Redebeitrag von Horst Schmitthenner (IG Metall) für den Ostermarsch Rhein-Ruhr in Duisburg am 15. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 15.04., Redebeginn ca. 11 Uhr –

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Genossinnen und Genossen,
Freundinnen und Freunde,

Kriege und bewaffnete Konflikte wie in Syrien, in Kurdistan, im Irak, in Afghanistan oder der Ukraine scheinen kein Ende zu nehmen. 1,8 Billionen Euro werden jährlich für Rüstung und Krieg ausgegeben. Gleichzeitig steigen die Rüstungsexporte.

Über 65 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Die Grenzen Europas und Deutschlands sind wieder abgeschottet. Auf der Suche nach Sicherheit ertrinken tausende Menschen im Mittelmeer, das zur tödlichsten Grenze der Welt geworden ist.

Rassismus und offener Hass nehmen in vielen Ländern der Welt zu – auch in Deutschland. Die Wahrheit ist kein Kriterium mehr, alles wird behauptet und herbei gelogen, wenn es nur Ängste und Vorurteile schürt. Die herrschende Politik gibt diesen Stimmungen nach und befeuert sie noch. Inzwischen werden Geflüchtete sogar in Kriegsgebiete wie nach Afghanistan abgeschoben.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Genossinnen und Genossen,
Freundinnen und Freunde,

Wie der Bundesausschuß Friedensratschlag verurteile auch ich den Angriff der USA auf den syrischen Flugplatz (al Schairat). Er stellt einen Bruch des Völkerrechts dar und erhöht die Spannungen in Syrien und zwischen den USA und Russland. Die Begründung des US-Präsidenten Donald Trump ist bis heute nur eine Behauptung. Zudem zeigt seine Ankündigung, das Waffenarsenal ausbauen zu wollen, ebenso wie der Militärschlag gegen Syrien, dass er nicht auf Friedenspolitik sondern auf militärisches Handeln setzen mag.

Das zeigt auch, wie drängend notwendig ein Atomwaffenverbot ist. Offiziell setzt sich die Bundesregierung für eine atomwaffenfreie Welt ein, will sich aber nicht an den internationalen Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot beteiligen.

Das ist schizophren.

Denn ohne die Ächtung von Atomwaffen ist der Atomwaffensperrvertrag ein stumpfes Schwert. Das muss nun auch die Bundesregierung einsehen. Die Kritik der Bundesregierung, dass ein Vertrag wirkungslos bleibe, sofern die Atomwaffenstaaten nicht eingebunden sind, ist absurd, da die Ächtung der Atomwaffen ein unabdingbarer Schritt ist, die Abrüstung hin zu einer atomwaffenfreien Welt voranzubringen – auch, wenn nicht alle Staaten diesen Schritt von Anfang an mitgehen – wie dies bei den Verboten von Bio- und Chemiewaffen auch der Fall war.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Genossinnen und Genossen,
Freundinnen und Freunde,

Neben den kriegerischen Auseinandersetzungen und der zunehmenden Militarisierung der Politik hat gleichzeitig die soziale Spaltung dramatische Ausmaße erreicht. Gerade einmal 8 Männer haben mehr Vermögen als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung.

Diese Spaltung gibt es nicht nur im globalen Maßstab, sie durchzieht nahezu alle Gesellschaften, auch die deutsche.

Millionen Menschen müssen sich mit Niedriglöhnen durchschlagen, haben keinerlei Aussicht auf eine existenzsichernde Rente, müssen um die weinigen bezahlbaren Wohnungen konkurrieren. Anstatt dieses Problem anzugehen, werden immer mehr Mittel für Waffen und Militär ausgegeben.

Die Bundeswehr wird grundgesetzwidrig in immer mehr Staaten geschickt und bis 2030 sollen 130 Milliarden Euro zusätzlich für Rüstung ausgegeben werden. Gleichzeitig fehlen überall Gelder für Bildung, Soziales und ökologischen Umbau.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Genossinnen und Genossen,
Freundinnen und Freunde,

ja, wir können nicht nur über Krieg und Frieden in der Welt reden. Wir müssen auch über die Aggressionen, die aggressiven Auseinandersetzungen, bis hin zu Gewalttaten bei denen Menschen getötet werden, in unserer Gesellschaft reden.

Aus dem Stand kommt die AfD mit zweistelligen Prozenten in die Landtage. Eine Partei die offen sagt, sie will keine Flüchtlinge in Deutschland haben und fordert, auf Flüchtlinge an der Grenze zu schießen, um sie an der Einwanderung zu hindern.

Pfui Teufel, das hat uns gerade noch gefehlt.

Diese rassistische, nationalistische, antidemokratische, kurz faschistoide Partei ist überflüssig wie ein Kropf.

Aber wer den Wahlerfolg der AfD auf die Flüchtlingspolitik und ihre Verweigerung von Asyl beschränkt, der springt zu kurz. Ihre Wähler sind die ökonomisch Abgehängten.

Es sind die noch gut situierten Bürger, die Angst haben auch an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden.

Es sind also jene, die mitansehen müssen, das Politik ausschließlich für die Finanzmärkte und die Besserverdienenden gemacht wird.

Die erfahren müssen, das Politik und Politiker sich nicht um sie und auch nicht um die Angst der Bürger vor sozialem Abstieg kümmern.

Es ist also vor allem die dadurch geschaffene Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich, in Oben und Unten, die den Wahlerfolg der AfD ausmacht.

Wer den jetzt und in Zukunft bekämpfen will, muss nicht das Asylrecht zu Grunde richten, muss nicht die Flüchtlinge bekämpfen.

Er muss Sicherheit wieder herstellen und zwar soziale Sicherheit für alle.

Er muss den seit langem abgebauten, geschundenen

Sozialstaat wieder aufbauen und dadurch die Spaltung der Gesellschaft abbauen.

Er muss Arbeit, bezahlbare Wohnungen, Bildung und Ausbildung und soziale Sicherung für alle die das nicht oder nicht ausreichend haben schaffen.

Für Einheimische und für Flüchtlinge.

Lassen wir uns – Erwerbslose, abhängig Beschäftigte und Flüchtlinge – nicht gegeneinander ausspielen. Das nutzt nur denjenigen, die von den bestehenden Verhältnissen profitieren und es nutzt der AfD.

Schon bevor viele Flüchtlinge kamen fehlten massenhaft bezahlbare Wohnungen, Kitaplätze und gute Arbeitsplätze.

Diese Probleme sind hausgemacht. Wenn nun mehr Menschen eine Arbeit suchen und eine Wohnung brauchen, ja dann wird der Mangel noch größer.

Also: „Klotzen statt Kleckern !“

Geld ist genug da – es ist nur in den falschen Händen.

 

Aber liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Freundinnen und Freunde,

nicht nur unsere Gesellschaft ist weniger friedlich sondern rechtslastiger und aggressiver geworden. Die ganze Welt ist nicht friedlicher geworden in den letzten Jahrzehnten.

Im Gegenteil. Es gibt nur 200 Staaten auf der Welt, aber aktuell mehr als 400 zwischenstaatliche und innerstaatliche

Auseinandersetzungen und politische Konflikte. Viele davon werden, Gott sei Dank, gewaltfrei ausgetragen.

Viele aber gewalttätig, 46 hoch gewalttätig, darunter 21

breit angelegte und 25 regional begrenzte mörderische

Kriege. Eine Horrorvorstellung und für uns noch mehr Ansporn Kriege zu ächten.

Eine Möglichkeit Kriege zu verhindern ist auch unser Kampf für eine Beendigung der Rüstungsproduktion. Denn ohne Waffen und militärisches Gerät könnten die Kriege, die überall in der Welt geführt werden, nicht stattfinden.

Es ist ein Skandal das Deutschland, nach den USA und Russland, inzwischen der drittgrößte Waffenexporteur der Welt ist. Bei Panzerlieferungen nimmt Deutschland sogar den 2. Platz ein und bei U-Booten der 1.Platz. Besonders skandalös ist auch der Export von Kleinwaffen, durch die weltweit die meisten Menschen, vor allem auch bei nicht staatlich geführten Konflikten (Bürgerkriegen), ums Leben kommen.

Wir wollen, dass damit Schluss gemacht wird.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Genossinnen und Genossen,
Freundinnen und Freunde,

wir brauchen keine Drohnen, wir brauchen auch keine milliardenschwere Rüstungsgüter wie Eurofighter, Military-Airbusse, Atombomber, Raketenabwehrsysteme, Kampf- und Transporthubschrauber, Marschflugkörper, Schützenpanzer, Fregatten und Korvetten, U-Boote, Laser- und Streubomben.

Nein, das alles brauchen wir nicht.

Wir brauchen Abrüstung und Rüstungskonversion. Oft wird die Forderung nach Einstellung der Rüstungsexporte und der Rüstungsproduktion mit dem notwendigen Erhalt der Arbeitsplätze in diesem Bereich zurückgewiesen.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Genossinnen und Genossen,
Freundinnen und Freunde,

Ich frage, müssen wir wirklich auf Rüstungsproduktion setzen um Beschäftigung zu sichern? Die Fakten jedenfalls sprechen dagegen. Lediglich 80.000 Arbeitsplätze sind von der Rüstungsproduktion abhängig. Das ist schon angesichts der 3.4 Mio. Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie sehr überschaubar und zu bewältigen. Und angesichts der fast 45 Mio. Beschäftigten in der Gesamtwirtschaft ist leicht denkbar das qualifizierte Ersatzarbeitsplätze zu schaffen sind.

Und der Anteil der Rüstungsexport an allen Ausfuhren

liegt unter 1 %. Der Titel des Exportweltmeisters ließe sich auch locker

ohne Rüstung holen.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Genossinnen und Genossen,
Freundinnen und Freunde,

es stimmt, Wohlstand und Arbeitsplätze hängen in diesem Land nicht von der Rüstungsindustrie und nicht vom Export von Waffen ab. Was fehlt ist der entschiedene Wille der Politik, aber auch der Gewerkschaften, die Rüstungskonversion wirklich ernsthaft zu betreiben.

Wir werden dafür sorgen müssen, dass sich das ändert und der Wille, Rüstung und somit Kriege zu beenden sichtbar stark wird.

Vielen Dank.

 

Horst Schmitthenner ist ehemaliges geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall.