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vom:
01.07.2002


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Die Gewaltspirale durchbrechen - Aktuelles

 Stellungnahmen / Aufrufe

Strategiekonferenz der Friedensbewegung: Podium Bielefeld 29.6.2002: "Stärke aus der Vielfalt?!"

Reinhard J. Voß, Eingangsthesen

1.

In knapp 4 Jahren Rot-Grün ist offensichtlich geworden, dass die in den 80er/90er Jahren erarbeiteten Positionen der Gewaltfreiheit, der zivilen Konfliktbearbeitung und einer glaubwürdigen Menschenrechtspolitik nicht einfach und allein durch Beteiligung an der Macht gelöst werden können; schlimmer noch: der Abbau von Militär und Rüstungsexporten, der Aufbau eines groß angelegten Zivilen Friedensdienstes, die Zivilisierung von Außenpolitik und die Sicherung der Bürgerrechte wurden unter dieser Regierung gerade mit Menschenrechts- und Verantwortungsargumenten stärker verhindert als es einer den breiten Protesten der politischen Linken im Lande ausgesetzte konservative Regierung je hätte tun können.

Die Einsetzung von Menschenrechtsausschuss und Menschenrechts-Beauftragtem, die bescheidene Förderung des ZFD in der politisch eingehegten Entwicklungshilfe, die Fach-Kurse des AA für zivile Begleiter von UNO- und OSZE-Missionen, die neuen Abteilungen wie FRIENT (FriedensEntwicklung) im BMZ und zif (Zentrum für internationale Friedenseinsätze) im Auswärtigem Amt das bis zu 3000 zivile Fachkräfte für internationale Missionen (UN, OSZE, EU) zur Friedenssicherung bereitstellen wird und auch die Bereitstellung von Material und Fachpersonal für UNO-Einsätze im Verteidigungsministerium sind Ansätze, die wir als erste Erfolge des Basisdrucks sehen können, aber deren konsequenten Ausbau wir fordern müssen. Diese Forderungen müssen einher gehen mit Ansprüchen an den konsequenten Abbau der Bundeswehr.

2.

Die neuen sozialen Bewegungen sind seit 1998 zeitweise - für mindestens zwei Jahre - in eine Art Schockstarre verfallen, was die Durchsetzung von Krieg als Mittel der deutschen und europäischen Außenpolitik im Falle Jugoslawien und Afghanistan ohne größere Proteste ermöglichte.

Erst dadurch wurde klar, dass es einer neuen prinzipiell außerparlamentarischen Bewegung bedarf, die - durchaus in personellem Kontakt mit RegierungsvertreterInnen und durch Lobbyarbeit wie durch öffentliche Protest - die Anliegen von Gerechtigkeit, Ökologie, Menschenrechten und Frieden in Zeiten der Globalisierung von unten politisch neu und wirksam einklagt sowie deren anfanghafte politische Umsetzung unterstützt und absichert. Die unglaublich breite Beitrittswelle zu ATTAC im letzten Jahr belegt dies, überfordert aber gleichzeitig deren Ansatz und Kapazitäten.

3.

Die Terroranschläge des 11. September und die kriegerischen Reaktionen darauf haben ein neue Paradigma in die Weltpolitik eingeführt, dass den Abbau demokratischer Bürgerrechte vorantreibt, die militärischer Unterdrückung von Minderheiten und Randvölkern in Staaten/-bünden neu legitimiert - von Rußland und China über Israel bis zu Kolumbien - und den USA die Begründung liefert, sich aus nahezu allen wichtigen internationalen Verpflichtungen "unilateral" zurück zu ziehen, bzw. die Bündnisse je nach eigenem Interesse zu suchen.

Deshalb ist ein parteien-unabhängiges inhaltiches und strategisches Bündnis - eine breite "Friedensallianz" - in Deutschland und Europa nötig. Es geht dabei weder um den Aufbau oder die Stärkung einer Partei - auch nicht der PDS, der ich im Falle der Machtteilhabe den gleichen Weg wie den Grünen zutraue -, noch um die Zentralisierung der Friedens- oder sozialen Bewegung. In der Breite und Vielfalt liegt ihre Kraft und wirksame Stärke. Insofern bejahe ich die Frage dieses Podiums uneingeschränkt.

4.

Nach den Erfahrungen der Demonstrationen in Berlin im Oktober 2001 und Mai 2002 hat sich gezeigt, dass die Vorbereitungsprozesse öffentlicher breiter Bündnisse, Erklärungen und Demonstrationen transparenter und partizipativer werden müssen. Wir haben - aus meiner Sicht folgende - traditionelle Kraftzentren der Friedensbewegung: die Berliner "Friedenskkoordination/Friko" (einschl. des Dt. Friedensrats), den Kasseler Friedensratschlag, das Bonner Netzwerk Friedenskooperative, die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung und das Forum Ziviler Friedensdienst (einschl. BSV), die ökumenische Friedensbewegung (einschl. AGDF und pax christi) sowie radikaldemokratische u/o ökologische Bewegungen wie IPPNW, Komitee für Grundrechte u.v.a. Hinzu kommt seit einem Jahr ATTAC. Auch gibt es eine bleibende und wieder wachsende Basisgruppen- bewegung, gerade auch im kirchlichen Spektrum.

Ich sehe eine wachsende lokale politische Dynamik kommen, die eine neue Radikalität der jungen Generation ankündigt (gerade zu Weltwirtschafts-, d.h. Gerechtigkeitsthemen und zur Kriegsdienstverweigerung, d.h. Militärkritik). Diese Breite wurde in keiner Weise in der Vorbereitung der Demos genutzt bzw. berücksichtigt - weder in inhaltlich-thematischer noch in strategischer Hinsicht. Sie artikulierte sich allerdings bei den Demos in Berlin und anderswo selbst, aber eben nicht allein in "einer bundesweiten" Demo am Pfingstdienstag!

Hier exakt ist aktueller Beratungs- und Entscheidungsbedarf für ein neues nicht-zentralistisches, aber gut abgestimmtes Friedenspolitisches Netzwerk. Wir sollten uns einerseits mit den Strukturen befassen, die ATTAC kürzlich in Frankfurt/Main als Ausgleich zwischen Basis- und Koordinationsbedürfnissen gefunden zu haben scheint, andererseits die Lobbymöglichkeiten nutzen und ausbauen, die wir im letzten Jahrzehnt ermöglicht haben (Forum ZFD, Plattform ZKB u.a.).

Pax christ hat dabei inhaltlich besonders einzubringen:



Versöhnungs- und interreligiöse Arbeit in Basisinitiativen und kirchlichen Strukturen vor, in und nach Konflikten, besonders auf dem Balkan und in Nahost



Ausbau von vielfältigen Friedensdiensten (einschl. eines FD-Gesetzes), besonders auch des Zivilen Friedensdienstes nicht nur als Abteilung von Entwicklungs-, sondern als Alternative zu Militärpolitik ("Verteidigungspolitik" ist eh ein Anachronismus geworden!)



Einen friedensethischen Diskurs für einen "Gerechten Frieden" im Sinne der Stärkung gewaltfreier Begründungen, Visionen und Strategien von Gerechtigkeits- und Friedensarbeit sowie der Bewahrung der Schöpfung



Kritik der Militarisierung der Außenpolitik und Forderungen nach einem zivilen Gesamt-Europa als Gegengewicht zu den USA - zur Förderung gewaltfreier Interventionen im Namen und Rahmen des Völkerrechts und der UNO


Reinhard Voß, Wethen/Bad Vilbel, 28.6.02neralsekretär ist der deutschen Sektion von pax christi, Postfach 1345, 62203 Bad Vilbel



G


E-Mail: r.voss@paxchristi.de

Website: www.paxchristi.de
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