OM 2014

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20.04.2014


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Ostermärsche und -aktionen 2014

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Redebeitrag für den Ostermarsch 2014 in Bremen am 19. April

Keine Chance dem Militär!

Rudolph Bauer (in Bremen)



- Es gilt das gesprochene Wort -



Liebe Freundinnen und Freunde,

Bremerinnen und Bremer! Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung ist mit uns einer Meinung. Militärische Einsätze im Ausland lehnt sie ab. Dazu ein Zitat aus dem Weser-Kurier vom 1. Februar 2014: "Zu Deutschlands Rolle in der Welt gefragt, sagten in einer Umfrage 58 Prozent, das Land solle Konflikte lieber mit Diplomatie und Geld lösen als mit Waffen. Nur 20 Prozent sagten: Ja, Deutschland soll sich auch als NATO-Partner stärker engagieren." Nur jede bzw. jeder Fünfte ist mit der Politik unserer Regierung einverstanden. Nur 20 Prozent ! Das ist eine klare Absage an die Berliner Koalition aus CDU/CSU und SPD!

Da stellt sich aber eine Frage: Wie kommt es, dass wir hier, auf dem Bremer Rathausplatz, nicht Hunderttausende sind, die demonstrieren?

Die Antwort darauf lautet:

Die pazifistische Mehrheit in der Bundesrepublik wird über den Ernst der Lage getäuscht.

Die Menschen werden in den Glauben versetzt, dass sie den Politikern vertrauen können. Auch dann, wenn es um Krieg und Frieden geht.

Die Aufmerksamkeit der politisch interessierten Menschen unseres Landes wird gegenwärtig auf die Jahre 1914 und 1939 gelenkt. Wir bekommen ein bestimmtes Bild vom Ersten und vom Zweiten Weltkrieg vermittelt: warum diese Kriege vor 100 bzw. 75 Jahren begonnen haben, wie sie begonnen haben, wie sie verlaufen sind. Wenn wir uns heute jedoch nur an jenen geschichtlichen Umständen orientieren, die damals zum Krieg geführt haben, dann wird unser Blick auf die Gegenwart unscharf, dann werden wir von der Realität abgelenkt. Die Bevölkerung wird getäuscht und eingeschläfert, betrogen.

Im Vergleich zu 1914 und zu 1939 gelten heute andere,

NEUE MILITÄRISCHE STRATEGIEN

... und Deutschland ist Teil eines komplizierten Systems von Bündnissen und Partnerschaften.

Das Bündnis- und Partnerschaftssystem im Rahmen von EU, Nato, G 8 bzw. G 7, Vereinten Nationen, Sicherheitsrat usw. verschleiert die Tatsache, dass die Bündnispartner keine gleichen und gleichberechtigten Partner sind. Nach wie vor spielen nationale Interessen, ökonomische Interessen und das politische Machtgefälle die entscheidende Rolle. Nach wie vor steht Deutschland im Verbund mit den USA an führender Stelle, nicht nur ökonomisch, auch als Militärmacht, selbst wenn die Regierung beteuert, sie komme nur ihren Bündnisverpflichtungen nach.

Was folgt aus der besonderen Rolle Deutschlands im europäischen, internationalen und globalen Kontext? Die Antwort wurde vor wenigen Monaten bei der Münchner Sicherheitskonferenz gegeben bzw. erneut unterstrichen. Bundespräsident Gauck und Ministerin von der Leyen haben sich unmissverständlich für eine "neue deutsche Rolle in der Welt" stark gemacht. Auch Außenminister Steinmeier, SPD, forderte: "Deutschland muss sich einmischen."

Was kommt auf uns zu, wenn sich Deutschland weltpolitisch einmischt?

Auskunft über die "neue deutsche Rolle in der Welt" gibt eine unlängst erschienene Veröffentlichung des German Marshall Fund und der Stiftung Wissenschaft und Politik. Diese strategische Studie trägt den bezeichnenden Titel: "Neue Macht. Neue Verantwortung".

Die erwähnte Schrift lässt unter anderem erkennen, wie sehr die wahren militärischen Absichten sprachlich verharmlost und schöngeredet werden, um uns zu belügen und zu betrügen.

Was Deutschlands imperialistischen Herrschafts- und Weltgeltungsanspruch betrifft, heißt es an einer Stelle: "Deutschland wird . führen müssen". Diese Formulierung - so deutlich sie einerseits ist - täuscht. Denn sie tut so, als ob die Bundesrepublik eine "Führungsrolle" einnehmen "muss" - so, als ob Deutschland unfreiwillig handle und gezwungen sei, die "Führungsrolle" zu übernehmen.

Das Dokument spricht ferner von "vielfältigen, diffusen Sicherheitsrisiken", die ein militärisches Vorgehen erfordern. Diesen Risiken entsprechend sei "das Risikomanagement zum neuen Paradigma der Sicherheitspolitik geworden".

"Risikomanagement" ist eines der neuen Worte für Krieg.

Verwirrend und zugleich erschreckend ist die Aufzählung der "Risikofaktoren". Genannt werden "die Proliferation von Massenvernichtungswaffen und Terrorismus", aber auch "Klimawandel, demographische Entwicklung, unkontrollierte Migration, Ressourcen- und Nahrungsmittelknappheit, Pandemien, schwache und versagende Staaten".

Man muss sich die Wahnideen dieser Schreibtischtäter anschaulich vergegenwärtigen: die Armee als all zuständige Instanz, wenn es um die Reaktion auf ökologische, gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Probleme geht! Die Bundeswehr soll eingreifen beim Klimawandel!? Oder: Die Armee soll tätig werden wegen des demographischen Wandels? Oder: Die Bundeswehr soll bei Pandemien einschreiten?

Hier werden Probleme genannt, für die man politische Lösungen braucht, keine militärischen. Oder wird hier die Clausewitz-Devise von anno dunnemals wiederbelebt, der Krieg sei eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln? Uns wird vorgegaukelt, die Armee sei unser aller und der ganzen übrigen Welt Freund und Helfer. Das ist Militärpropaganda!

Im gleichen Atemzug werden auch Migration sowie Ressourcen- und Lebensmittelknappheit als "Risiken" bezeichnet. Ich erinnere an den Frontex-Krieg, der im Mittelmeer geführt wird. Und wir erinnern uns an die Geschichte des Kolonialismus, als sich die Kolonialmächte dreist fremde Länder sowie deren Ressourcen und Bodenschätze durch kriegerische Eroberung angeeignet haben. Das zeigt alles eine erschreckende Nähe zu Wilhelm Zwo und ebenso zu George W. Busch. Im Sinne des letzteren nennt das Strategie-Papier als - Zitat - "größte aller außenpolitischen Aufgaben .

... die Erneuerung, Anpassung und Neugestaltung der internationalen Ordnung".

Sind die zitierten Formulierungen sprachliche Ausrutscher? Oder sind sie Zeichen von Größenwahn? Das Strategiedokument kommt uns besänftigend mit schönen Worten - ich zitiere: "Deutschlands Bekenntnis zu Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und rechtsstaatlicher Ordnung sowie zu einer auf universale Normen gestützten internationalen Ordnung bleibt gültig". Das soll uns beruhigen und einschläfern. Merke aber: "Demokratisierung" und "Menschenwürde" sind abstrakte Begriffe. Sie verschleiern die wahren Absichten. Sie bilden einen Vorwand für Kriegsmanöver. Sie sind, um es militärstrategisch zu formulieren, Einflugschneisen und Einmarschgebiete für kriegsgeile Hasardeure.

Die neue militärische Strategie erscheint weitgehend unverdächtig, weil sie täuschend, vieldeutig und doppelbödig formuliert ist.

Der Wolfshunger nach Weltbeherrschung kommt im Lämmer-Gewand daher -

- im Lämmergewand der Freiheits-, Menschenrechts- und Ordnungsliebe. Es wäre aber naiv und tödlich, sich beruhigt zurückzulehnen und sich keine Sorgen zu machen. Denn das neue militärische Strategieprogramm ist voll nach derjenigen Seite hin anschlussfähig, die in nationalistischer Selbstüberheblichkeit bekanntlich zwei schreckliche Weltkriege zur Folge gehabt hat.

Es gibt noch eine Reihe weiterer Gründe, die erkennen lassen, wie sehr uns die wahren Konsequenzen der neuen militärischen Strategie verheimlicht werden - wie man die Bevölkerung täuscht und hinters Licht führt. Einer dieser Gründe ist die .

Normalität von Angst, Gewalt und uniformierter Brutalität

... in unserem Alltag - bis hin zur Krimi-Flut im Tatort-Fernsehen und in den Buchläden. Die Alltäglichkeit von Entsetzen und Furcht hat viele andere Facetten: als Angst um den Arbeitsplatz, als Angst vor teuren Mieten und Energiepreisen, vor sozialem Abstieg und wachsender Steuerlast, als Angst vor Geldentwertung und dem Verlust des Ersparten, als Angst vor Migranten, Asylbewerbern und Armutszuwanderung, als die Angst vor Aids, vor BSE und Vogelgrippe, als die neu entfachte und geschürte Angst vor "den Russen", als die Angst, in einer alternden Gesellschaft zu leben, als Angst, pflegebedürftig und dement zu werden, als Angst vor den Folgen des Klimawandels, vor dem Auswirkungen der Atomkatastrophen usw., usw.. All diese Angst-Szenarien werden geschürt und erzeugen ein Bedürfnis nach Sicherheit.

Die neue militärische Strategie verspricht Schutz und Sicherheit. Sie verheimlicht und täuscht aber darüber hinweg, dass es sich dabei um eine Scheinsicherheit handelt, die sich allein den Waffen verdankt. Diplomatie, Verhandeln, Kompromisse und eine Politik der entschiedenen Friedenssicherung durch Bildung und sozialökonomische Entwicklung spielen in der neuen Strategie überhaupt keine Rolle. - Wir erkennen hier eine weitere Finte, durch die man uns zu täuschen versucht. Die neue militärische .

Strategie tarnt das Kriegerische als zivil, als human, als Abenteuer, als faire Konkurrenz.

Sie spricht von "Management". Sie entwirft das Bild eines sportlichen Wettbewerbs. In dem erwähnten Strategie-Paper heißt es z. B., Deutschland spiele jetzt mit "in der Liga der globalen Akteure". Als ob es sich um ein Fussballmatch handelt und nicht um Krieg-Krieg-Krieg!!

Eine weitere Besonderheit der neuen militärischen Strategie sind die Feindbilder. Wir kennen sie alle: die Terroristen, Islamisten und Piraten, die angeblichen "Hitlers" wie Saddam Hussein, Ghadafi, Assad - und neuerdings Putin. Schreckensnamen wie Al Kaida, Hamas sowie an die hundert andere erzeugen das Bild der weltweiten Bedrohung. Ihre Träger sollen ausgemerzt und vernichtet werden, genau so wie ehemals Eingeborene, Sinti und Roma, Schwule und Juden. Die neuen .

Feindbilder ethnischer, rassistischer und religiöser Hetze

... verschleiern aber, dass es im Kern immer um die plumpe Rechtfertigung von Krieg und Gewalt geht.

Ein weiterer Punkt, warum viele Menschen keine Parallele erkennen können zu 1914 und 1939, ist folgender: Die militärische Strategie stützt sich heute auf neu entwickelte .

Killer-Waffen und neuartige Methoden der Kriegsführung.

Ich meine damit nicht nur die US-Atomwaffen, die immer noch auf deutschem Boden lagern. Statt sie abzuschaffen, sollen sie "modernisiert" werden. Ich denke an die im Weltall kreisenden Spionage-Satelliten, z. B. an die "Sar Lupe" von der Bremer Firma OHB. Neu sind aber auch Streubomben, Uranwaffen mit nuklearer Strahlung und giftigen Schwermetallen sowie ferngesteuerte Kampf- und Killer-Drohnen zum gezielten Töten. Sie sollen künftig sogar in der Lage sein, den angeblichen Feind automatisch zu erkennen und automatisch zu töten.

Mit all diesen Waffen hat unsere Bevölkerung in Deutschland bisher noch keine unmittelbare Kriegserfahrung gemacht, gottlob! Aber diese Waffen warten auf ihren tödlichen Einsatz, damit der militärisch-industrielle Komplex nach ihrer Anwendung wieder für Nachschub sorgen kann, damit die Rüstungswirtschaft floriert, Arbeitsplätze angeblich erhalten bleiben und die Profite bei den Konzernen, Banken und Anlegern steigen.

Neue, bislang unbekannte Methoden der Kriegsführung sind der "Cyber War`, die totale Überwachung und der Datenraub durch Software-Firmen und Geheimdienste, Werksspionage und -sabotage, die Instrumentalisierung von zivilgesellschaftlichen Organisationen durch Geheimdienste, um soziale Unruhen zu schüren und Aufstände anzuheizen. Das geschieht heimlich und in der Absicht, die betreffenden Staaten zu destabilisieren, um damit einen sog. "Risikofaktor" zu schaffen, der dann wiederum als Grund für die Notwendigkeit des militärischen Eingreifens herzuhalten hat - eine teuflische Verkettung. - An dieser Stelle gerät ein zusätzlicher Aspekt der neuen militärischen Strategie in den Blick: die .

Privatisierung des Krieges.

Ich zitiere aus der "Süddeutschen Zeitung" vom 16./17. Dezember 2013. Es heißt dort: "Sie foltern, sie verschleppen, sie spionieren: Längst haben Amerikas Geheimdienste einen Großteil der unangenehmen Arbeiten an private Unternehmen übergeben. Etliche dieser Schattenfirmen von CIA oder NSA sind auch in der Bundesrepublik aktiv. Und zwar nicht nur für die USA, sondern auch für die deutsche Bundesregierung."

Unter der Tarnbezeichnung "Sicherheitsdienste" sind weltweit private Armeen und Truppen unterwegs. Sie übernehmen militärischen Objekt- und Personenschutz, beteiligen sich an der Ausbildung von Polizisten und Soldaten, arbeiten im Bereich der militärischen Aufklärung und bei Verhören. Aufgedeckt wurden die Machenschaften des Unternehmen "Blackwater` mit seinen Verbindungen zum US-Geheimdienst CIA. Im Gefängnis von Abu Ghraib haben Mitarbeiter von Militärfirmen an den Folterungen Gefangener teilgenommen. Sie beteiligen sich an Kampfeinsätzen und führen Geheimkriege. In Afghanistan und im Irak sorgten sie sogar für unsichere Straßen, um weitere Sicherungsaufträge zu erhalten. So läuft das Geschäft des Krieges. Krieg ist heute nicht nur bloße Fortsetzung der Politik, sondern auch bloße .

Fortsetzung der Ökonomie mit anderen Mitteln.

Kriege und die Verantwortung für ihre Vorbereitung werden aus der eigentlichen staatlichen und territorialen Verantwortung hinausverlagert. Ebenso aus dem parlamentarischen Kontroll- und Entscheidungsbereich. Das ist ein zusätzliches Vernebelungs-Element der neuen Militärstrategie. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang die Waffenlieferungen der .

Bundesrepublik als drittgrößtes Waffenexport-Land der Welt.

Die Lieferung deutscher Mordwerkzeuge stellt eine massive Form der Beihilfe zur Unterdrückung von sozialen Unruhen und Demokratiebewegungen dar. Öl ins Feuer der kriegerischen Konfliktaustragungen in aller Welt goss die Bundesregierung beispielsweise durch die Lieferung von Chemikalien für die Herstellung von Chemiewaffen in Syrien. Ferner durch den, gegen Ende der 1970er Jahre erfolgten Verkauf einer als Fluor-Fabrik deklarierten Konversionsanlage für das pakistanische Nuklearwaffenprogramm.

Aktuell auf der Tagesordnung sind Waffenlieferungen in die Vereinigten Arabischen Emirate sowie nach Algerien, Katar, Ägypten und Saudi-Arabien, wohin - mit staatlicher Bürgschaft der Bundesregierung! - auch Kriegsschiffe der Bremer Lürssen-Werft geliefert werden. Nicht zuletzt erfolgt der massenhafte Export von Pistolen, Maschinenpistolen, Sturm- und Maschinengewehren. Zurzeit stirbt jede Viertelstunde ein Mensch durch eine Kleinwaffe, produziert in der Bundesrepublik. - Wie selbstverständlich werden aus der Bundesrepublik auch .

Waffen und Kriegsgeräte in das Spannungsgebiet des Nahen Ostens

... geliefert. Vor zwei Jahren erfolgte die Lieferung des sechsten einer Serie von U-Booten nach Israel. Diese U-Boote sind für die Bewaffnung mit Marschflugkörpern für Nuklearsprengköpfe geeignet. Ihre Sonar-Technik und die Torpedos stammen von der Bremer Firma Atlas Elektronik. Die Finanzierung dieser U-Boote für Israel wird zu einem Drittel dem deutschen Steuerzahler aufgebürdet.

Das Stichwort "Israel` verweist auf noch einen weiteren Aspekt der neuen Militärstrategie. Im 2. Weltkrieg war die deutsche Wehrmacht aktiv beteiligt an der Deportation und Tötung von Juden in ganz Europa. Anders herum hat es sich beim völkerrechtswidrigen Überfall auf Jugoslawien verhalten. Diese völkerrechtswidrige Militärintervention wurde von deutscher Seite mit der ...

Propagandaparole "Nie wieder Auschwitz!"

... begründet. Auf diese Weise wird das heuchlerische Bekenntnis der Schuld an einem alten, historischen Unrecht demagogisch umgemünzt in ein Argument zur Begründung des neuen Unrechts militärischer Überfälle durch deutsche Soldaten.

Auf die historische Schuld am Holocaust beruft sich die Bundesregierung auch, wenn es gilt, die militärische Besetzung der palästinensischen Territorien durch Israel sowie den illegalen Bau von Wehrdörfern zu tolerieren. Vor dem Hintergrund der historischen Schuld ist auch bei vielen Menschen in der Bundesrepublik, besonders aber bei den Politikern und in der Massenpresse, jegliche Sensibilität für das verloren gegangen, was rechtens und was Unrecht ist. Wenn es um Israel geht, ist so gut wie alles erlaubt. Und so werden wir auf die .

Normalität von kriegerischem Unrecht

... eingestimmt - und das mit höchst moralischer Geste. - Nicht zuletzt versucht man auch seit dem 11. September, uns auf perverse Weise an die Vorstellung der Rechtmäßigkeit von kriegerischer Gewalt zu gewöhnen.

Ich komme zum Schluss noch kurz zu sprechen auf .

HISTORISCHE PARALLELEN DER HEUTIGEN MILITARISIERUNG.

Als ersten Punkt nenne ich die Versuche der Spaltung in den Reihen der Kriegsgegner und Pazifisten. Hierbei spielt das Israel-Thema leider ebenfalls eine wichtige Rolle. Tatsächlich gibt es kaum eine Verständigung unter Pazifisten und Antifaschisten, sobald die eine Seite die Politik der israelischen Regierung als friedensfeindlich kritisiert und die andere Seite diese Kritik als antisemitisch angreift.

Was früher die patriotische Begeisterung war, welche die Sozialdemokraten bei der Frage der Kriegskredite 1914 hat einknicken lassen, das ist heute im linken Lager der

Antisemitismus-Vorwurf mit Auschwitz und Holocaust im Hintergrund.

Die Reaktionäre können sich ins Fäustchen lachen; ihr Rassismus trägt heute philosemitische und islamophobe Züge. - Damit spreche ich einen zweiten Sachverhalt an, der Parallelen erkennen lässt zur Vorkriegszeit in der Weimarer Republik. Wie damals genießen heute rechte Flachdenker wie etwa Tilo Sarrazin höchste publizistische Aufmerksamkeit.

Auch faschistische Banden sind aktiv und geduldet. Ihr Unwesen treiben sie sowohl in der Bundesrepublik - Stichwort: Nationalsozialistischer Untergrund - als auch in den europäischen Nachbarländern: in Italien und Frankreich, in den baltischen Staaten, Ungarn, Polen und in der Ukraine. Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament jetzt im Mai wird sich zeigen, wie diese Reaktionäre und Neofaschisten als Vorhut des imperialistischen Kapitalismus ihre propagandistischen Hetz-Dienste verrichten. - Das leitet über zum nächsten Punkt: dem der Unterhöhlung demokratischer Entscheidungen und der .

Aushebelung parlamentarischer Kontrolle.

Wir erleben das in der Bundesrepublik auf dreifache Weise: Zum einen in Gestalt der Minderung einzelstaatlicher Souveränität im Rahmen der Brüsseler Kommission und de Nato. Zweitens nimmt die mächtige Waffenlobby im Verbund mit der Führung der Bundeswehr und den Beamten des zuständigen Ministeriums massiven Einfluss auf die parlamentarisch-politischen Entscheidungen. Auch Korruption ist im Spiel. Flankiert wird dieser Vorgang durch die neoliberalen Wortführer - "Experten" genannt - in Medien und Wissenschaft. Drittens lässt sich eine fortschreitende Selbstentmachtung des Parlaments sowie die Entmündigung und Missachtung der Bürgerinnen und Bürger mit Händen greifen.

Wen denn in der Großen Koalition kümmert es, dass die Bevölkerung mehrheitlich pazifistisch denkt? Selbst Die Grünen - derzeit in der Opposition - scharwenzeln im Tross des Pastors von Schloss Bellevue. Herr Özdemir sagte nach der Gauck-Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz - ich zitiere aus dem Weser-Kurier -, "der Bundespräsident habe deutlich gemacht, dass ein Land wie die Bundesrepublik als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt eine Verantwortung nicht nur für sich selber, sondern auch für Demokratie, für Menschenrechte in der Welt habe".

Na bravo! Solcher Verantwortung mit Waffengewalt gerecht zu werden, wünschen sich auch Die Grünen. - Mit dem Hinweis auf Die Grünen kommt noch ein anderer Punkt in den Blick, der historische Parallelen aufweist: nämlich der .

Verrat pazifistischer Grundsätze durch ehemals antimilitaristische Parteien

... und durch Teile der Gewerkschaftsbewegung. Letztere lamentieren über den möglichen Verlust von Arbeitsplätzen in der Rüstungsindustrie. Das Wort Konversion kommt in ihrer Agenda nicht mehr vor.

Den Verrat pazifistischer Prinzipien kennen wir schon aus der Geschichte der Sozialdemokratie 1914. Verrat begangen haben zuletzt nun auch die an der Schröder-Regierung beteiligten Joschka-Grünen. Und hoffen wir, dass die Partei Die Linke nicht auch noch eine Hinter- oder Vordertür entdeckt, durch die sie in eine Kriegs-Regierungskoalition mit Sozialdemokraten und Grünen schlüpft.

Während ich diese Hoffnung äußere, schreitet die Militarisierung in unserer Gesellschaft, in allen gesellschaftlichen Bereichen, voran. Die Rüstungsindustrie bangt um ihre Profite. Die Gewerkschaft um die Arbeitsplätze. Der Staat sorgt sich um das Wohlergehen der Wirtschaft. Aus Pflugscharen werden Schwerter geschmiedet - die zum Einsatz bestimmt sind und eine tödliche Eigendynamik entwickeln.

Was können, was müssen wir tun?

Erstens: Wir können und müssen aufklären - aufklären über die neue Fratze des Militarismus; aufklären über die neuen, heimlichen militärischen Strategien der Gegenwart; aufklären auch über die Wiederkehr alter Strategien, die bekannt sind aus der Zeit von 1914 und 1939.

Zweitens, wir können und müssen anklagen: Wir klagen an die Regierung und ihre Berater! Wir klagen an die Rüstungslobby und die Bosse der Kriegsgeräte- und Waffenindustrie! Wir klagen an die Banken, die Verantwortungslosen in Presse und Medien, die kriegstreiberischen Think Tanks! Wir klagen an die Heuchler, die Lügner, die Schönredner, die Kriegshetzer und alle diejenigen, die trotz besseren Wissens schweigen und auf diese Weise ebenfalls Partei ergreifen: die Partei der Apokalypse.

Drittens, wir können und müssen Mut beweisen und das Engagement derer loben, die ihren Mut schon heute unter Beweis stellen - z. B. indem sie aus ihren Schulen die Bundeswehr-Jugendoffiziere verbannen; indem sie die Kooperationsvereinbarungen zwischen den Bildungsministerien der Länder und der Bundeswehr bekämpfen; indem sie an der Basis der Parteien und Gewerkschaften für den Frieden, gegen Militarisierung und Militarismus eintreten; indem sie an den Universitäten und Hochschulen für die Zivilklausel streiten; indem sie über die Verletzung unserer Bürgerrechte journalistisch berichten und juristisch gegen dieses Unrecht vorgehen; indem sie sich für die Freiheit des Wortes und der Kritik stark machen; indem sie für unsere Sache Unterschriften sammeln; indem sie Antikriegskampagnen und -kongresse organisieren, die aufklären und anklagen; nicht zuletzt rufen wir auf und loben den Mut derer, die als Whistleblower militärische und Rüstungsgeheimnisse öffentlich machen.

Wir Pazifisten sind Realisten

Wir ziehen Lehren aus der Geschichte. Wir wissen aber auch, dass es nicht genügt, nur auf die Geschichte zu starren: auf 1914, auf 1939. Unser Blick richtet sich auf die Gegenwart, unsere Sorge auf die Zukunft.

Bundespräsident Gauck nannte bei der Münchner Sicherheitskonferenz einen Pazifismus wie den unsrigen "unaufrichtig". Lehren aus der Geschichte zu ziehen, wie wir es tun, nannte er: "fragwürdig, weltabgewandt und bequem".

Lasst uns - Bürgerinnen und Bürger, Freundinnen und Freunde, Christen, Juden und Muslime, Gläubige und Ungläubige, Kolleginnen und Kollegen, Genossinnen und Genossen, Kämpferinnen und Kämpfer für Frieden und Glück - lasst uns den Herrn Bundespräsidenten Lügen strafen!

Lasst uns aufrichtig, glaubwürdig und der Welt zugewandt handeln!

Entlarvt die Lügner, die Schönredner, die uns täuschen wollen, die uns einschläfern wollen, die von Menschenrechten reden, aber Gewalt meinen und Profit-Profit-Profit. Lasst uns unbequem sein! Keine Chance dem Militär, den Militaristinnen und Militaristen, und allen ihren Propagandisten.

Geben wir ihnen keine Chance!



E-Mail: rudolph (Punkt) bauer (at) gmx (Punkt) de
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