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Antikriegs-
tag 2001


vom:
02.09.2001


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Antikriegstag 2001:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Preisträgerrede zur Verleihung des Aachener Friedenspreises am 1. September 2001 in der Aula Carolina, Aachen

"Nie wieder darf sich dieses Greuel für die nächsten Generationen und in diesem neuen Jahrhundert wiederholen."

Kazuo Soda

Es gilt das gesprochene Wort

Ich fühle mich außerordentlich glücklich, mit meinen Freunden das großartige Ziel verfolgen zu können, jede Diskriminierung und Gewalt von dieser Erde zu verbannen. Ich fühle mich tief geehrt, dass meine bescheidenen Aktivitäten, die für mich als Atombombenopfer selbst-verständlich sind, als Graswurzelaktivitäten ihre Anerkennung in der Gesellschaft gefunden haben und fühle umso stärker die Verpflichtung als Überlebender der Atombombe.

Als ich die Nachricht, dass ich mit dem Aachener Friedenspreis geehrt würde, per Fax erhalten habe, konnte ich meinen Augen nicht trauen, so dass ich die Nachricht immer wieder lesen musste. Als ich begriff, dass diese Nachricht kein Traum ist, war mein erster Gedanke, "Habe ich ihn wirklich verdient?" Wenn diese Frage positiv beantwortet werden kann, dann ist dies nur das Resultat der selbstlosen und herzlichen Unterstützung der Friedensgruppe, der Initiative "Klagemauer" und ferner der Bürger in Deutschland, die meine Aktivitäten direkt oder indirekt unterstützt haben.

Meine Friedensaktivitäten im Ausland begannen 1985 in Wien. Im folgenden Jahr führte mich die Reise nach Minsk in der ehemaligen Sowjet Union zu einem internationalen Studenten Sommer Friedensseminar und dann 1988 habe ich an einer antinuklearen Kundgebung auf der Akropolis in Athen und an einer Konferenz der antinuklearen Autonomen als ein Vertreter der japanischen HIBAKUSHA-Organisation (Japan Confederation of A- and H-Bomb Sufferers
Organizations) teilgenommen. Kurz nach dem Tschernobyl-Unfall bin ich nach Minsk gekommen. Bei der Pressekonferenz dort habe ich schwerwiegende Schäden durch Atombomben beklagt, in der Hoffnung, die Menschen mögen das Grauen der Strahlungsschäden begreifen, aber über den Unfall wurde mit keinem Worte in der Presse berichtet. Keiner wollte darüber reden. Wenn eine Katastrophe passiert, und wenn diese durch menschliche Fehler verursacht wurde, versuchen Machthaber im allgemeinen die Wahrheit zu verschweigen. Als die Wahrheit über Atombombenschäden in Hiroshima und Nagasaki ersichtlich wurde, waren inzwischen 10 Jahre vergangen. Es ist nicht schwer vorstellbar, dass die amerikanische und die japanische Regierungen Nachrichtensperren verhängt hatten.

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Antikriegs-
tag 2001
Ich habe am 9. August an der internationalen Konferenz über das Verbot von A- und H-Bomben 2001 in Nagasaki teilgenommen. Ich war entsetzt, als ich den Bericht eines amerikanischen Vertreters hörte, dass man bei den Bewohnern aller 27 Bauernhäuser in Hanford im Staat Washington Krebs oder vererbte Krankheiten oder Funktionsstörungen der Schilddrüsen festgestellt hat. Die Strahlen kamen von einer in Windrichtung liegenden Einrichtung, die für die Nagasaki-Atombombe Plutonium aufbereitet hatte. Wie in Hiroshima und in Nagasaki wurden auch in Amerika, allerdings während des Herstellungsprozesses von Atombomben Menschen verstrahlt. Den Bewohnern wurde lange Zeit diese ungewöhnliche Situation nicht bewusst. Nur die Behörde war genaustens informiert und führte heimlich Untersuchungen durch. Wenn man das nicht als Experiment an Menschen bezeichnen will, wie soll man es sonst bezeichnen? Die amerikanische Regierung hat 1986 zum ersten Mal zugegeben, dass die Krankheiten durch die Radioaktivität von der Atombombenfabrik verursacht wurden.

Meine Eltern sind innerhalb von 6 Jahren nach der Bombardierung wegen ungeklärter Krankheiten nach und nach verstorben. Damals wusste noch keiner, dass die Ursache radioaktive Verstrahlung war. Mein älterer Bruder wurde 900 m entfernt vom Epizentrum verstrahlt und war nicht sofort tot aber er hat den Jahreswechsel nicht mehr erleben können. Meine Schwägerin hat damals als Krankenschwester an einer medizinischen Universität gearbeitet, die sich nur einige hundert Meter vom Epizentrum entfernt befand. Ihre Leiche wurde nicht gefunden. Sehr wahrscheinlich ist ihr Körper durch 2000 Grad heiße Hitzewellen verdampft. Die Wahrheit über die tatsächlichen Ereignisse durch die Atombombeneinwirkung wurde mit den Toten begraben.

Von den überlebenden Atombombenopfern sind weniger als 300.000 geblieben. Die meisten von ihnen leiden unter Strahlungsschäden oder leben in der Angst davor, dass Spätfolgen eines Tages ausbrechen. Das Durchschnittsalter von ihnen beträgt mittlerweile 70 Jahre. Wir berichten über unsere eigenen schrecklichen Erfahrungen, damit sich die unseligen Ereignisse in Hiroshima und Nagasaki nie wiederholen. Wir fordern von unserer Regierung, dass viele ausländische Atombombenopfer in Japan gleiche Hilfe erhalten wie die japanischen. Der japanische Staat hat mit dem Krieg angefangen und ebenso hat der Staat Bürger aus Nachbarländern verschleppt, um sie in Munitionsfabriken einzusetzen, in denen sie ebenfalls zu Opfern von Atombomben geworden sind. Dass sie keine Japaner sind, berechtigt den Staat nicht, sich vor der Verantwortung zu drücken. Wir Japaner müssen dem deutschen Beispiel folgen und dürfen nicht die Augen vor der Vergangenheit verschließen, sondern sie aufarbeiten und dann der Gegenwart ins Auge sehen und Zukunftsperspektiven darauf aufbauen.

Ich habe Ihr Land bisher 9 mal besucht. Als ich 1997 schwer erkrankt war, habe ich befürchtet, dass ich meine deutschen Freunde nie wieder sehen würde. Auf dem Krankenbett erreichte mich die Nachricht, dass die Kölner Mauer abgeräumt worden war, aber gleichzeitig erfuhr ich, dass unser fester Bund, der angesichts der Mauer geschlossen wurde, nicht erloschen sei, sondern im Gegenteil, dass Friedenskundgebungen am Hiroshima- und Nagasaki-Tag durch Atombombengegner weiterhin stattfanden. Als meine Krankheit etwas nachließ, konnte ich nicht länger warten und so bin ich in Begleitung eines Freundes im Jahr 1999 wieder nach Köln gekommen, um meine Freunde wiederzusehen und mit ihnen Friedensaktivitäten fortzusetzen. Jedes Jahr wenn der Sommer kommt, werde ich unruhig, weil ich mich an meine Freunde in Köln, die mich immer freundlich aufnehmen und mir Mut machen, erinnere. Die feste Verbindung zu meinen Freunden, die unauffiörlich für den Frieden kämpfen, treibt mich zu ihnen.

Ich habe mir darüber Gedanken gemacht, wie ich den Erwartungen meiner Freunde in Deutschland, die sich für unsere HIBAKUSHA- Bewegungen selbstlos einsetzen, entsprechen und wie ich meinen Beitrag für die Antiatomwaffen- Bewegungen in Deutschland leisten kann. So habe ich eine Aktion eingeleitet, Plakattafeln mit dem Thema "Atombombe und Mensch" nach Deutschland zu schicken. Diese Aktion wurde von ca. 200 Menschen, nicht nur von Atombombenopfern, unterstützt. Es ist unser Herzenswunsch, dass diese Tafeln möglichst vielen Menschen Anlass zum Nachdenken geben, was für einen unmenschlichen Schaden Atomwaffen anrichten können und dass der Einsatz der Atomwaffen ein unverzeihliches Verbrechen ist.

Wir dürfen Gewalttaten im 20. Jahrhundert, denen viele Menschen zum Opfer gefallen sind, im 21. Jahrhundert nicht wiederholen. Die Welt, die durch gewaltige zerstörerische Kräfte beherrscht wird, ist zwar eine "ruhige" Welt, aber keine Welt des Friedens. Ist es nicht der Friede, den wir uns wünschen, der auch der Minderheit, auch wenn sie nur aus einer Person besteht, das Recht sichert, ein glückliches Leben zu führen? Wenn die Welt durch Macht beherrscht wird, werden Wahrheit und Gerechtigkeit durch Politik verschleiert und den Menschen die positive Lebenseinstellung genommen.

Es gibt immer noch Länder auf dieser Erde, die Atomwaffen weiter entwickeln mit der Argumentation, Kriege zu vermeiden und den Frieden zu bewahren. Zu meinem größten Bedauern folgt unsere Staatsregierung dieser Argumentation, obwohl Japan als einziges Land der Welt unter Atombombeneinsatz gelitten hat. Man kann auch nicht darüber hinweg sehen, was gerade in Japan geschieht, das einen an die dunkle Zeit während des Kriegs erinnert. Es handelt sich um Geschichtsbücher für Schulen, die neu verfasst und durch unser Ministerium für Wissenschaft und Erziehung anerkannt wurden. In diesen Büchern wird der Eroberungskrieg gegen asiatische Länder verherrlicht und antinukleare Bewegungen in Frage gestellt. Wir sind in großer Sorge, dass unsere Geschichte verfälscht wird und unsere bitteren Erfahrungen mit Atomwaffen in Vergessenheit geraten.

Man muss sich des Risikos bewusst sein, dass es neue Atombombenopfer geben wird, solange es atomare Waffen gibt. Wir Atombombenopfer sind der Menschheit verpflichtet, als überlebende Zeitzeuge lebenslang die Warnglocke zu läuten.

Vor 56 Jahren haben nur zwei Atombomben eine Hölle auf Erden entstehen lassen: Menschen, die in einem Augenblick von dieser Erde verdampft wurden, von denen nur noch Schatten auf Mauern zu sehen waren. Leichen, die bis zur Unkenntlichkeit schwarz verkohlt waren. Auf dem Grund des Flusses übereinander liegende Leichen von Menschen, die durch heiße Strahlen verbrannt sind und im Fluss Zuflucht gesucht haben. Menschen, denen Haare ausgefallen sind und mit Purpura am ganzen Körper unter Qualen gestorben sind. Zweidrittel meiner Schulkameraden konnten nicht mehr zur Schule zurück. Ich bin zu Hause, 2.5 km entfernt vom Epizentrum, verstrahlt worden, habe jedoch den Abwurf zum Glück überlebt. Ich musste in meinem Zufluchtsort tatenlos zusehen, wie koreanische Zwangsarbeiter, die von der koreanischen Halbinsel verschleppt worden waren, mit letzter Kraft nach Wasser rufend, unter Todesqualen gestorben sind. Ich kann niemals diesen schrecklichen Anblick vergessen. Nie wieder darf sich dieses Greuel für die nächsten Generationen und in diesem neuen Jahrhundert wiederholen.

Uns Atombombenopfern bleibt nicht mehr viel Zeit. Wir möchten heute hier erklären, dass wir mit Ihnen gemeinsam gegen jegliche Gewalttaten, die die Menschenwürde verletzen, jegliche Diskriminierung und jegliche menschenverachtende Taten unaufhörlich kämpfen werden, auch wenn wir im Krankenbett liegen und auch wenn wir auf Krücken gehen müssten.

Die Friedensaktivisten auf der ganzen Welt haben den Einsatz von nuklearen Waffen im Korea-Krieg, im Vietnam-Krieg und auch im Golf-Krieg verhindern können. Dennoch sind im Golfkrieg und Kosovo-Konflikt uranhaltige Sprengköpfe zum Einsatz gekommen. Man hört, dass die Bürger und die Soldaten, die im Kriegseinsatz waren, unter Folgeschäden leiden. Nachrichten über Unfälle in Kernkraftwerken oder durch Atombombenversuche verstrahlte Menschen sprechen eine deutliche Sprache, dass wir selbst in Friedenszeiten solchen Gefahren ausgesetzt sind. Wir können unmöglich mit Atomwaffen koexistieren.

Allein ist man machtlos, um gegen das, was unser Leben bedroht und zerstört zu kämpfen, aber wenn aus einer Person zwei werden, oder zehn, oder hundert, oder tausend oder zehntausend, dann entsteht eine Macht. Dies ist nur durch Graswurzelbewegungen möglich. Wir von der Friedensbewegung werden stets ein Auge auf die Friedensgegner haben und sie auffordern, Konflikte nicht mit Waffengewalt, sondern durch zähe Verhandlungen zu lösen. Wollen wir nicht unsere einzigartige Erde gemeinsam schützen und Hand in Hand den Grundstein des Friedens für das 21. Jahrhundert legen?

Abschließend möchte ich gerne ein Gedicht des Dichters Sankichi Tohge, der auch eines der Atombombenopfer in Hiroshima ist, zitieren:

"Give back father, give back mother,
Give back grandpa, give back grandma,
Give back boys, give back girls,

Give me back myself, give me back men
Linked to me.

As long as men live as men,
Give back peace."



E-Mail:   friekoop@bonn.comlink.org
Internet: http://www.friedenskooperative.de
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