OM 2014

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19.04.2014


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Ostermärsche und -aktionen 2014

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Redebeitrag für den Ostermarsch 2014 in Biefeld am 19. April

NATO und EU-Kriege stoppen! Keine neuen Kriege!

Inge Höger (in Bielefeld)



- Sperrfrist: 19.04.14, Redebeginn: ca. 10 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -



Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Die diesjährigen Ostermärsche finden 100 Jahre nach Beginn des 1. Weltkrieges und 75 Jahre nach Beginn des 2. Weltkrieges statt. Allein das sollte uns Mahnung und Anlass genug sein, ein Ende aller NATO und EU-Kriege zu fordern und die Forderung "Nie wieder Faschismus und nie wieder Krieg" zu bekräftigen.

1914 wollte das ökonomisch erstarkte Deutsche Reich die Neuaufteilung der Welt und der Kolonien, den Zugang zu Rohstoffen und Märkten durch einen Blitzkrieg erreichen. Dem Krieg vorausgegangen war ein gigantisches Wettrüsten auf allen Seiten, insbesondere aber in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Russland.

Der 1. Weltkrieg kostete ungefähr 20 Millionen Menschen das Leben und endete mit einer Niederlage des Deutschen Reiches. Er endete mit der russischen Oktoberrevolution und dem Matrosenaufstand und der Novemberrevolution in Deutschland. Die Völker glaubten, der 1. Weltkrieg mit seinem Gemetzel sei der letzte gewesen.

Aber das deutsche Kapital trachtete nach dieser Niederlage danach, die Ergebnisse des 1. Weltkrieges zu seinen Gunsten zu revidieren. Und so brachten sie Hitler an die Macht, um die Interessen des deutschen Kapitals nach einer Revision des Versailler Vertrages durch einen erneuten Krieg umzusetzen.

Am 1. September 1939 begann mit dem Überfall auf Polen offiziell der zweite Weltkrieg. Im Verlauf dieses Krieges wurden 60 Millionen Menschen getötet, darunter 6 Mio. Juden, 6 Mio. Polen und über 20 Mio. Einwohner-innen der damaligen Sowjetunion.

"Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg` war die Lehre, die die Menschen in Deutschland und vielen anderen Ländern nach dem 2. Weltkrieg zogen. Von Deutschland sollte nie wieder Krieg ausgehen, deutsche Soldatinnen und Soldaten sollten sich nie wieder an Kriegen beteiligen.

100 Jahre nach dem Beginn des 1. Weltkrieges und 75 Jahre nach dem Beginn des 2. Weltkrieges erleben wir aktuell in Deutschland eine Bundesregierung, die lautstark verkündet, das weltpolitische Gewicht Deutschlands müsse verstärkt militärisch abgesichert und erweitert werden. Die zunehmende ökonomische Macht erfordere die Übernahme von mehr Verantwortung. Dabei solle es auch mehr Militäreinsätze unter Führung der EU geben.

Die Worte von Bundespräsident Gauck, Außenminister Steinmeier und Kriegsministerin von der Leyen erinnern fatal an das Trommeln des Deutschen Kaisers am Vorabend des 1. Weltkrieges. Auch damals erforderte die erstarkte deutsche ökonomische Macht nach einer Neuaufteilung der Welt. Und die Lehre aus zwei verlorenen Weltkriegen scheint für Deutschland zu sein, Militäreinsätze nicht mehr allein sondern im Rahmen der EU oder der NATO durchzuführen. Wir fordern ein Ende der NATO- und EU-Kriege!

Wehret den Anfängen, möchte die Friedens- und Ostermarschbewegung gerne rufen. Aber dafür ist es bereits zu spät. Die Anfänge neuer deutscher Militäreinsätze liegen in der Zeit nach dem Ende des sog. Kalten Krieges. Bereits 1993 bildete ein Großeinsatz der Bundeswehr mit 1.700 Soldat-innen in Somalia den Auftakt zu einer nicht enden wollenden Kette von Einsätzen der Bundeswehr.

In diesem Jahr aber erleben wir mit dem Ende der Politik der Zurückhaltung einer schwarz-gelben Regierung und dem Beginn der Politik der Übernahme von Verantwortung durch CDU und SPD gleich eine Welle von neuen Militäreinsätzen der Bundeswehr in Afrika. Kurz hintereinander wurden im Bundestag Mandate für Auslandseinsätze in Mali, in Somalia und in der Zentralafrikanischen Republik beschlossen. Und am Horn von Afrika ist Deutschland nach wie vor bei der Piratenjagd dabei und im Mittelmehr in verschiedenen Missionen im Einsatz. Der jüngste Mandatsbeschluss betrifft die militärische Absicherung der Vernichtung syrischer Chemiewaffen.

Dabei ist der NATO-Krieg in Afghanistan, an dem Deutschland zeitweise mit bis zu 5.000 Soldat-innen beteiligt war, noch lange nicht beendet. Im Februar wurde das Mandat der Bundeswehr erst mal bis Ende des Jahres verlängert. Auch für die Zeit danach werden weiterhin NATO-Truppen in dem Land bleiben. Sie sollen die afghanische Polizei und Armee ausbilden, damit diese den Krieg fortsetzen können.

"Nichts ist gut in Afghanistan", hatte die damalige Bischöfin Margot Käßmann in ihrer Neujahrspredigt 2010 gesagt - und damit einen Sturm der Kritik ausgelöst. Mehr als vier Jahre später entspricht ihre Aussage mehr denn je der Wahrheit. Nach 12 Jahren Militäreinsatz kann die Bilanz nur als desaströs bezeichnet werden: Mehr als 70.000 Tote hat dieser Krieg bisher gekostet, darunter Tausende von Zivilist-innen. Allein die von dem deutschen Oberst Klein befohlene Bombardierung von Tanklastern im Kunduzfluss im September 2009 kostete bis zu 142 Zivilist-innen das Leben. Auch 54 Bundeswehrsoldaten starben beim Einsatz in Afghanistan. Mehr als 100.000 deutschen Soldat-innen waren inzwischen in Afghanistan. Ein Drittel leiden nach ihrer Rückkehr unter posttraumatischen Belastungsstörungen.

Die UN-Organisation UNAMA stellte fest, das Jahr 2013 war das gewaltreichste Jahr in Afghanistan seit Beginn des Krieges 2001. Es gab eine Verdoppelung der Verluste der afghanischen Streitkräfte und Polizei. Auch die Zahl der zivilen Opfer stieg um 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Afghanisches Militär und Polizei müssen die Verschlechterung der Sicherheitslage ausbaden. Sie werden als Kanonenfutter missbraucht.

2,7 Mio. Afghaninnen und Afghanen sind aus dem Land geflüchtet. Es gibt mindestens 590.000 Binnenflüchtlinge. Hinsichtlich der Lebenserwartung, des Lebensstandards und der Bildung nimmt Afghanistan Platz 175 von 187 Ländern ein. Die Mütter- und Säuglingssterblichkeit ist nach wie vor sehr hoch. Armut und Unterernährung nehmen zu. Der Krieg in Afghanistan kostete Deutschland nach den Berechnungen des DIW bisher mindestens 23 Mrd. Euro. Die Kosten der USA für die Kriege in Afghanistan und im Irak werden nach einer neuen Studie auf mindestens 6 Billionen Dollar geschätzt. Wir fordern den sofortigen Abzug der Bundeswehr und ein Ende des Krieges in Afghanistan! Waffen schaffen keinen Frieden!

Aber der neueste Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI zeigt, dass die Industrienationen weiterhin in Rüstung und Militär statt in Frieden und humanitäre Hilfe und Entwicklung investieren. Die weltweiten Militärausgaben lagen auch 2013 auf höchstem Niveau. Insgesamt betrugen sie die unvorstellbar Summe von 1,75 Billionen US-Dollar.

Mit 640 Mrd. Dollar oder 37 Prozent davon sind die USA nach wie vor Spitzenreiter. Auf den Plätzen zwei folgen mit Abstand China mit 188 Mrd. $ oder 11 % und Russland mit 87,8 Mrd. Dollar oder fünf Prozent. Deutschland hat entsprechend der neuen Macht und Verantwortung einen Sprung von Platz Neun auf Platz Sieben in der Weltrangliste gemacht. Die deutschen Militärausgaben lagen im letzten Jahr bei 35 Mrd. Euro, ein Plus von sechs Prozent gegenüber 2012. Dadurch werden weltweit Kriegs- und Besatzungseinsätze der Bundeswehr ermöglicht und weitere vorbereitet. Friedenspolitik sieht anders aus.

Gleichzeitig profitiert die deutsche Rüstungsindustrie in erschreckendem Umfang von der wachsenden Nachfrage nach Waffen in Afrika und auf der arabischen Halbinsel. Auch wenn der SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel nun eine Überprüfung der Exporte von deutschen Panzern nach Saudi Arabien angekündigt hat, brauchen wir endlich ein wirksames Verbot von Rüstungsexporten.

Deutschland und die EU intervenieren nicht nur in Afrika, sondern wollen Macht und Einfluss auch nach Osteuropa und in die geostrategisch wichtige Region der Ukraine ausdehnen. Seit Jahren versuchen sie mit allen Mitteln der ökonomischen und politischen Einflussnahme, die Ukraine aus dem Einflussbereich Russlands herauszulösen. Der Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch wurde mit massiver Unterstützung aus den USA, der EU und insbesondere auch aus Deutschland durchgeführt.

Es gab viele gute Gründe für die Bevölkerung in der Ukraine, gegen die korrupte Regierung von Janukowitsch zu demonstrieren. Aber es gab auch gute Gründe für die Regierung Janukowitsch, dass Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen. Und es gab nach dem Regierungswechsel in der Ukraine gute Gründe für Russland, sich den Zugang von der Krim zum Schwarzen Meer für seine Schwarzmeerflotte zu sichern.

Die bewaffneten Formationen auf dem Maidan-Platz in Kiew und in anderen Teilen der Westukraine standen unter dem Kommando rechtsradikaler und faschistischer Organisationen, insbesondere der Partei "Swoboda` und des "Rechten Sektors`. Unter dem Druck dieser Organisationen und unter Umgehung der ukrainischen Verfassung wurde in Kiew eine Übergangsregierung installiert, in der Faschisten und Rechtsradikale wichtige Positionen einnehmen. Erste Amtshandlungen der neuen Regierung waren die Aufhebung des liberalen Sprachengesetzes und des Verbots faschistischer Propaganda.

Die unverhohlene Mithilfe des Westens beim "Regime-Change" in Kiew widerspricht eklatant dem Nichteinmischungsprinzip nach Art. 2 der UN-Charta. Auch das Eingreifen russischer Streitkräfte über das vom russisch-ukrainischen Stationierungsvertrag erlaubte Maß hinaus ist vom Völkerrecht nicht gedeckt. Bei dem Referendum und der Unabhängigkeitserklärung der Krim und dem anschließenden Beitritt zu Russland handelt es sich nicht um eine völkerrechtswidrige Annexion, sondern um eine völkerrechtlich umstrittene Sezession. Allerdings sollten sich die USA und die EU mit Anklagen zurückhalten. Sie haben sich in der Vergangenheit ständig durch völkerrechtswidrige Kriege in Jugoslawien, in Afghanistan und dem Irak hervorgetan und die völkerrechtswidrige Sezession des Kosovo entgegen der UN-Resolution 1244 vorangetrieben und unterstützt.

Die Verhandlungen bei den Vierer-Gesprächen in Genf über die Krise in der Ukraine belegen, dass Verhandeln besser ist als Schießen. Allerdings müssen nun wirklich alle Seiten in der Ukraine gewaltsame Handlungen, Provokationen und Einschüchterungen entsprechend der in Genf getroffenen Vereinbarung unterlassen. Die Entwaffnung illegaler Milizen betrifft auch die Milizen des "Rechten Sektors` in Kiew und der Westukraine. Das war schon mal Bestandteil des Vertrages zwischen Steinmeier und den Außenministern von Frankreich und Polen am 21. Februar. Diese Vereinbarung hielt keine 24 Stunden. Nun behaupten Obama und Merkel, Russland müsse seinen Einfluss auf separatistische Kräfte in der Ostukraine ausüben, um zu einer Deeskalation beizutragen. In den vergangenen Tagen waren es aber gerade die Menschen in der Ostukraine, die Panzer und Soldaten entwaffneten und dazu brachten, nicht gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen.

Eine friedliche Umsetzung der Vereinbarung von Genf ist möglich, wenn alle Beteiligten es wollen und daran arbeiten. Dazu müssen die NATO und die EU die berechtigten Sicherheitsinteressen Russlands genau so ernst nehmen wie die der Ukraine. Und es darf keine Beteiligung von rechtsextremen und faschistischen Kräften an Regierungen geben, weder in der Ukraine noch anderswo. Alle Formen von Extremismus, Rassismus und religiöser Intoleranz, einschließlich Antisemitismus gehören verurteilt.

Notwendig ist ein umfassender Prozess der Abrüstung in Europa und der Welt!

Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!



Inge Höger ist Bundestagsabgeordenete. Vita siehe hier.

E-Mail: inge (Punkt) hoeger (at) bundestag (Punkt) de

Website: www.inge-hoeger.de
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