Ostermärsche und -aktionen 2012

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08.04.2012


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Ostermärsche und -aktionen 2012

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch Ruhr 2012 in Essen am 8. April

Faschismus und Krieg

Inge Höger (in Essen)



- Sperrfrist: 8. April, Redebeginn: ca. 12 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -



Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

Jahrzehnte nach dem Ende des zweiten Weltkrieges erleben wir eine Welt, in der Krieg wieder zum Mittel der Politik geworden ist. Dabei mahnen uns zwei Weltkriege, die von Deutschland ausgingen, eindringlich: "Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg`! Das war Mahnung und Lehre für viele Menschen in Deutschland und in der Welt nach dem Ende des Weltkrieges. Kriege sind keine Lösung, sondern Teil des Problems. Kriege brechen nicht aus, sie werden gemacht.

Zur Erinnerung: Die Bilanz des zweiten Weltkrieges war verheerend. Über 55 Millionen Tote - Soldaten und Zivilisten, Männer, Frauen und Kinder - unendliche Zerstörungen im Vernichtungskrieg. Dabei hatten die Sowjetunion und Polen die Hauptlast der Vernichtung zu tragen. Unzählige Menschen wurden getötet, verletzt und verstümmelt, Hunderttausende zu Zwangsarbeit verschleppt, Tausende von Dörfern und Städten wurden zerstört. Die angeblich zivilisierte Welt entwickelte barbarische Formen der Kriegsführung. Der deutsche Faschismus praktizierte einen rassistisch begründeten Vernichtungskrieg. Auch der japanische Militarismus verband seine Expansionspolitik mit rassistischen Verfolgungen gegenüber Chinesen und Koreanern. Am Ende des Krieges setzten amerikanische Militärs bei dem Abwurf auf Hiroshima am 6.August 1945 und auf Nagasaki am 9.August zum ersten Mal Atombomben ein. Diese Vernichtungswaffen töten auch heute noch durch schwere genetischen Schäden, die auch Generationen später noch ihre Wirkungen zeigen.

Auch das ist eine Lehre aus dem zweiten Weltkrieg: Sag Nein zu Atomkraftwerken und Atombomben!

Den Höhepunkt fand die faschistische Barbarei in der systematischen und industriellen Ermordung von 6 Millionen Juden und von Roma und Sinti in den Vernichtungslagern. Aus all diesem Grauen zogen überlebende AntifaschistInnen die Konsequenz: "Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel." Der Schwur von Buchenwald wurde für viele friedliebende Menschen eine Leitschnur für ihr Handeln. Im Potsdamer Abkommen der Siegermächte wurde festgelegt, dass Deutschland entnazifiziert und entmilitarisiert wurde. Auch die wirtschaftliche Macht monopolistischer Großunternehmen sollte durch Entflechtung eingeschränkt werden, damit von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen kann.

Banken und Konzerne hatten den Faschismus erst an die Macht gebracht und dieses Regime für ihre Interessen genutzt. Deshalb war die Zerschlagung von IG Farben und anderen und die Übernahme der Kontrolle über deutsche Rüstungsschmieden wie Krupp & Co. auch eine Lehre aus Krieg und Faschismus. Diese Erkenntnis fand auch in den Landesverfassungen von Hessen und Nordrhein-Westfalen ihren Niederschlag.

Im Grundgesetz wurde als eindeutige Konsequenz aus dem deutschen Faschismus das Verbot der Vorbereitung eines Angriffskriegs festgelegt. Auch in der UN-Charta ist ein allgemeines Gewaltverbot verankert.

Nie wieder sollte Krieg ein Mittel der Politik werden!

Aber auch nach dem Zeiten Weltkrieg hat es überall und immer wieder auf der Welt Konflikte und Kriege gegeben. Und spätestens seit dem Zusammenbruch des Warschauer Vertrages und dem Ende des sog. Kalten Krieges erweist sich die vermeintlich neue Weltordnung als zerstörerisch. Krieg ist wieder ein Mittel der Politik geworden und wir erleben seit Anfang der neunziger Jahre immer mehr Kriege, in die die NATO und auch Deutschland und die EU verstrickt sind.

Gerade die verstärkte Militarisierung der deutschen Außenpolitik wurde durch Lügen, Halbwahrheiten und eine Neudefinition der antifaschistischen Verpflichtung begleitet. Aus den Forderungen "Nie wieder Krieg!" und "Nie wieder Faschismus!" wurden nun Erklärungen, um Krieg als Mittel für "Nie wieder Faschismus" umzusetzen. Was bis dahin ein Hinderungsgrund gegen eine aggressive und militärische Außenpolitik gedacht war, wurde nun zur Begründung deutscher Militäreinsätze überall auf der Welt heran gezogen.

Im Vorfeld des sog. Kosovokrieges, der faktisch ein Angriffskrieg gegen Jugoslawien war, wurde diese ideologische Neuausrichtung zum ersten Mal deutlich sichtbar. Der grüne Außenminister Joseph Fischer und der SPD-Verteidigungsminister Rudolf Scharping stellten sich an die Spitze derer, die die Kriegspropaganda zu seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gekannten Höhen führten. Der eine als Erfinder des »serbischen Faschismus« und der neuen Auschwitz-Lüge, der andere als unübertroffener Greuelmelder. 54 Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschlands wurde in Eu-ropa wieder Krieg geführt. Und die Bundeswehr war dabei. Begründung Kampf gegen Faschismus und Terrorismus.

Unter ähnlichen Vorwänden wurde durch die USA und einige ihnen hörige Regierungen 2003 der Irak überfallen. US-Präsident Bush behauptete, der Irak besitze Massenvernichtungswaffen. Und sein Außenminister Powell zeigte vor dem UNO-Sicherheitsrat Luftaufnahmen einer »Chemiewaffenfabrik«: Bilder eines angeblichen mobilen Giftgaslabors, welches von einem UNO-Inspektionsteam schon vorher als Wassertankwagen identifiziert worden war.

Die Lügen wurden entlarvt, aber dies hinderte die USA nicht an der Kriegsführung. Nach weit mehr als 100.000 toten Zivilisten und 4.487 toten amerikanischen Soldaten feierte die US-Administration nun im Dezember 2011 offiziell das Ende des Irak-Krieges.

Festzustellen ist: Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst. Oder die Lüge gehört zum Krieg wie der Orden zum General.

Der Krieg gegen den Irak war spätestens seit Mitte der neunziger Jahre in Planung gewesen. In einem Dokument zur nationalen Sicherheit wird als eindeutiges Ziel eines Krieges »die Sicherung des ununterbrochenen und unangefochtenen Zugangs zum Öl« genannt.

Der Terroranschlag vom 11. September war alles in allem der willkommene Anlass und Vorwand, die geostrategischen Pläne endlich in die Realität umsetzen zu können. Nur schwer war Bush seinerzeit davon abzuhalten, sofort gegen den Irak loszuschlagen, da dieser gegenüber dem afghanischen Taliban-Regime die größere Herausforderung bei der Durchsetzung der amerikanischen Interessen im Mittleren Osten darstellte. Die Bedrohungslügen waren ein Mittel, um die Welt in einen Ausnahmezustand zu versetzen.

Also begannen die USA nach dem 11. Sept. 2001 zunächst den Krieg gegen den "Terror" in Afghanistan. Begründung war ein angebliches Recht auf Selbstverteidigung nach einem angeblich kriegerischen Angriff auf die USA. Auch über diese Begründung kann man schreiten.

Deutschland war schnell mit dabei und die Behauptung des damaligen Verteidigungsministers Struck, Deutschland werde am Hindukusch verteidigt, war wieder eine Kriegslüge. Auch die deutsche Wirtschaft hat strategische Interessen am ungehinderten Zugang zu Rohstoffen und freien Handelswegen. Als Bundespräsident Köhler diese Wahrheit aussprach, musste er noch zurücktreten. Festgelegt ist dies aber schon seit Beginn der 90er Jahre in den Verteidigungspolitischen Richtlinien. Am deutlichsten ist dies in der Überarbeitung durch den neuen Minister de MaiziŠre.

11 Jahre dauert der NATO-Krieg in Afghanistan bereits und ein Ende ist trotz gegenteiliger Beteuerungen nicht in Sicht. Die durch einen deutschen Offizier befohlene Bombardierung von Zivilisten in der Nacht des 4. September 2009 und die folgenden Lügen und Verharmlosungen, die Schüsse deutscher Soldaten auf afghanische Demonstranten im letzten Jahr sowie die nächtlichen Überfälle von US-Soldaten auf die Zivilbevölkerung, wobei der letzte als Amoklauf eines einzelnen Soldaten hingestellt wurde, befördern die Forderung der Menschen in Afghanistan nach einem baldigem Abzug der NATO-Truppen. Die Menschen wollen ein Ende von Krieg und Besatzung!

Nichts ist gut in Afghanistan! Deshalb fordern wir ein sofortiges Ende des Krieges in Afghanistan!

Kriegsabenteuer wie in Afghanistan, Irak und Libyen bringen Tod, Not, Elend, Vertreibung und Zerstörung. Entgegen der offiziellen Drohkulisse von NATO, USA und EU geht es auch in Syrien und Iran nicht um Menschenrechte und Atompolitik, sondern um die politische Vorherrschaft in einer geostrategisch wichtigen Region. Wieder soll ein Krieg mit Lügen und Unterstellungen vorbereitet werden. Wieder ist von faschistischen Regimen die Rede, wieder von Massenvernichtungs- und Atomwaffen. Ziel des Westens sind Wechsel der Regierungen - nicht weil sie die Menschenrechte in ihren Ländern missachten, sondern weil sie nicht willfährig die Interessen der westlichen Industrienationen bedienen.

Günter Grass hat Recht - Es muss gesagt werden.

Grass warnt - in ausdrücklicher Verbundenheit mit dem Land Israel - vor einem israelischen Erstschlag, "der das von einem Maulhelden unterjochte und zum organisierten Jubel gelenkte iranische Volk auslöschen könnte." Er warnt Deutschland davor, mit der Lieferung eines weiteren U-Bootes nach Israel, "dessen Spezialität darin besteht, allesvernichtende Sprengköpfe dorthin lenken zu können, wo die Existenz einer einzigen Atombombe unbewiesen ist, Zulieferer eines Verbrechens zu werden." Und dann fordert Grass, "eine ungehinderte und permanente Kontrolle des israelischen atomaren Potentials und der iranischen Atomanlagen durch eine internationale Instanz."

Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! Das ist die Lehre aus Faschismus und Krieg. Dieser Lehre folgt das Gewaltverbot in der UN-Charta. Und das beinhaltet kein Recht auf einen Erstschlag, weder für die NATO noch für andere Länder. Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden. Der Nahe Osten ist ein Pulverfass, dass nur zur leicht explodieren kann. Nur Gewaltverzicht führt zum Frieden. Die letzte Überprüfungskonferenz zum Atomwaffenspeervertrag fordert einen atom- und massenvernichtungsfreien Nahen Osten.

Die Friedensbewegung fordert eine Atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten und die Vernichtung aller Atomwaffen weltweit!

Friedenspolitik ist untrennbar mit einer klaren antifaschistischen Haltung verbunden, da Faschismus den Krieg in sich trägt. Der Schwur der befreiten KZ-Häftlinge in Buchenwald ist Verpflichtung: "Die Vernichtung des Faschismus mit seinen Wurzeln, der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel." Die NSU-Morde haben auf dramatische Art und Weise gezeigt, dass faschistische Gruppen in Deutschland schon wieder ihr Unwesen treiben. Nazis zogen jahrelang ungehindert mordend durch Deutschland. Es wäre unverantwortlich, wenn sich daraus keine Konsequenzen ergäben. Es muss auch geklärt werden, auf welche Weise der Verfassungsschutz in die Vorfälle verstrickt ist. Wir fordern ein Verbot aller faschistischen Organisationen - insbesondere der NPD.

Wir wollen eine Welt ohne Rassismus, Nazismus und Militarismus, ohne Ausgrenzung, Faschismus und Krieg.

Die Lehren aus dem Kampf gegen Faschismus und Krieg bedeuten: Beendigung aller Einsätze der Bundeswehr und Beendigung aller Kriege - insbesondere des Krieges in Afghanistan - Auflösung der ausländischen Militärstützpunkte, Abrüstung und die Abschaffung der NATO. Die Ziele der UNO-Charta, auf der Grundlage des Völkerrechts "künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren" und "den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern", sind hoch aktuell.

Truppen raus aus Afghanistan! Kein Krieg gegen Syrien oder den Iran!



Inge Höger ist Abgeordenete des Deutschen Bundestages (Fraktion Die Linke)

E-Mail: inge (Punkt) hoeger (at) bundestag (Punkt) de

Website: www.inge-hoeger.de
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