Ostermärsche und -aktionen 2012

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10.04.2012


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Redebeitrag für den Ostermarsch 2012 in Ellwangen am 7. April

Philipp Jacks (in Ellwangen)



- Es gilt das gesprochene Wort -



Liebe Friedensbewegte,
liebe Gefährtinnen und Gefährten,

mein heutiges Thema ist die Rüstungspolitik der Europäischen Union. Zu diesem Thema ist gerade letzte Woche eine Studie der Informationsstelle Militarisierung IMI erschienen, die ich für diese Rede verwendet habe. Sie kann auf deren Internet-Seite kostenlos heruntergeladen und auch kostenlos bestellt werden.

Viele sehen die Europäische Union als ein fortschrittliches, zivilgesellschaftliches Projekt - und von der Idee her könnte sie das ja auch sein.

Ganz aktuell gibt es eine entsprechende Initiative, die auch von den Gewerkschaften getragen wird, und die sich für mehr wirtschaftliche Vernunft, soziale Gerechtigkeit und demokratischen Mut ausspricht. Europa braucht eine öffentliche Debatte über eine neue solidarische und demokratische Zukunft! Auch Ihr könnt den Aufruf unterzeichnen unter
http://www.europa-neu-begruenden.de.

Leider soll die EU aber anscheinend auch eine militärische Weltmacht werden, während die sozialen Grundsätze eher eine Nebenrolle spielen.

In den letzten Jahren haben sich einerseits in fast allen EU-Ländern die Sozialausgaben im freien Fall befunden, die Rüstungsetats hingegen sind fast gleichbleibend.

Grund dafür ist vor allem, dass es der Militärlobby weitgehend unbemerkt gelungen ist, einen enormen Rüstungsdruck aufzubauen und die Herausbildung eines europäischen Militärisch-Industriellen Komplexes zu forcieren.

In den Massenmedien ist allerdings eher zu lesen, dass die Rüstungsindustrie schweren Zeiten entgegen sieht und die High-Tech-Schmieden gefährdet sind. Anhand der vorliegenden Zahlen kann man einfach feststellen: das ist plumpe PR, ein anderes Wort für Propaganda, die bei der Bevölkerung Angst schüren soll und mehr Geld in die Kassen der Rüstungsindustrie spülen soll.

Die große Mehrheit der europäischen Bevölkerung spricht sich trotzdem in diesem Zusammenhang für drastische Kürzungen bei den Rüstungshaushalten aus, anstatt die Sozialausgaben immer weiter zu senken - in Deutschland waren es bei einer ZDF-Umfrage überwältigende 82 Prozent die sich für Kürzungen bei den Rüstungsausgaben ausgesprochen haben.

Allerdings sind sich Politik und Wirtschaft darüber im Klaren, dass unter den derzeitigen Bedingungen eine deutliche Erhöhung der Rüstungsausgaben wohl am Widerstand der Öffentlichkeit scheitern dürfte.

Vor diesem Hintergrund werden derzeit auf EU-Ebene immer mehr offene und verdeckte Rüstungshaushalte eingerichtet, die sich zudem auch noch weit gehend der Kontrolle durch die jeweiligen nationalstaatlichen Parlamente oder durch das Europäische Parlament entziehen.

Hinzu kommt außerdem eine immer offenere Zweckentfremdung von Geldern aus zivilen EU-Haushaltstöpfen für militärrelevante Zwecke - vom Agrarhaushalt über das Forschungsrahmenprogramm bis zur Entwicklungshilfe. Mit der Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) ist die Vermischung ziviler und militärischer Kapazitäten und Gelder mittlerweile institutionalisiert worden und hat einen Grad erreicht, dass von einer zivilen, unabhängigen EU-Außenpolitik inzwischen keine Rede mehr sein kann.

Tatsächlich wird mit diesem Militärapparat massiv Geld zum Fenster hinausgeworfen; und das in einer Zeit, in der viele Menschen in der Europäischen Union von nackter Existenzangst betroffen sind.

Die Ursachen heutiger Konflikte lassen sich nicht militärisch beseitigen - im Gegenteil. Um diese Konflikte zu lösen müsste stattdessen die ausbeuterische europäische Außenwirtschaftspolitik beendet werden, jegliche Form von Rüstungsexporten sofort gestoppt, und umfassend abgerüstet werden.

Die hierdurch freiwerdenden Gelder müssten als Reparationszahlungen in sinnvolle Maßnahmen zur Armutsbekämpfung umgeleitet werden.

Kurz gesagt: Die Etablierung einer gerechteren Weltordnung ist die einzige Alternative zur gegenwärtig stattfindenden Militarisierung. Weil die Eliten in Politik, Wirtschaft und Militär hierzu aber nicht bereit sind, wird auf den Ausbau des gewaltsamen Krisenmanagements gesetzt.

Die Tatsache, dass es gelingt, für diesen Zweck weiter riesige Summen für die Rüstung zu mobilisieren, zeigt, wie stark die Lobby für Krieg und Profit in der Europäischen Union schon geworden ist - und ihr Einfluss droht durch die mittlerweile in Gang gesetzten Konzentrationsprozesse zu Europäischen Großkonzernen noch weiter zuzunehmen.

Je mächtiger der sich herauskristallisierende Militärisch-Industrielle Komplex jedoch wird, desto mehr droht eine Militarisierungsdynamik zu entstehen, die zur Folge haben wird, dass zur "Lösung" von Konflikten mehr und mehr auf Gewalt gesetzt wird.

Eine Umfrage unter Experten in der Rüstungsindustrie zeigt, dass diese Experten vor allem eine Bedeutungszunahme von bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, Konflikten um knappe Güter wie Nahrungsmittel, Wasser und Rohstoffe sowie von Terrorismus erwarten. Ein weiterer Trend besteht demnach in der Verlagerung von Kämpfen in bewohnte Gebiete.

Die Militarisierung der Europäischen Union ist das Resultat des Unwillens, aggressiver Machtpolitik und Ausbeutung endgültig den Rücken zuzukehren.

Stattdessen werden Milliardenbeträge in einen Militärapparat investiert, dessen primäres Ziel genau darin besteht, Armut, Ausbeutung und Unterdrückung in der Welt aufrechtzuerhalten.

Dies wiederum verstärkt die Tendenz, militärische Lösungen für Probleme zu suchen, die sich nur auf andere Weise lösen lassen.

Denn ohne die entsprechenden militärischen Kapazitäten sieht man sich vielleicht eher genötigt, über die Ursachen der zunehmenden Verwerfungen nachzudenken und friedliche Lösungen zu finden.

Wäre man bereit, über diese Ursachen nachzudenken, so müssten ganz andere Maßnahmen auf der Tagesordnung stehen.

Notwendig wären u.a. die Einstellung sämtlicher Rüstungsexporte, die Beendigung der ausbeuterischen neoliberalen Außenwirtschaftspolitik, die sofortige Abrüstung und die Umleitung der freiwerdenden Gelder zugunsten sinnvoller Entwicklungshilfe.

Das Committee on Disarmament, Peace & Security (CDPS), eine friedenspolitisch engagierte Nichtregierungsorganisation, verglich unlängst Rüstungsausgaben mit den geschätzten Kosten, die zur Erreichung der Millennium-Ziele zur Bekämpfung der Armut (MDG) erforderlich wären. CDPS zufolge könnten extreme Armut und Hunger mit 39-54 Mrd. Dollar beseitigt werden.

Die Gewährleistung universeller Bildung und die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit würden weitere 10-30 Mrd. Dollar erfordern. Um die Kindersterblichkeit um 2/3 zu senken, die Gesundheit von Müttern zu verbessern sowie Aids, Malaria und andere Krankheiten zu bekämpfen, würden 10-25 Mrd. Dollar benötigt.

Schließlich seien zum Schutz der Umwelt 5-21 Mrd. Dollar erforderlich.

Mit anderen Worten, zur Umsetzung der Millennium-Ziele, die bis 2015 erreicht werden sollten, aber meilenweit verfehlt werden, wären 64-130 Mrd. Dollar notwendig - also ungefähr 8 bis 16 Prozent dessen, was die NATO-Staaten jährlich in die Rüstung pumpen!

Aber auch die deutsche Außenpolitik muss von den Zielen Abrüstung, zivile Hilfen und fairer Handel geprägt sein. Es ist ein Skandal, dass die deutschen Rüstungsexporte die dritthöchsten weltweit sind. Davon profitieren auch viele Firmen hier in Baden-Württemberg.

Was die Welt und die betroffenen Menschen brauchen, sind Abrüstung, soziale Gerechtigkeit, zivile Hilfe, Befriedigung der menschlichen Grundbedürfnisse, demokratische Strukturen und Menschenrechte für alle.

Wir als DGB fordern ein Ende der deutschen Beteiligung in Afghanistan und die sofortige Beendigung des Afghanistan-Einsatzes.

Auch die Probleme im Nahen Osten müssen mit friedlichen Mitteln gelöst werden. Wir wollen weder einen neuen Krieg gegen den Iran noch Bürgerkriege gegen die eigene Bevölkerung wie in Syrien.

Atomare Kriegsführung und der Ersteinsatz atomarer Waffen sind immer noch Teil der strategischen Planung der NATO. Wir fordern den Abzug aller US-Atomwaffen aus Deutschland und die Verschrottung aller Atomwaffen.

Außerdem wollen wir die Bundeswehr in den Kasernen sehen, nicht in den Schulen und Arbeitsämtern! Der von der Landesverfassung geforderten Erziehung zum Frieden steht dieser Einsatz der Jungoffiziere fundamental entgegen!

Es wird Zeit umzudenken und umzusteuern!

Wir wollen Frieden schaffen ohne Waffen!

Vielen Dank und Glück auf!



Philipp Jacks ist Regionssekretär der DGB Region Nordwürttemberg.

E-Mail: Philipp (Punkt) Jacks (at) dgb (Punkt) de

Website: www.ostwuerttemberg.dgb.de
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