OM 2014

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18.04.2014


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Ostermärsche und -aktionen 2014

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Odenwälder Ostermarsch 2014 in Michelstadt am 19. April

Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens,

Christopher Kloß (in Michelstadt)



- Sperrfrist: 19.04.14, Redebeginn: ca. 13 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -



es ist gut, dass ihr heute hier steht! Denn es ist notwendig, wahrscheinlicher notwendiger als je zuvor.

Es ist gut, dass wir uns miteinander erinnern.

Noch wichtiger aber ist es, dass wir einen Schritt weiter gehen. Dass wir Fragen stellen, die viele nicht hören wollen und dass wir nach Wahrheit suchen in einem Klima der Vernebelungen und der Lügen.

100 Jahre Kriegsgeschichte prägen die Ostermärsche in diesem Jahr

1914 - Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren

1939 - Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren

1945 - dann: Frieden,- das Leben ging weiter, jedenfalls hier.

Aber von 1945 bis 1990 gab es weltweit 74 weitere Kriege, zum Beispiel

1946 bis 1954 Französischer Indochinakrieg

1947 Beginn der Kriege in Palästina

1950 bis 1953 Koreakrieg

1957 bis 1975 Vietnamkrieg

1978 bis heute Krieg in Afghanistan

1961, 1981, 1983 und 1989 Invasionen der USA in Kuba, Nicaragua, Grenada und Panama

1980 und 1990 die beiden Golfkriege

1991 schließlich der Krieg in Jugoslawien und

1999, also vor 15 Jahren, der Bombenkrieg der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien.

Ein kleiner Ausschnitt, zur Erinnerung am Anfang.

Weit über 25 Millionen Menschen starben seit 1945 in diesen Kriegen.

Der finanzielle Preis des Mordens liegt in einem unvorstellbaren Bereich, allein im Jahr 2013 betrugen die weltweiten Ausgaben für Krieg, Waffen und Militär 1.747 Milliarden US-Dollar, 71% der Summe gab die NATO mit ihren Kooperationspartnern aus, 15% entfallen auf China und Russland, die restlichen 14% auf alle anderen Länder der Erde.

Mit 640 Milliarden liegen die USA weit an der Spitze der Militärausgaben. Und unser Land, einer der reichsten Staaten der Erde, hat zwar kein Geld für die Sanierung von Schwimmbädern, hart verdiente Renten und angemessene Grundsicherung, für die Rüstungsindustrie gab es allerdings auch im letzten Jahr 48,8 Milliarden.

100 Jahre Kriegsgeschichte

In Gedenkveranstaltungen, auf Friedensforen, in Gottesdiensten und auf Tagungen oder Kongressen wird anlässlich dieser düsteren Jubiläen Trauer ausgedrückt, der Opfer gedacht und das unvorstellbare Leid beklagt. Und es wird daran erinnert, dass ein kleiner Bruchteil der jährlichen Rüstungsausgaben ausreichen würde, Systeme zu schaffen, die jedem Menschen Nahrung, Obdach und Zugang zu Bildungs- und Gesundheitssystemen sichern würden.

All das geschieht zu Recht. Doch all das ist nicht genug.

Denn jede Klage, jede Erinnerung, jede Mahnung geht ins Leere, wenn sie nicht begleitet wird von der Frage nach den Ursachen für diesen Wahnsinn. Wenn sie nicht ergänzt wird um die Untersuchung der Gründe und um die zentrale Schlüsselfrage: cui bono? Wem nützt das?

In unseren Schulbüchern lesen wir, dass die Entwicklung der deutschen Außenpolitik unter Wilhelm II. den Ersten Weltkrieg möglich machte. Generationen von Schülerinnen und Schülern durften die berühmte Karikatur des von Bord gehenden Lotsen Bismarck interpretieren und etwas über die imperialen Pläne des deutschen Kaiserreiches lesen.

Was sie nirgends lasen oder hörten, waren Informationen zum Beispiel darüber, dass die Firma Krupp für 1 Schilling und 3 Pence Granaten mit dem Krupp Patent Zünder 96/04 an die englische Rüstungsindustrie lieferte. Und dass also dort, wo sich im Westen deutsche und englische Soldaten gegenüber lagen, beide Seiten einander mit der gleichen Munition töteten oder verstümmelten.

Cui bono? Wem nützte das?



Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

wenn wir nicht endlich in aller Deutlichkeit die richtigen Fragen stellen, werden wir auch die richtigen Antworten nicht hören.

Und damit bleibt dann unsere Arbeit für mehr Frieden und Gerechtigkeit auf einer Ebene, die den Kriegstreibern und ihren Auftraggebern nicht gefährlich wird.

Um Wahrheit geht es dabei, denn die Lüge ist die Schwester des Kriegs und sie hat die vergangenen 100 Jahre stets verlässlich begleitet. Und die Lüge hat viele Gesichter, sie beginnt bei der Wahl der Worte, sie beherrscht die Kunst der Unterlassung und sie scheut nicht vor massiver Desinformation und offener Falschaussage zurück.

In den vergangenen Wochen haben wir das einmal mehr erlebt. Und waren dabei, jedenfalls die meisten von uns, machtlos und hilflos. Ahnten mehr als wir wussten, dass da etwas nicht stimmte und erfahren erst jetzt ein wenig von dem, was uns bis heute eine Propagandamaschine gewaltigen Ausmaßes vorenthalten hat.

Die Lüge ist die Schwester des Kriegs und in ihrer perfidesten Form tritt sie dort auf, wo sie den Einsatz militärischer Gewalt mit dem vermeintlichen Schutz von Menschenrechten legitimiert. In unserem Land hat das noch immer funktioniert, besonders dort, wo ein sorgsam gepflegtes Feindbild auf die Leinwand projiziert wurde. Ein Feindbild, das 1939 so wirksam war wie heute.

Als Schüler lernte ich, dass sich der demokratische und freie Westen geradezu als Lehre aus dem Faschismus zu einem Schutzbündnis zusammentun musste, um der Bedrohung durch die militärisch übermächtige und kriegslüsterne Sowjetunion zu begegnen. Die Gründung der NATO am 4. April 1949 erschien mir schlüssig. Dass die Sowjetunion zu diesem Zeitpunkt vollauf damit beschäftigt war, die verheerenden Folgen des zweiten Weltkriegs, ohne jede Unterstützung von außen, zu bewältigen, erfuhr ich im Geschichtsunterricht nicht. Und dass sich die Warschauer Vertragsorganisation, die man hier als Warschauer Pakt bezeichnete, um den verbrecherischen Charakter ihrer Mitgliedsstaaten schon im Namen zu verdeutlichen, erst 1955, also sechs Jahre nach der NATO gründete, erfuhr ich ebenfalls nicht.

Die Lüge ist die Schwester des Kriegs und dort, wo Desinformation nicht ausreicht, bedient sie sich der Hetze.

Die Ereignisse in der Ukraine und die Berichterstattung darüber sowie die Einordnung der Rolle Russland durch Politik und Medien machen das erneut deutlich.

"Ich kann gut verstehen, warum die Menschen in der Ukraine Veränderung wollten. In den Jahren der Unabhängigkeit sind sie dieser Staatsmacht überdrüssig geworden. Es wechselten die Präsidenten, die Premiers, die Abgeordneten der Rada, aber das Verhältnis zu ihrem Land, zum Volk, blieb immer das Gleiche. Sie saugten die Ukraine aus, stritten untereinander um Vollmachten, Aktiva und Finanzströme. Dabei interessierte es die Mächtigen kaum, wie es den einfachen Menschen geht, warum beispielsweise Millionen von Ukrainer keine Perspektive im eigenen Land sehen und deshalb gezwungen waren, zu Tagelöhnerarbeiten ins Ausland zu gehen.. (.) Ich wiederhole: ich kann die gut verstehen, die unter friedlichen Losungen auf den Maidan gingen. Um gegen Korruption, ineffiziente Staatsführung und Armut zu protestieren."

Diese richtigen Sätze werden nicht dadurch falsch, dass sie nicht von mir stammen sondern aus der Rede, die der russische Präsident am 18. März im Kreml vor der Staatsduma gehalten hat.

Kein politisch wacher Mensch, gleich ob in Moskau oder in Berlin oder hier in Michelstadt konnte den Beginn der Prostete in Kiew kritisieren. Die Gründe dafür lagen und liegen auf der Hand. Diese Proteste gerieten aber sehr schnell in den Sog der Interessen anderer, nämlich zunächst einmal westlicher Mächte. Und sie gerieten deshalb und weil der Westen, allen voran die Berliner Regierung schwere politische Fehler begingen, sehr schnell außer Kontrolle. Und einmal mehr wurde das Anliegen der Menschen in der Ukraine, die anfangs auf die Strasse gingen, mit Füßen getreten.

In unserem Land sind die Ereignisse in der Ukraine seit Jahren vorbereitet und seit Januar mit aller Macht forciert worden. EU und USA haben nach eigenen Angaben mit zweistelligen Milliardenbeträgen ihren Einfluss in der Ukraine auf- und ausgebaut. Das Interesse an der wirtschaftlichen Potenz der Ostukraine mit ihrer militärstrategischen Bedeutung wurde stets offen formuliert.

Hier gilt es, eine Erinnerung einzuschieben: Als sich 1989 die Möglichkeit ergab, die beiden deutschen Staaten zusammen zu führen, wurde in Gesprächen und Verhandlungen die Zustimmung der Sowjetunion und der Warschauer Vertragsorganisation gesucht und schließlich gefunden. Im Gegenzug sicherten EU und NATO zu, ihre Territorien nicht gegen Osten auszuweiten.

Zwei Jahre später löste sich das östliche Militärbündnis auf. Das hätte Anlass dafür sein können und müssen, auch die NATO aufzulösen und stattdessen die Grundlage für eine stabile Kooperation mit den Staaten der ehemaligen Sowjetunion aufzubauen.

Stattdessen erweiterten EU und NATO ihre Territorien um 12 östliche Staaten, Staaten im Übrigen, in denen wie etwa im Baltikum, teilweise beachtliche russische Minderheiten leben und nicht selten massiv drangsaliert werden.

Nun ging es also um die Ukraine. Das war dem Bundespräsidenten wohl bewusst, als er im Januar bereits anlässlich der so genannten Sicherheitskonferenz eine viel beachtete Kriegspredigt hielt und die Deutschen beschwor, sich "stärker international zu engagieren".

Die größere der beiden Regierungsparteien hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ganze Arbeit geleistet: Der Boxer Klitschko, seine Partei und deren Programm wie Struktur wurden in der Konrad-Adenauer-Stiftung aufgebaut und werden von ihr unterhalten.

Und die kleinere der Regierungsparteien schickte schließlich den Außenminister nach Kiew, damit er mit Faschisten verhandelt und paktiert.

All das wurde hierzuland begleitet von der Rhetorik des Kalten Krieges in Rundfunk und Presse. Das Echo druckte ein Foto ab, auf dem blumengeschmückte junge Frauen zu sehen sind, die Pflastersteine weiterreichen, wie im Untertitel zu lesen war: "an die Kämpfer in den vorderen Reihen ." Das war schon nicht mehr Rhetorik des Kalten Krieges sondern der Einstieg in direkte Kriegspropaganda. In unserem Land werden Demonstranten festgesetzt und verurteilt, weil sie eine Klobürste oder eine Baseballkappe dabei haben und in Kiew werden aus Gewalttätern dann Kämpfer für Demokratie und Menschenrechte.

Und nun ging und geht das Ganze noch einen wesentlichen Schritt weiter. Und dabei half und hilft das alte wirkungsvolle Feindbild "Kommunismus".

In großen Tageszeitungen konnte man da plötzlich lesen, dass sich Soldaten der Roten Armee an der Grenze zur Krim sammelten und in Nachrichtensendungen wurde aus dem russischen Staat wieder die Sowjetunion. "Patzer", die dann flugs bedauert wurden, aber wirkten.

Denn gegen den Kommunismus ist alles erlaubt, sogar das Bündnis mit Faschisten. Als ich in einem Leserbrief auf das Treiben der Swoboda und des rechten Sektors hinwies und an die ukrainischen Regimenter unter Bandera erinnerte, die 1941 an der Seite der Wehrmacht mordeten, kam es zu einer Reaktion, die entlarvender nicht sein konnte. Eine gebürtige Ukrainerin nannte meine Gedanken niederträchtig, sie seien ein Schlag ins Gesicht aller freiheitsliebenden Ukrainer. Im Übrigen hätten ihre Verwandten 1941 gegen den Kommunismus gekämpft. "Mit der Waffe in der Hand!"

Ich habe keinem freiheitsliebenden Ukrainer ins Gesicht geschlagen, das besorgt der braune Mob, der in SA-Manier in der Westukraine Angst und Schrecken verbreitet. Und ich bin entsetzt darüber, dass sich eine Frau im Jahr 2014 stolz dazu bekennt, dass ihre Vorfahren an der Seite der faschistischen Wehrmacht standen.

Auch das aber ist ein Indikator dafür, wie ernst die Lage ist. Das Auftreten von Faschisten war stets das letzte und stärkste Mittel, die Interessen der Mächtigen gegen Demokraten durchzusetzen. Portugal, Spanien, Griechenland,- erst vierzig Jahre ist das alles her. und heute tummeln sich auch hier in Michelstadt Neonazis, treffen sich, offensichtlich geduldet, regelmäßig in bestimmten Lokalen, bedrohen offen andere Gäste.

Hier wie in der Ukraine: das muss ernst genommen werden, darf weder verharmlost noch verdrängt werden sondern verlangt offensive Antworten aller Demokraten!

Die Lüge ist die Schwester des Krieges. In neue Dimension stoßen unsere Regierung und die mit ihr verbündeten Mächte nach der Volksabstimmung auf der Krim vor. Und sie schaffen es tatsächlich, damit einen Keil bis hinein in unsere Reihen zu treiben. Vom Bruch des Völkerrechts ist nun zu hören und wir erinnern uns, wie oft ein solcher Rechtsbruch zum Vorwand dafür wurde, die Bomber aufsteigen zu lassen.

Es gibt Gegenstimmen, die an den Völkerrechtsbruch im Kosovo erinnern, das prominenteste Schuldbekenntnis kam vom damals verantwortlichen Kanzler Schröder. Ich kann dieses Gegenargument nicht gelten lassen, denn ein Rechtsbruch entschuldigt niemals einen Zweiten. Allerdings sollten diejenigen, die in der Vergangenheit nicht nur im Kosovo, sondern auch in Syrien, im Iran, im Irak, in Südamerika, Afrika und Asien seit Jahrzehnten Völkerrecht brachen und bis heute brechen, sich nicht das Recht herausnehmen, einen vermeintlichen Völkerrechtsbruch auf der Krim anzuprangern.

Ich sagte bewusst: vermeintlicher Rechtsbruch, denn die einzige Instanz, die darüber befinden kann, ob das Referendum in der Teilregion eines Staates mit dem Ziel der Unabhängigkeit zum Bruch des Völkerrechts führt, hat bereits Klartext geredet.

Am 22. Juli 2010 stellte der internationale UN-Gerichtshof in Verbindung mit der Loslösung des Kosovo von Serbien fest: "Es besteht kein allgemeines Verbot einseitiger Unabhängigkeitserklärungen, das aus der Praxis des Sicherheitsrates resultieren würde. (.) Das allgemeine Völkerrecht beinhaltet keinerlei anwendbares Verbot von Unabhängigkeitserklärungen." (FAZ 22.07.2010) Und selbst die USA haben in der Vorbereitung dieser Anhörung zum Kosovo am 17. April 2009 in einem schriftlichen Memorandum erklärt: "Unabhängigkeitserklärungen können, wie das auch häufig passiert, das innere Recht verletzen. Aber das bedeutet nicht, dass dadurch Völkerrecht verletzt wird."

Die Lüge ist die Schwester des Krieges und gerade wir, die wir aus gutem Grund sehr sensibel sind für die Verletzungen von Menschen- und Völkerrechten, müssen darum noch viel besser lernen, auch in unseren eigenen Parteien und Organisationen denen gründlich zu misstrauen, die ihre eigenen Pläne mit allen Mitteln verfolgen und ihre eigene Macht über alles andere stellen. Und es nicht bei der Lüge bewenden lassen, sondern sogar zur Hetze greifen.

Das wurde auf das Beschämendste vorgeführt ausgerechnet von zwei populären Vertretern meiner protestantischen Kirche. Frau Göring-Eckhardt, ehemaliges Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und Präsidentin des deutschen Evangelischen Kirchentags schämt sich bis heute nicht, eine widerwärtige Fotomontage zur Verleumdung ihrer Parlamentskollegin Wagenknecht ins Internet zu stellen und Bundespräsident Gauck, dem früheren Pfarrer, dem offensichtlich der Hintergrund aktiver Mitgestaltung der Bürgerechtsbewegung in der DDR weitgehend angedichtet wurde, liefert mit dem Gerede von der angeblichen Verteidigung von Menschenrechten und westlichen Werten die Rechtfertigung dafür, Faschisten hoffähig zu machen und mit der Lunte am Pulverfass zu spielen. In der schlimmsten Tradition wilhelminischer Hofprediger bereitet dieser Mensch damit unser Land auf neue Kriege vor und ruft geradezu dazu auf, mit Waffengewalt über andere Völker herzuziehen

Ich schäme mich für solche Schwestern und Brüder, ihr Reden und Handeln steht nicht mehr im Einklang mit dem Glauben, zu dem sie sich bekennen.

Und es tröstet mich nicht, dass ich aus vielen Gesprächen weiss: es geht Vielen hier in ihren Organisationen und Parteien genauso. Keine einzige berliner oder wiesbadener Partei steht heute mehr in vollem Umfang hinter dem Text, mit dem wir hier zum Friedenmarsch aufgerufen haben.

Und engagierte Sozialdemokraten, Grüne und Linke müssen sich ebenso wie Christinnen und Christen oder Gewerkschaftsleute damit auseinandersetzen, dass auf den Leitungsebenen oft völlig anders geredet und gehandelt wir als wir das hier für richtig halten.

Der Grund dafür liegt nach meiner Überzeugung darin, dass eben die entscheidende Frage entweder nicht gestellt oder aber die Antwort darauf verdrängt wird.

Cui bono? Wem nutzt das?



Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens,

es ist gut und es ist notwendig, dass wir heute hier sind.

Aber es reicht nicht.

Solange an Rüstung, Militär und Krieg jährlich Billionen verdient werden können, solange hinter jedem Konflikt und jedem Krieg zunächst keineswegs ideelle, moralische, religiöse oder ethnische Widersprüche stehen sondern wirtschaftliche Interessen, solange an den Börsen der Welt die Korken knallen, weil Menschen verbluten oder verhungern, solange reicht es nicht aus, für den Frieden zu sein, sich zu erinnern und der Opfer zu gedenken.

Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal als Antwort auf die zentrale Frage allen Unrechts und aller Kriegstreiberei auf dieser Erde, auf die Frage Cui bono? Wem nutzt es? ausgerechnet den Bischof in Rom, Papst Franziskus zitieren würde.

Er hat diese Frage in einem kurzen Satz beantwortet:

"esa economˇa mata" - Diese Wirtschaft tötet!

In ihrem Interesse, zu ihrem Nutzen werden Kriege geführt, ganzen Völkern die Lebensgrundlagen geraubt, Menschen gegen Menschen gehetzt.

Darum, liebe Freundinnen und Freunde des Friedens, ist es zwar gut und richtig, heute hier zu sein, aber auch notwendig, weiter zu gehen!

Die Auflösung der NATO ist überfällig, sie wird in diesem Jahr 65, schickt sie endlich in den Ruhestand! Baut die EU um, damit sie endlich von einem profitorientierten, aggressiven und weitgehend undemokratischen Wirtschaftsbündnis zu einem Bund der europäischen Völker wird,- oder schafft sie ab, den Menschen hat sie nämlich wenig Gutes gebracht.

Die Banken und Börsen gehören unter demokratische Kontrolle, der skrupellose Wahnsinn der Spekulation mit Lebensmitteln muss unter Strafe gestellt werden,- weltweit wird an den Börsen sechsmal so viel Getreide gehandelt wie überhaupt produziert wird. Das geplante Freihandelsabkommen mit den USA darf nicht realisiert werden.

Die Normalisierung und Verharmlosung der Bundeswehr muss bendet werden. Militär hat an Schulen nichts verloren, die Bundeswehr hat eine Verteidigungsaufgabe und keinen Erziehungsauftrag.

Wir müssen aufstehn gegen die Lüge, mit der man uns gegeneinander auszuspielen versucht, um von den eigentlichen Verbrechern abzulenken. Nicht der griechische Rentner oder der portugiesische Arbeiter ist unser Feind sondern derjenige, der in den Chefetagen der Banken unsere gemeinsame Notlage auslöst und verschärft.

Und wir müssen kämpfen, die Ukraine zeigt das, gegen die Verlogenheit von Medien, die sich zu Handlangern machen und jedes journalistische Ethos über Bord werfen. Kein Wort, kein Bild war im Übrigen in den letzten Monaten zu sehen, mit dem wir über den millionenfachen Protest unserer Freundinnen und Freunde auf den Straßen Spaniens, Frankreichs, Portugals, Irlands, auch in den USA informiert worden wären.

Wir müssen schließlich selbst an einem Netzwerk mitbauen, das uns Kommunikation ermöglicht, Informationen fließen und damit Lügen enttarnen lässt und dass uns die Organisation von wirksamen Aktionen ermöglicht. So wichtig es auch sein wird, in unseren Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Organisationen für den richtigen Weg zu streiten,- wichtiger wird die Arbeit außerhalb der Parlamente werden, in den lokalen Bündnissen und Foren.

Dazu gibt es auch bei uns Gelegenheiten und Anlässe genug. Der Odenwald gegen rechts darf nicht ruhen solange auch nur ein einziger Neonazi es wagt, sich öffentlich zu zeigen.

Attac wird und muss weiterarbeiten, solange jedenfalls, wie Ratingagenturen regieren und die Politik an den Börsen gemacht wird.

Und vielleicht müssen wir gemeinsam über neue Bündnisse nachdenken und über andere Formen des politischen Protests.

Wenn wir Frieden wollen, müssen wir für Wahrheit und Gerechtigkeit kämpfen, hier vor Ort und in der weltweiten Solidarität.

Das wird nicht einfacher werden in den kommenden Jahren aber es ist notwendiger als je zuvor, dass wir mit langem Atem und gemeinsam an die Arbeit gehen!

Pablo Neruda hat einmal geschrieben:

podrán cortar todas las flores - pero no podrán deténer la primavera

Sie können alle Blumen abschneiden - aber sie können den Frühling nicht aufhalten.



Christopher Kloß ist Pfarrer und Leiter des Kirchlichen Schulamtes der EKHN in Darmstadt. Vita siehe hier.

E-Mail: ksa (Punkt) darmstadt (at) ekhn (Punkt) de
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