.

Ich komme aus der Eine WeltArbeit und aus der Solidaritätsbewegung zu Zentralamerika und arbeite jetzt für Mission EineWelt, dem Zentrum für Partnerschaften nach Afrika, Asien, Lateinamerika und Pazifik der ELKB. Dort geht es um die Lebensbedingungen und Perspektiven der Menschen im globalen Süden, den sogenannten Entwicklungsländern. Deswegen will ich im Folgenden nur ein paar Schlaglichter auf einige dieser Schauplätze werfen, an denen die globalen Folgen und Zusammenhänge besonders deutlich werden.

Schauplatz Atomenergie und Atomwaffen

25 Jahre nach Tschernobyl hat uns Fukushima einmal mehr deutlich vor Augen geführt wie wahnsinnig und unverantwortlich die Kernenergie ist, eine Risikotechnologie, die von Anfang bis Ende, vom Uranabbau über die Gefahren von AKWs im Betriebszustand bis hin zur ungelösten Frage der Endlagerung in höchstem Maße menschenverachtend und umweltzerstörend ist. Fukushima zeigt uns, dass das Restrisiko von AKWs einfach nicht beherrschbar ist und die Folgen bei Reaktorkatastrophen so weitreichend und unkalkulierbar sind, dass noch mehrere Generationen nach uns von einer zerstörten und verstrahlten Umwelt betroffen sein werden.

Außerdem lässt sich eine Weiterverbreitung des atombombenfähigen Materials niemals ausschließen. Desweiteren werden auch Abfallprodukte der AKWs wie abgereichertes Uran zur Herstellung von Uranwaffen verwendet. Diese verheerend wirkende Uranmunition wurde u.a. im KosovoKrieg und in Afghanistan eingesetzt. Atomwaffen und Kernenergie sind zwei Seiten derselben Medaille. Atomwaffen gehören zur nuklearen Kette, die militärische Komponente ist immer mit dabei.

Atomenergie ist tödlich - zivil wie militärisch!

Deshalb: die ethische Frage der Atomenergie ist längst beantwortet: sie ist unverantwortbar! Und ich bin froh, dass sich die führenden Köpfe der Evangelischen Kirche in Deutschland eindeutig für den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie ausgesprochen haben.

Fukushima ist überall! Atomkraftwerke abschalten! Energiewende jetzt! Die Bundesregierung muß einen klaren Zeitplan für einen raschen Ausstieg aus der Atomenergie vorlegen!

Kappen Sie die Leitung zu Atom- und Kohlekraft! Wechseln Sie selbst auf Strom aus erneuerbaren Energien!

Atomwaffen verschrotten! Uranwaffen international ächten!

Schauplatz Uranabbau:

Bis 1990 Uran wurde in Deutschland Uran in Thüringen und Sachsen im großen Stil abgebaut. Die Firma Wismut war damals der drittgrößte Uranproduzent der Welt. Heute sind die Abbauregionen Sanierungsgebiet, die den Steuerzahler bereits mehr als 6 Mrd Euro gekostet haben. Die Krebsraten unter den ehemaligen Bergleuten sind deutlich erhöht.

Heutzutage wird Uran jedoch zu 100 Prozent importiert. Ungefähr ein Drittel kommt aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion (Russland, Kasachstan, Usbekistan und der Ukraine), gefolgt von Kanada (21 Prozent), Niger (17 Prozent) und Australien (16 Prozent). In afrikanischen Ländern wie im Niger oder Namibia findet der Abbau meist in unzugänglichen und dünn besiedelten Gebieten statt. Im Niger ist übrigens hauptsächlich der französische Staatskonzern Areva aktiv, an dem bis vor kurzem auch Siemens mit beteiligt war. Die ArbeiterInnen und die Bevölkerung sind häufig verunsichert und schlecht informiert über die gesundheitlichen Gefahren. Der Uranbergbau verursacht Umweltschäden und Grundwasserverseuchung, die Krebsraten in den Abbaugebieten sind deutlich erhöht. Darüber hinaus zerstört der Uranabbau die Lebensgrundlagen und Kultur indigener Völker - denn rund 75 Prozent der weltweiten Uranvorräte liegen in Regionen, in denen Indigene leben.

Der Mythos einer "sauberen" und umweltfreundlichen Atomenergie ist absolut nicht haltbar.

Atomenergie ist tödlich! Atomkraftwerke abschalten!

Schauplatz Exportbürgschaften für Atomexporte:

Wie ernst es die Bundesregierung tatsächlich mit dem Ausstieg aus der Atomenergie meint, wird sich auch daran zeigen, ob sie nun den Bau des Atomkraftwerkes Angra 3 in Brasilien durch eine Hermes-Exportbürgschaft fördert oder nicht. Der Reaktor soll in einem von Erdbeben und Erdrutschen bedrohten Gebiet direkt am

Atlantik in der Nähe der Millionenstadt Rio de Janeiro erbaut werden. Rot-Grün hatte die staatliche Exportförderung durch Hermes-Bürgschaften für Atomtechnologie verboten. Die schwarz-gelbe Bundesregierung schaffte dieses Ausschlusskriterium gleich zu Anfang ihrer Amtszeit ab, um die Milliarden-Bürgschaft für Angra 3 genehmigen zu können - angefragt übrigens von dem damals noch bestehenden Atomenergiekonzern Siemens-Areva NP. Schwarz-gelb hat sich damit für deutsche Wirtschaftsinteressen und gegen den Schutz von Mensch und Umwelt entschieden. Es ist aber nicht einzusehen, dass der Bundeshaushalt - und damit der Steuerzahler - ein Atomgeschäft absichert, das weder modernen Sicherheitsanforderungen noch einer ernsthaften Wirtschaftlichkeitsprüfung standhält. Brasilien weigert sich außerdem bis heute, das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag zu unterschreiben. Seit 2010 hat die schwarz-gelbe Bundesregierung neben Angra 3 viele weitere Bürgschaften für Lieferungen an Atomkraftwerke in Schwellen- und Entwicklungsländern erteilt.

Keine Exportbürgschaften für Atomgeschäfte! Atomtod exportiert man nicht! Abschalten weltweit!

Fordern Sie selbst unter campact.de oder attac.de die Bundesregierung zu einem Verbot von Exportbürgschaften für Atomtechnologie auf!

Schauplatz Rüstungsexporte

Der internationale Waffenmarkt boomt. Deutschland ist nach den USA und Russland derzeit der weltweit drittgrößte Rüstungsexporteur. Der Anteil deutscher Rüstungsfirmen am boomenden Weltmarkt hat sich in den letzten 6 Jahren von 7 auf 11 % gesteigert. Deutschlands wichtigste Absatzmärkte waren Griechenland, Südafrika und die Türkei.

Der von Daimler mitkontrollierte deutsch-französische Rüstungskonzern EADS belieferte auch Länder wie Malaysia, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, alles Staaten, die Menschenrechte systematisch verletzen.

Zwischen 2008 und 2009 erhöhte die Regierung Merkel den Genehmigungswert deutscher Rüstungstransfers nach Libyen um das Dreizehnfache. Geliefert wurden militärische Geländewagen, Hubschrauber, Kommunikationstechnik und Störsender. Wenn die Demokratiebewegung in Tripolis mit Waffengewalt unterdrückt wird und Menschen aus Libyen fliehen müssen, dann trifft die Bundesregierung eine Mitschuld.

(Pressemitteilung von DFG-VK, der Kampagne gegen Rüstungsexport bei Ohne Rüstung Leben (ORL) und dem Rüstungsinformationsbüro (RIB) vom 4. März 2011.)

Der Satz: "Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt!" ist leider nur allzu wahr.

Rüstungsexporte und Rüstungsproduktion stoppen!

Schauplatz Libyen

Am Beispiel Libyen und Nordafrika zeigt sich die Perversion der westlichen Vorherrschafts- und Ressourcensicherungspolitik besonders deutlich:

Die nach dem 2.Weltkrieg formal unabhängig gewordenen Staaten Nordafrikas blieben real weiter abhängig von der Gunst der westlichen Mächte: Die Eliten in Europa und der USA unterstützten die lokalen Eliten durch Rüstungsexporte, stabilisierten deren Diktaturen, akzeptierten die Verarmung und Unterdrückung der Bevölkerung und bekamen dafür Marktzugang, Zugang zu günstigen Ressourcen, militär-strategische Stützpunkte sowie die Abwehr von Flüchtlingen aus Afrika. Dieses Grundmuster westlicher Politik, das in krassem Widerspruch zu den vom Westen stets proklamierten Werten wie Demokratie und Menschenrechten steht, gerät nun durch die Aufstände in den arabischen Ländern ins Wanken. Die Aufstandsbewegungen dagegen wollen eine wirkliche Demokratisierung, Freiheit und soziale Gerechtigkeit in ihren Ländern ohne eine westliche Einflussnahme.

Die militärische Intervention der NATO in Libyen bringt keine Lösung, sie bringt nur eine weitere Eskalation und weitere sinnlose zivile Opfer. Der NATO-Intervention geht es auch nicht um humanitäre Ziele, sondern letztlich um die Sicherung der Ölquellen. Dies wird spätestens angesichts der Millionenbeträge klar, die die EU den Regimen von Ben Ali in Tunesien und Gaddafi in Libyen gezahlt hat, um afrikanische Flüchtlinge auf brutale Weise daran zu hindern, nach Europa zu gelangen. Bei der Flüchtlingsabwehr waren und sind ihnen die Menschenrechte offensichtlich egal.

Dass sich die Bundesregierung aus welchen Gründen auch immer gegen die Beteiligung an einer militärischen Intervention in Libyen ausgesprochen hat, ist gut. Dass sie im Gegenzug dafür ihr Engagement in Afghanistan erhöht, ist kontraproduktiv und zeigt ihr wahres Gesicht.

Sinnvoll ist, sich für einen Waffenstillstand und eine politische Lösung einzusetzen, humanitäre Hilfe zu leisten, Flüchtlinge aufzunehmen, die demokratischen Kräfte zu unterstützen sowie Rüstungsexporte generell zu stoppen und keine Despoten mehr im Zuge von Eigeninteressen zu halten.

Krieg ist keine Lösung! Libyenkrieg beenden!

All diese Schauplätze der herrschenden neoliberalen Weltwirtschaftsordnung und einer Ressourcensicherungspolitik für unsere wachstumsorientierten und energiehungrigen Industriegesellschaften machen eines deutlich:

Weiter so wie bisher ist keine Option!

Ich bin der Meinung: wir haben genug Ressourcen auf unserer Erde für ein menschenwürdiges Leben für alle Menschen! Wir haben genug Wissen und Ideen, um unsere Welt friedlicher und gerechter zu gestalten!

Wir dürfen den Profitmaximierern und neoliberalen Wachstumsideologen in unseren Gesellschaften nicht länger das Feld überlassen. Auf allen Ebenen sollten wir darüber diskutieren, was es heißt, ein gutes, sozial und ökologisch verträgliches Leben zu führen. Und da dürfte der Grundsatz gelten: Soziale Rechte und Zugang zu Ressourcen für alle statt viel haben und viel verbrauchen für einige wenige! Das erfordert sicher auch ein Umdenken in unserem eigenen alltäglichen Konsumverhalten und Lebensstil. Aber es lohnt sich!

Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung! Kein Friede ohne Gerechtigkeit! Eine andere Welt ist möglich!



Pfarrin Gisela Voltz arbeitet für die entwicklungsbezogene Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit "Mission EineWelt" der Evang.-luth. Kirche in Bayern. Vita siehe hier.

E-Mail: gisela (Punkt) voltz (at) mission-einewelt (Punkt) de

Website: www.mission-einewelt.de
 voriger

 nächster




       


Bereich:

Netzwerk
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
        
Themen   FriedensForum Termine   AktuellesHome