Ostermärsche und -aktionen 2012 update: 08.04.2012 voriger nächster | Ostermärsche und -aktionen 2012 Reden/Kundgebungsbeiträge Redebeitrag für den Ostermarsch 2012 in Büchel am 9. April Macht und Ohnmacht oder: Die Ohnmacht der Macht und die Macht der Ohnmacht Matthias Engelke (in Büchel) - Sperrfrist: 9. April, Redebeginn: ca. 14 Uhr - - Es gilt das gesprochene Wort - Liebe Freundinnen und Freunde, Die Atombombe und mit ihr alle Nuklearwaffen verkörpern größte, je von Menschen hergestellte Zerstörungskraft was in den Köpfen der Menschen schon lange existiert - die vollständige Zerstörung allen Lebens - hier ist es der Möglichkeit nach real: Noch immer reicht die Anzahl allein der stationierten Atomsprengköpfe zu dem aus, was von Fachleuten "Overkill" im Deutsch der Fachleute: "Mehrfachvernichtungskapazität" genannt wurde - ganz zu schweigen von den heimlich gelagerten und von den zwar abgezogenen Atomwaffen aber noch lange nicht unbrauchbar gemachten in den letzten Wochen haben wir erfahren, wie wir in Deutschland nach Strich und Faden betrogen worden sind, wie viel Atomwaffen tatsächlich hier lagerten und der Streit um das Grass-Gedicht dieser Tage macht deutlich wie die Nerven blank liegen, wenn das angenommene Streben nach Atomwaffen der Machthaber im Iran in Beziehung gesetzt wird zu dem tatsächlichen Atombesitz von Regierung und Militärs in Israel und unserer deutschen Beihilfe durch die Auslieferung von atomwaffenfähigen U-Booten es ist kein Wunder, dass diese unvorstellbaren Verwüstungsund Zerstörungskräfte - jede einzelne der hier gelagerten Atomwaffen übersteigt die der Hiroshima- und Nagasakibombe - auf der anderen Seite unvorstellbare Ohnmacht erzeugt ich spreche jetzt von mir: die Tatsache, dass ich jetzt hier im zehnten Jahr vor diesem Atomwaffenlager in Büchel öffentlich gegen deren Lagerung und das Üben damit protestiere zeigt mehr als deutlich, diese Ohnmacht sie wird noch verstärkt, wenn die insgesamt ja recht bescheidenen Ausmaße unserer Bemühungen ins Verhältnis gesetzt werden mit dem gewaltigen Umfang an Soldaten, Zivilisten, Zulieferern, Bürokratie, Material und Munition, das hier sonst tagtäglich ein- und ausfährt und sich manifestiert allein schon, wer dies lächerlich findet - die ansehnliche und überschaubare Anzahl von uns demonstrierenden im Vergleich zu den etwa 2.500 Beschäftigten des Jagdbombergeschwaders, die auch noch damit werben - beweist auf welcher Seite hier gedacht wird: auf der Seite der Macht sie ist verführerisch denn sie gebiert die Lust, das Verlangen, die Sehnsucht danach, es ihr gleich zu tun es ist kein Wunder, dass die Staaten ohne Atomwaffen darauf beharrten: wir verzichten nur dann auf eigene Atomwaffen, wenn die offiziellen Atomwaffenstaaten ihre abrüsten - so im Nichtverbreitungsabkommen geregelt das wurde bis auf den heutigen Tag nicht eingehalten die Atomwaffenstaaten haben es zu verantworten, wenn heute mehr Staaten als zuvor im Besitz von Atomwaffen sind oder danach streben der Wunsch nach Macht setzt sich aber auch in anderen Kreisen fest: so wollten wir gerne mit ganz vielen Menschen auf unserer Seite im wahren Sinn des Wortes demonstrieren, dass wir eigentlich die Mehrheit sind und die Menschen in Deutschland keine Atomwaffen hier und in ganz Europa wollen der Regierung den Hintern heißmachen, dass sie ihre Ankündigung im Koalitionsvertrag noch in die Tat umsetzt und die Atomwaffen aus Deutschland abziehen lässt und wenn das alles nicht hilft dann vielleicht mit einschneidenden Maßnahmen oder gar Blockaden verhindern, dass hier ein normaler Arbeitsalltag herrscht das kann ich alles verstehen und habe selber versucht phantasievolle Varianten solcher Aktion in die Tat umzusetzen aber es liegt auf der vorgegebenen Linie mit der Verteilung von Macht und Ohnmacht wie weit diese Verteilung im Denken und Handeln reicht wird darüber hinaus deutlich, wenn die Perspektive hinzugenommen wird, die landläufig für religiös gehalten wird - ich halte sie eher phänomenologisch gesehen für schlicht menschlich: gemeint ist diese Beobachtung: Menschen, die unter Ohnmacht leiden oder litten entwickeln nicht selten Allmachtsvorstellungen um nicht zu sagen Allmachtsphantasien was bei Kindern ein normaler Teil ihrer geistigen und verhaltensmäßigen Entwicklung zu sein scheint, dass sie Allmachtsvorstellungen entwickeln, die sie in andere projizieren oder spielerisch vielleicht auch selbst ausprobieren das trägt bei Erwachsenen schnell zerstörerische Züge, wirkt selbst- oder/und fremdzerstörerisch: weil alles, was dem zu widersprechen droht, aus dem Weg geräumt werden muss der Glaube an die Wirkungskraft von Waffengewalt birgt offenbar diese Abhängigkeit in sich: der Gegner schränkt meine mit der Waffe phantasierte Allmacht ein und im Konflikt gibt es keine andere Wahl, als ihn zu töten, damit meine Allmacht uneingeschränkt ist und bleibt wieviel mehr erst muss eine Waffe wie die Atombombe Vorstellungen erzeugen, die in weniger martialischer Sprache sich darin zeigt, dass mit ihr die Erwartung verknüpft ist "nicht erpressbar" zu sein: es sind Allmachtsphantasien von dem restlos freien, in allem unbeeinflussbaren Souverän, die der Besitz von Atomwaffen zu versprechen scheint in Wirklichkeit ist es umgekehrt: wer so denkt, hat sich von der Atomwaffe und dem Besitz von Atomwaffen abhängig gemacht verfügt also nicht mehr über die Freiheit, sich für oder gegen sie zu entscheiden wie jemand, der keine Pistole trägt und vor der Entscheidung steht, sie zu ergreifen oder nicht wer das Gewahr im Anschlag hält ist nicht mehr frei, sondern abhängig von der Waffe wer Atomwaffen besitzt ist nicht mehr frei sondern erpressbar durch den und die, die darüber verfügen die bis heute geheim gehaltenen aber offenbar praktizierten Versuche in Deutschland selbst spaltbares atomwaffenfähiges Material herzustellen bezeugen diese Abhängigkeit aber selbst, wenn Deutschland eigene Atomwaffen hätte, wäre es immer noch erpressbar: weil - wer nach ihrem Besitz strebt - die Aufgabe der Atomwaffe als eine Niederlage, als eine Schwäche, als eine Degradierung im Konzert der Großen empfinden würde die Atomwaffe hat also längst Besitz ergriffen von denjenigen, die vorgeben über sie zu verfügen Politiker, die den Besitz von Atomwaffen immer noch befürworten oder gar sich dafür einsetzen, zeigen darin ihre Abhängigkeit von der Faszination Atomwaffe sie sind in ihrer phantasierten Macht ohnmächtig ohnmächtig dafür, wahrzunehmen, welcher Gewinn, welcher Vorteil, menschlich, wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch darin liegt, nicht auf Atomwaffen zu verzichten, sondern sie endlich abzuschaffen und sie - unschädlich gemacht - in ein Museum der Unmenschlichkeit zu stellen. unsere Demonstrationen zielen also auch darauf, dass unsere Politiker, die es nicht schaffen sich vorzustellen, wie es sein könnte, dass in Deutschland und in Europa überhaupt keine Atomwaffen mehr lagern, dass sie befreit dazu werden, sich dies nicht nur vorzustellen sondern auch entdecken, warum und wozu dieses nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig ist, sie dazu gehalten sind; wahrzunehmen, dass es praktikabel und für alle vorteilhaft ist und hier sind wir bei uns angekommen wo doch so viele von uns, gerade die, die schon viel länger als ich in diesem Kampf dabei sind, immer wieder mit dieser Empfindung zu kämpfen haben: warum sind wir nur so ohnmächtig gegenüber diesem offenbaren Unrecht der Atomwaffen? warum konnten die Proteste damals nicht verhindern, dass überhaupt Atomwaffen in Deutschland stationiert wurden warum haben wir es bis heute nicht geschafft, dass Deutschland, dass Europa atomwaffenfrei ist so wie wir atomwaffenfreie Kontinente ja bereits haben - Süd- Amerika, Australien und Afrika: so brauchen wir die atomwaffenfreien Kontinente Europa, Naher Osten, Asien und Nord-Amerika diese immer wieder sich einschleichende Ohnmacht, vor dieser Aufgabe schier immer wieder zu versagen ist ein schleichendes Gift, das teils zur Untätigkeit führt und teils zur Gewaltbereitschaft verführt, im Glauben, den angeblich kürzeren Weg zu nehmen dabei hat ein französischer Literat, der von 1530 bis 1563 gelebt hat und von dem wir wohl überhaupt nichts wüssten, hätte nicht Michael Montaigne in einem seiner Essays, dem über Freundschaft, ihm ein unvergessenes Denkmal gesetzt, zu der gleichen Zeit, als Kopernikus am Himmel bewies, dass die Sonne sich nicht um die Erde dreht, sondern es umgekehrt ist, die gleiche Umkehrung im Gesellschaftlich-Politischen entdeckt: die Herrschenden sind nicht so gewaltig, weil sie über soviel Macht verfügen, sondern umgekehrt: weil die Vielzahl der Menschen ihnen soviel Macht überlassen: modern ausgesprochen: es ist ein Null-Summen-Spiel: der Macht der Herrschenden entspricht die freiwillig Ohnmacht derer, die sich beherrschen lassen der, der das entdeckte, war tienne de La Botie und sein kurzer, nur ein paar Seiten umfassender Beitrag lautet - lange vor Kant: Von der freiwilligen Knechtschaft des Menschen - ins Deutsche übersetzt zum ersten Mal vor wenig mehr als hundert Jahren (1910) von Gustav Landauer - für manche kein Unbekannter nun kann auch diese Gleichung wiederum neue Ohnmachtsgefühle wecken indem uns vor Augen tritt, wie wenig wir sind, und anfangen zu glauben "wären wir Viele, wären die Atombomben weg` das ist wohl noch ein Schritt zu kurz gedacht: es geht um die Aufkündigung aller freiwillig eingegangenen Unterdrückung und Abhängigkeit und diese geht durch die Ohnmacht hindurch wir verlassen die Linie der Herrschenden, die klar vorzeichnet, wie Macht und Ohnmacht verteilt sein sollen und die auch unser Leben immer wieder durchkreuzt sondern zelebrieren unsere Ohnmacht um darin zu erkennen, welche befreiende Macht in ihr liegt: wie das gemeint ist, möchte im am öffentliche Fasten zeigen, das in Anlehnung an Gandhi Anfang August, im Gedenken an die Hiroshima- und Nagasakibombe, in diesem Jahr zum dritten Mal hier stattfinden wird: wir zeigen öffentlich unsere Ohnmacht indem wir gar nichts tun wir fasten, ich werde zu bestimmten Zeiten regelmäßig beten und dazu einladen, wir verteilen Karten und Flugblätter und sonst tun wir gar nichts - und unterlassen damit faktisch und symbolisch alles, was auch nur irgendwie die Atomwaffen unterstützen oder auch nur rechtfertigen würde ich werde in diesem Jahr nicht nur an den Kommodore dieses Geschwaders schreiben sondern auch an die Bundeskanzlerin dem Kommodore und den Piloten gilt es ins Gewissen zu reden dass, wenn sie erklären, mit den Atomwaffen nichts zu tun haben zu wollen, ist die nukleare Teilhabe auch beendet und Frau Merkel deutlich zu machen, in welcher Unfreiheit sie sich bewegt, wenn sie die Atomwaffen weiterhin hier behalten will - was allein schon dadurch sichtbar sieht, wenn man die Stellungnahmen der Elder Statesmen dazu liest - und sie ermutigen das zu tun, was notwendig ist: den Amerikaner zu sagen: hier sollen die Atomwaffen nicht modernisiert sondern abgezogen werden indem wir gar nichts mehr tun, sondern durch unsere Person und unser Fasten das ganze Gegenteil von Gewalt und Herrschaft sind, zeigen wir etwas anders auf, etwas, das nicht die Gewichte verteilt gemäß der Linie von Macht und Ohnmacht sondern zeigen - frei von Dualismen, dem Denken in sich ausschließenden Gegensätzen - ein Kraftfeld auf, das die Menschlichkeit aufzeigt und dazu einlädt in dieses Kraftfeld zurück zu kehren, sich ihm neu anzuvertrauen, alle - die, die auf Masse und Macht vertrauen und auch und gerade die, die in Gefahr stehen, sich von diesem Feld davon zu machen: dieser Ruf, in das Feld der Menschlichkeit zurückzukehren oder sich ihrer neu zu besinnen und sie neu wahrzuhaben: das ist nur dann wahrhaftig und wahrhaft frei, wenn wir dabei auf jede Gewalt verzichten und keinen überreden und niemanden verurteilen, sondern ausschließlich auf Güte und ihre umwälzende Kraft und das Gewissen vertrauen da reicht manchmal ein einziger Mensch aus um dies aufzuzeigen das ist die Macht in der Ohnmacht oder genauer: das zeigt die unaufhaltsame Wirkungskraft der Güte in der angeblichen Ohnmacht Ich danke fürs Zuhören E-Mail: mwEngelke (at) t-online (Punkt) de Website: www.versoehnungsbund.de |
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