OM 2014

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19.04.2014


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Ostermärsche und -aktionen 2014

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2014 in Bremen am 19. April

Liebe Freundinnen und Freunde,

Walter Ruffler (in Bremen)



- Es gilt das gesprochene Wort -



1. Doppelter Standard

Betrachtet man die Berichterstattung über die Krise in der Ukraine, so fallen die doppelten Standards oder ein zweierlei Maß in der Bewertung auf.

Denn die Bilder gleichen sich: Vermummte Aktivisten, zum Teil in Uniform, besetzen öffentliche Gebäude. Sie sind bewaffnet mit Knüppeln, Schutzschilden und Gewehren. Die besetzten Objekte werden durch Barrikaden aus alten Autoreifen gesichert, die bei Gefahr im Verzuge angesteckt werden.

Als diese Aktionen auf dem Maidan in Kiew stattfanden, applaudierten westliche Regierungen, westliche Politiker besuchten die Demonstranten, freuten sich über die Aktionen gegen die Regierung Janukowitsch und versprachen Solidarität und Hilfe "Europas".

Die aktuellen Aktionen von Aktivisten in der Ostukraine dagegen werden vom Westen scharf verurteilt, obwohl die Forderungen der Demonstranten in höchstem Maße urdemokratisch sind: nämlich eine Volksabstimmung über die staatliche Zukunft dieser Regionen.

2. Antirussischer Trend in Medien und Politik

Zum antirussischen Trend der Medienberichterstattung will ich exemplarisch drei Beispiele nennen.

2.1. Der Spiegel vom 10. März

Die Richtung gab Der Spiegel-Titel vom 10. März vor: Auf einem großformatigen Foto schaut ein abschätzig blickender Putin auf die kleinen Figuren westlicher Politiker hinab: einen lamentierenden Cameron, einen mahnenden Obama und eine besorgte Angela Merkel mit einer kleinen weißen Fahne in der Hand, die Schlagzeile: "Der Brandstifter. Wer stoppt Putin?"

Im Artikel geht es dann zur Sache: Von einer "Annexion der Krim", von "Moskaus Provokationen auf der Krim" und einer "russischen Eroberung der Krim" ist die Rede, Putin gilt als "Aggressor" und als "Brandstifter in Moskau", der sich die "Ostukraine einverleiben" wolle. Von den "Machtgelüsten eines östlichen Autokraten" und einem "Despoten, der Truppen entsendet" und von "Expansionsplänen" Putins ist die Rede.

2.2. ARD - Presseclub vom 23. März

Ähnlich titelt auch der Presseclub der ARD am 23. März: "Russlands Griff nach der Krim - wer kann Putin stoppen?" und Moderator Volker Herres hat praktischerweise vier Kollegen eingeladen, die seiner Meinung sind [Stefan Kornelius von der Süddeutschen, Michael Stürmer, der für die Welt schreibt, Constanze Stelzenmüller vom German Mashall Fund der USA und Ulrike Winkelmann von der TAZ].

2.3. Weser Kurier vom 9. April

Doris Heimann belebt mit ihrem Artikel "Russische Armee sehr gut ausgerüstet" im Weser Kurier vom 9. April das alte Propagandaschema: Der Russe steht vor der Tür! Sie schreibt, die russischen Soldaten auf der Krim seien fast genauso gut ausgerüstet wie die amerikanischen Soldaten im Irak [mit Tarnfleck-Anzügen aus Goretex, neuen Helmen, schusssicheren Westen, Nachtsichtgeräten und Knieschützern]. Der Rüstungsetat sei stegig gewachsen und betrage nun 70 Mrd. Dollar. Der Artikel ist in hohem Maße manipulativ, denn Frau Heimann setzt die russischen Militärausgaben nicht ins Verhältnis zu denen der NATO-Staaten, wo allein die USA über 600 Mrd. Dollar ausgeben, rechnet man die Ausgaben Frankreichs, Englands, Deutschlands, Italiens, Kanadas und Spaniens hinzu, dann geben allein diese sieben (von 28) NATO-Staaten 12 mal mehr für das Militär aus als Russland!

2.4. US-Außenminister John Kerry

Den Vogel schießt ohne Frage US-Außenminister John Kerry ab wenn er sagt: "Im 21. Jahrhundert benimmt man sich nicht einfach wie im 19. Jahrhundert und marschiert unter einem erfundenen Vorwand in ein anderes Land ein" - denn genau das war unter Präsident George W. Bush im Irak geschehen, und zwar mit der Zustimmung Kerrys (FR vom 4. März).

Da macht sich der Bock zum Gärtner, der sich immer dann ans Völkerrecht erinnert, wenn es den eigenen politischen Zielen dient. Ansonsten lässt man auch gern mal fünfe gerade sein.

[- Invasion in der Schweinebuch auf Kuba 1961,

- Seeblockade Kubas 1962 (Kubakrise),

- Pinochet-Putsch in Chile 1973,

- Unterstützung der Contras gegen die Sandinisten in Nicaragua,

- der Vietnam-Krieg von 1955 bis 1973 (2-4 Mio. getötete vietnam. Zivilisten, Agent Orange),

- Invasion auf Grenada 1983,

- Bombardierung Serbiens 1999 (Kosovo-Krieg),

- Invasion Afghanistans 2001,

- Irak-Krieg 2003.]

Hat die EU den USA wegen ihrer Verletzungen des Völkerrechts je mit Wirtschaftssanktionen gedroht? Im Gegenteil, EU- und NATO-Länder haben häufig mitgemacht in einer "Koalition der Willigen".

Der ehemalige Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag und Professor für Völkerrecht Bruno Simma zieht den Schluss: "Der Westen ist scheinheilig", denn: "Das völkerrechtliche Gewalt- und Interventionsverbot ist in der jüngeren Vergangenheit gerade vom Westen, unter der Führung der USA, immer wieder durchlöchert und aufgeweicht worden", und: "Der Westen sollte daraus lernen, künftig wieder mehr Respekt gegenüber dem Völkerrecht walten zu lassen" (Der Spiegel 15/2014, S. 24ff).

3. Leser und Zuschauer fordern korrekte Berichterstattung ein

Leser und Fernsehzuschauer wehren sich gegen die einseitige Berichterstattung. Das Gästebuch des ARD-Presseclubs platzte praktisch aus den Nähten vor kritischen Beiträgen, viele Leserbriefe fordern eine korrekte Berichterstattung ein, so Markus Beinhauer aus Münster in der Frankfurter Rundschau vom 14. April: "Die einseitige Berichterstattung fast aller bundesdeutschen Zeitungen inklusive der FR ist kaum mehr auszuhalten", und die TAZ stellt am 22./23. März auf der Leserbriefseite eine "Große Medienschelte" fest und fragt: "Viele LeserInnen halten die taz für einseitig. Fällt die Russlandkritik zu harsch aus? Werden EU und Nato geschont? Werden die Faschisten in der ukrainischen Regierung verharmlost?"

4. Zur Lösung des Problems

Eine überzeugende Perspektive zur Lösung des Problems bietet Joerg Helge Wagner vom Weser Kurier in seinem Kommentar "Einheit um jeden Preis?" am 4. März. Er kritisiert die Politik Putins als "aggressiv", kommt dann aber zu recht praktischen Lösungsvorschlägen: Man sollte "dem Kreml" ein Referendum auf der Krim unter internationaler Aufsicht anbieten und den Regionen im Osten der Ukraine auch. Das "Mantra" von der "territorialen Integrität und Einheit der Ukraine" hält er nicht für hilfreich.

Am 16. März wurde ein Referendum über die Unabhängigkeit der Krim von der Ukraine und für einen Anschluss an Russland durchgeführt. Auch wenn diese Abstimmung nicht gemäß den Idealkriterien des Vereins "Mehr Demokratie" ablief, sollte der Westen das Ergebnis akzeptieren und seine Sanktionen beenden. Denn selbst der frühere US-Botschafter Josef Kornblum bezweifelt nicht, dass die Bevölkerungsmehrheit einen Anschluss an Russland gewünscht hat. Referenden in den Aufstandsgebieten der Ostukraine unter internationaler Beobachtung könnten zur Lösung des Konflikts führen, wenn sich die Parteien zuvor darauf geeinigt haben, das Ergebnis zu akzeptieren, ob es ihnen gefällt oder nicht.

Vielen Dank!



E-Mail: walterruffler (at) aol (Punkt) com
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