OM 2014

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19.04.2014


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Ostermärsche und -aktionen 2014

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Redebeitrag für den Ostermarsch 2014 in Ohrdruf am 19. April

"Den 5.000 im KZ Ohrdruf ermordeten Kameraden zum Gedenken"

Elke Pudszuhn (in Ohrdruf)



- Es gilt das gesprochene Wort -



Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer des diesjährigen Ostermarsches!

Am 19. April 1945, also vor 69 Jahren, leisteten die 21.000 überlebenden Häftlinge im KZ Buchenwald bei ihrer Totenfeier den weltweit bekannten Schwur von Buchenwald.Unter ihnen die Häftlinge, die den Todesmarsch aus dem "Nord- und Südlager" in Ohrdruf, dem "Zeltlager" Crawinkel und Espenfeld geschwächt aber hoffnungsvoll auf Leben erreicht hatten.

Sie waren angetreten zu Ehren der in Buchenwald und seinen Außenkommandos von der Nazibestie und ihren Helfershelfern 56.000 ermordeten Gefangenen.

56.000 erschossen, gehenkt, zertrampelt, erschlagen,erstickt,ersäuft, verhungert, vergiftet, abgespritzt.

Schreckliches hatte sich auf den Todesmärschen abgespielt.

Am 3. April 1945 begann er für die Häftlinge aus den genannten Lagern.

Der schwedische Arzt Dr. Erwin Rona schreibt in einem Brief " wie er aus dem Zeltlager in Crawinkel im Galopp durch das Jonastal getrieben wurde:

"Am nächsten Morgen wurde mein Vater bei Bad Berka von einem SS-Mann erschossen, da er zu schwach war weiter zu maschieren. Das geschah vor meinen und meines Bruders Augen. Die SS-Todesschützen haben die Entkräfteten, die nicht mehr weiter konnten, kurzerhand durch Genickschuss erledigt. Sie haben sie liegen gelassen. Zwischen Buchenwald und Weimar spielte sich eine beispiellose Tragödie, ein grauenhaftes Massenmorden ab.

Am Abend des 5. April 1945 wurden wir auf dem Appellplatz des KZ Buchenwald zusammengetrieben, die jüdischen Häftlinge wurden von den übrigen Häftlingen getrennt. Bis zum 9. April 1945 wurden wir in den Baracken des deutschen Rüstungswerkes "Gustloff" ohne Nahrungsmittel gehalten. Danach wurden wir zu Fuß nach Weimar getrieben. Dort ging es in offenen Güterwaggons, zu 100 bis 120 Mann pro Waggon, weiter. Hunger, Durst und Erschöpfung verlangten viele Opfer. Als wir Zeitz erreichten, wurde der Zug von alliirten Flugzeugen angegriffen. Mit jenen Häftlingen, denen es gelang, unter den Waggons Schutz zu suchen, wurde anschließend von der SS-Manschaft ein Blutbad errichtet.!"

Dr. Erwin Rona war damals 19 Jahre alt.

Unter den befreiten Häftlingen am 11. April 1945 befanden sich 904 Jugendliche im Alter von 3 - 17 Jahren. Die Geschichte der Kinder ist auch eine Geschichte ihrer Retter, die durch Menschlichkeit - Solidarität - Widerstand das Leben der Jugendlichen retteten. Am 11. April diesen Jahres berichtete der damals 15-jährige rumänische Häftling Vasile Nuszbaum am Kinderblock 8 über sein Schicksal und das seines Bruders, der von Mängele in Auschwitz abgespritzt wurde.

Am Block 45, in dem Günter Pappenheim, damal auch erst 18-jährig, inhaftiert war, sprach er vor den Jugendlichen über die Solidarität der Häftlinge, die ihm das Leben rettete.

Und Gert Schramm, 16-jähriger jüngster deutscher Jugendlicher, sogenannter "Mischling", hätte ohne den Schutz des Blockältesten Otto Grosse, ein Kommunist, nicht überlebt, wie er selbst sagt. Otto Grosse sorgte dafür, dass Gert bei den zermürbenden Appellen, bei denen geringste Anlässe zu Tobsuchtsorgien der SS- Leute führen konnten, mitten in der schützenden Masse der Häftlinge stand, unauffällig, von den anderen verdeckt.

Gert Schramm verlas den Schwur, der bis heute nichts an seiner Bedeutung verloren hat und um dessen Erfüllung wir weiter kämpfen.

"Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Welt steht!

Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.

Das der Schwur von Buchenwald bis heute aktuell bleiben würde, hat damals, im April 1945, niemand geahnt. Den Schwur von Buchenwald heute in Deutschland als Inszinierung des kommunistischen Widerstands zu diffamieren, um aktuellen Antifaschismus zu verleumden, ist eine Ungeheurlichkeit, die wir entschieden zurückweisen. Wir protestieren nachdrücklich gegen die Beleidigung der Opfer und der Häftlinge.

Im Geiste der Völkerverständigung und der Friedenssicherung setzten wir alles daran den Schwur zu erfüllen. Leider haben wir da noch viel zu tun, denn nicht nur wir, als Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten sind für eine Welt ohne Rassismus, Nazismus und Militarismus, ohne Ausgrenzung, ohne Faschismus und Krieg.

Mit großer Sorge müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass in Staaten der Europäischen Union Hass auf Juden geschürt, die Minderheit der Sinti und Roma gehetzt und Andersdenkende verfolgt werden.

Nationalismus und Rassismus gehen einher mit SS-Verherrlichung und offenem faschistischen Machtanspruch.

Deshalb seid ihr alle heute hier zum Ostermarsch und dem Aufruf gefolgt:

"Verantwortung heißt Frieden"!

Ich spach am Anfang von Dr. Rona und seinen Erlebnis von Zeitz, wo der Zug der Häftlinge bombardiert wurde.

Im Zeitzer Forst soll eine neue Schießanlage zur Ausbildung für Auslandseinsätze gebaut werden und thüringer Pioniere nutzen den Zeitzer Forst als Übungsplatz.

Der Bundeswehrstandort Ohrdruf ist allen bekannt.

Ohrdruf ist ein Beispiel für die Erinnerung an

100 Jahre 1. Weltkrieg

75 Jahre 2. Weltkrieg

15 Jahre Bundeswehr- Kriegseinsätze

Setzen wir uns dafür ein, dass keine jungen Menschen in einen Krieg ziehen müssen!

Fordern wir: Bundeswehr raus aus den Schulen und Hochschulen!

Fordern wir ein soziales, friedliches und gerechtes Europa ohne Ausgrenzung von Sinti und Roma, von Juden, von Andersdenkenden und anders Lebenden.

Ausgehend von den historischen Erfahrungen des Widerstandes und der Verfolgung treten wir für Gleichheit, Solidarität, Demokratie und Frieden ein.

Aufrüstung, Kriegsbeteiligung, Rüstungsexporte befördern nicht Frieden und Freiheit. Das lehren Vergangenheit und Gegenwart.

Deshalb hat Bertholt Brechts Rede für den Frieden von 1952 nichts an Bedeutung verloren: Er sagte: "Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz."

Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer.

Die Beschreibungen, die der New Yorker von den Gräueln der Atombombe erhielt, schrecken ihn anscheinend nur wenig.

Der Hamburger ist noch umringt von Ruinen, und doch zögert er, die Hand gegen einen Krieg zu erheben.

Die weltweiten Schrecken der vierziger Jahre erscheinen vergessen.

Der Regen macht mich nicht nass, sagen viele.

Die Abgestumpftheit ist es, die wir zu bekämpfen haben, ihr äußerster Grad ist der Tod.

Allzu viele kommen uns schon heute vor wie Tote, wie Leute, die schon hinter sich haben, was sie vor sich haben, so wenig tun sie dagegen.

Und doch wird nichts mich davon überzeugen, dass es aussichtslos ist, der Vernunft gegen ihre Feinde bei zu stehen.

Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde!"

In diesem Sinne bleiben wir politisch aktiv, wo immer für solidarisches und friedliches Miteinander, Menschenwürde, Freiheit und Demokratie gerungen wird.



E-Mail: elke (Punkt) pudszuhn (at) googlemail (Punkt) com
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