OM 2014

update:
18.04.2014


 voriger

 nächster

Ostermärsche und -aktionen 2014

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2014 in Augsburg am 19. April

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!

Jost-Hinrich Eschenburg (in Augsburg)



- Sperrfrist: 19.04.14, Redebeginn: ca. 13 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -



Der 28. Juni 1914 war der damalige "11. September". Das österreich-ungarische Thronfolgerpaar, die Zukunft der Doppelmonarchie, wurde von einem serbischen Extremisten ermordet. Einhelliges Entsetzen über diese Tat in ganz Europa. Aber am 29. Juli 1914 geschah ein noch größeres Verbrechen, über das die Meinungen geteilt waren: der erste Angriff "Osterreich-Ungarns auf die serbische Hauptstadt Belgrad. Der 28. Juni erfordere eine angemessene Antwort, sagte man (die Politiker und die Zeitungen) in "Osterreich. In Russland war man weitgehend anderer Meinung und fand, dass wegen des Verbrechens weniger nicht ein ganzes Land bestraft werden dürfe. Deshalb kam es zum Krieg. Deutschland hatte "Osterreich üneingeschränkte Solidarität" zugesagt, Frankreich war mit Russland verbündet. Die Deutschen wollten den Zwei-Frontenkrieg bestehen, indem sie Frankreich vom weniger geschützten Norden her angriffen; dazu musste die Souveränität Belgiens verletzt werden. So wurde England, Garantiemacht Belgiens, hineingezogen. Der Krieg zog immer weitere Kreise: Italien, Türkei, Armenien, Griechenland, die USA, ... 17 Millionen Tote, Massenmorde an Wehrlosen, Vertreibungen ganzer Völker. Auschwitz und Hiroshima sandten ihre Schatten voraus.

Durch die Attentate des 11. September 2001 kamen 3000 Menschen gewaltsam ums Leben. Einhelliges Entsetzen über diese Tat auf den ganzen Welt. Aber am 7. Oktober 2001 geschah ein noch größeres Verbrechen, über das die Meinungen geteilt waren: der amerikanische Angriff auf Afghanistan. Der 11. September erfordere eine angemessene Antwort, sagte man (die Politiker und die Zeitungen) im Westen. In der muslimischen Welt war man weitgehend anderer Meinung und fand, dass wegen des Verbrechens weniger nicht ein ganzes Land bestraft werden dürfe. Deshalb kam es zum Terror-Krieg. Deutschland hatte den USA "uneingeschränkte Solidarität" zugesagt. Die USA verletzten die Souveränität Pakistans, weil es den Taliban als Rückzugsort diente. Der Terrorkrieg wurde nach Pakistan und Indien exportiert, in den Irak, nach Libyen, Zentralafrika, Syrien ... Wieviele Millionen Tote?

Der Chef des deutschen Generalstabs, Helmuth von Moltke, schrieb in einem Memorandum vom 28. Juli 1914, dem Tag der Kriegserklärung gegen Serbien:(1) "Österreich hat den europäischen Kabinetten erklärt, ... es wolle den unruhigen Nachbarn [Serbien] nur zwingen, die Bedingungen anzunehmen, die es für ein weiteres Nebeneinander für nötig hält. ... Die österreichisch-serbische Angelegenheit ... [würde] in keiner Weise den europäischen Frieden bedrohen, ... wenn nicht Russland sich eingemischt hätte. ... Es erklärt, mobilisieren zu wollen, wenn "Osterreich in Serbien einrücke, da es eine Zertrümmerung Serbiens durch "Osterreich nicht zugeben könne, obgleich "Osterreich erklärt hat, dass es an eine solche nicht denke." Die Folgen seien unausweichlich: Die Bündnisverpflichtung Deutschlands erzwinge den Krieg gegen Russland und Frankreich, der "die Kultur fast des gesamten Europas auf Jahrzehnte hinaus vernichten wird", wie Moltke erkennt - und in Kauf nimmt.

Dieses Memorandum ist interessant, weil es heute ganz ähnlich geschrieben werden könnte; das machen zum Beispiel die "Außerungen von Nato-Generalsekretär Rasmussen zur Krim-krise deutlich: Die Krise in der Ukraine stelle die Grundsätze infrage, auf die das moderne

Europa gegründet sei. Russlands Vorgehen auf der Krim sei "eine Verletzung der territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine". "Es untergräbt das internationale Recht. Und es missachtet den Grundsatz, dass jeder Staat souverän ist und frei "uber sein eigenes Schicksal bestimmen kann." Die Krise in der Ukraine sei "eine Mahnung, diese Errungenschaft auch zu verteidigen", erklärt Rasmussen und wirbt für eine Nato-Erweiterung nach Osten.(2)

Das Grundsätzliche hat sich nicht geändert: Die Verfehlungen der Seite, die man unterstützt, werden klein geredet oder ganz "vergessen", das Vorgehen der Gegenseite dagegen wird zu einer Bedrohung der ganzen Menschheit erklärt. Man geriert sich als Richter in eigener Sache. Wenn die Sache danach sogar aus Sicht der Kriegstreiber so furchtbar schief läuft wie der Erste Weltkrieg, dann war es "Tragik", nicht etwa eigene Schuld durch unbedingtes Beharren auf einer schlimmen Politik.

Wir stehen hier, um Nein zu sagen zu diesem todbringenden "Spiel" von Druck und Drohung, das die Politiker uns vorführen und dem die Presse einmütig Beifall klatscht, heute wie damals. Die Geschichte des Ersten Weltkriegs sollte uns zutiefst erschrecken lassen. Nicht ohne Grund gilt das unbedingte Gebot "Du sollst nicht töten". Als Christ möchte ich uns zurufen: Eine Frucht des Glaubens an den Gott des Lebens und der Liebe ist der Unglaube. Wir glauben nicht, dass Gewalt und Waffen jemals irgend ein Problem lösen werden, nicht einmal die Profitgier der Waffenhändler, denn sie ist unstillbar. Für diesen Unglauben gibt es unendlich viele Belege. Militärisches Denken hat immer wieder ganze Länder und Regionen ins Unglück gestürzt und musste sich noch nie dafür verantworten; "militärische Verantwortung" ist die Zurückweisung der Verantwortung für alles Schlimme, das sie anrichtet. Lassen Sie uns diesen Unglauben verbinden mit dem Glauben, dass eine andere Welt möglich ist. Wir brauchen die gegenseitige Ermutigung, um ein Leben lang dafür zu kämpfen.

Vielen Dank.



Anmerkungen:



1)Helmuth von Moltke 1848-1916, Dokumente zu seinem Leben und Wirken, Bd. 1, Basel 1993, S. 305f



2)http://www.n-tv.de/politik/Rasmussen-fordert-Nato-Erweiterung-
article12563171.html





Jost-Hinrich Eschenburg ist aktiv bei er kath. Friedensbewegung "Pax Christi". Vita siehe hier.

E-Mail: eschenburg (at) math (Punkt) uni-augsburg (Punkt) de

Website: www.paxchristi.de
 voriger

 nächster




       


Bereich:

Netzwerk
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
        
Themen   FriedensForum Termine   AktuellesHome