OM 2013

update:
30.03.2013


 voriger

 nächster

Ostermärsche und -aktionen 2013

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch Odenwald 2013 in Michaelstadt am 30. März

"Syrien wird zerstört - wie der Krieg beendet werden kann"

Karin Leukefeld (in Michelstadt)



- Sperrfrist: 30. März, Redebeginn: ca. 14 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -



Unser Bild und Eindruck von Syrien wird durch Schlagzeilen bestimmt.

"Arabische Liga will Rebellen bewaffnen"

"Syriens Opposition fordert Schutz durch Patriots"

"Irak soll Irans Waffenflüge nach Syrien stoppen"

"CIA will Drohnen in Syrien einsetzen"

"Frankreich will Rebellen Waffen liefern"

"Syrisches Militär schießt mit SCUD-Raketen auf Wohngebiete"

"Syrien setzt Streubomben ein"

"Syrische Armee setzt chemische Waffen gegen Rebellen ein"

"Syrische Kampfjets greifen Libanon an"

"Syrische Armee schießt auf Flüchtlinge in der Türkei"

"Syrische Armee feuert auf den Golan"

Die Opposition und ihre Rebellen sind gut, der syrische Staat, die Armee, der Assad-Clan sind schlecht.

Entsprechend hat sich die Bundesregierung im Jahr 2011 schon sehr früh hinter die "Opposition" gestellt. Dabei gab es kein diplomatisches Engagement, um vielleicht zwischen Regierung und Opposition zu vermitteln, man ergriff einseitig Partei und forderte bald schon den Rücktritt von Präsident Bashar al-Assad. Deutschland trieb die EU zu immer neuen Sanktionen gegen Syrien an. Projekte wie "The Day After", der "Tag nach dem Sturz von Assad" werden durch die von der Bundesregierung finanzierten "Stiftung für Wissenschaft und Politik" unterstützt. Das Außenministerium und das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, BMZ, haben 118 Millionen Euro Hilfsgelder für die Unterbringung von syrischen Flüchtlingen in Jordanien, Libanon, Türkei und Irak bezahlt. Geld geht auch an humanitäre Organisationen, die den "Wiederaufbau in den befreiten Gebieten" fördern sollen, doch dazu später. Der deutsche Auslandsgeheimdienst BND hilft den Aufständischen vor Ort, die Bundeswehr ist - im NATO-Auftrag - im türkisch-syrischen Grenzgebiet mit Patriot-Raketen stationiert.

Zwar will Deutschland nicht wie andere Staaten Waffen an die Rebellen liefern, doch Deutschland und Europa müssen "die Opposition auf jede verantwortbare Weise stärken", sagt Bundesaußenminister Guido Westerwelle und wörtlich fügte er hinzu: "Wir müssen verhindern, dass aggressive Waffen in die falschen Hände geraten".

Und wie soll das gehen?!

Der Völkerrechtler Wolfgang Ischinger, der auch Chef der so genannten Münchner Sicherheitskonferenz, findet es richtig und sogar "überfällig" Waffen an syrische Rebellen zu liefern und sagt: ""Wenn der Westen die Waffen selbst liefert, hat er noch eher die Chance, Einfluss darauf zu nehmen, was mit ihnen passiert". Ischinger begründet seine Meinung mit der international umstrittenen "Schutzverantwortung" für die syrische Bevölkerung, aber auch mit strategischen Interessen der Bundesregierung und des Westens.

Zwei Jahre lang haben hiesige Medien das Geschehen in Syrien als "Aufstand gegen Assad" beschrieben, oder - in den Worten syrischer Oppositioneller - als "Revolution". Wenig wurde über die verschiedenen oppositionellen Meinungen und Gruppen vor allem aus Syrien selber berichtet. Auch die politischen und sozialen Forderungen der großen Demonstration, die bis Sommer 2011 stattfanden, werden nicht vermittelt. Nun haben Gewalt und Zerstörung dermaßen zugenommen, dass die Flüchtlingsströme und die schlechte Versorgungslage in Syrien die Nachbarstaaten destabilisieren. Und als Reaktion auf diese Entwicklung wird offen über Waffenlieferungen, militärische oder humanitäre Intervention nachgedacht. Westliche und arabische Geheimdienste und Hilfsorganisationen sind schon lange an der Seite der Aufständischen aktiv, was die Lage in Syrien verschärft und nicht entspannt hat.

Manche finden den Ruf nach Waffen verständlich. Die syrische Armee tötet und zerstört, Assad ist ein Diktator, die Geheimdienste verschleppen Menschen und foltern in den Gefängnissen. Was bleibt den Menschen, als sich zu verteidigen und Hilfe von Stärkeren aus dem Ausland zu fordern?

Es ist nicht die Aufgabe des Auslandes, sich in die innenpolitischen Probleme Syriens einzumischen, weder militärisch noch humanitär. Syrien ist ein souveräner Staat, der die Pflicht und die Verantwortung, aber auch das RECHT hat, seine Probleme selber zu lösen. Und Syrien hat das Recht, seine Bündnispolitik selbst zu bestimmen, auch wenn es Politikern im Westen nicht gefällt.

Syrien gehört zu den Gründerstaaten der Vereinten Nationen.

Syrien hat die Arabische Liga mit begründet.

Syrien hat Millionen Flüchtlingen aus aller Herren Länder über Jahrhunderte Schutz geboten und sie in ihre Gesellschaft integriert.

Syrien gibt mehr als zwei Dutzend Religions- und Volksgruppen gleiche Rechte als Staatsbürger.

Ja, es gibt innenpolitische Probleme in Syrien, die gelöst werden müssen. Soziale Gleichstellung, Chancengleichheit, Arbeits- und Ausbildungsplätze für die Jugend, Demokratisierung, Regulierung der Geheimdienste, Änderung der Verfassung, der Parteien- und Mediengesetze, ein neues Rechtssystem und vieles mehr. Doch nichts davon bringen die Gewehre der Aufständischen, und auch die Waffen der Streitkräfte tragen nicht dazu bei.

Syrien braucht keine Waffen, Syrien braucht einen Waffenstillstand.

Syrien braucht Verhandlungen und Versöhnung, um Blutvergießen und Zerstörung zu stoppen.

Medienkrieg

Anfang 2011 war Syrien ein sich öffnendes und wirtschaftlich aufsteigendes Land, heute ist es eine Kriegszone. Der freundliche Nachbar Europas im östlichen Mittelmeer wird von Europa isoliert und mit Sanktionen bestraft. Die Bemühungen um einen friedlichen Übergang in Syrien, denen sich die beiden Syrienvermittler Kofi Annan und Lakhdar Brahimi seit einem Jahr widmen, sind im Abseits. Wie konnte es dazu kommen?

Dieser Krieg wird nicht nur mit Waffen, sondern auch medial geführt wird. Psychologische Kriegsführung kann man sehr gut beobachten, wenn man das Fernsehverhalten der Syrer verfolgt, die jeden Satellitenkanal einschalten können, der über Satellit zu empfangen ist.

Die einen glauben Al Jazeera (Katar) und Al Arabiya (Saudi Arabien) jedes Wort, die anderen halten sich an die syrischen Medien, die von den arabischen Satellitenanbietern verbannt wurden. Viele haben aufgehört, die Nachrichten zu verfolgen und sehen sich lieber Dokumentationen über Geschichte und Natur oder die allseits beliebten Seifenopern an.

Dann gibt es diejenigen, die Meinungen unterschiedlicher Seiten hören. BBC, Sky News, Russia Today, France 24, Al Manar, Al Alam, Al Jazeera und Al Arabia, Al Ikhbariya decken so ziemlich jede Position in Syrien und außerhalb ab.

Shooting Star ist der Sender Al Mayadeen, der am 12. Juni 2012 in Beirut erstmals auf Sendung ging. Frontmann des Senders ist Ghassan bin Jiddo, der seine langjährige Arbeit bei Al Jazeera aufgab, weil der Sender ihm zu sehr Kriegspartei - auf Seiten der Aufständischen - geworden war. "Realität wie sie ist", lautet das Motto des Senders, der auch viele Diskussionssendungen mit Oppositionellen verschiedener Couleur und syrischen Offiziellen bringt.

Wer über Kenntnisse des Internet und einen Laptop verfügt - meist jüngere Leute in den Städten - liest Blogs oder sieht sich You Tube - Filme an, die weltweit verbreitet werden. Ein Student erzählte mir, dass in dem Ort, wo er wohnt, die Anhänger von Aufständischen und Anhänger der Armee eine Vielzahl von Blogs unterhielten. Beide Seiten lägen mit aktuellen "Front-Informationen" wie in einem Wettstreit. Auf meine Frage, wen er für glaubwürdig halte, zögerte er einen Moment und sagte dann, diejenigen auf Seiten der Armee. Die anderen würden "zu sehr übertreiben".

Ugarit News ist eines der großen Netzwerke der Opposition, die im Minutentakt "Nachrichten" verbreitet, deren Wahrheitsgehalt schwer nachprüfbar ist. Die Webseite ist in Deutschland registriert. Es sind Aktivisten und keine unabhängigen Journalisten, die Videos und Meldungen ins Netz stellen. Weltweite Medien, Agenturen greifen sie auf und verbreiten sie weiter.

"Wer die Herrschaft über die Bilder des Krieges hat, hat Einfluss auf politische Entscheidungen", heißt es in der bemerkenswerten Dokumentation "Die Syrien-Falle" von Hubert Seipel, die die ARD am 13.2. kurz vor Mitternacht ausstrahlte. "Falsche Informationen und psychologische Kriegsführung machen einen sehr großen Teil dieses Krieges aus", sagt der ehemalige Syrienvermittler Kofi Annan im Interview mit dem Autor. Es sei "bedeutend schlimmer als in früheren Kriegen", mit denen er zu tun gehabt habe. "Egal ob Somalia, Ruanda, Bosnien oder der Kosovo. Das hier (also Syrien, kl) ist bei weitem das Schlimmste."

Alltag

Das Leben ist teuer geworden, viele Menschen haben ihre Arbeit, Wohnung, Haus oder Geschäft verloren. Die Armen sind noch ärmer geworden, viele Reiche sind geflohen. Benzin, Heizöl, Kochgas ist aufgrund des EU-Ölembargos Mangelware und sehr teuer geworden. Sabotage und Zerstörung der Infrastruktur im Energiebereich, Sprengung von Ölpipelines, Zerstörung von Transformatorenhäusern, Beschädigung von Brücken, Straßen, Bahnlinien haben Schaden in Milliardenhöhe verursacht. Bibliotheken, Museen, Kirchen, Moscheen und historische Stätten wurden geplündert und zerstört. Im Umland von Aleppo wurden 1500 Firmen und Fabriken beschädigt und zerstört, dort gelagerte Waren, Werkzeug und Maschinen, Fuhrparks wurden gestohlen und in der Türkei verkauft. Selbst die großen Gestüte, auf denen weltberühmte Araberpferde gezüchtet wurden nicht verschont. Menschen werden entführt, um Lösegeld oder die Freilassung von Gefangenen zu erpressen, viele Menschen haben bei dem Versuch zu vermitteln, ihr Leben gelassen.

Die Gesellschaft wird entwurzelt. Von 23 Millionen Menschen sind 4 Millionen durch die Kämpfe aus ihren Dörfern, Gemeinden und Wohnvierteln vertrieben worden. Hunderttausende fristen ein perspektivloses entwürdigendes Dasein als Flüchtlinge in einem Nachbarland. Frauen und Kinder sind die Hauptleidtragenden des Krieges.

In dem einfachen Familienhotel, in dem ich seit Beginn der Unruhen 2011 wieder wohne, sind fast alle Zimmer belegt. Neben den üblichen syrischen Gästen, die aus Aleppo, Hassake, Lattakia oder Deir Ezzor kommen, um Behördengänge zu erledigen oder ein Krankenhaus aufzusuchen haben, sind auffallend viele junge Leute da, um an der Universität Prüfungen zu absolvieren. Mit Laptop und Handy bewaffnet verlassen sie früh das Haus. Am späten Nachmittag sitzen sie in der Lobby zusammen und tauschen Informationen aus. Und dann sind da die Familien, die mit ihren vielen Kindern ihre Wohnungen aufgegeben haben, um in der Innenstadt Schutz zu suchen. Viele kommen aus Yarmuk, andere Daraya, der Trabantenstadt, in der der Kämpfe zwischen Aufständischen und regulären Truppen das einfache Leben von Zehntausenden Menschen unterbrochen hat. Der Hotelverband hat angeordnet, die Preise um 20 Prozent zu senken, manche senken die Preise noch mehr.

Eine der Familien ist die von dem Fahrer Ruslan. Mit Frau und drei Kindern lebt er seit November letzten Jahres in einem Zimmer im zweiten Stock. Seine Wohnung in Daraya war damals durch eine Mörsergranate der Aufständischen schwer beschädigt worden. Die Kämpfer hatten versucht, über den Ort hinweg den nahe gelegenen Flughafen Mezzeh zu treffen, solche Fehlschüsse sind häufig und kosten die Aufständischen Sympathie bei denen, die sie mal sympathisch fanden. Die Frau von Ruslan und die Kinder waren allein zu Hause, als es passierte, Ruslan war mit seinem Bus unterwegs. Die Frau floh mit den Kindern so schnell sie konnte zu entfernten Verwandten in den Nachbarort. Erst vier Tagen später war die Familie wieder vereint, in diesem Hotelzimmer. Die Aufständischen quartierten sich in seiner verlassenen Wohnung und in den Nachhäusern ein, täglich beschossen sie den Flughafen. Versuche der Ortsältesten, die Bewaffneten zu einem Gespräch und zum Abzug zu bewegen, blieben ohne Erfolg. Nachdem sie einen Hubschrauber abgeschossen hatten, gab es auf Seiten der syrischen Streitkräfte kein Halten mehr. Kampfjets warfen ihre tödliche Fracht über der Häuserzeile ab, die von den Aufständischen zur Front gemacht worden waren. "Nun ist unser Haus nur noch Geröll", sagt Ruslan und zuckt mit den Schultern. "Was sollen wir tun?"

Ala, der älteste Sohn ist 13 Jahre. Seit ihrer erzwungenen Umsiedlung nach Damaskus geht er nicht mehr zur Schule. Ersatzunterricht von staatlichen Stellen wird nicht angeboten. In den folgenden Tagen treffe ich Ala häufiger auf dem Markt in der Damaszener Altstadt. Mit einer Sackkarre, die ihm fast bis zum Scheitel reicht, bringt er Kunden ihre Einkäufe zum Auto. Am Abend trägt er stolz seinen Tageslohn zum Vater. Mal sind es 150, mal 200 syrische Pfund, umgerechnet 1,60 oder 2,10 Euro. "Es ist gut, dass er der Familie hilft", sagt Hassan, ein Freund von Ruslan. Das Schlechte sei nur, dass der Junge mehr Interesse am Geld verdienen gewinnen würde, als am Lernen. "Wenn das alles hier vorbei ist, wird es schwer sein, ihn wieder in die Schule zu schicken", meint Hassan nachdenklich. "Dieser Krieg zerstört seine Zukunft".

Humanitäre Intervention

Weil die Lage in Syrien so schlimm geworden ist, fordern Nichtregierungsorganisationen wie "Ärzte ohne Grenzen" eine "unabhängige humanitäre Hilfe für Syrer über Grenzen und Frontlinien hinweg". Sie werfen den internationalen Organisationen der UNO, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz oder dem Syrischen Arabischen Roten Halbmond vor, nur Gebiete zu versorgen, die unter der Kontrolle der Regierung stehen und damit die Regierung zu stützen.

Die Organisationen weisen das zurück und tatsächlich sind sie im ganzen Land aktiv auch über "Frontlinien" hinweg, wie ich mich seit Beginn der Unruhen in Syrien mehrfach selber überzeugen konnte. Ihre Arbeit weltweit ist völkerrechtlich geregelt, danach ist Hilfe "über Grenzen hinweg" nicht zulässig, weil es gegen die Souveränität und territoriale Integrität eines Staates verstößt.

Das aber fordern Hilfsorganisationen, wie "Ärzte ohne Grenzen", sie ergreifen einseitig Partei und arbeiten mit den Aufständischen dort, wo diese stationiert sind und wo sie kämpfen. Ein französischer Arzt beschrieb, wie er Anfang 2012 aus dem Libanon mit einem Transport der Aufständischen nach Baba Amr gebracht wurde, einem heftig umkämpften Vorort von Homs. Mit im Fahrzeug waren zwei Dutzend Raketenwerfer (Panzerfäuste). Der Arzt räumte selber ein, dass es für Hilfspersonal verboten ist, mit Waffen zu reisen.

Die humanitäre Hilfe kommt also über den gleichen Weg, manchmal im gleichen Transport wie Waffen und Kämpfer nach Syrien. Damit wird diese humanitäre Hilfe fragwürdig. In der nordsyrischen Stadt Azaz, an der Grenze zur Türkei, hat eine deutsche Hilfsorganisation Schulen und ein Krankenhaus aufgebaut und sucht ärztliches Personal, das dort helfen soll. Die Stadt ist unter der Kontrolle von islamistischen Gruppen, die in den vergangenen Monaten wiederholt die umliegenden Dörfer, in denen Kurden und Yeziden leben, drangsaliert haben.

Wer in einem Kampfgebiet humanitär helfen will, muss sich von den Kampfparteien fern halten und beide an ihre Pflicht der humanitären Versorgung der Zivilbevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten erinnern. Das tun das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, der Syrisch Arabische Rote Halbmond und die Vereinten Nationen.

Deren Arbeit wird auch von der Bundesregierung unterstützt, doch Berlins Interesse geht darüber hinaus. Wenn Bundesministerien Steuergelder an deutsche und syrische (oppositionelle) Hilfsorganisationen überweisen, sollen die Aufständischen gestärkt werden. Außenminister Guido Westerwelle spricht sich dafür aus, die Wirtschafts- und Finanzsanktionen so zu lockern, dass der Opposition der Wiederaufbau in den von ihr kontrollierten Gebieten erleichtert werde, heißt es im Auswärtigen Amt. Die syrische Opposition müsse "auf jede verantwortbare Weise" gestärkt werden. "Infrastruktur, Wasser, Elektrizität, Gesundheitsversorgung - das ist etwas, was wir nicht aus dem Fokus verlieren dürfen", so Westerwelle. Gemeint ist die einseitige Finanzierung von "Wiederaufbau" durch oppositionelle Gruppen in einigen Gebieten eines souveränen Staates. Das ist vielleicht Hilfe für Zivilbevölkerung, gleichzeitig aber auch die Destabilisierung eines souveränen Staates, dessen territoriale Integrität verletzt wird.

Wie der Krieg beendet werden kann

Syrien braucht keine "humanitären Korridore" in ausgewählte Gebiete. Speziell dort zu helfen, wo die Opposition angibt, die Kontrolle zu haben, spaltet die syrische Gesellschaft, spaltet das Land. Alle Syrer sind vom Krieg betroffen und haben Recht auf ein Leben in Frieden und Unversehrtheit. Syrien braucht einen Waffenstillstand, Verhandlungen und Versöhnung, um das Land und überall gemeinsam wieder aufzubauen.

Die Zeit für Verhandlungen sei vorbei, Assad sei ein Lügner und müsse abtreten oder werde getötet, heißt es bei der Auslandsopposition. Erst dann sei ein Neuanfang möglich. Einseitig werden Russland und China beschuldigt, "Lösungen" im UN-Sicherheitsrat zu blockieren, das hören wir hier immer wieder von Politikern und in Medien.

In Syrien sehen das viele anders. Manche verweisen auf ein arabisches Sprichwort, das sinngemäß sagt:

Wenn du wissen willst, ob jemand dich belügt, gehe mit ihm durch die Tür, dann wirst Du es herausfinden.

Die Menschen fragen sich, warum jede Initiative für eine friedliche Beilegung und Verhandlungen von der Auslandsopposition und den Staaten, die sie unterstützen, torpediert wurde.

Der Aufruf zum nationalen Dialog im Sommer 2011. Die Mission der Arabischen Liga zum Jahreswechsel 2011/2011. Der Waffenstillstand im April 2012, die UN-Beobachtermission und schließlich das Genfer Abkommen im Juni 2012, das von allen Veto-Staaten im UN-Sicherheitsrat unterzeichnet wurde und die Bildung einer Übergangsregierung aus Opposition und syrischen Offiziellen vorsieht.

Warum spricht die Bundesregierung nicht über Verhandlungen und Dialog? Warum ignoriert sie die Oppositionsgruppen in Syrien, die sich gegen die Bewaffnung und für einen friedlichen politischen Übergang engagieren?

Warum nutzt sie ihren Einfluss bei der Auslandsopposition nicht, um sie an den Verhandlungstisch zu drängen? Warum verknüpft sie Hilfszusagen nicht mit der Forderung, die Kampfhandlungen einzustellen? Warum will sie Waffenlieferungen an die Aufständischen "kontrollieren" und nicht stoppen?

Warum setzt sich Deutschland nicht praktisch und nachdrücklich für das Genfer Abkommen ein und stärkt den Vereinten Nationen und ihrer Mission in Syrien den Rücken?

Warum hat sie die Arabische Liga nicht kritisiert, als diese die von ihr selber eingesetzte Beobachtermission erst verlängerte, wenige Stunden später aber absetzte, weil deren Bericht Saudi Arabien und Katar nicht gefiel?

Warum kritisiert die Bundesregierung die Arabische Liga nicht dafür, dass sie Waffenlieferungen an die Aufständischen gut heißt?

Warum kritisiert sie die arabischen Partner im Golfkooperationsrat, allen voran Saudi Arabien und Katar nicht für deren Waffenlieferungen an die Aufständischen?

Warum wird Kroatien die EU-Aufnahme bewilligt, obwohl das Land seit Dezember 2012 riesige Waffenlieferungen an die Aufständischen über Jordanien zugelassen hat?

Und warum stellen Kolleginnen und Kollegen von den großen Medien diese Fragen nicht ihren Gesprächspartnern, wenn sie sie im Fernsehen, in Talk-Shows oder im Rundfunk interviewen?

Nur Verhandlungen können dem Krieg ein Ende bereiten. Nicht eine Eskalation von Gewalt.

Darum sind die Forderungen der Ostermarschbewegung richtig und wichtiger denn je:

Krieg ist keine Lösung!

Deutschland im Krieg

Wir können über Syrien nicht sprechen, ohne nicht auch andere Kriege zu benennen. Und die Bundeswehr ist dabei. 10 Internationale Auslandseinsätze in Afghanistan/Usbekistan, Kosovo, Türkei, Südsudan und Sudan, Mittelmeer, Libanon, Mali, Senegal, Am Horn von Afrika und umliegenden Seegebieten.

Außerdem ist die Bundeswehr an fünf weiteren EU-, UN- und (name) Operationen beteiligt:

Afghanistan, Deutschland, Kongo, Horn von Afrika und Uganda.

6582 Soldaten und Soldatinnen sind im Einsatz, graben Brunnen, bauen Schulen, transportieren Hilfsgüter, achten auf Mülltrennung, beichten beim Militärpfarrer und sie kämpfen natürlich auch. Einige von ihnen berichten per Blog regelmäßig aus den Einsatzgebieten.

Alle Einsätze wurden vom Bundestag bewilligt und um die Akzeptanz der kämpfenden Truppe bei der Bevölkerung zu erhöhen, besuchen Journalisten mit und ohne Minister die Einsatzgebiete, werden Bücher und Spielfilme veröffentlicht, wird unsere Gesellschaft immer mehr an den Krieg gewöhnt und gleichzeitig immer mehr militarisiert. In dieser Logik wirbt die Bundeswehr an Schulen, wird an Hochschulen für den Krieg geforscht, wird der Dienst an der Waffe, wird Kampfeinsatz und Töten zu einem ganz normalen Beruf.

Diese Entwicklung ist falsch. Zwei mörderische Kriege gingen von Deutschland im letzten Jahrhundert aus. Krieg und kriegerische Einsätze dürfen nie wieder alltäglich werden.

Darum marschieren heute in Deutschland Tausende und wir marschieren mit Recht!

Und wir müssen mehr werden!

In den Initiativen, in den Familien, am Arbeitplatz, in den Gewerkschaften, in den Kirchen, in den Medien, im Bundestag.

Ich möchte zum Schluss an den Schwur von Buchenwald erinnern, der auch 68 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs hoch aktuell ist. Am 19. April 1945 schworen die überlebenden Gefangenen des Konzentrationslagers Buchenwald:

Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung.

Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.

Fast 70 Jahre nach diesem Schwur sind wir weit von diesem Ziel entfernt.

Alle Friedensbewegten müssen weiterhin - und nicht nur an Ostern - aufstehen und streiten für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit. Damit auch Deutschland dort ankommt, wo der einzige Platz für Deutschland ist, wenn es die Lehren aus zwei Weltkriegen gelernt hat: in den Reihen einer weltweiten Friedensbewegung.

Ohne Militarisierung, ohne Heuchelei und ohne Bevormundung.

Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!



E-Mail: k-leukefeld (at) gmx (Punkt) de
 voriger

 nächster




       


Bereich:

Netzwerk
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
        
Themen   FriedensForum Termine   AktuellesHome