OM 2013

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30.03.2013


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Ostermärsche und -aktionen 2013

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Redebeitrag für den Ostermarsch 2013 in München am 30. März

Liebe Freundinnen und Freunde,

Christina Hacker (in München)



- Es gilt das gesprochene Wort -



vor zwei Jahren stand ich auch auf der Ostermarsch-Bühne. Damals standen wir alle gerade unter dem Schock der Fukushima-Katastrophe - ein weiteres Mal hat das "Restrisiko" zugeschlagen und gezeigt, dass auch in einem hochentwickelten, bevölkerungsreichen Industrieland wie Japan ein GAU passieren kann. Und die Katastrophe ist noch immer nicht zuende: Vor Kurzem hat ein Stromausfall, möglicherweise verursacht durch eine Ratte, in den vier havarierten Fukushima-Reaktoren dazu geführt, dass erneut die Kühlung ausgefallen war - eine weitere Kernschmelze stand unmittelbar bevor. Diesmal ist es geglückt, die Kühlung rechtzeitig wieder in Gang zu setzen. Aber wie schaut es beim nächsten Mal aus?

Immerhin hat Deutschland damals reagiert - und viele von uns konnten es kaum glauben, dass unsere Regierung eine 180-Grad-Wende hinlegte und, zur großen Freude der Energiekonzerne, die gerade frisch gebackene Laufzeitverlängerung zum Entsetzen der Energiekonzerne in einen parteiübergreifenden Atomausstieg verkehrt hat. Doch erinnern Sie sich: Viele von uns waren skeptisch ob der plötzlichen Einsicht der PolitikerInnen, ein schales Gefühl - ob es doch nur wieder politisches Kalkül ist - blieb zurück.

Und heute? Zwei Jahre später sind zwar die damals acht abgeschalteten AKWs dauerhaft stillgelegt, aber die restlichen neun laufen immer noch. Und unser Verdacht, dass diese neun AKWs vielleicht doch länger laufen als geplant, erhärtet sich.

- Wie sonst ist zu erklären, dass das AKW im schwäbischen Gundremmingen eine Leistungserhöhung beantragt? Wozu, wenn die Meiler doch in einigen Jahren sowieso abgeschaltet werden sollen?

- Wie sonst ist zu erklären, dass die Regierungskoalition, die den Atomausstieg propagierte, heute die damit eingeleitete Energiewende regelrecht torpediert?

- Wie sonst ist zu erklären, dass diese Regierung unseren Strompreis künstlich in die Höhe treibt und dreist erklärt, dass nur die Erneuerbaren daran schuld sind?

Und sie machen das sehr geschickt! Sie verteufeln das Erneuerbare-Energien-Gesetz, vielmehr die EEG-Umlage, also die Förderkosten der Erneuerbaren, die angeblich den Strompreis hoch treiben. Und heucheln soziale Gerechtigkeit, dass wir dringend eine Strompreisbremse brauchen, da die sozial schwächeren Menschen den Strom nicht mehr bezahlen können! Und deshalb fordern sie, dass das EEG, das wegen seines Erfolgs inzwischen schon von einer Reihe anderer Länder kopiert wird, am Besten gleich ganz abgeschafft werden muss!

Doch ein Blick zurück zeigt, wie der Hase läuft: Seit Einführung des EEGs unter der rot-grünen Regierung im Jahr 2000 bis zum Jahr 2009 ist die Umlage moderat auf 1,31 Cent/kwh gestiegen. Unter der Amtszeit der schwarz-gelben Regierung ist sie innerhalb von einer Legislaturperiode sprunghaft nach oben geklettert, liegt heute bei 5,3 Cent/kwh und hat sich damit seitdem vervierfacht! Dabei sind die reinen Förderkosten nur marginal gestiegen. Wie kann das sein?

Klar ist, liebe Freundinnen und Freunde, nicht der erfreulich rasante Zubau der Erneuerbaren, sondern die schwarz-gelbe Regierung ist es, die den Strompreis so dramatisch hochtreibt!

Eine Reihe von Faktoren, die nichts und wieder nichts mit dem Ausbau der Erneuerbaren zu tun haben, sind die eigentlichen Preistreiber, und zwar:

Allen voran die Industrieprivilegien: Stromintensive Betriebe sind entweder ganz oder teilweise von der EEG-Umlage befreit! Die Befreiung war gedacht für Betriebe, die im internationalen Wettbewerb stehen. Die Grenze für die Befreiung lag ursprünglich bei 100 GWh Stromverbrauch im Jahr, ist später auf 10 GWh und in 2012 von der schwarz-gelben Regierung dann auf nur noch 1 GWh pro Jahr herabgesetzt worden - und hat damit den Kreis der Begünstigten erheblich ausgeweitet. Uns ist sogar berichtet worden, dass Betriebe, die knapp an die 1 GW-Grenze herankommen, extra viel Strom verbrauchen, um in den Befreiungsgenuss zu kommen!

So weit hat es die Regierung gebracht. Anstatt Anreize zum Stromsparen zu schaffen, bietet sie Anreize zum Strom verprassen, und das auf Kosten von uns Klein-Verbrauchern!

Waren es 2012 noch 700 begünstigte Betriebe, haben für 2013 mehr als 2000 Betriebe die Befreiung beantragt! Und man reibt sich schon die Augen, wenn man da auf der Liste auch Hähnchenmastbetriebe, Schlachtbetriebe, Milchwerke, sogar Stadtwerke, Flughäfen oder den Schienenverkehr findet! Wo - so die berechtigte Frage - besteht hier die Gefahr der Abwanderung ins Ausland?

Ein weiterer wesentlicher Faktor sind die Netzentgelte: Auch hier sind die großen Stromverbraucher außen vor, denn sie sind von den Netzentgelten komplett befreit. Dieser so genannte Mitternachts-Paragraph war ein Entgegenkommen der Regierung für die energieintensiven Unternehmen, die infolge des Atomausstiegs hohe Stromkosten befürchtet hatten. Glücklicherweise hat das OLG Düsseldorf kürzlich diese Sonderregelung für nichtig erklärt, da die gesetzliche Grundlage dafür fehle. Die EU-Kommission leitete ein Verfahren ein.

Das sind nicht die einzigen Privilegien und Kostentreiber, die unseren Strom so teuer machen. Die ganze Palette würde hier den Rahmen sprengen, Sie können dies auf unserer homepage
http://www.umweltinstitut.org nachlesen, wo wir die Strompreislüge ausführlich entlarven.

Es ist eine skandalöse Heuchelei, dass die Bundesregierung einerseits über die hohen Strompreise lamentiert, aber gleichzeitig die ungerechte und unsoziale Umverteilung der Energiekosten unterstützt: Die Großverbraucher werden von den Kosten der Energiewende befreit, die Privatkunden und kleineren Unternehmen müssen nicht nur die volle Last tragen, sondern auch die Befreiungen und Vergünstigungen der Industrie auffangen. Das ist eine betrügerische vorsätzliche Täuschung und eine Unverschämtheit sondergleichen!

Jetzt ist die Frage, was die Regierung mit dieser Strategie bezweckt.

Unser Verdacht ist, dass die Energiewende nicht wirklich gewollt ist, dass die Macht der großen Konzerne erhalten bleiben soll und der Ausbau der Erneuerbaren, der ein völlig anderes Machtgefüge bringt, nämlich eine dezentrale Energieversorgung, zum großen Teil in Bürgerhand oder auf kommunaler Ebene, verhindert werden soll.

Und dann dauert es nicht mehr lange, bis es heißt: Leider ist die Energiewende nicht gelungen, wir brauchen die Atomkraftwerke, der Atomausstieg muss zurückgenommen werden. Und das gilt es zu verhindern!

Wir müssen den Atomausstieg weiterhin massiv einfordern, denn von alleine wird er nicht kommen! Wir müssen weiterhin auf die Straße gehen, denn nur der Druck von unten wird die Energiewende ermöglichen!

Aber Atomausstieg bedeutet nicht nur die Abschaltung aller Atomkraftwerke. Wir müssen auch die Wurzeln beseitigen, denn die Technologie, die man für die Atomkraft braucht, ist die gleiche, die für Atomwaffen benötigt wird. Deshalb müssen wir auch dafür kämpfen, dass die Urananreicherungsanlage in Gronau stillgelegt wird! Und ebenso der Forschungsreaktor FRM-II in Garching, der noch immer mit hochangereichertem, waffenfähigem Uran betrieben wird, obwohl er längst auf niedriger angereichertes, nicht waffenfähiges Uran hätte umgerüstet werden müssen! Das wäre ein klares Signal für einen konsequenten Atomausstieg und einen ehrlichen Abrüstungswillen!

Wer für den Atomausstieg ist, muss auch für die Abrüstung eintreten, denn Atomenergie und Atomwaffen sind eng miteinander verflochten. Die "Atoms for Peace"-Strategie von US-Präsident Eisenhower Anfang der 1950er Jahre hat uns zwar vorgegaukelt, dass die Atomkraft der Welt Frieden bringen wird. Stattdessen hat sie uns eine Welt voller Atomwaffen beschert. Zu den fünf "offiziellen" Atommächten USA, Großbritannien, Frankreich, China und die ehemalige Sowjetunion sind auf illegale Weise inzwischen vier weitere Atommächte dazu gekommen: Israel, Pakistan, Indien und Nordkorea, das gerade wieder mit Atomtests die Welt in Aufruhr versetzt. Und im Iran wird seit Langem ein Atomwaffenprogramm vermutet.

Solche gefährlichen Zündler wie den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un würde es nicht geben, wenn nicht die sog. friedliche Atomenergienutzung den Boden dafür bereitet hätte! Und die Atommächte ihr Abrüstungsversprechen eingehalten hätten! Stattdessen modernisieren sie ihr Atomwaffenarsenal, das kann doch nur zu solchen Provokationen führen!

Wir haben heute noch immer etwa 20.000 von ehemals 65.000 einsetzbaren Atomspreng-köpfen auf der Welt, obwohl der Kalte Krieg längst Geschichte ist. Das sind auf jeden Fall 20.000 Atomwaffen zuviel! Und die lagern nicht etwa nur in den Atommachtstaaten, nein, unter dem Deckmantel der NATO sind auch in Europa etwa 150 bis 200 Atomwaffen stationiert, und zwar in Belgien, den Niederlanden, in Italien, der Türkei und auch in Deutschland. 10 bis 20 Atomwaffen werden beim deutschen Standort Büchel in der Eifel vermutet.

2010 haben sich alle Parteien in Deutschland im Grundsatz für einen Abzug der Atomwaffen ausgesprochen. Außenminister Westerwelle hat dieses als wichtiges Ziel dieser Legislaturperiode gepriesen. Was ist daraus geworden? Kein Wort wird darüber mehr verloren! Das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Ein umfassendes Modernisierungs-programm haben die USA angekündigt, die Betriebsdauer der Bomben soll sogar verlängert werden!

Herr Westerwelle, wenn Sie und Ihre FDP wenigstens das hingekriegt hätten!

Deswegen wird am 11. und 12. August mit einer Musikblockade auf das Atomwaffenlager in Büchel aufmerksam gemacht. Die Kampagne "atomwaffenfrei.jetzt, veranstaltet vor den Toren des Atomwaffenstandorts die Aktion "Rhythm beats bombs", zur der ich Sie alle herzlich einladen möchte. Lassen Sie uns zusammen Druck auf die Bundesregierung machen, sich ohne Wenn und Aber für einen internationalen Verbotsvertrag von Atomwaffen einzusetzen!

Wir brauchen eine Atomkraft- und Atomwaffen-freie Welt! Deutschland hat die Chance, mit einem konsequenten, beschleunigten Atomausstieg und einer nachhaltigen Forderung einer atomwaffenfreien Welt die Basis dafür zu schaffen. Helfen Sie mit und machen Sie weiter aktiv Druck!

Im Herbst sind Wahlen. Wir haben es in der Hand! Zeigen Sie dieser Regierung die rote Karte und wählen Sie sie ab! Sonst sind Abrüstung, Atomausstieg und Energiewende in weiter Ferne!

Anstatt Unmengen von Geld in die Rüstung zu stecken, finanzieren wir doch lieber den Umbau unserer Energieversorgung. Das, liebe Freundinnen und Freunde, würde den Frieden in der Welt mehr beschleunigen als jegliche kriegerische Einmischung in interne nationale Konflikte in fernen Ländern!

Vielen Dank!



E-Mail: ch (at) umweltinstitut (Punkt) org

Website: www.umweltinstitut.org
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