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21.04.2014


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Redebeitrag für den Ostermarsch 2014 in Büchel am 21. April

Liebe Freundinnen und Freunde,

Frederik Holz (in Büchel)



- Sperrfrist: 21.04.14, Redebeginn: ca. 13 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -



Moralbewusstsein der Banken

Die 10 größten Banken in Europa und Amerika haben in den vergangenen Jahren 235 Mrd. Dollar für unzählige Fehlverhalten aufbringen müssen. Die Höhe dieser Strafen entspricht mehr als der Hälfte des deutschen Bundeshaushalts. Normaler Weise nennen wir jemanden, der für so viele Vergehen vor Gericht zu so ungeheuer hohen Geldstrafen verurteilt wird, einen Verbrecher. Wenn Banken das tun, werden sie immer noch als systemrelevant bezeichnet. Und in Notfällen können sie wohl wieder mit staatlichen Rettungsgeldern rechnen, so die Experten.

Und es werden ständig neue Skandale aufgedeckt und weitere Ermittlungen eingeleitet:

Der Liborzinsskandal, Betrügereien im Devisenhandel, Absprachen bei der Festlegung von Wechselkursen, Manipulationen, unangemessene Informationsaustausche, mannigfaltige Gerichtsurteile mit Strafen in Milliardenhöhe - Das alles sind Indizien für ein fehlendes Bewusstsein der Banken für gesellschaftliche Normen und Prinzipien. Ethische Grundsätze spielen keine entscheidende Rolle und werden dem wirtschaftlichen Nutzen, dem Profit untergeordnet. Das zeigt uns, dass wir bei den Banken an der falschen Adresse sind, wenn wir als Bürger einen verantwortungsvollen Umgang mit unserem Geld suchen; von einem verantwortungsvollen Umgang mit unseren Mitmenschen und unserer Umwelt ganz zu schweigen. Auch die staatlichen Mechanismen, diese Straftaten und dieses Fehlverhalten der Banken einzudämmen, greifen nicht wirklich. So setzt sich attac bereits seit über 15 Jahren für eine Finanztransaktionssteuer ein - für mehr Kontrolle an den Finanzmärkten - doch selbst die Finanzkrise hat nicht merklich dazu beigetragen, diese Kontrolle herbeizuführen.

Ähnlich verantwortungslos sind die Banken und die Regierungen, wenn es um die Finanzierung von Bereichen geht, durch die auf kurze oder lange Sicht großen Probleme für den Menschen und seine Umwelt entstehen: Kleinfeuerwaffen, Atomenergie, rückschrittliche Energiesektoren, Nahrungsmittelspekulation, Steueroasen und vor allem das Thema, um das es heute hier geht: Atomwaffen.

Atomwaffen & Investitionen

Die 190 Mitgliedsstaaten des Atomwaffensperrvertrags oder Nichtverbreitungsvertrags von 1970 verpflichten sich dazu, sich in redlicher Absicht um Abrüstung zu bemühen, um so die Verwüstung, die ein Atomkrieg über die ganze Menschheit bringen würde, abzuwenden. Die Vertragsstaaten stimmen überein, dass die Verbreitung von Kernwaffen die Gefahr eines Atomkrieges ernstlich erhöhen würde. Daher müssen frühestmögliche Maßnahmen zu einer effektiven nuklearen Abrüstung ergriffen werden. Im Artikel VI verpflichten sich alle Vertragsparteien, zur vollständigen nuklearen Abrüstung beizutragen. Leider findet man in der Praxis keine wirkliche Umsetzung dieser Vereinbarungen. Zwar wurde die Anzahl der Sprengköpfe seit Hochzeiten des kalten Krieges von 70.000 auf 17.000 reduziert, doch die einzelnen Waffen nehmen an Sprengkraft zu, die Arsenale werden ständig weiter modernisiert und technisch verbessert. 17.000 atomare Sprengköpfe auf unserem Planeten - immer noch genug für einen multiplen Overkill. 2.000 von ihnen in hoher Alarmbereitschaft und innerhalb weniger Minuten einsetzbar. Das sind immer noch äußerst beunruhigende Zahlen, wenn man bedenkt, dass jede Atombombe in einem Augenblick mehrere hunderttausend, ja sogar Millionen Menschenleben auslöschen kann.

Eine anhaltende Finanzierung von Atomwaffentechnologien und Atomwaffenherstellern steht damit im Widerspruch zu dem Ziel einer weltweiten Abrüstung. Deutschland spricht sich in seiner Abrüstungspolitik für das Ziel "Global Zero" aus. Dann sollten auch Schritte folgen. Für militärische Stützpunkte, wie dem hier in Büchel, und auch für die Finanzierung dieser NuklearwaffenTechnologien.

Jährlich werden von den Atomwaffenstaaten dieser Welt über 100 Mrd. Dollar für Atomwaffen ausgegeben, das sind über 200 Mio. Euro pro Tag. Die USA allein investieren jedes Jahr über 60 Mrd. Dollar - das wäre genug, um die international vereinbarten MillenniumEntwicklungsziele in der Armutsbekämpfung zu erreichen. Trotz eines immer wieder erneuerten Bekenntnisses zu einer atomwaffenfreien Welt investieren alle Atommächte weiterhin enorme Summen in diese völkerrechtswidrigen Waffen - Waffen, deren Einsatz illegal ist und auf dessen Abschaffung sich die internationale Staatengemeinschaft bereits geeinigt hat. Das Geld könnte genutzt werden, um transparentere und effektivere Kontrollmechanismen zur Abrüstung ins Leben zu rufen, um Bildung, Sozialleistungen, Gesundheitswesen und Katastrophenschutz auszubauen. Das Budget für nationale Abrüstungsbestrebungen ist dagegen winzig. Das verantwortliche Hauptorgan der UN, das Office for Disarmament Affairs, hat ein jährliches Bugdet von gerade einmal 10 Mio. Dollar. Die Summe für die Abrüstungsbemühungen der Weltgemeinschaft ist also ein Zehntausendstel verglichen mit den Ausgaben für Atomwaffen allein - die übrigen Rüstungsausgaben nicht mit eingerechnet.

UN-Generalsekretär Ban KiMoon brachte es auf den Punkt: "Die Welt ist überbewaffnet und Frieden ist unterfinanziert."

Die Studie "Don`t Bank on the Bomb" von Pax Christi und ICAN zeigt: Auch die meisten großen Banken in Deutschland haben Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen, die Atomwaffentechnologie herstellen, entwickeln oder warten; von Atomsprengköpfen und Trägersystemen über Raketen und Bombern bis hin zu atomwaffenfähigen U-Booten.

Und fast alle bekannten Banken sind dabei: Allen voran die Deutsche Bank mit insgesamt 3,6 Mrd. Euro, die Commerzbank mit 1,8 Mrd. Euro, Allianz Versicherungen mit 1,1 Mrd. Euro, das staatliche Kreditinstitut für Wiederaufbau (KfW), die Landesbanken von Bayern und Hessen, und auch die Sparkassen und die Volksbanken. Insgesamt sind das fast 7,6 Mrd. Euro, mit denen deutsche Banken durch Aktien, Kredite oder Anleihen Atomwaffenproduzenten unterstützen. Im globalen Geschäft mit Massenvernichtungswaffen nimmt Deutschland den vierten Platz ein. Sparkassen und Volksbanken sind mit jeweils ca. 80 Mio. Euro mit weitaus geringeren Summen beteiligt als beispielsweise die Deutsche Bank oder die Commerzbank. Aber: jeder Euro, der in diese todbringende Technologie investiert wird, ist ein Euro zu viel.

Viele Banken haben interne Rüstungsrichtlinien. Diese verbieten ihnen zwar eine Finanzierung von direkten Transaktionen im Zusammenhang mit sogenannten "kontroversen Waffen", wie Atomwaffen oder Streumunition. Rüstungs-Mischkonzerne, die nur einen Teil ihres Umsatzes im Bereich Atomwaffen machen, scheinen jedoch nicht darunter zu fallen. Auch gibt es keine Firma, die ausschließlich Atomwaffen produziert.

Anstatt abzurüsten wird also weiter in Waffen investiert. Anstatt die Atomraketen abzuziehen, sollen sie in Europa erneuert und modernisiert werden. B 61-12 heißen die neuen Atombomben, die hier in Büchel stationiert werden sollen. Mit dem Trägerflugzeug, dem sog. Tornado, üben deutsche Soldaten hier weiterhin die Einsätze der Waffen. Einer dieser Jagdbomber ist noch vor wenigen Wochen hier in der Umgebung abgestürzt - menschliches oder technisches Versagen? Beides hätte katastrophale Folgen gehabt, wären Nuklearwaffen an Bord gewesen! Die neuen Bomben, die bis 2050 bestehen bleiben sollen, werden laut Schätzung ca. 510 Mrd. Dollar kosten - ein teures nukleares Erbe für die nachfolgenden Generationen. Für eine bessere Sicherung der Nuklearwaffenlager, für die Trägerflugzeuge, die Lagerung, erforderliche Modernisierung und Bewachung kommen erhebliche Kosten auf die Stationierungsländer, also auch auf uns hier in Deutschland, zu.

Die genaue Höhe der Summen ist jedoch geheim und verbirgt sich im Verteidigungsetat.

Die Rolle Deutschlands

Gerade jetzt befinden wir uns wieder in einer brenzligen Situation, die deutlich macht, wie schnell Konflikte außer Kontrolle geraten. Das Geschehen in der Ukraine zeigt, wie Aufrüstungsspiralen auch in Europa in Gang kommen können und wie schnell der Frieden auf unserem Kontinent bedroht sein kann. Umso wichtiger ist es, klar zu stellen, dass Atomwaffen keine Sicherheit garantieren. Im Gegenteil: Notwendig ist ein Verbot und die Abrüstung aller Atomwaffen, damit in zukünftigen Krisen niemand mehr auf die nukleare Bedrohung setzen kann.

Unser Bundespräsidenten Gauck, unsere Verteidigungsministerin von der Leyen und unser Außenminister Steinmeier haben im Kanon gefordert, dass Deutschland international mehr Verantwortung übernimmt: für eine Welt, von der Deutschland in besonderem Maße profitiert. In ihren Reden wurde klar, dass sich diese Verantwortung auch auf die Bereitschaft zu militärischer Unterstützung der Bündnispartner bezieht. Zu dieser Forderung will ich zwei Sachen sagen: Zum einen sollte sich die Art und Weise ändern, wie Deutschland von der aktuellen Weltordnung profitiert. Denn Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt und trägt somit massiv zu einem Ungleichgewicht durch Waffengewalt auf unserem Planeten bei! Zum anderen sollte Deutschland vielmehr in der Weise Verantwortung auf dem internationalen Parkett übernehmen, dass es friedliche Konfliktlösungen mit aller Kraft anstrebt. Wir sollten uns bemühen, global die friedenspolitischen Prozesse in Form von Dialog und Völkerverständigung voranzutreiben. Anstatt dass wir uns an bewaffneten Konflikten beteiligen, Teil eines nuklearen Abwehrschirms sind und Waffen in Staaten exportieren, in denen massivste Menschenrechtsverletzungen begangen werden und in denen es keinerlei politische Stabilität gibt.

Wir exportieren Waffen und ihre Lizenzen in alle möglichen Länder der Welt, in Diktaturen, in Monarchien und in Krisen- und Konfliktgebiete. Diese Waffen werden unter anderem genutzt, um mit Gewalt, also unrechtmäßig und undemokratisch, Interessen durchzusetzen und Strukturen zu stärken, die den Menschen dort großes Leid und Schrecken bringen.

Wenn sich die Menschen in diesen Regionen dann dazu entscheiden, vor Gewalt und Konflikten zu fliehen, dann werden sie zu Flüchtlingen. Als drittgrößter Waffenexporteur ist Deutschland also maßgeblich an den Flüchtlingsströmen dieser Welt beteiligt und dafür mitverantwortlich. Wo bleibt aber hier die Verantwortung, wenn es darum geht, den Menschen, die vor den Waffen aus Europa und der von ihnen erzeugten Gewalt fliehen, hier ein sicheres zu Hause zu bieten und ihnen Asyl zu gewähren?

Ich erwarte mehr Verantwortung, wenn es darum geht, in internationalen Konflikten die Rolle des Vermittlers einzunehmen und sich für Frieden in Europa und der Welt einzusetzen und nicht für Krieg! Wir müssen uns endlich lösen von dem Blockdenken aus längst vergangenen Zeiten!

Wann fangen wir an, alle Seiten kritisch zu hinterfragen und mit Ost und West gleichsam in Dialog zu treten?

Die Sache selbst in die Hand nehmen

Es ist also offensichtlich, dass weder von den Banken, noch von staatlicher Seite initiale Veränderungen ausgehen. Das hat uns die anhaltende Finanzkrise gelehrt, und das zeigen uns Rüstungsausgaben und exporte, und die neuen Töne unserer Regierung in puncto Verantwortung.

Der Allianz-Global-Investors-Sprecher Stefan Lutz hat gesagt: "Solange von Seiten der Politik keine klare Gesetzgebung erfolgt, ist es nicht Aufgabe der Wirtschaft, gegen Firmen zu intervenieren, die an der Herstellung von Atomwaffen beteiligt sind."

Damit solche lahmen Ausreden nicht länger durchgehen, sollten wir unsere Verantwortung nicht weiter abgeben und darauf warten, dass etwas passiert - sondern selbst die Initiative ergreifen! Wenn wir tatsächlich etwas verändern wollen, dürfen wir weder den Banken und Konzernen noch der Regierung die moralischen Entscheidungen überlassen. Denn sie sind offenbar nicht in der Lage, sie richtig zu treffen. Daher müssen wir, die Zivilbevölkerung, diese Aufgabe selbst in die Hand nehmen und die nötigen Schritte gehen:

ICAN, die International Campaign to Abolish Nuclear Weapons, hat im März 2013 eine Konferenz in Oslo über die humanitären Folgen von Atomwaffen veranstaltet. 127 Staaten haben teilgenommen und das Fazit war: Die Auswirkungen eines Atomwaffeneinsatzes sind so unmenschlich und inakzeptabel, dass diese Waffen international geächtet werden müssen. Eine Folgekonferenz im Februar diesen Jahres in Mexiko, an der bereits 146 Regierungsvertreter teilgenommen haben, bestätigte diese Haltung und leitete einen Prozess ein, der nun nicht mehr aufgehalten werden kann: Die dritte Konferenz wird noch dieses Jahr in Wien stattfinden und dort werden konkrete Schritte zur Ächtung von Atomwaffen geplant. Ein Konventionsentwurf mit realistischen und durchführbaren Abrüstungsmechanismen wurde bereits als offizielles UN-Dokument veröffentlicht.

Einer weiterer Schritt wird sein, öffentlichen Druck zu erzeugen und so eine Ächtung von Atomwaffen herbeizuführen. Bei Streumunition und Landminen war dieser Prozess schon erfolgreich! Die Banken sind aus diesen Geschäften ausgestiegen, weil es ihrem Image schadet. Aus Angst, Kunden zu verlieren, haben einige bereits ihre Geschäfte mit der Nahrungsmittelspekulation beendet. Indem wir Banken und Regierungen klar machen, dass wir die grausamen Folgen eines Atomwaffeneinsatzes und die Kosten für Bau und Instandhaltung dieser Waffen nicht länger akzeptieren, können wir etwas bewegen. ICAN, atomwaffenfrei.jetzt, (wir) die IPPNW und andere Friedensorganisationen starten zu diesem Zweck gerade eine DivestmentKampagne, mit dem Ziel, die Investition in Atomwaffentechnologien gesetzlich zu verbieten. Das hat in der Schweiz schon geklappt.

Genau wie andere kontroverse Waffen darf auch die grausamste und zerstörerischste aller Waffen nicht mehr länger als eine ertragreiche Investition dienen. Der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu sagt: "Banken und andere Finanzinstitute sollten genötigt werden, das Richtige zu tun: Nämlich zu einem Kapitalabzug von der unmoralischen Atomwaffenindustrie beizutragen." Er berichtet, dass "Divestment" eine entscheidende Rolle gespielt hat, um die Apartheid in Südafrika zu beenden. Heutzutage könne und müsse die gleiche Taktik eingesetzt werden, um die schlimmste Erfindung des Menschen herauszufordern: die Atombombe.

Deswegen: Lasst mit eurem Geld nicht unwissend Dinge entstehen, die ihr unter keinen Umständen dulden würdet! Geht auf
http://www.bankwechseljetzt.de, und informiert euch.

Schreibt einen Brief an eure Bank, macht euren Unmut klar und wechselt die Bank.

Unterstützt ICAN und unsere Divestment Kampagne. Verbreitet das Wissen über die unschönen und rücksichtslosen Praktiken der Banken und Regierungen. "Ihr seid Multiplikatoren!" Wir müssen Freunde, Kinder, Eltern, Kollegen und die Menschen in unserem Umfeld über die Verhältnisse aufklären und ein Umdenken anregen, den Samen des Zweifels sähen und die gangbaren Alternativen verbreiten.

Wir müssen aus Minderheiten Mehrheiten bilden und die Verantwortung selbst in die Hand nehmen!



Frederik Holz ist Studierendensprecher der IPPNW.

E-Mail: holz (at) ippnw (Punkt) de

Website: www.ippnw.de
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