Logo Friedenskooperative


Erstellt:
02.07.1998


 siehe auch:

 Militär
 und Macht-
 politik

 Bundeswehr-
 Einsätze
 in aller
 Welt?

 Das
 Kommando
 Spezial-
 kräfte

 Neue NATO


zu: Bundeswehr-Einsätze in aller Welt?

Bundeswehr-Einsätze in aller Welt: für Rohstoffe, Kapital und Waren

Martin Singe

Sicherheitspolitik war schon immer eine Politik, die in erster Linie die Sicherheit der jeweils herrschenden Gruppen und ihrer Interessen im Auge hatte. Auch in der Zeit des Ost-West-Konfliktes ging es den Staaten nie zuerst um den Schutz von Bürgerinnen und Bürgern, sondern in erster Linie um die Absicherung bzw. Ausdehnung der weltweit erreichten Einflußsphären. Allerdings läßt sich diese Zielsetzung gegenwärtig nicht mehr hinter vorgegaukelten Verteidigungsszenarien verstecken. Dennoch ist es fast verwunderlich, wie unverhohlen die ökonomischen Hintergründe und Zielsetzungen der Sicherheitspolitik in den offiziellen Dokumenten und Strategiepapieren von Bundeswehr und NATO angesprochen werden.

Setzt man gar darauf, daß ein neuer verteidigungspolitischer Konsens auch in der Bevölkerung dahingehend erreicht werden kann, daß militärische Wohlstandssicherung als ein legitimes Ziel angesehen wird?

Drei Dokumente sollen hier kurz zusammenfassend beleuchtet werden, um die auf ökonomische Zielsetzungen gerichtete "Sicherheits-" und "Stabilitäts"-politik der westlichen Regierungen zu verdeutlichen. Es geht um das neue Strategische Konzept der NATO, das diese 1991 - ein halbes Jahr nach dem 2. Golfkrieg - in Rom verabschiedet hat (im folgenden zitiert als "NATO"), um die inzwischen recht bekannte Verteidigungspolitische Richtlinie (VPR) Rühes von 1992 und das Weißbuch von 1994. Liest man diese drei Dokumente im Kontext, dann wird deutlich, wie schnell sich das westliche Bündnis aus seiner kurzfristigen Orientierungslosigkeit und seinem Feind(bild)verlust erholt hat und nun sozusagen den G7-Ländern als Erfüllungsgehilfe für die Absicherung ihrer ökonomischen Weltherrschaftsposition zur Verfügung steht.

 zum Anfang


Bundeswehr-Einsätze in aller Welt?
Ausgangspunkt für die Sicherheitspolitik der BRD ist die nationale Interessenlage, die in erster Linie ökonomisch definiert wird. So heißt es in den Kapiteln 7 und 8 der VPR u.a.:

"7. Auf der Grundlage dieser Werte (GG, UN-Charta, d. V.) verfolgt Deutschland seine legitimen nationalen Interessen. ... Die nationale Interessenlage ist daher auch Ausgangspunkt der Sicherheitspolitik eines souveränen Staates.

8. ... dabei läßt sich die deutsche Politik von vitalen Sicherheitsinteressen leiten:

(1) Schutz Deutschlands und seiner Staatsbürger vor äußerer Gefahr und politischer Erpressung

(2) Vorbeugung, Eindämmung und Beendigung von Krisen und Konflikten, die Deutschlands Unversehrtheit und Stabilität beeinflussen können

(8) Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung." (Die "gerechte Weltwirtschaftsordnung" soll offensichtlich die Peinlichkeit der Zielsetzung abmildern - in der Erstfassung des Dokumentes fehlte dieses Anhängsel noch!)

Bereits im NATO-Papier von 1991 hieß es "(13) ... Sicherheitsinteressen des Bündnisses können von anderen Risiken berührt werden, einschließlich der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, der Unterbrechung der Zufuhr lebenswichtiger Ressourcen sowie von Terror- und Sabotageakten. ..."

Die zugleich wirtschafts- und militärmächtigen Staaten definieren also Sicherheitspolitik im konfrontativen Sinne. Eine kooperative Sicherheitspolitik ist auf einer solchen Denkgrundlage überhaupt nicht möglich. Die Weltwirtschaftstrukturen haben sich nicht etwa am Wohle der Menschheit oder an den Menschenrechten zu orientieren, sondern sie müssen die Interessenlage der bereits reichen Staaten bedienen. Alles, was die Interessendurchsetzung dieser Staaten behindert, gilt solcher Sicherheitspolitik als Risiko und Gefahr, für die künftig grundsätzlich auch militärische Antworten bereitgehalten werden müssen: "Im Gegensatz zur Hauptbedrohung der Vergangenheit sind die bleibenden Sicherheitsrisiken der Allianz ihrer Natur nach vielgestaltig und kommen aus vielen Richtungen ..." (NATO, 9.) - "In einer interdependenten Welt sind alle Staaten verwundbar, unterentwickelte Länder aufgrund ihrer Schwäche und hochentwickelte Industriestaaten aufgrund ihrer empfindlichen Strukturen. Jede Form internationaler Destabilisierung beeinträchtigt den sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt ... Kommt es zu solchen Fehlentwicklungen, werden zerstörerische Einflüsse auch in die hochentwickelten Gesellschaften getragen." (VPR, 23.) - "Deutschland ist aufgrund seiner Interessen, seiner internationalen Verflechtungen und Verpflichtungen vom gesamten Risikospektrum betroffen." (Weißbuch, 255)

 zum Anfang


Bundeswehr-Einsätze in aller Welt?
Die Folge dieser Krisen- und Risikenanalyse ist, daß Sicherheitspolitik natürlich nicht mehr als territoriale Verteidigungspolitik begriffen werden kann, sondern als Strategie zur weltweiten Bekämpfung eben solcher Risiken und Krisen, die die herrschende Wirtschaftsstabilität in Frage stellen könnten. So ist es nur logisch, daß es um weltweit ansetzende Militärpolitik gehen muß, also um die Planung von Militäreinsätzen "out-of-area", dort, wo die Krisen lauern und der Kern künftiger Auseinandersetzungen liegen wird: "Unter den neuen sicherheitspolitischen Verhältnissen läßt sich Sicherheitspolitik weder inhaltlich noch geographisch eingrenzen. ... Risikovorsorge muß folglich als erweiterte Schutzfunktion verstanden werden. Prioritäten der Sicherheitsvorsorge sind `von außen nach innen` zu definieren. Die Fähigkeit zur Verteidigung Deutschlands bleibt auch in diesem Sicherheitskonzept eine fundamentale Funktion der Streitkräfte. Zukünftig muß aber politisches und militärisches Krisen- und Konfliktmanagement im erweiterten geographischen Umfeld eindeutig im Vordergrund unserer Maßnahmen zur Sicherheitsvorsorge stehen." (VPR, 24., 25.)

Die Bundesrepublik koordiniert dabei ihre eigene Wirtschaftssicherheitspolitik und ihre eigene Interessendurchsetzung im Club der übrigen Reichen (EU / G7), jedoch kann es auch zu Situationen kommen, in denen nationale Sonderinteressen verfolgt werden müssen: "Trotz prinzipieller Übereinstimmung werden sich die deutschen Interessen nicht in jedem Einzelfall mit den Interessen der Verbündeten und anderer Partner dekken." (VPR, 7.)

Bei der Absicherung von Wirtschaftsmacht geht es immer zugleich auch um Absicherung von politischer Macht in globaler Hinsicht: Für Deutschland als "kontinentale Mittelmacht mit weltweiten Interessen" ist "Einflußnahme auf die internationalen Institutionen und Prozesse im Sinne unserer Interessen und gegründet auf unserer Wirtschaftskraft" (VPR, 8.3; 8.10) zentrales Ziel von Sicherheitspolitik im Zeitalter globaler Produktion und Märkte: "Wirtschaftliche Dynamik und technologische Innovation, der Wettbewerb um künftige Märkte und Ressourcen bestimmen den internationalen Einfluß eines Landes heute mehr als militärische Macht. Neue politisch-ökonomische Zentren formieren sich. Vor diesem Hintergrund kann sich kein Staat der wachsenden Dynamik und Interdependenz der Weltwirtschaft entziehen. Auch wirtschaftliche und soziale Krisen sowie Umweltkatastrophen können sicherheitspolitische Auswirkungen auf westliche Gesellschaften haben." (Weißbuch, 213)

Die Aufrechterhaltung von "Stabilität" dient der Absicherung des gegenwärtigen ökonomischen status quo: "`Stabilitätsorientierung` bedeutet, daß Sicherheitspolitik nicht mehr wie in der Vergangenheit in erster Linie an militärischen Potentialen und numerischer Parität orientiert ist, sondern künftig mehr an der Notwendigkeit, das internationale Beziehungssystem nach sozio-ökonomischen, rechtlichen sowie ordnungs- und strukturpolitischen Stabilitätsfaktoren zu gestalten ..." (VPR, 28.)

 zum Anfang


Bundeswehr-Einsätze in aller Welt?
Dieser Neuformulierung von Sicherheitsinteressen angesichts des nach Wegfall des Ost-West-Konfliktes eingetretenen neuen Globalisierungsschubes entspricht der in den Dokumenten beschriebene Funktionswandel des Militärs. Militäreinsatz, also Krieg, wird zu einer normalen Kategorie im Spektrum der Möglichkeiten von Krisenbewältigung: "Für einen Erfolg der Bündnispolitik ist ein von der politischen Führung des Bündnisses festzulegender kohärenter Ansatz erforderlich, wobei sie nach Bedarf die geeigneten Krisenbewältigungsmaßnahmen aus einer Palette politischer und sonstiger Optionen, darunter auch aus dem militärischen Bereich, auswählt und koordiniert." (NATO, 33) Dabei wird deutlich hervorgehoben, daß die militärische Option nicht mehr von einem vorher stattgefundenen oder unmittelbar bevorstehenden Angriff abhängig sein dürfe (was u.a. das Grundgesetz noch vorschreibt): "Streitkräfte sind prioritär auf die Wahrnehmung solcher Risiken zu optimieren, die einen hohen Intensitätsgrad aufweisen. Dies sind auf absehbare Zeit jene, die frühzeitiges Krisen- und Konfliktmanagement erfordern. Wesentliches Kennzeichen der dazu benötigten militärischen Kräfte sind rasche Verfügbarkeit sowie ein hohes Maß an Flexibilität und Mobilität. ... Strategisches Denken in Phasen ist ... überholt. Daher verbietet sich auch eine starre Zuordnung militärischer Fähigkeiten zu den Kategorien Frieden, Krise und Krieg." (VPR, 39., 49.)

Militäreinsätze sind in dieser Strategie nicht die vielbeschworene "ultima" ratio, sondern können genausogut die "prima" ratio sein: "...wird im internationalen Krisenmanagement künftig auch ein frühzeitiger Einsatz militärischer Mittel zur Wahrung und Wiederherstellung der internationalen Sicherheit und des Völkerrechts unter einem legitimierenden Mandat der VN oder der KSZE erwogen werden müssen." (VPR, 40.) Völkerrechtswidrig wird in diesem Militärkonzept zugleich die Rolle der Nuklearwaffen verewigt: "Einzig Nuklearwaffen machen die Risiken jeglicher Aggression unkalkulierbar und unannehmbar. Sie sind daher nach wie vor von entscheidender Bedeutung für die Wahrung des Friedens." (NATO, 39)



Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und Sekretär des "Komitees für Grundrechte und Demokratie" in Köln

E-Mail:   friekoop@bonn.comlink.org




Einige weitere Texte (per Zufallsauswahl) zum Thema

BW und "out-of-area":
Bundeswehr-Einsätze in aller Welt?
FF 3/98 - Schöner intervenieren
Das Kommando Spezialkräfte
FF2/98 - Vasallentreue im Bundestag

Bereich

 Themen 

Die anderen Bereiche dieser Website

              
 Netzwerk FriedensForum   Termine   Ex-Jugo-Hilfe  Aktuelles