Netzwerk Friedenskooperative


vom:
18.08.1997


 nächster
 Artikel

   siehe auch:

 FF3/97
 erster
 Artikel
 (Atomwaffen
 lager)

 Cassini -
 Dossier
 zu Stichwor
 ten


Cassini:

  Stellungnahmen/Aufrufe

Cassini-Start im Oktober?

Was Cassini und Huygens mit Plutonium im Weltraum und Sternenkriegen zu tun haben

Regina Hagen

Cassini gestern: Ein französischer Astronom italienischer Herkunft, der vier Saturnmonde sowie 1675 die nach ihm benannte Teilung des Saturnrings entdeckte. Cassini heute: Ein amerikanisches Satellitenprojekt der NASA zur Erforschung des Saturn, das am 6. Oktober 1997 (nach einer Verschiebung z.Zt. geplanter Starttermin: 13. Oktober 97!) von Cape Canaveral in Florida starten soll. Der Orbitersatellit soll vier Jahre lang Daten über den Saturn, den Saturnring und die Saturnmonde an die Erde funken. Als Trägerrakete für Cassini wurde die Titan-IV ausgesucht.

Huygens gestern: Ein niederländischer Astronom, der 1655 den Saturnmond Titan sowie 1656 den Saturnring und den Orionnebel entdeckte. Huygens heute: Ein Tochtersatellit von Cassini, der im Auftrag der ESA (European Space Agency) unter Beteiligung der Dornier Satellitensysteme GmbH entwickelt wurde. Diese Landesonde, die sich im Jahr 2004 über dem Saturnmond Titan aus dem Satelliten Cassini ausklinken und an Fallschirmen auf die Titanoberfläche heruntergleiten soll, kann etwa drei Stunden lang Daten über die Titanatmosphäre und -oberfläche an Cassini funken.

Das Plutonium ...
Für die Energieversorgung der Geräte, die für die Datenübertragung von Huygens zu Cassini und von dort weiter zur Erde zuständig sind - diese Geräte benötigen gerade mal 750 Watt, also weniger als ein handelsüblicher Haarfön -, hat die NASA drei Plutoniumgeneratoren (RTG, Radioisothope Thermoelectric Generator) mit insgesamt 32,8 kg Plutonium-238 vorgesehen. Die Trägerrakete Titan-IV der Cassini-Mission ist bei zwölf Starts bereits zwei Mal explodiert. Das ist eine Wahrscheinlichkeit von 1:6. (Die Umweltverträglichkeitsstudie der NASA, Final Environmental Impact Statement for the Cassini Mission, vom Juni 1995 geht von einer Fehlstartwahrscheinlichkeit von 1:1.000 aus).

  zum Anfang


Cassini - Inhalt
Kommt es beim Start zu einer Explosion, so könnte durch die Verbrennung des Treibstoffs der Trägerrakete das Plutonium-238 zu Staubpartikeln verdampfen und mit dem Wind weggetragen werden. Das könnte eine regionale Kontamination mit 32,8 kg Plutonium-238 bedeuten. Nach Aussagen von Dr. Helen Caldicott, USA, von den Physicians for Social Responsibility kann bereits ein Millionstel Gramm Lungenkrebs auslösen.

Falls der Start der Trägerrakete erfolgreich ist, soll das komplette System nach zwei Venusumrundungen 1999 in einer dichten Schleife nur 500 km über der Erdoberfläche noch einmal an der Erde vorbeirasen - mit 68.000 Stundenkilometern! So soll die Mission genug Schwung für ihren Flug zum Saturn erhalten. Ein winziger Fehler bei einer Zündung des Lenksystems könnte zum Wiedereintritt in die Erdatmosphäre führen. Bei 68.000 km pro Stunde verhindert kein Hitzeschild das Verglühen der Sonde in der Atmosphäre. Wie ein Komet würde Cassini über der Erde verglühen - und 32,8 kg Plutonium-238 würden im Lauf der folgenden Jahrzehnte auf die Erde herunterregnen.

Die oben erwähnte NASA-Umweltverträglichkeitsstudie rechnet für diesen Fall damit, daß bis zu 5 Milliarden Menschen von dem radioaktiven Fallout betroffen sein könnten. Das sei aber nicht so schlimm, weil selbst in diesem Fall nur mit 1.900 bis 3.500 zusätzlichen Krebstoten zu rechnen sei. (Die Berechnungsmethoden sind in etwa dieselben, die als Langzeitfolge des Unfalls von Tschernobyl auf 6.000 Tote kommen).

... und die Alternative
Zu diesem Szenario gibt es mehrere Alternativen. Wenn die NASA sich unnachgiebig zeigt und auf die Nutzung der Plutoniumgeneratoren besteht, gibt es im Jahr 2001 zumindest eine Startmöglichkeit für Cassini, bei der ein erneuter Vorbeiflug an der Erde überflüssig ist. Zwar ist die wissenschaftliche Ausbeute in diesem Fall nicht ganz so groß. Aber die Gefahr eines "unbeabsichtigten Wiedereintritts in die Erdatmosphäre" wäre gebannt.

Die bessere und anzustrebende Alternative ist die Nutzung von Sonnenenergie. Nach Aussagen von Gerhard Strobl, Projektleiter bei der Firma ASE in Heilbronn, auf einem Symposium zur Ambivalenz der Weltraumtechnik, das im März 1997 in Darmstadt stattfand, ist die Weiterentwicklung bisheriger Solarzellen für noch tiefere Weltraummissionen möglich. ASE ist von der ESA mit der Entwicklung von Solarzellen für die Rosetta-Mission 2003 beauftragt.

Die Kosten für die Entwicklung und Durchführung der Cassini-Mission belaufen sich insgesamt auf $ 3,4 Mrd. Das Entwicklungsbudget von ASE für die Solarzellen, die die Firma für die ESA entwickelt, betrug bisher gerade mal DM 1 Mio. Interessant ist übrigens die Begründung, mit der die ESA Projekte zur Nutzung von Sonnenenergie fördert: weil die RTG-Technologie in Europa nicht verfügbar sei.

  zum Anfang


Cassini - Inhalt
Alternative Techniken zur Energieversorgung der Bordsysteme von tiefen Weltraummissionen stehen also durchaus zur Verfügung.

Der Zusammenhang mit dem Sternenkrieg
Entgegen der allgemeinen Überzeugung ist die von Reagan gestartete Strategic Defense Initiative (SDI) - allgemein mit dem Namen Star Wars oder Sternenkrieg belegt - nicht vom Tisch. Unter dem neuen Namen Ballistic Missile Defense (BMD) feiert sie im Gegenteil ein Comeback, das unter Clinton niemand erwartet hätte. Im kommenden Haushaltsjahr werden für das BMD-Programm $ 4 Mrd. eingeplant. Das Pentagon bezieht in seiner Planung den Weltraum als Kriegsschauplatz ein.

General Joseph W. Ashy, Oberbefehlshaber des U.S. Space Command, erzählte vor kurzem in der Zeitschrift Aviation Week & Space Technology, wie die US-Luftwaffe "in das All expandieren" will. "Eines Tages werden wir Ziele auf der Erde - Schiffe, Flugzeuge, Ziele auf dem Land - aus dem All angreifen. Wir werden Ziele im All angreifen, aus dem All. ... Das ist politisch ein heißes Thema, aber so wird es sein. Manche Menschen wollen das nicht hören, und es ist sicherlich nicht populär... aber - so oder so - wir werden im All kämpfen. Wir werden vom All kämpfen, und wir werden den Kampf in das All hinein tragen." Die für diesen Kampf benötigten Waffen - beispielsweise Laserwaffen, Teilchenstrahlwaffen oder Hochgeschwindigkeitskanonen - benötigen enorme Energiequellen. Aus der Sicht der Militärs wird die Energie am besten von Atomreaktoren geliefert, die sich auf Gefechtsstationen im Weltraum befinden.

Die Clinton-Regierung setzt ganz offen auf Kernenergie im All. In einer Grundsatzerklärung von 1993 erklärt die US-Regierung, daß "Kernenergie und Nuklearantriebe in der Weltraumfahrt zur wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und nationalen Sicherheit von Weltraummissionen beitragen können". Im September 1996 veranlaßte sie dann ein Entwicklungsprogramm für militärisch und zivil genutzte Raketen mit Nuklearantrieb. Die Defense Special Weapons Agency soll "an mehreren nuklearen Antriebskonzepten" arbeiten, wie in einem Artikel auf der Titelseite der Zeitschrift Space News zu lesen war.

Protestaktionen auch in Deutschland angelaufen
In den Vereinigten Staaten gibt es schon seit einigen Jahren Proteste gegen Weltraummissionen, bei denen für die Energieerzeugung auf Atomenergie gesetzt wird. Auch die Sternenkriegspläne blieben der amerikanischen Friedensbewegung nicht verborgen. Unter Koordination des Global Network Against Weapons and Nuclear Power in Space befassen sich mehrere Friedensgruppen in den USA mit dem Thema. Seit einigen Jahren laufen Unterschriftssammlungen, Faxaktionen, Demonstrationen, Blockaden und andere Proteste. Allerdings ist das Thema bei den Medien nicht beliebt. Im April 1997 erhielt der New Yorker Journalistikprofessor Karl Grossman, der sich seit Jahren mit diesem Themenbereich befaßt, von der Sonoma State University einen Preis für das am wenigsten beachtete und am besten zensierte Thema 1996. Hier in Deutschland haben sich bislang nur wenige Gruppen für diesen Bereich interessiert.

  zum Anfang


Cassini - Inhalt
Wenn mir als Autorin diese eine Bemerkung erlaubt ist: Angesichts des Alters des Weltalls, unserer Sorgfaltspflicht für die Erhaltung einer intakten Umwelt auch im Weltraum und der Gefährlichkeit dieser Mission kann ich nicht einsehen, warum die wissenschaftliche Erforschung des Saturn nicht noch einige Jahre oder Jahrzehnte Zeit hat, bis ungefährliche Energieversorgungsmöglichkeiten für solche Weltraummissionen entwickelt sind.

Unter Koordination des Global Network Against Weapons & Nuclear Power in Space führt die Friedens- und Begegnungsstätte Mutlangen zusammen mit dem Darmstädter Friedensforum eine breitangelegte Protestaktion gegen Cassini in Deutschland durch. Weitere Informationen über Plutonium im Weltraum, Sternenkriege, Cassini und die Protestaktion erhalten Sie in Mutlangen (Tel.: 07171/75661, Fax: 07171/795384)
Regina Hagen ist technische Übersetzerin und aktiv im Darmstädter Friedensforum. Der Artikel ist entnommen dem 3397FriedensForum 3/97.

E-Mail:  regina.hagen@jugendstil.da.shuttle.de
 zum Anfang

 nächster
  Artikel

       
Einige weitere Texte (per Zufallsauswahl) zum Thema

Cassini:
FF 6/97 - Nach dem Cassini-Start
Cassini - Gespräch mit ESOC
Cassini - die Kaku-Studie
Radiosendung "Ambivalenz der Weltraumtechnik"
Cassini - Interview

Bereich

 Themen 

Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
         
Netzwerk   F-Forum  Termine  Jugo-Hilfe Aktuell