OM 2013

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30.03.2013


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Ostermärsche und -aktionen 2013

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Redebeitrag für den Ostermarsch 2013 in Oldenburg am 30. März

Liebe Freundinnen und Freunde,

Kristina Vogt (in Oldenburg)



- Sperrfrist: 30. März, Redebeginn: ca. 13.30 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -



Mein Vorredner, Wieland von Hodenberg, hatte ja schon über die unrühmliche Tradition Bremer Rüstungsschmieden berichtet. Von Bremen wird das Geschäft mit dem Tod betrieben, da die Unternehmen schlichtweg und ergreifend mit Waffenexporten in alle Welt - und vor allem in die Länder des Nahen Ostens - erheblich mehr Rendite erwirtschaften, als mit ziviler Produktion.

Für Furore sorgte erst vor kurzem der neuste Deal der Lürssenwerft mit Saudi-Arabien.

Saudi-Arabien bestellte Marineschiffe in einer Größenordnung von 1,5 MIO EURO.

Marineschiffe von der regierenden rot-grünen Koalition in Bremen auch verniedlichend als harmlose Patroullienboote im Rahmen der Grenzschutzssicherung bezeichnet. Die "Grenzschutz/Patrouillen-/Küstenschutzboote" von Lürssen sind auch real komplette Kriegsschiffe mit großkalibrigen Geschützen (teils auch mit Torpedo-Rohren). Mit einem Polizeiboot a la Hafenpolizei Bremen hat dieser Auftrag nichts zu tun.

Die Lieferung von "Patrouillenbooten" unterliegt dem Kriegswaffenkontrollgesetz. Auf der Exekutiven ist die Geheimhaltungs-Behörde "Bundesamt für Ausfuhrkontrolle" beim Wirtschaftsministerium zuständig. Die aber sind komplett unkontrollierbar. Lieferungen nach Kriegswaffenkontrollgesetz in Nicht-EU und Nicht-NATO-Staaten müssen im Bundessicherheitsrat einzeln genehmigt werden. Es wird ein Unterschied nach Ländern gemacht (EU, NATO = Sammmelausfuhrgenehmigung, Rest: Einzelausfuhrgenehmigung).

Im Sicherheitsrat sitzen: Wirtschaftsminister, Kanzlerin, Außenminister, Entwicklungsminister, Innenminister, Finanz (!), Chef Kanzleramt, Verteidigungsminister, Justizministerin.

Im Moment baut EADS die Grenzschutzanlage im Norden des Landes. Das ist ein riesiger High-Tech-Auftrag, der über Jahre Folgeaufträge mit sich bringt. Die Bundeswehr und "zivile" EADS-Cassidian-Angestellte trainieren das saudische Personal (an der Überwachungstechnik). Dass Saudi-Arabien im letzten Jahr größter Importeur von Deutschen Rüstungsgütern geworden ist, liegt auch daran, dass Teile der Grenzschutzanlage in die Genehmigungsbilanzen einflossen.

Saudi-Arabien kauft alles, was es bekommen kann. Beinahe jeden Monat gibt es momentan eine neue Schreckensmeldung:

- circa 800 Kampfpanzer Leopard 2 in der "urban warfare"-Variante, also für den Kampf in den Städten gebaut, sollen beschafft werden.

- mehrere hundert Transportpanzer Boxer wurden bestellt.

- Hinzu kamen 30 ABC-Spürpanzer des Typs Dingo

- und vor kurzem dann die Marineschiffe der Lürssen Werft im Wert von 1,5 Milliarden.

Das ist allein der Wunschzettel, der im vergangenen Jahr öffentlich wurde.

Der Rüstungsexperte Pieter Wezeman vom Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri sagte der "DPA` zu den Waffendeals mit Saudi-Arabien: «Es scheint seit etwa zwei Jahren einen klaren Willen zur Lieferung größerer Rüstungsmengen aus Deutschland zu geben.» Das ist leider völlig richtig. Bei CDU und FDP sind alle moralischen Dämme gebrochen und die arabische Halbinsel wird unkontrolliert mit deutschen Waffen geflutet.

Mit wem macht die Bundesregierung diese Waffengeschäfte in Milliardenhöhe? Mit einem der schlimmsten Regime, die es heute auf der Welt gibt.

In Saudi-Arabien werden Menschenrechte systematisch missachtet. Für vermeintlichen Ehebruch, Drogenhandel, Hexerei und Gotteslästerung droht die Todesstrafe in Form öffentlicher Enthauptung mit dem Schwert. Frauen werden für das Fahren mit dem Auto inhaftiert, sie dürfen auch nicht wählen. Wobei Wahlen im absolutistischen Gottesstaat Saudi-Arabien sowieso eine reine Farce sind. Minderheitenrechte für die schiitische Bevölkerungsgruppe gibt es kaum. Leute, die an eine andere Religion glauben, werden ebenfalls verfolgt.

Die herrschende Königsfamilie ist ein lupenreiner Feind der Menschenrechte und der Demokratie. Saudi-Arabien bekämpft aber nicht nur die eigene Bevölkerung. Das Land mischt sich auch aggressiv in die Angelegenheiten der Nachbarstaaten ein. Die Saudis halfen zumBeispiel 2011 Demonstrationen in Bahrain blutig niederzuschlagen - und sorgten dafür, dass der dortige Despot im Amt gehalten werden konnte.

Wer nun allerdings glaubt, dieser erneute Export der Lürssen-Werft sei nur ein Problem der CDU und FDP regierten Bundesregierung der irrt. Zwar haben neben der Linken bundesweit auch Andrea Nahles, der Bremer SPD Bundestagsabgeordnete Carsten Sieling und Jürgen Trittin diesen Deal verurteilt. In Bremen aber schwieg der Senat. Der Bürgerschaftspräsident war sogar mächtig stolz auf diesen Auftrag und freute sich über diesen enormen Standortvorteil. Als Linksfraktion hatten wir im Februar in der Bürgerschaft beantragt, dass der Senat sich bundesweit dafür einsetzen soll, Rüstungsexporte in den Nahen Osten zu unterbinden und bundesweite Konversionsprogramme aufzulegen. Die Debatte in der Bürgerschaft kann man gutmeindend als absurd bezeichnen. Trotz verbaler Lippenbekenntnisse, trotz mündlicher Beteuerungen, wie schlimm Waffenexporte nach Saudi-Arabien eigentlich seien, wurde unser Antrag auch von den Grünen und der SPD abglehnt. Der grüne Fraktionsvorsitzende meinte, der Senat könne sich gar nicht im Bund einsetzen. Das ist interessant, denn eine ganze Reihe der Koalitionsanträge in der Bürgerschaft lauten wörtlich, der Senat möge sich im Bund hierfür oder dafür einsetzen.

Die SPD mahnte hingegen, man müsse an die Arbeitsplätze denken. Nun gibt es aber dummerweise Richtlinien der Bundesregierung für Waffenexporte, die explizit besagen, dass beschäftigungspolitische Gründe bei Waffenexporten keine Rolle spielen dürfen. Und dass Bremen in den Neunzigern ein Landeskonversionsprogramm und sogar einen Landeskonversionsbeauftragten hatte, scheint bei den jetzigen Regierungsverantwortlichen völlig in Vergessenheit geraten zu sein.



Meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

so geht das nicht. Entweder setzt sich der Senat wirksam dafür ein, dass solche Geschäfte zukünftig unterbleiben, oder er soll sich Lippenbekenntnisse jeglicher Art dann verbieten. Von Bremen darf nicht noch mehr Aufrüstung, Tod und Verderben ausgehen.

Erinnern wir uns zurück: Bereits in der Vergangenheit sorgten zweifelhafte Aufträge und Forschungsprojekte für Aufmerksamkeit. So subventionierte der rot-grüne Senat 2010 mit 1.6 Millionen EURO ein Forschungsprojekt von Rheinmetall Defence Elektronics im Verbund mit der Hochschule Bremen. Das Verbundprojekt CART sollte Drohnen erforschen. Laut Aussage des Senats ein ziviles Projekt. Wir haben im November 2011 nachgefragt, der Bremer Senat konnte uns kein einziges ziviles Projekt von RDE nennen.

Kein Wunder, denn RDE ist eine 100 prozentige Rüstungsfirma, die auch nie vorgegeben hat, zivile Drohnen zu erforschen. Das Haushaltsnotlageland Bremen, das von Jahr zu Jahr mehr Lehrerstellen nicht besetzen kann, subventioniert einen Kriegswaffenproduzenten, der auch ohne Senats-Zuschüsse 400 Millionen Euro jährlich umsetzt.

Aus der Senatsantwort entnehmen wir, dass dem Senat sehr wohl bekannt ist, was der Empfänger der Subventionen produzierte:

Das RDE-Arsenal umfasst:

- Automatische Zielerfassungssysteme

- Ausbildungssysteme für den Häuserkampf

- Feuerleitanlagen

- Laserzielsysteme

- Simulatoren für Kampfflugzeuge

- Militärische Aufklärungsdrohnen

Bremer Rüstungselektronik von RDE findet sich an zentralen Stellen

- im Leopard2 Kampfpanzer

- im Schützenpanzer Puma

- In der Panzerhaubitze 2000,

ein System übrigens, was wegen der Möglichkeit, damit geächtete Streumunition zu verschießen, massiv in der Kritik steht.

Die Elektronik von RDE ist die Sensorik. Ohne diese Teile wäre die Panzerbesatzung blind und taub und könnte nicht einmal sicher aus einer Garage ausparken. Und ohne diese Teile könnte kein Schuss gezielt abgefeuert werden. Das baut RDE. Da steht die Firma auch zu. Auch die Drohnen sind ganz klar für militärischen Einsatz vorgesehen. Es sollen weiterhin die RDE-Drohnen HERON und KZO produziert werden: mit beiden Drohnen werden Luft- und Artillerieschläge vorbereitet. Das sind die sogenannten "Targeted-Killing`- Missionen, die drastisch zunehmen und die gegen das Kriegsvölkerrecht verstoßen.

Rheinmetalls Technologie, zum Beispiel die Feuerleitanlagen, sind in zwei Dutzend Ländern im Einsatz. Darunter finden sich auch Unruheherde wie Kurdistan oder die arabische Halbinsel. Damit ist die Bremer Firma massiv in den globalen Rüstungshandel und in diverse Konflikte verwickelt.

Neben der öffentlichen Debatte über dieses Forschungsprojekt sorgten weitere Skandale, in die Bremer Hochschulen verwickelt waren, dafür, dass in die Debatte um eine gesetzlich verankerte Zivilklausel ein wenig Bewegung kam. Radio Bremen fand heraus, dass das Bundesverteidigungsministerium jahrelang an einer komplexen Funktechnik forschen ließ, die explizit für Kriegseinsätze gedacht ist. Beteiligt war wieder OHB, ein Unternehmen, dass schon mit der Stiftungsprofessur an der Bremer Uni für Diskussionsstoff sorgte. Die vielen Windungen des Senats und der Koalition in der Bürgerschaft waren nicht mehr aufrecht zu erhalten. Bis zum Sommer 2012 war Rüstungsforschung an Bremer Hochschulen ein vermeintliches Hirngespinst des Astas, der Friedensbewegung und der Linken. Nach den erfolgreichen Debatten in und außerhalb der Bürgerschaft beauftragte die Koalition den Senat zumindest damit, eine gesetzliche Zivilklausel zu prüfen. Allerdings warten wir bis heute auf das Ergebnis.



Meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

Deutschland ist europaweit der erfolgreichste Waffenhändler. Allein 2010 ist die Menge genehmigter Exporte um 50% gestiegen. Laut neuestem Rüstungsexportbericht finden sich darunter für ca. 450 Millionen Euro Produkte der Kategorie "militärische Elektronik", ein sehr großer Teil dieser Exportgenehmigungen dürfte bei Rheinmetall Defence Electronics ankommen. Die sind hier Marktführer. Im Februar 2013 hat der Konzern seine vorläufigen Bilanzen für 2012 vorgelegt. Da steht: Das Geschäft mit der Rüstung ist binnen eines Jahres um 30% auf 3 Milliarden Euro gestiegen.

Pastor Wernecke, Friedensbeauftragter der Bremischen Evangelischen Kirche schrieb vor kurzem: "Wir brauchen Empörung auch in Bremen. Um dem Geschäft mit dem Tod irgendwann ein Ende zu setzen". Er schrieb dies, weil Bremen eine Hochburg der Waffenindustrie ist.

Rheinmetall beliefert von hier aus nach eigenen Angaben 30 Länder. Die Lürssen-Werft beliefert die komplette arabische Halbinsel und Angola. Die Bremer Waffenindustrie ist klar und eindeutig auf den Export ausgerichtet. Das bedeutet: Von Bremen wird der Tod in alle Welt geliefert.

Wir fordern deshalb als ersten Schritt den sofortigen Stopp aller Waffenexporte in Gebiete, in die nach den eigenen Kriterien der Bundesregierung niemals auch nur eine Patrone hingeliefert werden dürfte. Als zweiten Schritt fordern wir die ernsthafte Aufnahme von bundes- und europaweiten Konversionsprogrammen.

Konversion bedeutet die Umwandlung von militärischer Produktion in zivile Fertigung. Nach Ende des Kalten Krieges war Bremen hier einmal führend. Gewerkschaften, Politik und das Rüstungskapital waren daran interessiert, neue Dinge herzustellen. Es gab einen Konversionsplan und einen Konversionsbeauftragten, der vom Senat bezahlt wurde.

Zwischen 1991 und 2000 wurden rund 85 Millionen D-Mark in die "Konversion" der Bremer Rüstungsindustrie und der Umnutzung von Bundeswehr-Kasernen investiert.

Davon ist nichts mehr übrig. Der damalige Konversionsbeauftragte, Wirtschaftsprofessor Wolfram Elsner von der Uni Bremen, beklagt, dass es keinerlei wirtschaftspolitische Anstrengung mehr gibt, die Rüstungsindustrie umzuwidmen. Die guten Erfahrungen, die in Bremen zum Teil gemacht worden sind, und die sogar europaweit gewürdigt worden sind, liegen völlig brach. Niemand in der Regierung versucht mehr ernsthaft, hieran anzuknüpfen.

Wir sagen: Die Leute in den Rüstungsfabriken sind selbstverständlich in der Lage, andere Dinge zu produzieren. Das Problem ist einfach folgendes: Die Kapitalisten, etwa die Lürssen-Brüder, haben im Geschäft mit den Waffen die besten Renditen erblickt. Deshalb bauen sie vermehrt Kriegsschiffe, und auch genau deshalb wurde die P+S-Werft in Wolgast jüngst dazugekauft.

Ich komme zum Anfang meiner Rede zurück:

Das Rüstungsgeschäft ist KEIN Problem, weil es Arbeitsplätze in Bremen bringt.

Das Rüstungsgeschäft ist DESHALB EIN Problem, weil es fette Gewinne abwirft. Weil mit der Bewaffnung von Regierungen und dem Töten von Menschen das meiste Geld gemacht wird.

Das muss ein Ende haben und zwar umgehend!



Kristina Vogt ist Fraktionsvorsitzende DIE LINKE in der Bremischen Bürgerschaft. Vita siehe hier

E-Mail: kristina (Punkt) vogt (at) t-online (Punkt) de
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