OM 2013

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30.03.2013


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Ostermärsche und -aktionen 2013

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2013 in Mannheim am 30. März

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

Mathias Kohler (in Mannheim)

Neuaufnahme: Bitte bearbeiten!



- Es gilt das gesprochene Wort -



in den letzten Tagen habe ich die Frage gestellt bekommen, warum wir überhaupt noch einen Ostermarsch durchführen würden. Deutschland lebe doch seit 68 Jahren in Frieden. Es gibt keine feindlich gesinnten Nachbarstaaten mehr und deswegen bräuchte man sich um den Frieden keine Sorgen zu machen.

Wir sind heute hier, um deutlich zu machen, dass es im Gegensatz zu dieser Einschätzung zunehmende Anlässe gibt, sich um die deutsche Politik Sorgen zu machen, weil die Bundesregierung aus unserer Sicht immer noch nicht den Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ausschließt.

Wer übrigens der Meinung ist, dass Deutschland seit 68 Jahren keinen Krieg mehr geführt habe, darf nicht verschweigen, dass sich unser Land 1999 am völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien aktiv beteiligt hatte.

Im Weißbuch der gegenwärtigen Bundesregierung wird u.a. als Ziel der deutschen Sicherheitspolitik "der freie und ungehinderte Welthandel als Grundlage unseres Wohlstandes" genannt. Deutsche Sicherheitspolitik beruhe "auf einem umfassenden Sicherheitsbegriff", der sei "vorausschauend und multilateral angelegt". Mit diesem weichgespülten Sätzen wird der Auftrag der Bundeswehr über die Landesverteidigung hinaus ausgedehnt und der ursprüngliche Geist des Grundgesetzes wird für Ziele missbraucht, die so nicht in unserer Verfassung stehen.

In Artikel 87a des Grundgesetzes steht, das "der Bund Streitkräfte zur Verteidigung aufstellt. Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt."

Die Bundeswehr, die angeblich nur zum Zwecke der Landesverteidigung gegründet worden war, befindet sich zur Zeit mit 7.000 Männern und Frauen in Einsätzen in Afghanistan, im Kosovo, am Horn von Afrika, vor der Küste Libanons, in der Türkei, in Mali bzw. Senegal, in Uganda, im Sudan, im Süd-Sudan und im Kongo. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr haben allein im Jahr 2011 rund 1,48 Milliarden Euro und damit 74 Millionen mehr als geplant gekostet. Die ersten zehn Jahre des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr haben nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) 17 Milliarden Euro gekostet. Das war dreimal so viel wie die von der Bundesregierung offiziell veranschlagt worden war.

Wir fordern als Friedensbewegung den Rückzug der weltweit agierenden Bundeswehr!

Internationale Konflikte sind nicht mit Waffengewalt zu lösen! Es bedarf ziviler Konzepte und Strategien zur Lösung von Konflikten!

Der Einsatz von Militär schafft nur neue Probleme und löst letztlich keine Probleme!

Selbst Altkanzler Helmut Schmidt, der sicherlich kein Sympathisant der Friedensbewegung ist, kritisierte den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Er stellte fest, dass "mit den bisherigen Operationen, das immer unschärfer gewordene Ziel offenbar nicht erreichbar", wurde. Das ursprüngliche Ziel, der Terrororganisation al-Qaida die Grundlage zu entziehen, habe der Westen nicht erreicht. "Zwar ist in Afghanistan nichts mehr von al-Qaida zu sehen, dafür aber im Westen Pakistans, nur ein Haus weiter. Ich habe den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan von Anfang an mit Skepsis begleitet."

Wir fordern den sofortigen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Die Milliarden-Beträge, die für diesen Kriegseinsatz verschwendet wurden, sollten stattdessen für den Aufbau des Landes und für zivile Methoden der Konfliktlösung verwendet werden.

Wir sind heute zum zweiten hier, um gegen den unsäglichen deutschen Rüstungsexport zu protestieren. Deutschland ist weltweit der drittgrößte Rüstungsexporteur. Dabei geht es nicht nur um Panzer und um Fahrzeuge.

Jede Minute stirbt auf der Erde ein Mensch an den Folgen einer Gewehrkugel, einer Handgranate oder einer Landmine. Fachleute schätzen, dass alleine durch Gewehre und Pistolen der baden-württembergischen Waffenschmiede Heckler & Koch nach dem Zweiten Weltkrieg weit mehr als eine Million Menschen ihr Leben verloren haben. Weitere ungezählte Kriegsopfer sind durch die vielen anderen waffenexportierenden deutschen Unternehmen zu beklagen.

Die deutschen Exporte von Kriegswaffen und Rüstungsgütern haben sich in den letzten Jahren verdoppelt. Zu den Empfängern deutscher Waffen, Rüstungsgüter und Lizenzen zählen auch Diktaturen und autoritäre Regime, die die Menschenrechte mit Füßen treten.

Im Rüstungsexportbericht 2012 der "Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE)" wird beispielsweise darauf hingewiesen, dass Saudi-Arabien im Jahre 2011 deutsche Rüstungsgüter im Wert von 139,5 Mio. Euro erhalten hatte. Mit 4.213 Sturmgewehren war Saudi-Arabien der größte Abnehmer für deutsche Kleinwaffen. Das Land soll bis zu 800 Leopard-II-Panzer erhalten. "In Saudi-Arabien werden grundlegende Menschen- und Bürgerrechte missachtet, Frauen werden unterdrückt. Harte physische Strafen (Auspeitschen, Amputation) sind an der Tagesordnung. Saudi-Arabien hat internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte ebenso wenig ratifiziert wie internationale Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle und zur Verhinderung der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen. In Saudi-Arabien schwelen ungelöste Konflikte, etwa im Zusammenhang mit umstrittenen Grenzfragen mit dem Jemen. Insgesamt ist die politische Lage in der Region angespannt." (Zitat aus dem GKKE-Bericht). Laut amnesty international wurden allein 2009 mindestens 69 Menschen in Saudi-Arabien hingerichtet - darunter selbst Jugendliche. Wer in ein solches Land Waffen exportiert, dem sind die Menschenrechte völlig gleichgültig und der hat nur die Steigerung der Profitrate im Auge. Es ist ein Hohn, wenn im letzten Rüstungsexportbericht der Bundesregierung steht, dass "der Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungs- und Endverbleibsland bei den Entscheidungen über Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern besonderes Gewicht beigemessen wird."

Selbst wenn die Waffen und Rüstungsgüter nicht eingesetzt werden, sind finanzielle Mittel gebunden, die damit für Bildung und Armutsbekämpfung nicht mehr zur Verfügung stehen. Griechenland ist dafür ein Beispiel.

Wir wollen dem Export von Terror und Gewalt made in Germany ein Ende setzen!

Unterstützen Sie deswegen bitte unsere Unterschriftenaktion!

Wir fordern eine grundsätzliche Veröffentlichungspflicht aller geplanten und tatsächlich durchgeführten Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern um öffentliche Diskussionen und parlamentarische Entscheidungen überhaupt zu ermöglichen und wir fordern die Aufnahme eines grundsätzlichen Verbotes von Rüstungsexporten durch eine Klarstellung des Grundgesetzartikels 26(2)!

Über Dreiviertel der Deutschen sind gegen Rüstungsexporte. Auf die Frage "Sollte Deutschland Ihrer Meinung nach Waffen und andere Rüstungsgüter in andere Länder verkaufen oder nicht?" antworten 78 Prozent der Befragten mit "nicht verkaufen". Das ist eindeutig! Eine Bundesregierung die dem Volk - und nicht der Rüstungsindustrie - verpflichtet sein möchte, hat allen Grund, schnellstmöglich die unsäglichen Rüstungsexporte zu beenden. Wer Krisen lösen will, darf kein Öl ins Feuer gießen und beispielsweise auch keine Kriegswaffen nach Syrien schicken, egal an welche Seite der beiden Konfliktparteien.

Der dritte Grund für unseren heutigen Ostermarsch ist der schlimme und eskalierende Bürgerkrieg in Syrien:

In Syrien tobt ein von beiden Seiten brutal geführter Bürgerkrieg. Im syrischen Bürgerkrieg sind nach UN-Angaben bisher mindestens über 70.000 Menschen getötet worden. Die tatsächlichen Opferzahlen seien wahrscheinlich viel höher als erwartet. Und wir wissen, dass dies in erster Linie Frauen, Kinder und Zivilisten sind.

In Syrien ist aus regierungskritischen Protesten inzwischen ein blutiger Bürgerkrieg geworden. Statt friedlicher Vermittlung arbeitet die westliche Staatengemeinschaft offenkundig auf einen militärischen Sturz der Regierung hin. Regierungsgegner werden von den religiös-fundamentalistischen Golfmonarchien mit Waffen und dschihadistischen Kämpfern versorgt und von den Staaten des Westens politisch und mit militärischer Infrastruktur unterstützt. Die türkische Armee steht an der syrischen Grenze zum militärischen Eingreifen bereit - unterstützt von der Nato und der Bundeswehr. Wer in diesem Bürgerkrieg den Teufel mit dem Beelzebub austreiben will, wird eines Tages feststellen müssen, dass er die Geister, die er unterstützt hat, nicht mehr loswerden wird. Das belegt blutig die Geschichte der Taliban in Afghanistan, die anfangs von den USA massiv unterstützt worden sind, solange es gegen den damaligen gemeinsamen Feind Sowjetunion gegangen war.

Aus dem sogenannten arabischen Frühling ist an vielen Stellen leider ein arabischer Herbst geworden. Unsere Regierung sollte alles unterlassen, um in dieser schwierigen Lage die Konflikte in diesen Ländern noch weiter anzuheizen.

Mit der Stationierung von Bundeswehrtruppen in der Türkei nahe der syrischen Grenze ist Deutschland dabei, Kombattanten-Status in diesen Krieg zu erlangen. Deutschland hat keinen Grund, sich mit einem Raketenschild an diesem Konflikt zu beteiligen. Die Bundesregierung sollte stattdessen als Vermittler und als Helfer für die in Not geratenen Menschen in Erscheinung treten.

Dazu gehört ohne Einschränkung eine großzügige humanitäre Aufnahme der Kriegsflüchtlinge aus Syrien auch in Deutschland.

Etwa eine Million Menschen sind innerhalb von Syrien oder in benachbarte Länder wie in die Türkei oder nach Jordanien auf der Flucht. Sie brauchen unsere Hilfe. Diese Menschen brauchen keine Waffen, sie brauchen Zelte, Essen und medizinische Versorgung. Täglich fliehen zwischen 5.000 und 10.000 Menschen aus Syrien in die Nachbarstaaten. Da sind die 5.000 Flüchtlinge, die die Bundesregierung jetzt endlich aufnehmen will, ein kleiner Tropfen auf einem sehr heißen Stein. Während des Kosovokrieges fanden allein in Deutschland 170.000 Kriegsflüchtlinge Zuflucht. 20.000 davon wurden sogar mit einer Luftbrücke nach Deutschland evakuiert. In ähnlicher Weise sollte den Kriegsopfern in Syrien geholfen werden. Zur Finanzierung kann man die 25 Millionen Euro verwenden, die der Patriot-Raketeneinsatz der Bundeswehr in der Türkei kostet.

Es muss im gesamten Nahen Osten zu einer Entschärfung der verschiedenen bestehenden Konflikte kommen, um einen Flächenbrand zu verhindern. Es muss endlich nach vielen Kriegen und endlosen Konflikten auch zu einer friedlichen Lösung zwischen Israel und den Palästinensern kommen. Letzte Woche hatte US-Präsident Obama bei seiner Ansprache vor israelischen Studenten darauf hingewiesen, dass Israel seine Besatzung im Westjordanland beenden muss, wenn es ein jüdischer und demokratischer Staat bleiben wolle. In einem Leitartikel der Frankfurter Rundschau wird jedoch das Unvermögen auf beiden Seiten angesprochen, sich in die Lage der anderen Seite zu versetzen. In dem Artikel wird dieses Unvermögen beschrieben:

"Die Existenzängste der Israelis zu verstehen, die hinter ihrem rauem Umgangston stecken. Die Ohnmacht der Palästinenser, aus der ihr Zorn resultiert, weil ihr Leben bis in Alltagsfacetten hinein von einer Fremdherrschaft bestimmt wird. Ohne Sicherheit für Israel und Souveränität für Palästina wird es nie eine ausgehandelte Zwei-Staaten-Lösung geben."

Deswegen bedarf es dort auch des Dialogs und des Kontakt der Menschen untereinander. Deswegen zitiere ich kurz aus der Rede von Jitzchak Rabins bei der Unterzeichnung des ersten israelisch-palästinensischen Abkommens am 13. September 1993 vor dem Weißen Haus in Washington:

"Euch, den Palästinensern, sage ich: Ihr und wir sind beide dazu verurteilt, zusammenzuleben, auf demselben Stück Erde, im selben Land. . Genug der Tränen und des Blutes. . Wir haben keinen Hass auf Euch. Wir sehnen uns nach keiner Rache. Wir sind - wie Ihr - Menschen, die ein Haus bauen wollen, einen Baum pflanzen, lieben wollen; Menschen, die an Eurer Seite in Respekt und Sympathie als freie Menschen leben wollen.Wir sehnen uns danach, ein neues Kapitel in unserem gemeinsamen, traurigen Geschichtsbuch zu öffnen - ein Kapitel von gegenseitiger Anerkennung, von Respekt, Verständnis, Freundschaft. Wir hoffen auf den Anfang einer neuen Geschichte des Nahen Ostens."

Rabin hatte immer darauf hingewiesen, dass Frieden nicht zwischen Freunden, sondern zwischen Feinden geschlossen wird. Das sind auch unsere Hoffnung und unser Ziel für den Nahen Osten.

Zum Schluss möchte ich, darauf hinweisen, dass die Bundeswehr seit der Umstellung auf eine Berufsarmee im Jahr 2011 ihre Werbung intensiviert. Besonders mit Auftritten von Jugendoffizieren an Schulen und in der Lehrerbildung versucht sie, Jugendliche für das Soldatentum zu werben. Dem setzen wir die von der Landesverfassung geforderte Erziehung zum Frieden entgegen. Wir fordern die Kündigung des Kooperationsabkommens Schule - Bundeswehr und das Verbot von Rüstungsforschung an den Hochschulen unseres Landes.

Wir fordern "Bundeswehr zurück in die Kasernen!

Die Friedensbewegung tritt ein für eine Welt ohne Atomwaffen und ohne Massenvernichtungswaffen. Auch die friedliche Nutzung der Atomenergie gefährdet unsere Zukunft. Zur Energiewende und einer Ressourcen schonenden Wirtschaftsweise gibt es keine Alternative. Nachhaltiges Wirtschaften ist auch Friedenspolitik.

Deswegen kämpfen wir für eine Für eine Welt ohne Atomwaffen und Massenvernichtungswaffen. Deswegen wurde schon in den 60 Jahren die Ostermärsche unter der Parole "Kampf dem Atomtod!" durchgeführt.

Ich bitte Sie und Euch alle, arbeitet aktiv für unsere gemeinsamen Ziele:

Krieg ist keine Lösung!

Frieden schaffen ohne Waffen!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.



Mathias Kohler ist aktiv beim Friedensplenum Mannheim.

E-Mail: Mathias (Punkt) Kohler (at) gmx (Punkt) net

Website: www.frieden-mannheim.de
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