OM 2014

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22.04.2014


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Ostermärsche und -aktionen 2014

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Redebeitrag für den Ostermarsch 2014 in Saarbrücken am 19. April

Lasst Frieden wachsen!

Frank-Matthias Hofmann (in Saarbrücken)



- Es gilt das gesprochene Wort -



Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

wir beginnen wie jedes Jahr unseren diesjährigen Ostermarsch vor einer Kirche. Das hat gute Gründe: Der erste Ostermarsch der Geschichte war vor 2000 Jahren der Gang der Jünger von Jerusalem nach Emmaus. Zwei Jünger ziehen frustriert ihres Wegs nach der Kreuzigung des Friedensfürstes Jesu, dessen Tod wir gestern an Karfreitag gedacht haben. Dann gesellt sich ein Unbekannter zu ihnen. Die Ostermarschierer erkennen erst beim gemeinsamen Essen, als der Unbekannte das Brot bricht, dass es der auferstandene Jesus ist. Der, der gesagt hat: "Selig sind, die Frieden schaffen!" ist nicht tot, er lebt. Und mit ihm lebt die Hoffnung auf Frieden in dieser Welt. Das ist nicht irgendein Friede, sondern Frieden durch Gerechtigkeit: Jesus bricht das Brot. Wie er sollen auch wir heute teilen. Wir sollen, ja müssen an gerechten Lebensverhältnissen für alle Menschen interessiert sein. Nur so dienen wir dem Frieden und nicht dem Krieg. Nur so dienen wir dem Leben und nicht dem Tod.

Ostermarschierer sind Menschen, die an die Auferstehung mitten im Leben glauben. Ostermarschierer sind Protestleute gegen den Tod. Ostermarschierer setzen alles daran, dass dem Leben und dem Frieden eine Chance gegeben wird.

Und deshalb sind heute alle willkommen, die bedingungslos für den Frieden eintreten, egal wo sie politisch oder religiös stehen. Ein breites Bündnis für das Leben! Jede und jeder mit eigener Motivation, aber einig im dem Ziel, den Krieg als Mittel der Politik zu ächten.

Wir stehen hier im Jahre 2014, vor 100 Jahren Beginn des Ersten Weltkrieges, der Europa in ein Menschenschlachthaus verwandelt hat. Die Erde war blutdurchtränkt, auch hier in diesem Gebiet, dem heutigen Saarland. Der englische Historiker Christopher Clark hat nachgewiesen: Fast alle Staaten sind wie die "Schlafwandler" in diesen Krieg gezogen sind. Das Wort "Schlafwandler" beziehe ich darauf, dass sich viele Staaten überhaupt nicht bewusst gemacht haben, mit welchen Motiven sie den Frieden leichtfertig aufgegeben haben: Gegenseitiges Misstrauen, Feindbilder, nationalistische Überheblichkeit, Expansionspläne, nicht nur der Deutschen, bildeten das Pulverfass. Ein Funken hat genügt, um es zum Explodieren zu bringen.

Wir wissen es alle, oft ist Religion missbraucht worden: Die französischen Soldaten sind in den Krieg gezogen. Auf ihren Koppelschlössern stand "Dieu avec nous". Und auf der Gegenseite standen die deutschen Soldaten. auf deren Koppelschlössern stand dasselbe, nur auf Deutsch: "Gott mir uns!". Da war nichts von dem Friedensfürst zu spüren. Im Namen ein- und desselben Gottes hat man aufeinander eingeschlagen, einander getötet. Gottes Name wurde gelästert.

Deswegen spielt das Jahr 1914 eine wichtige Rolle beim diesjährigen Ostermarsch: Der Verlauf schon dieses Ersten Weltkrieges hätte uns lehren müssen, dass die Wege der Gewalt, der Rache, des Krieges in die Irre führen. Um wie viel mehr dann der Zweite Weltkrieg mit 50 Millionen Toten, darunter 6 Millionen Juden.

Manche sprechen vom Dreißigjährigen Krieg im 20.Jahrhundert, weil man beide Kriege 1914-18 und 1939-45 in engem Zusammenhang sehen muss. Die Zeit dazwischen war keine Friedenszeit, sondern "Zwischenkriegszeit", in der man wieder gegeneinander rüstete und auf Rache sann.

Diese bitteren Erfahrungen der Menschheit auf den Schlachtfeldern zeigen: Jeder angezettelte Krieg ist die Mutter neuer Kriege und gewalttätiger Auseinandersetzungen. So ist gerade kein Frieden zu erreichen.

Deswegen sind wir auch beisammen, weil es den nächsten Krieg, den nächsten Rachefeldzug zu verhindern gilt. Nie wieder Krieg!

Der Friede braucht Zeit, weil der Weg zur Versöhnung langsam ist. Die Langsamen haben die Freundschaft erfunden und die Liebe. Sie stehen damit für das Leben. Die Schnellen planen und führen die Kriege. Sie bringen den Tod und die Vernichtung; sie stehen auf der Seite des Todes.

Hektische Menschen, Politiker, die anderen ein Ultimatum stellen, sind für den Frieden unfähig. Es ist also eine Kehrtwendung zur Langsamkeit, zur Nachdenklichkeit nötig, wenn wir für den Frieden sind.

Ostermarschierer sind Liebhaber des Lebens. Sie stehen für Gerechtigkeit auf, sie gehen für die Versöhnung der Menschen, der Völker, Religionen und Rassen auf die Straße. Übrigens auch stellvertretend für die vielen, die heute nicht mitgehen, aber mit uns einig sind. Ja, ich gehe soweit und sage. Stellvertretend für unsere ganze Gesellschaft, die vom Grundgesetz her dem friedlichen Miteinander alle Völker verpflichtet ist!

Ostermarschierer sind Menschen, die an das Leben glauben. Sie treten dafür ein, dass dem Leben und dem Frieden eine Chance gegeben wird.

Lasst mich zwei Beispiele nennen:

Erstens: Wir haben uns in den vergangenen Jahren hier im Saarland darum bemüht, dem Frieden mehr Stellenwert an den öffentlichen Schulen einzuräumen. Schülerinnen und Schüler sollen sich ihr eigenes Urteil darüber bilden, wie Frieden am besten in Konflikten zu erreichen ist. Wer Verträge mit der Bundeswehr an Schulen abschließt, muss auch dafür eintreten, dass Menschen, die aus der Friedensbewegung, aus kirchlichen Friedensgruppen kommen, ihre anderen Wege zum Frieden darstellen können. Wer A sagt, muss auch B sagen! Ich bin froh, dass das uns am "Runden Tisch Friedenserziehung" hier im Saarland gelungen ist und wir erste zarte Pflänzchen der Friedenspädagogik in der saarländische Erde sprießen sehen. Ich wünsche mir: Mehr Friedenserziehung an unseren Schulen, in Jugendgruppen und auch in der Erwachsenenbildung. Lasst uns weiterhin dafür kämpfen, dass diese Pflanze groß und stark wird. Wir dienen damit dem Leben und nicht dem Tod! Nur wer noch daran glaubt, dass der Osterhase die Ostereier versteckt, glaubt auch, dass Kriege zum Frieden führen!

Zweitens: Auch in den zurückliegenden hundert Jahren gab und gibt es in Europa Kriege und weltweit zahllose weitere Kriege, die mit Kriegshetze, Lügen, medialer Desinformation und Manipulation der Bevölkerung, fingierten Kriegsanlässen begannen. Feindbilder wurden zuhauf konstruiert und dienten der Rechtfertigung von neuen Kriegen. Und Waffen aus Deutschland waren oftmals mit dabei. Deshalb fordere ich: Keine Lieferung von Kampfpanzern und anderen Waffen in Spannungsgebiete. Deutsche Waffen sind von diktatorischen Regimen gegen ihr eigenes Volk eingesetzt worden. Unser Hände in Unschuld waschen geht dann nicht mehr. Dass Deutschland immer noch einer der weltweit größten Waffenexporteure ist, ist ein Skandal. Abrüstung und nicht Aufrüstung ist das Gebot der Stunde. ENTrüstet euch!

Natürlich weiß auch ich, dass die Beschäftigten in der Rüstungsindustrie, auch hier im Saarland, berechtigterweise Interesse an sicheren Arbeitsplätzen haben. Aber durch Umstellung von Rüstungsproduktion auf zivile Produkte und Konversionsangebote, die programmatisch und finanziell gefördert wird, kann man diese Arbeitsplätze umwandeln und sich das Know how der Mitarbeitenden zunutze machen für sozial und gesellschaftlich wertvolle Güter anstatt von Waffen!

Die die im letzten Jahr aufgeflogene Kooperation mit Rüstungsunternehmen vonseiten staatlicher Hochschulen, etwa über Stiftungsprofessuren, zu beenden sind, sollte ebenfalls klar sein. Forschung und Lehre müssen unabhängig bleiben! Lasst uns forschen, um unheilbare Krankheiten wie Krebs zu besiegen. Lasst uns forschen, um dem Hunger in der Welt zu wehren und wie wir Wasser gerecht verteilen können! Lasst uns forschen, wie die Wende zu nachhaltigen Energieerzeugungsformen gelingt! Forschung und Lehre sollen dem Leben und nicht dem Töten dienen!

Der Einfluss der Rüstungslobby auf Regierungen und nur ihrem Gewissen verpflichteter Abgeordnete muss beendet werden. Eine breite gesellschaftliche Diskussion ist vonnöten. Lasst uns mithelfen, diese Diskussion zu führen.

Auch sollten wir endlich an den EU-Grenzen aufhören, auf militärische Art Flüchtlinge aus Afrika zu bekämpfen. Es war ein Skandal ersten Ranges, dass Eurosur und die Satellitenbeobachtung der Meere zunächst nur dazu dienen sollten, Flüchtling auf Booten zu orten, aufzubringen und zurückzuschicken, nicht aber vor dem Ertrinken zu retten. Erst nach großen Protesten, auch vonseiten der Kirchen, wurde das geändert. In was für einer verkehrten Welt leben wir denn eigentlich? Dienen wir dem Tod oder dem Leben? .Nicht Flüchtlinge sind zu bekämpfen, sondern Fluchtursachen! Eine andere Wirtschafts-, Handels -und Entwicklungspolitik muss die Grundlagen dafür schaffen, dass die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in den Länden der südlichen Welthalbkugel verbessert werden, Fluchtursachen wegfallen.

Vom deutschen Boden soll nie wieder Krieg ausgehen. So hat es nach 1945 geheißen. Wer an dieser Staaträson rüttelt, etwa indem er die Sicherung von Rohstoffquellen als politisches Ziel definiert und dies militärisch absichern will, verlässt den Boden des Grundgesetzes. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes wussten nach den leidvollen Erfahrungen zweier Weltkriege, warum sie dies so formuliert haben. Lasst uns da nicht gleichgültig werden. Wenn wir anfangen, die Bundeswehr in anderen Ländern intervenieren zu lassen, weil sie den Zugang zu Rohstoffen und Märkten für uns sichern wollen, dann gute Nacht! Und das unbemannte raketenbestückte Kampfdrohnen von deutschem Boden, nämlich Ramstein aus, gesteuert werden und Tod und Verderben tausende Kilometer von hier weg bringen, auch das lehnen wir ab.

Deshalb sage ich aus diesen und vielen anderen Gründen: Ostermarschierer sind Protestleute gegen den Tod. Ostermarschierer setzen alles daran, dass dem Leben und dem Frieden eine Chance gegeben wird. Lasst Frieden wachsen!

Danke für eure Aufmerksamkeit!





Frank-Matthias Hofmann ist evangelischer Theologe und lebt in Saarbrücken.
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