Ostermärsche und -aktionen 2012

update:
10.04.2012


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Ostermärsche und -aktionen 2012

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Einführung für den Ostermarsch 2012 in Osnabrück am 7. April

Begrüßung und Einstieg zum Ostermarsch 2012

Thomas Müller (in Osnabrück)



- Es gilt das gesprochene Wort -



Mein Name ist Thomas Müller von der Osnabrücker Friedensinitiative OFRI und ich begrüße Sie zu unserer heutigen Veranstaltung in der Tradition der Ostermärsche, die wir in diesem Jahr in Kooperation mit der Erich Maria Remarque Gesellschaft durchführen.

Heute handelt es sich um eine Veranstaltung unter dem Thema "Kriegsdenkmäler - wir hinterfragen die Heldenverehrung". Wir machen eine "Friedlichen Radfahrt zu kriegerischen Erinnerungsorten in Osnabrück", in Fortsetzung des Spaziergangs des letzten Jahres. 2011 hatten wir Ostern Gedenkorte in der Innenstadt von Osnabrück bei unserem Spaziergang aufgesucht. Neben Rathaus und Katharinenkirche waren wir am Straßburger Platz, am Bucksturm, und an der Dominikaner Kirche.

In diesem Jahr werden wir einige Außenbezirke von Osnabrück mit dem Rad aufsuchen. Zuerst werden wir am Hasefriedhof Station machen. Danach geht es zur Ecke Römeresch/An der Netter Heide und weiter nach Haste zur Hardinghausstraße/In den Bleeken.

Auf dem Rückweg werden wir noch einen neu verlegten "Stolperstein" am Drosselweg aufsuchen, der an einen verstorbenen Deserteur erinnert und somit im Gedenken neuerdings einen Kontrapunkt zu dem verbreiteten klassischen Soldatengedenken darstellt.

An jedem Ort wird es eine kurze Einführung von mir oder Olaf Steggewentz und dann eine künstlerische Ergänzung von Achim Bigus geben. Abschließend werden wir wieder die Katharinenkirche aufsuchen, um dort eine Weiterentwicklung seit dem letzten Jahr zu sehen. Hinterher besteht hier im Grünen Jäger noch die Möglichkeit zu Diskussion und Austausch.

Wie ich schon vor einem Jahr bei der Begrüßung ausführte:

Krieg als Mittel der Politik zur Durchsetzung von Interessen wird zunehmend hoffähig.

Im Rahmen eines schleichenden Prozesses ist das, was lange Zeit undenkbar schien, mittlerweile wieder Alltag. Deutsche Soldaten sind weltweit im Einsatz, Deutschland beteiligt sich mit seinen Soldaten in Afghanistan wieder an einem Krieg, der nach jahrelangem - salopp gesagt - "Rumgezippel" jetzt auch von allen so benannt wird.

Weiterhin wird über die Durchsetzung von Wirtschaftsinteressen mit militärischen Mitteln gesprochen und dies in zunehmendem Maße als legitim angesehen und auch öffentlich so vermittelt.

Krieg gehört also wieder zu unserem Alltag, "Nie wieder Krieg", "Nieder mit den Waffen" und "Schwerter zu Pflugscharen" erscheinen wie Aufforderungen und Relikte aus vergangenen Zeiten. Stattdessen frisst sich Militarismus zunehmend in die verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche.

Beispiele hierfür sind die Kooperationsvereinbarungen der Bundeswehr mit den Bildungsministerien einzelner Länder, damit Soldaten in Schulen aktiv werden können. Hierbei geht es letztlich um Nachwuchswerbung für die Freiwilligenarmee genauso wie bei den Bundeswehrvertreter in den Arbeitsagenturen.

Ein anderes Beispiel ist die Einführung einer eigenen Militärgerichtsbarkeit, die weiterhin fast unbemerkt von der Öffentlichkeit in kleinen Schritten voranschreitet. Am 28. März, d.h. vor einer Woche hat das Bundeskabinett eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Kempten beschlossen. Hier werden alle Verfahren gegen Bundeswehrsoldaten bei Auslandseinsätzen gebündelt. Nach dem Willen der Regierungsfranktionen soll dies bis November diesen Jahres umgesetzt werden. "Hintergrund dieses Beschlusses ist, dass in solchen Strafverfahren nur noch Juristen entscheiden sollen, die sich mit den speziellen Abläufen von Auslandseinsätzen und Auslandsermittlungen auskennen." (Zitat der CDU/CSU Mitteilung). Man kann sich vorstellen, wie diese speziellen Kenntnisse aussehen mögen. Von kritischen Juristen ist hier immer wieder auf die Gefahr der Verquickung mit den Interessen der Bundeswehr und eine mangelnde Unabhängigkeit hingewiesen worden - es besteht die Gefahr einer eigenständigen Militärgerichtsbarkeit um die Interessen des Militärs abzusichern und letztlich Militärs vor Strafverfolgung bei Vergehen gegen Völkerrecht etc. zu schützen. Der Umgang mit der Bombardierung in Kundus (Afghanistan) ist hier noch gut in Erinnerung.

Im letzten Jahr bin ich schon auf die "Einsatzmedaille Gefecht" für aktive Teilnahme an militärischen Gefechten und das "Ehrenmal der Bundeswehr" im Bendler-Block (Bundesverteidigungsministerium Berlin) eingegangen.

Erst kommt eine Normalisierung und Implementierung im Alltag, dann die Glorifizierung und Verherrlichung von Krieg, Soldatentum und die Schaffung neuer Heldenbilder.

Die neuste Weiterentwicklung in dieser Linie ist der Vorschlag von Verteidigungsminister de Maiziere im Februar diesen Jahres, auch in Deutschland einen Veteranentag - am Volkstrauertag - einzuführen. Wörtlich "die Zeit ist reif". Passender Weise an dem Tag, der von den Nazis schon zum "Heldengedenktag" gemacht wurde. Bei seinem Besuch in den USA war der Minister so begeistert, dass er bezüglich Deutschlands ausführte, "die Angst vor der eigenen Stärke sei vorbei" und die Bundeswehr könne wieder kämpfen und führen (taz, 18./19.2.2012).

Ich kann mich noch an meine Kindheit, Ende der 50er Jahre im Dorf meines Großvaters daran erinnern, wie der "Kriegerverein" zum "Kriegerdenkmal" in Erinnerung an die Weltkriege und früherer Kriege marschierte und der "Helden gedachte". Damals nicht in Uniform, aber mit den alten Orden an der Brust. Demnächst werden wir das u.U. dann wieder ganz offiziell mit allen militärischen Ehren und politischer Selbstdarstellung erleben.

Wir werden heute das Denkmal in Haste aufsuchen, auf das sich Erich Maria Remarque in dem Roman "Der schwarze Obelisk" bezieht. Erich Maria Remarque hat sehr treffend diese Entwicklung einschließlich der Einweihung des Kriegerdenkmals in dem fiktiven Ort Wüstringen beschrieben. Aus dem kriegerischem Massenmord wird heldenhaftes Verhalten, Ehre und Vaterlandsliebe werden als Ideale herausgekehrt. Remarque hat sehr deutlich dieses "Heldentum" hinterfragt, als er formulierte: Wann wird zu Mord, was man sonst Heldentum nennt?"

Dies ist das Umfeld für die Gestaltung unserer diesjährigen Osteraktivität.

Wir wollen wieder exemplarisch deutlich machen, wie schon jetzt im Osnabrücker Stadtbild, in unserem Alltag Kriegs- und Soldatenverherrlichung und -gedenken unreflektiert verankert ist. Seien es Denkmäler und Tafeln in Rathaus und Behörden, Unternehmen, Kirchen oder Schulen sowie Straßennamen, die überall kommentarlos sind. Wir gehen daran vorbei, nehmen sie kaum noch wahr, kennen sie u.U. nicht einmal. Diese Relikte vergangener Kriege sind Bestandteile unserer Stadt und unseres Alltages und allgegenwärtig. Es besteht zu befürchten, dass wir in der Zukunft auch zunehmend entsprechende Spuren oder Erinnerungen bzw. Heldengedenkstätten an die neuen Kriege in unseren Städten haben werden.



E-Mail: th (Punkt) mueller (at) osnanet (Punkt) de

Website: www.osnabruecker-friedensinitiative.de
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