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20.03.2013


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Redebeitrag für den Ostermarsch 2013 in Maniz am 30. März

Strukturreform der Bundeswehr und Militarisierung von Bildungseinrichtungen

Julian Toewe (in Mainz)



- Sperrfrist: 30. März, Redebeginn: ca. 12.30 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -



Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen,
Liebe Freundinnen und Freunde,

als Mitglied des AK Zivilklausel an der Uni Frankfurt und Mitglied der DFG-VK Frankfurt möchte ich heute über den Zusammenhang zwischen der Strukturreform der Bundeswehr und die Militarisierung von Bildungseinrichtungen sprechen.

Aus der Lehre der Geschichte"Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz" ist inzwischen in der deutschen Öffentlichkeit und der deutschen Außenpolitik der erste Teil dieser Mahnung -,Nie wieder Krieg"- gestrichen worden. Deutschland beteiligt sich seit der Wiedervereinigung wieder weltweit aktiv an Kriegseinsätzen.

In Zeiten massiver Rüstungsexporte bedeutet Krieg nicht nur, selbst Bomben abzuwerfen oder die eigene Armee im Einsatz zu haben, sondern auch, Rüstungsgüter zu entwickeln und an die Krisenherde dieser Welt zu verkaufen. Deutschland belegt weltweit den 3. Platz in der Liste der größten Waffenexporteure. Weitgehend unbekannt ist jedoch, dass die deutschen Hochschulen dazu einen wichtigen Beitrag liefern.

Es ist sicher kein Zufall, dass Militärforschung im Geheimen betrieben wird, denn in der deutschen Öffentlichkeit gibt es zum Glück immer noch große Vorbehalte gegen die Einbindung von zivilen Institutionen ins Kriegsgeschäft. Allerdings wird und wurde in der Öffentlichkeit nicht thematisiert, dass mit dem Erscheinen des Weißbuches der Bundeswehr im Jahr 2006 ein grundlegender Strategiewechsel in der Außen-und Kriegspolitik Deutschlands formuliert und umgesetzt wurde. Darin wurde in Papierform rückwirkend der Wandel von einer Verteidigungsarmee zu einer Interventionsarmee beschrieben und bekräftigt. Ganz in diesem Tenor stehen auch die Verteidigungspolitischen Richtlinien aus dem Jahr 2011, in denen es wörtlich heißt:

"Deutschland ist bereit, als Ausdruck nationalen Selbstbehauptungswillens und staatlicher Souveränität zur Wahrung seiner Sicherheit das gesamte Spektrum nationaler Handlungsinstrumente im Rahmen des Völkerrechts einzusetzen. Dies beinhaltet auch den Einsatz von Streitkräften." Um die Transformation zu einer Interventionsarmee finanzieren zu können, muss einerseits die Größe der Streitkräfte verkleinert werden. Dafür wurden mit der Aussetzung der Wehrpflicht die Weichen gelegt. Andererseits müssen alle nicht-Bundeswehreigenen Kernaufgaben ausgegliedert werden. Im Bericht der Strukturkommission der Bundeswehr im Oktober 2010 heißt es dazu:

"Im Rahmen der bundeswehrinternen Ausbildung und für den Betrieb der Bundeswehr werden Kooperationen mit der Wirtschaft sowie anderen staatlichen Institutionen und privaten Einrichtungen eingegangen."

Was dort in bürokratischem Jargon beschrieben wird, ist nichts anderes als die Einbindung der Zivilgesellschaft in die kriegerische Außenpolitik Deutschlands. Konkret bedeutet dies für den Bildungsbereich eine in der BRD bisher nicht gekannte Form der Militarisierung: Kooperationsvereinbarungen der Bundeswehr mit den Kultusministerien der Länder, Jugendoffiziere in den Schulen, Klassenausflüge zu Kasernen und auf Panzern spielende Kinder sind die direkten Zeichen dieser Militarisierung an Schulen. Diese Praxis verstößt gegen die UNO-Kinderrechtskonvention, aber das kümmert die deutschen Behörden anscheinend nicht im Geringsten!

Im Hochschulbereich sind die Zeichen andere. Auf eine große Anfrage der Fraktion"Die Linke" im hessischen Landtag zu Rüstungsforschung an hessischen Hochschulen, lautete die Antwort der Landesregierung, dass an der Goethe-Universität Frankfurt a.M. wehr-und sicherheitstechnische Forschung durchgeführt werde. Doch welche Projekte mit welchen Mitteln durchgeführt werden, könne mangels statistischer Daten zu Drittmitteln nicht gesagt werden. Diese Antwort der Landesregierung allein ist schon ein Skandal, denn wer glaubt schon, dass über Drittmittelprojekte keine Statistiken geführt werden. Aber der große Skandal kam 2010 im Bundestag.

Als Reaktion auf eine kleine Anfrage der Linkspartei im Bundestag zu staatlich finanzierter Rüstungsforschung an deutschen Hochschulen, stellte der damalige Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg die Antwort unter Geheimschutz. Damit ist sie nur für Parlamentarier*innen einsehbar.

Das heißt erstens, dass staatlich finanzierte Rüstungsforschung nicht mehr demokratisch durch die Bevölkerung kontrollierbar ist. Zweitens, und das ist ein Schlag ins Gesicht für alle gewissenhaften Wissenschaftler*innen an den Hochschulen: Sie können nicht mehr offiziell überprüfen, ob die Forschungsprojekte, an denen sie mitarbeiten, militärischen Zwecken dienen. Klarheit darüber erlangen sie spätestens nach Abschluss des Projektes, wenn sie die Forschungsergebnisse nicht veröffentlichen dürfen, weil das Bundesverteidigungsministerium diese ebenso unter Geheimhaltung stellt.

Wie soll diese Praxis mit der grundgesetzlich verbrieften Wissenschaftsfreiheit, mit der demokratischen Kontrolle der Hochschulen und der Friedensfinalität des Grundgesetzes vereinbar sein?

Doch in welchen Bereichen findet überhaupt Rüstungsforschung statt? Es wäre falsch zu glauben, die Hochschulen würden sich auf die Entwicklung von Drohnen, Überwachungssatelliten oder Panzerungen beschränken. Es sind längst nicht nur die Natur-und Ingenieurswissenschaften, die für den Krieg forschen. In der Pharmazie und Medizin wird weiter versucht den Soldaten zur Maschine zu trimmen. In den Sozialwissenschaften wird Kriegslegitimierung betrieben und darüber hinaus Strategien ausgearbeitet, wie die Bevölkerung in Einsatzländern von der Richtigkeit der Stationierung ausländischer Soldat*innen überzeugt werden kann. Das alles ist bereits passiert und dies alles passiert aktuell.

Der neuste Paukenschlag jedoch kommt aus Baden-Württemberg. Dort bieten Jugendoffiziere schon seit einiger Zeit Veranstaltungen an den Universitäten an, die sich die Studierenden für ihr Studium anrechnen lassen können. Jetzt ist es sogar so weit, dass die Teilnahme an 7 der 14 angebotenen Veranstaltungen für Referendar*innen obligatorisch ist. Das ist ein nicht hinnehmbarer Zustand!

Doch es gibt auch Widerstand gegen diese Entwicklung. Seit 4 Jahren gibt es studentische Initiativen, Gewerkschaften, sowie Friedens-und Wissenschaftsorganisationen, die sich sowohl lokal als auch bundesweit für die Einführung von Zivilklauseln an Hochschulen einsetzen. Sie fordern Hochschulen auf, ausschließlich für friedliche und zivile Zwecke zu forschen und zu lehren.

Aber es bleibt nicht allein bei der Aufforderung: In Karlsruhe, Köln und zuletzt im Januar diesen Jahres in Frankfurt am Main wurden an den Universitäten studentische Urabstimmungen durchgeführt, bei denen alle Studierenden ihr Votum für oder gegen eine Zivilklausel an ihrer Universität abgeben konnten. Bei allen drei Abstimmungen sprach sich eine große Mehrheit für die Einführung einer solchen Zivilklausel aus. Die Ergebnisse der Urabstimmungen sind nicht verpflichtend, haben aber im Fall der Universität Frankfurt mit dazu beigetragen, dass die demokratischen Universitätsgremien und der Hochschulrat im Januar und Februar 2013 eine verpflichtende Zivilklausel beschlossen haben. In der neuen Präambel der Goethe-Universität heißt es:"Lehre, Forschung und Studium an der Goethe-Universität dienen zivilen und friedlichen Zwecken." Damit ist die Universität Frankfurt die 12. Hochschule in Deutschland mit einer Zivilklausel.

Doch auch die negativen Entwicklungen wie der Wegfall der Zivilklausel am Karlsruher Institut für Technologie und das damit verbundene gebrochene Wahlkampfversprechen der Grünen in Baden- Württemberg haben das Thema Militärforschung an Hochschulen stärker in die Öffentlichkeit gebracht. Die Auseinandersetzungen um Zivilklauseln haben dazu geführt, dass bundesweit an Hochschulen wieder zwei zentrale Fragen gestellt werden: Wofür wird momentan eigentlich Forschung betrieben und wofür sollte Forschung betrieben werden?

Die demokratische Kontrolle durch die Öffentlichkeit und damit der öffentliche Diskurs haben Wirkung. Dies zeigen die Auseinandersetzungen an den Universitäten Bremen und Tübingen, zwei von insgesamt 8 Hochschulen in Deutschland, die bereits Zivilklauseln haben. Dort wird sowohl über Forschungsprojekte und als auch Lehraufträge von Gastprofessor*innen diskutiert. In Bremen hat dies im Januar 2012 zu einer erneuten Bekräftigung der seit 1986 bestehenden Zivilklausel durch den akademischen Senat geführt. Die Beispiele aus Bremen und Tübingen zeigen aber auch, dass Zivilklauseln ohne eine wachsame Öffentlichkeit bloße Absichtserklärungen sind. Die immer schlechtere Grundfinanzierung der Hochschulen und die dadurch immer größere Abhängigkeit von Drittmitteln machen es der Rüstungsindustrie und dem Verteidigungsministerium umso leichter Wissenschaftler*innen für militärische Forschungsprojekte zu gewinnen. Zivilklauseln können die kapitalistische Verwertungslogik nicht aufhalten, die auch immer mehr die Praxis an den Hochschulen bestimmt. Aber sie sind ein Zeichen des Umdenkens und zeigen mit ihrer Forderung nach friedensorientierten Wissenschaften eine Zukunftsperspektive auf.

Widerstand gibt es jedoch nicht nur an Hochschulen. Es gibt immer mehr Schulen, die Kooperationen mit der Bundeswehr ablehnen, auch im Rhein-Main-Gebiet.

Im September 2012 wurde die Präsenz der Bundeswehr auf einer Berufsausbildungsmesse an der Goethe-Universität Frankfurt verhindert. Durch Ankündigungen von Protesten im Vorfeld schafften es Aktivist_innen ein Unsicherheitsszenario zu schaffen, dass die Bundeswehr dazu bewog ihren Werbeauftritt auf dem Uni-Gelände wenige Tage vor der Messe abzusagen.

Um den wachsenden Einfluss von Militär und Rüstungsindustrie auf Bildungseinrichtungen zu problematisieren und zurückzudrängen wird es am 14. Juni 2013 einen bundesweiten dezentralen Aktionstag geben, an dem alle Personen und Gruppen dazu aufgefordert sind bei sich vor Ort Protestaktionen und Informationsveranstaltung an Bildungseinrichtungen durchzuführen.

In diesem Sinne:"Mit den Waffen des Geistes gegen den Geist der Waffen" (Zitat Martin Löwenberg)



Julian Toewe ist aktiv beim AK Zivilklausel an der Universität Frankfurt und der DFG-VK Frankfurt.

E-Mail: J (Punkt) Toewe (at) gmx (Punkt) net

Website: www.zivilklausel-ffm.info
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