Ostermärsche und -aktionen 2012

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10.04.2012


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Ostermärsche und -aktionen 2012

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2012 in Biberach am 6. April

Gier. Macht. Krieg

Ralph Lange (in Biberach)



- Es gilt das gesprochene Wort -



Liebe Freundinnen und Freunde,

lautet das Motto unserer heutigen Karfreitagsmahnwache. Gier Macht Krieg. Ein Wortspiel.

Gier als das Begehren eines Menschen nach etwas. Gier nach Besitz, Reichtum, Macht. Die Habgier zählt bei vielen Christen zu den sieben Todsünden, aber auch in anderen Kulturkreisen wird die Gier moralisch verurteilt.

Macht. Macht ist die Verfügungsgewalt über Ressourcen. Ich kann Macht ausüben, indem ich Ihr Leben oder das Leben Ihrer Familie bedrohe. Noch mehr Macht habe ich, wenn ich über Waffen verfüge, die ganze Erdteile auslöschen oder gar die Erde zerstören kann. Ich kann Macht ausüben, indem ich über Bodenschätze oder knappe Ressourcen wie Wasser verfüge. Ich kann Macht ausüben, indem ich Handel oder Handelswege kontrolliere.

Krieg ist ein organisierter und unter Einsatz erheblicher Mittel mit Waffen und Gewalt ausgetragener Konflikt - so das Onlinelexikon Wikipedia. Durch Krieg kann Macht gesichert, Macht erreicht oder verloren werden. Krieg vernichtet aber immer Ressourcen, unwiederbringlich. Krieg tötet Menschen, Männer, Frauen und Kinder. Krieg zerstört unsere Umwelt und auch die Lebensgrundlagen von Menschen. Krieg vernichtet auch Kapital und Wohlstand.

Doch macht Gier auch Krieg? Diese Frage lässt sich nicht einfach beantworten. Krieg hat viele Ursachen. Gier gehört sicher dazu. Gier nach Macht auch. Ich möchte heute den Blick allerdings nur auf einen Aspekt lenken. Dieser Aspekt gehört seit langem zu den Kernthemen der Friedensbewegung des 20. und 21. Jahrhunderts. Den Aspekt des Profits am Krieg. Wie nach einem Mord müssen wir uns immer wieder fragen: Wer profitiert denn vom Krieg? Zum einen natürlich der oder die vermeintlichen Gewinner. Zum anderen gibt es aber finanzielle Profiteure. Der unscheinbare Dritte ist die Rüstungsindustrie. Das Geschäft blüht wie nie zuvor.

Der weltweite Waffenhandel wuchs in den vergangenen fünf Jahren um fast ein Viertel, so das renommierte Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI in ihrem am 19. März vorgelegten Report. Die hundert größten Rüstungskonzerne weltweit haben ihre Geschäfte im Jahr 2010 wieder steigern können. Ihr Umsatz beim Verkauf von Waffen und anderer Militärausrüstung stieg um ein Prozent auf 310 Milliarden Euro. Die weltweiten Ausgaben für Rüstung betrugen 2010 ca. 1.240 Milliarden Euro. Ich muss zugeben, dass ich mit hohen Zahlen wie diesen meine Probleme habe. Vergleiche helfen mir beim Verständnis. Vielleicht auch Ihnen? Jeder der 82 Millionen Bundesbürger, vom Baby bis zum Greis, gibt jährlich über 15.000 Euro für Rüstung aus. Im Jahr 2010 betrug die gesamte Staatsverschuldung Griechenlands rund 329 Milliarden Euro. Der Soziologe Jean Ziegler schätzt, dass ca. 63 Milliarden Euro ausreichen müssten, um den Hunger weltweit erfolgreich zu bekämpfen. Es ist eine Schande, meine Damen und Herren, solche Unsummen für totes oder todbringendes Kapital wie Rüstung zu verschwenden.

Wussten Sie, dass Deutschland der drittgrößte Exporteur und Europameister beim Rüstungsexport ist? Im Jahr 2010 hat Deutschland mit dem Export von Waffen und Rüstungsgütern so viel Geld eingenommen wie noch nie. Nach Angaben des Rüstungsexportberichts beläuft sich der Wert der tatsächlich ausgeführten Kriegsgüter auf rund zwei Milliarden Euro. Das bedeutet eine Steigerung um knapp 50 Prozent gegenüber dem Jahr 2009.

Weltweit wurden Waffen "Made in Germany" an 63 Länder verkauft, die wichtigsten Absatzmärkte waren Griechenland, Südkorea und Südafrika. Der Rüstungshandel ist globalisiert. Große Abnehmer sind NATO-Staaten. Den Löwenanteil davon machen traditionell die Türkei oder Griechenland aus. Sie haben richtig gehört: Das hochverschuldete Griechenland ist einer der Hauptabnehmer unserer Rüstungsgüter. Wir versorgen es gerne mit Waffen, denn Griechenland muss sich vor unserem Abnehmer und Nato-Partner Türkei schützen. Der Militäretat Athens ist prozentual zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) gerechnet doppelt so hoch wie im Rest der EU, und dennoch werden weiter Waffen geordert. Da gibt es für Käufe keine Einschränkungen, während gleichzeitig im Mutterland der Demokratie Löhne und Renten gesenkt werden.

Aber auch Golf-Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien gehören zu unseren Stammkunden. In Saudi-Arabien wird beispielsweise eine deutsche Sturmgewehrfabrik gebaut. Außerdem werden Leopard-Panzer dorthin verschifft. Diese Panzer können schon rein geografisch nicht gegen den Iran eingesetzt werden, wohl aber gegen Israel, gegen Aufstände in Nachbarstaaten wie Bahrain und - dem Bautyp nach - gegen die eigene Bevölkerung.

Gegen Zivilisten sind auch die Sturmgewehre, etwa die Produkte von Heckler & Koch, bestens einzusetzen. Jede Minute stirbt ein Mensch an den Folgen einer Gewehrkugel, einer Handgranate oder einer Landmine. Fachleute schätzen, dass alleine durch Gewehre und Pistolen der Waffenschmiede Heckler & Koch nach dem Zweiten Weltkrieg weit mehr als eine Million Menschen ihr Leben verloren haben. Weitere ungezählte Kriegsopfer sind durch die vielen anderen waffenexportierenden deutschen Unternehmen zu beklagen. Gewehre sind die Massenvernichtungswaffen des 21. Jahrhunderts.

Wenn Sie und ich bislang dachten, dass Waffen nicht in Spannungsgebiete exportiert werden dürfen, dann ist das ein weitverbreiteter Irrtum. So haben deutsche Firmen im vorletzten Jahr für 97 Millionen Euro Waffen nach Indien geliefert und für die gleiche Summe nach Pakistan. Denn Fragen wie Menschenrechte oder militärische Spannungen müssen gegen außen- und sicherheitspolitische Interessen abgewogen werden. Bei der Abwägung fehlt freilich der Aspekt des wirtschaftspolitischen Interesses. Geld mit Rüstung verdienen viele gerne - nur geben sie das ungern zu.

Seit über einem Jahr gibt es in der Bundesrepublik die "Aktion Aufschrei - stoppt den Waffenhandel!". Die Aktion, die von zahlreichen Friedensorganisationen mit getragen wird, plant eine Klarstellung des Grundgesetzartikels 26 (2) Er soll in Zukunft lauten: "Kriegswaffen und Rüstungsgüter werden grundsätzlich nicht exportiert. Das Nähere regelt das Rüstungsexportgesetz."

Um den Opfern Stimme zu geben, plant die Aktion Aufschrei Vortragsveranstaltungen - Zeugenreisen - mit Menschen, die aus eigenem Erleben berichten, was mit Waffen aus deutscher Produktion u. a. in Menschenrechte verletzenden Ländern angerichtet wird.

Doch nicht nur den Opfern, auch den Tätern soll Name und Gesicht gegeben werden. Wo werden in Deutschland Waffen produziert? Welche Manager leiten die Unternehmen? Wem gehören sie? Wer sind die zahlreichen Lobbyisten mit ihren Organisationen? Wer sind die Unterstützer in Politik, Wirtschaft und Kultur? Profitgier macht Krieg. Immer noch gilt der alte Slogan der Friedensbewegung "deutsche Waffen, deutsches Geld - morden mit in aller Welt".

Ich bin der festen Überzeugung, dass auch wir im Kreis Biberach die Aktion Aufschrei unterstützen sollten. Das Biberacher Friedensbündnis wird sich auch weiterhin in diesem Sinne in die Politik einmischen. Unterstützen auch Sie unser Tun, mischen auch Sie sich ein.

Ich schließe deshalb mit einem Appell von Prof. Dr. Margot Käßmann, Schirmherrin der Kampagne Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel! : "Unsere Volkswirtschaft profitiert von der Gewalt und den Kriegen, die wir beklagen. Die Friedensbewegung und die Kirchen können angesichts dieser furchtbaren Situation nicht schweigen."

Vielen Dank.



Ralph Lange ist aktiv beim Biberacher Friedensbündnis-

E-Mail: kontakt (at) ralph-lange (Punkt) de

Website: www.ralph-lange.de
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