OM 2013

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30.03.2013


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Ostermärsche und -aktionen 2013

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Ansprache in Landstuhl zur Abschlusskundgebung des Ostermarschs Ramstein-Landstuhl am 30. März 2013

Liebe Freundinnen und Freunde,

Andreas Markus (in Ramstein)



- Es gilt das gesprochene Wort -



ich freue mich sehr, dass ich von der Friedensinitiative Westpfalz eingeladen wurde in diesem Jahr zu euch zu sprechen.

Teilen wir doch ein- und dieselbe Überzeugung: dass der Krieg - eine der schlimmsten Geißeln der Menschheitsgeschichte - überwindbar ist!

Ostermärsche halten diesen Menschheitstraum wach.

Eine Politik die bei Konfliktlösungen letztendlich immer noch in militärischen Kategorien denkt, passt nicht mehr in die Zeit des 21. Jahrhunderts.

Eine andere Welt ist möglich und bitter nötig.

Die gewaltigen Probleme der Menschen auf unserer Erde wie Naturzerstörung, die drohende Klimakatastrophe sowie Armut und Unterentwicklung, brauchen unsere ganze Kraft.

Unsere Regierenden hatten sich lange abgemüht uns einzureden, Rüstung und Militär seien doch nur dazu da, den bösen Feind im Osten davon abzuschrecken uns anzugreifen. Kaum war der Feind abhanden gekommen, da hieß es dann auf einmal: unsere militärischen Fähigkeiten müssten so ausgerichtet werden, dass wir überall in der Welt eingreifen können, wenn Menschenrechte verletzt werden.

Man nennt das jetzt "Schutzverantwortung. Aber ist es nicht die allerhöchste Verantwortung, Menschen vor lebensbedrohenden Militäreinsätzen zu bewahren und unsere Söhne und Töchter davor zu schützen, Killer und Killerinnen zu werden?

1992, als deutsche Sanitätssoldaten nach Kambodscha geschickt wurden und damit erstmals ein out-of-area-Einsatz der Bundeswehr gewagt wurde, jubelte die Zeitschrift des Bundeswehrverbands auf der Titelseite: "Normal werden in Kambodscha!"

Und als wir anscheinend immer noch nicht normal genug waren, titelte der SPIEGEL 2006 unter Berufung auf hohe Militärs unserer NATO-Verbündeten: "Die Deutschen müssen das töten lernen!"

Seit dem Libyen-Feldzug einiger unserer Verbündeter und im Fall Mali fährt die Bundesregierung den Kurs militärischer Zurückhaltung.

Recht so!

Das Konzept könnte weiter ausgebaut werden. Und es wäre

erst wirklich überzeugend, wenn die Regierung Merkel die militärische Zurückhaltung und die geringeren Rüstungsaufträge der Bundeswehr nicht durch eine massive Steigerung der Rüstungsexporte kompensieren würde!

Was aber nicht geht, liebe Freundinnen und Freunde,

das ist, Außenminister Westerwelle, für seine "Kultur der militärischen Zurückhaltung" zu kritisieren. Es ist ein schwer nachvollziehbarer Fehler, wenn hier auf Bundesebene von deutscher Isolation gefaselt wird.

Aber sie werden ein weiteres Mal vom publizistisch-militärischen Komplex unserer Republik übertroffen: schreibt doch der SPIEGEL in derselben Ausgabe, in der er die Wiederbelebung der deutschen Erinnerungskultur durch den Fernseh-Dreiteiler "Unsere Mütter - unsere Väter" würdigt, folgendes zum Thema "Die zaghaften Deutschen":

"Seit 20 Jahren ist die Bundeswehr an Kampfeinsätzen im Ausland beteiligt. Schrittweise gewöhnte die rot-grüne Regierung das Land an eine neue Normalität. Doch nun ist ausgerechnet Schwarz-Gelb dabei, das Erreichte wieder zu verspielen."

Und dann watschen, die erleuchteten SPIEGEL-Experten, Westerwelle als reinen Populisten ab. Er habe diese Kultur der militärischen Zurückhaltung aus Angst vor dem Wähler erfunden und eine seiner Top-Prioritäten sei der Abzug der amerikanischen Atombomben aus Deutschland. Das Kanzleramt habe daraufhin die Amerikaner beruhigen müssen.

Ja geht`s noch?

Würde die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler tatsächlich den Wahlkampfstrategen Angst davor machen, weitere Auslandseinsätze ins Visier zu nehmen, dann wäre es gar nicht so schlecht bestellt um unser Land. Dann ginge es eigentlich nur noch darum, den Mehrheitswillen der in der Bundesrepublik lebenden Menschen in praktische Politik umzusetzen.

Das hieße: systematische Abrüstung, flankiert von einer vorsorgenden Konversionspolitik, planvoller Abzug der US-Streitkräfte, ebenfalls begleitet von finanziell geförderten Konzepten für sinnvolle Arbeitsplätze und natürlich sofortiger Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland.

Dies müsste allerdings ergänzt werden durch eine intensive Auseinandersetzung mit der sogenannten "europäischen Sicherheitsidentität" um rechtzeitig zu verhindern, dass wir oder unsere Nachkommen eines Tages aufwachen in einer EU, in der die französischen und britischen Atomwaffen zu einer properen atomaren Abschreckungsstreitmacht zusammengefügt sind.

Zugleich - wenn Abrüsten wirklich der Wille der Mehrheit in diesem Lande wäre - dürfte es ja nicht allzu schwer sein, darauf hinzuwirken, dass in nennenswertem Umfang Gelder zur Verfügung gestellt werden, um die konstruktiven Alternativen zur militärischen Austragung von Konflikten massiv zu fördern und auszubauen: die zivile Konfliktbearbeitung durch gut ausgebildete Friedensfachkräfte.

Die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung - ein Zusammenschluss von Friedensorganisationen - die einen nichtmilitärischen Friedensbegriff vertreten - hat dieser Tage einen Forderungskatalog erarbeitet, der zur Bundestagswahl 2013 an die Parteien gerichtet ist.

Er steht unter dem Leitgedanken:

Friedenslogik statt Sicherheitslogik soll Deutschlands Politik bestimmen.

Die Prävention von Krieg und Gewalt wird darin als eine der zentralen Herausforderungen für Politik und Gesellschaft gesehen.

So wird u.a. gefordert:

Ein friedenspolitisches Leitbild für Deutschland

Handlungsfähige Strukturen für Zivile Krisenprävention

Vorrang für zivile Konfliktbearbeitung auf internationaler Ebene.

Ich finde, diese Forderungen sind sehr unterstützenswert.



Liebe Freundinnen und Freunde,

ein Ziel: Militär und Rüstung abzuschaffen, mag vielen unserer Politikerinnen und Politikern zu weit gehen.

Aber so war es ja auch bei der Abschaffung der Sklaverei. Wären damals statt Lincoln Politiker vom Schlag unserer Regierenden an der Macht gewesen, hätte man die Sklaverei behalten, um den Wirtschaftsstandort zu sichern!

68 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ist es an der Zeit und legitim, die massive Militärpräsenz in unserer Region in Frage zu stellen. Weder unsere Region noch Deutschland und die Europäische Union dürfen sich auf Dauer zu Geiseln und Mittätern einer US-Politik des "dicken Knüppels" machen lassen.

Dies zu fordern ist NICHT antiamerikanisch, sondern liegt auch im Interesse unserer US-amerikanischen Freunde. Denn eine Abkehr von der Politik weltumspannender militärischer Dominanz kann den USA helfen, ihre gigantischen Schulden abzubauen, der sozialen Verelendung weiter Teile der Bevölkerung entgegen zu wirken und international zur Fähigkeit fairen Interessenausgleichs zurück zu finden.

Die in unserer Region in Jahrzehnten gewachsenen Freundschaften zu Staatsbürgerinnen und - bürgern aus den USA haben für uns einen hohen Wert. Aber gerade Freunden redet man nicht nach dem Mund. Erst recht schaut man nicht unkritisch zu, wie sie von ihren Regierungen für eine für viele Menschen auf der Welt lebensgefährliche Politik missbraucht werden.

Wenn die RHEINPFALZ anlässlich der Übergabe des Militärgefängnisses Baghram diese Woche schreibt:

"Der Vergleich Baghrams mit Guantanamo hinkt. Die Haftbedingungen auf der nordafghanischen Air Base waren schlimmer als auf Kuba" sind wir erst recht aufgefordert, zu dieser oft ins Menschenverachtende abgleitenden Militärmaschinerie NEIN zu sagen.

Die herkömmliche Politik, Konflikte mit Waffengewalt lösen zu wollen, ist gescheitert. Das sollten unsere verantwortlichen Politikerinnen und Politiker spätestens nach dem verfehlten Militäreinsatz in Afghanistan gelernt haben.

Die Demokratie westlicher Prägung kann Menschen anderer Kulturen eben nicht mit Gewalt aufgedrängt werden.



Liebe Freundinnen und Freunde,

wir haben heute an der Air Base Ramstein demonstriert, einem Ort, der wie kaum ein anderer für die Ideologie einer militarisierten Welt steht. Von dieser europäischen Drehscheibe für Fracht- und Truppentransporte werden die meisten Kriege in der Welt mit Nachschub versorgt. Zudem steht hier seit gut einem Jahr die alleinige Befehlszentrale für alle Luftoperationen der NATO in Europa mit der inzwischen eingerichteten Kommandozentrale für das Raketenabwehrsystem der NATO. All das macht unsere Region keineswegs sicherer, sondern ganz sicher zu einer Zielscheibe in künftigen internationalen Konflikten oder - schon jetzt für terroristische Angriffe.

Die nicht enden wollende Konzentration militärischer Einrichtungen in unserer Region muss ein Ende haben. Wir müssen die Politik auf kommunaler, Landes- und Bundesebene endlich dazu bringen, ihr naives, unkritisches, ja höriges Verhalten - gerade gegenüber der massiven US-Militärpräsenz in unserer Region - zu revidieren.

Es stellt sich die Frage, inwieweit diese seit Jahrzehnten hier dominierende Militärpräsenz mit ein Grund ist, dass Stadt und Kreis Kaiserslautern zu den am höchsten verschuldeten Gebietskörperschaften in Deutschland bzw. in Rheinland-Pfalz gehören. Die US-Streitkräfte zahlen hier ja keine Steuern, sie nutzen aber die bereit gestellte Infrastruktur.

Der Landverbrauch, die Umweltbelastung und der Fluglärm sind neben der wirtschaftlichen Fragwürdigkeit dieser Militärpräsenz eindeutig negative Erscheinungen. Sie mindern die Lebensqualität unserer Heimat erheblich.

Das sind entscheidende Gründe, die gegen die Verstärkung militärischer Präsenz und für ihren planvollen Abbau sprechen. Im Gegenzug gilt es, die arbeitsmarktpolitische Abhängigkeit der Region vom Militär zu überwinden. Das ist möglich mit Hilfe einer durchdachten Konversionsplanung.

Wenn in den USA in einer Region Standorte geschlossen werden sollen, gehen die Experten der Administration frühzeitig auf die betroffenen Kommunen zu und entwickeln mit ihnen Konzepte sinnvoller ziviler Nachnutzung.

So kann eine vorrauschauende Konversionsplanung aussehen.

Wie selbstverständlich stellt die US-Regierung dafür in erforderlichem Umfang Gelder zur Verfügung. Der Ehrgeiz ist, durch diese Art Konversionspolitik mehr Arbeitsplätze zu schaffen als durch das Schließen des Militärstandorts verloren gehen. Leider wenden die USA dieses Erfolgsrezept nicht auf ihre ausländischen Standorte an.

Aber unsere Regierungen sollten davon lernen.

Also, Herr Lewentz, wenn Sie in die USA reisen, dann lassen Sie sich von diesen Erfolgsstories inspirieren. Das bringt uns mehr, als wenn Sie um Standortsicherung für K-Town oder anderswo in Rheinland-Pfalz betteln!

Dann bräuchten nicht, wie jetzt wieder in Kaiserslautern,

1.000 Zivilbeschäftigte wegen Personalabbaus bei der Army um ihren Job zu bangen.



Liebe Freundinnen und Freunde,

wir sollten alle Maßnahmen ablehnen, die die Militärpräsenz von US-Streitkräften und NATO-Einrichtungen zementieren, gleich ob das nun das neue überflüssige Militärkrankenhaus oder die Kommandozentrale für das NATO-Raketen-Abwehrsystem in Ramstein ist.

Wenn Oberbürgermeister und Landrat mit Stolz erklären, der US-Militärstandort sei hier dauerhaft gesichert,

dann haben sie die Menschen hier nicht gefragt, ob sie das auch wollen.

Wenn der ex-Innenminister Peter Bruch 16 mal nach Washington geflogen ist, um dort für den Verbleib von möglichst viel Militär in RLP zu bitten und sein Nachfolger Lewentz diese unsägliche Tradition fortsetzt, dann hat die Menschen hier niemand gefragt, ob sie das auch wollen.

Wenn die Politik 50 Ha Wald für ein unnötiges neues US-Militärkrankenhaus wiedermal abholzen will, obwohl es hier in Landstuhl ein intaktes gibt, dann hat die Menschen hier niemand gefragt, ob sie das auch wollen.

Wann und ob der US-Kongress allerdings die erforderlichen Mittel für diesen Neubau im US-Haushalt wirklich bereitstellen kann, ist nach wie vor offen.

Ich meine, solange das nicht geklärt ist, sind alle von deutscher Seite gewährten planerischen und finanziellen Unterstützungsleistungen und die bereits dafür eingeleiteten Straßenbaumaßnahmen sofort zu stoppen.



Liebe Freundinnen und Freunde,

das verfolgen unserer langfristigen Ziele schließt eine hartnäckige Politik der kleinen Schritte nicht aus. Dort wo wir Einfluss ausüben können, müssen wir das zum Wohle der Mitmenschen in der Region nutzen.

So führen wir als grüne Kreisverbände KL Stadt und -Land zur Zeit Gespräche mit Grünen in der Landesregierung u.a. mit folgenden Zielen:

eine ehrliche Kosten-Nutzen-Analyse der Militärpräsenz in der Region Kaiserslautern muss her. Die bisher immer wieder vorgeschobenen wirtschaftlichen Gründe, mit der die herkömmliche Politik den Einsatz von Steuergeldern rechtfertigt, muss endlich mit einer wissenschaftlichen Studie entweder bestätigt oder als Märchen entlarvt werden.

Außerdem stellen wir fest: Fluglärm macht krank! militärischer Lärm ist nicht weniger belastend als ziviler. In der Region haben wir viel zu viel Fluglärm durch die Starts und Landungen auf der Air Base, durch die Übungsflüge des in Ramstein beheimateten Transportgeschwaders, durch den Bodenlärm vom Warmlaufen der Maschinen, durch die Radarflugübungen an den Polygonen, durch die Hubschrauber-Übungsflüge auf dem Landstuhler Kirchberg und nicht zuletzt durch die Tiefflugübungen in der TRA Lauter.

Schon die einzelne Lärmquelle ist belastend, die verheerende Wirkung entsteht jedoch durch das Zusammenwirken all dieser Zumutungen.

Das darf aber bei den Betroffenen nicht zu dauerhafter Resignation führen.

Als einen der ersten und MACHBAREN Schritte zur Fluglärmreduzierung haben wir bei den Gesprächen mit unseren Leuten in der Landesregierung vorgeschlagen, die Tiefflugübungszone TRA Lauter aufzuheben. Die ist nicht an die Air Base Ramstein gebunden. Durch den Militärflugplatz trägt die hier lebende Bevölkerung wahrlich mehr als genug von der sogenannten Verteidigungslast Deutschlands. Die Einstellung der Tiefflugzone würde zudem der ganzen Region zugute kommen.

Eine weitere machbare und dringend notwendige Entlastung wäre die Verlegung des Helikopter-Landeplatzes weg vom Kirchberg in Landstuhl.

Solche Übungsflüge dürfen nicht über besiedeltem Gebiet stattfinden.

100 %ig einig sind wir mit der grünen Landes- und Bundesebene in folgenden Punkten:

Aktivitäten wie Entführung von Tatverdächtigen und deren Verbringung in Drittländer, zu einer getarnten Art der Folter, dürfen von Deutschland, also auch von Ramstein aus unter keinen Umständen geduldet werden

Überflugerlaubnisse über deutsches Territorium dürfen bei völkerrechtswidrigen Einsätzen von US- oder NATO-Streitkräften von deutscher Seite nicht erteilt werden



Liebe Freundinnen und Freunde,

das Zukunftsmodell für unsere Welt und somit auch für unsere Region kann nicht sein, dass alles so bleibt wie es ist. Mangelnder Wille zur Veränderung führt in die Sackgasse. Die Politik muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Veränderungen von den Menschen nicht als Bedrohung, sondern als Eröffnung neuer Entwicklungschancen empfunden werden.

Die Wirkungen der Kriegswaffen werden, für alle Welt erkennbar, immer katastrophaler. Selbst in den USA beginnen ehemalige Berater der Obama-Administration den Einsatz von Kampfdrohnen wegen der immensen Opfer in den Zielgebieten zu kritisieren, just zu einem Zeitpunkt, wo unser de Maiziere für die Bundeswehr solche Killerwaffen anschaffen will: Welch eine Schande.

Eine Welt ohne Kriege ist möglich! Unsere Region ohne Militär ist möglich!

Lasst uns dafür kämpfen!

In diesem Sinne, wünsche ich Euch allen, ein frohes und friedliches Osterfest.



Andreas Markus ist Kreisvorstandssprecher von Bündnis 90/Die Grünen Kaiserslautern-Land.

E-Mail: andreas (Punkt) markus (at) gruene-kl (Punkt) de

Website: www.gruene-kl.de
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