OM 2013

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23.03.2013


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Ostermärsche und -aktionen 2013

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Redebeitrag für den Ostermarsch 2013 in Biberach am 29. März

Liebe Freudinnen und Freunde,
sehr geehrte Damen und Herren,

Roland Groner (in Biberach)



- Sperrfrist: 29. März, Redebeginn: ca. 17 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -



Wenn wir unseren Glauben an Gott nur verinnerlichen würden, dann hätten wir den, an dessen Kreuzigung wir heute denken, nicht auf unserer Seite. Die Trennung in eine Welt der Arbeit, Wirtschaft, Politik und in eine Welt des Geistlichen oder der Seele, in der es nur um das Innerliche und Besinnliche geht, ist nichts für den Karfreitag. Jesus ist in einem politischen Prozess unter großem Geschrei und in aller Öffentlichkeit ans Kreuz gegangen. Und der Friede Gottes ist nicht nur ein Seelenfrieden und etwas fürs Herz, sondern bringt uns in Bewegung und zu verantwortlichem gemeinsamem Handeln.

Jesus hat sich eingesetzt nicht nur für den einzelnen, sondern für die Gemeinschaft. Er sieht die Menschengemeinschaft vor sich, in der die Ansprüche der einen gegen die anderen erfüllt sind, weil es in ihr Gerechtigkeit gibt. Und er tut das im Namen Gottes, der nicht die ungerechten Zustände unserer Welt bestätigt, als ob man da nichts machen könne: `s war immer so, Gewalt und Krieg hat`s immer gegeben. Wie arm wäre diese Welt, wenn man sich von den Gewalttätigen und Bewaffneten so blenden ließe, dass man die Möglichkeiten der Menschen mit Weitblick nicht mehr sehen würde!

Wenn man mit Weitblick denkt, erkennt man, dass Frieden in einem Land nicht durch Interventionen von außen, sondern nur durch Friedenskräfte innerhalb der Region geschaffen wird

- dass Terrorismus nicht mit militärischen Mitteln bekämpft werden kann, weil die dadurch erzeugten zivilen Opfer die Terroristen stärken und nicht schwächen

- dass es also entscheidend auf Unterstützung der am Frieden orientierten Kräfte in einem Land ankommt und auf zivile Hilfe.

Ich sage das zu der Diskussion um die Frage, wer mit welchen Mitteln in Mali in Westafrika eingreifen soll. Der Übergangspräsident von Mali, der durch einen Militärputsch jetzt gerade vor einem Jahr an die Macht gekommen ist, hat ja Frankreich um militärische Hilfe gebeten. Und jetzt wird in der deutschen Öffentlichkeit nur noch über das Für und Wider einer Beteiligung an solchen Militäraktionen diskutiert.

Der Militärputsch fand am 21. März 2012 statt. Die Putschisten begründeten den Staatsstreich mit der Unfähigkeit des Präsidenten Touré, den seit Mitte Januar 2012 andauernden Aufstand der Tuareg-Rebellen im Norden des Landes unter Kontrolle zu kriegen. Nach der Einnahme des Präsidentenpalastes in der Hauptstadt Bamako erklärten die Putschisten die Regierung für gestürzt. Die Verfassung wurde außer Kraft gesetzt, die für April angesetzte Präsidentschaftswahl abgesetzt und alle bisherigen staatlichen Institutionen für aufgelöst erklärt. Mehrere Minister wurden festgenommen. Präsident Touré wurde für abgesetzt erklärt.

Zwischen Januar und Juli 2012 flüchteten über 250.000 Malier infolge der politischen Instabilität, der unsicheren Lage und des mangelhaften Zugangs zu Nahrungsmitteln und Wasser in die Nachbarländer. Außerdem gab es im selben Zeitraum rund 105.000 Binnenflüchtlinge im Norden und rund 69.000 Binnenflüchtlinge im Süden Malis.

Wenn man die aktuelle Malipolitik der Europäischen Gemeinschaft betrachtet, wurde da vor allem ein militärisches Drohszenario aufgebaut und in Mali selber nur mit dem Übergangspräsidenten und der Armee, die geputscht hatte, verhandelt oder auf Verhandlungen zwischen den bewaffneten Rebellengruppen gesetzt. Alles ist nur im militärischen Sinn ausgerichtet und nicht am Schutz der dort lebenden Menschen.

Militärinterventionen von außen sind ein prima Mittel, einen Konflikt weiter zu eskalieren. Terroristen bekommen erst recht eine Rechtfertigung für ihre Gewalttätigkeit. Die Zivilbevölkerung leidet unter der Gewalt von allen Seiten am meisten.

Diejenigen, die das Schicksal der Menschen in Mali bewegt und ihnen helfen wollen, also wir sollten unsere Politiker fragen:

- um welche konkreten Konflikte geht es in Mali selber, z.B. die Missachtung bis hin zur Unterdrückung der Interessen der Tuareg? Seit der Kolonialzeit bereits werden die Tuareg an den Rand der jeweils vorherrschenden Gesellschaften gedrängt.

- welche Interessen haben die, die sich von außen in den Konflikt einmischen?

- welche Gruppen innerhalb des Landes setzen sich aktiv für einen Friedensprozess ein? Z.B. die malische Sektion von Afrique-Europe-Interact mit ihrer "Bürgerkarawane für Frieden in Mali" (La Caravane Citoyenne pour la Paix au Mali) und die Globalisierungskritikerin und frühere Kulturministerin Aminata Traoré mit ihrem Aufruf "Frauen in Mali, sagt NEIN zum Stellvertreterkrieg!"

- welche Unterstützung solcher Gruppen durch uns wären hilfreich?

Das nenne ich Weitblick, der dem christlichen Glauben angemessen ist. Aber so ein Weitblick muss dann gelebt und verwirklicht werden. Wir brauchen Menschen, die sich nicht schrecken lassen, Enttäuschungen und Rückschläge einzustecken, zu denen man unter viel Gelächter sagen kann: "Seid ihr aber naiv". Vielleicht sind die, die den Weitblick der neuen Welt Gottes im Herzen bewegen, am Ende die größeren Realisten. Denn sie haben erkannt, dass man mit Gewalt einiges machen kann, Angst machen, kaputt machen.

Aber umgekehrt, das lässt sich mit Gewalt nicht erreichen: Versöhnung zwischen den verschiedenen Volksgruppen und ein zerbrochenes Land zusammenzubringen. In Mali geht es nicht um eine gute Position Europas oder Deutschlands, sondern um die Zukunft der Bewohnerinnen und Bewohner eines bitterarmen Landes.



Roland Groner ist em. Pfarrer und lebt in Biberach. Vita siehe hier

E-Mail: rolandgroner (at) versanet (Punkt) de

Website: www.friedensbuendnis-bc.de
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