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vom:
08.07.1998


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Rüstungsexport:

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Andrea Kollig

Erfolg für die Rüstungsindustrie: Die FAZ vom 10.7.96 gibt unter Bezug auf den Bund Deutscher Industrie (BDI) bekannt, daß Rüstungsexporte zukünftig erleichert werden. Bereits am 23. April hat der Bundessicherheitsrat als oberstes Entscheidungsgremium für Rüstungsexporte, beschlossen, daß die Entscheidung über den Export künftig bei der Regierung des Landes liegt, in dem der Hauptauftragnehmer des Rüstungsgeschäftes sitzt. Bisher war eine Einigung mit den Partnerländern notwendig. Der BDI spricht von einem "Schritt in die richtige Richtung". Eine der letzen Hemmschwellen ist abgebaut. Wo bleibt die vielbeschworene Restriktivität deutscher Rüstungsexportrichtlinien? Dieser Schritt bedeutet konkret, daß Waffen mit deutschen Teilen fast überallhin geliefert werden können. Bisher durften deutsche Zulieferungen nur erfolgen, wenn das Importland auf einer Liste festgelegt hatte, wohin die Waffen nicht exportiert werden. Eine politische Entscheidung findet hier nicht mehr statt. Die Verantwortung wird abgegeben. Entscheidend neu ist, daß das Wirtschafts-, das Verteidigungsministerium und das Auswärtige Amt eine sog. Genehmigungsvermutung nach den neuen Rahmenbedingungen einvernehmlich untersagen müssen. Das Veto eines Ministeriums ist passé. Restriktivität steht jedoch weiterhin auf der deutschen Fahne, denn Fahnen sind groß, da passt viel drauf.


Mitte Juni 96 gab das renommierte Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI seine ersten Statistiken der Waffenexporte für das vergangene Jahr bekannt. Deutschland ist nicht mehr auf Platz zwei der Waffenexporteure, sondern nur noch auf Platz drei. Abzuwarten bleibt, wo Deutschland nach dem UN-Register stehen wird. Nach diesem Register lag die BRD 1994 ebenfalls auf Platz zwei. Spitzenreiter ist und bleibt die USA!

Deutschland zählt weiterhin dauerhaft zu den führenden Nationen im internationalen Waffengeschäft.

Dabei zählt SIPRI nur die Großwaffen: Panzer, Schiffe, Flugzeuge etc.. Der gesamte Bereich der Kleinwaffen, wie bestimmte Minen oder der Lizenz- und Exportschlager von Heckler und Koch, das G-3-Gewehr, werden bei SIPRI nicht gezählt. Und auch der Bereich der Rüstungselektronik taucht in den Statistiken von SIPRI und im UN-Waffenregister nicht auf.

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Die Grundlage des deutschen Rüstungsexports sind die Richtlinien aus dem Jahr 1982. Für den Export außerhalb der NATO heißt es dort schwammig: Der Export von Kriegswaffen werde nicht genehmigt, es sei denn, daß "...vitale Interessen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bündnispartner für eine ausnahmsweise Genehmigung sprechen".

Eindeutig hingegen ist das Grundgesetz, wo es in Artikel 26 heißt: "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen."

Als offizielle Linie für den deutschen Rüstungsexport propagiert man eine restriktive Handhabung. Doch wenn die Rüstungsexportpraxis tatsächlich restriktiv gehandhabt würde, wäre es kaum möglich, daß Deutschland nach den SIPRI-Zahlen aktuell auf Platz drei und nach dem UN-Waffenregister auf Platz zwei der Waffenexporteure liegt.

Die NVA hinterließ 2400 Kampfpanzer und über 7500 andere Panzerfahrzeuge, mehr als 5000 Artilleriegeschütze, 440 Kampfflugzeuge, 5500 Raketen, 190 Kampfschiffe, 51.000 Kraftfahrzeuge aller Art, 1,2 Mill. Handfeuerwaffen und 300.000 Tonnen Munition. Der anfänglich geäußerte Plan, die Waffen zu verschrotten, wurde teilweise fallengelassen, denn man witterte bessere Möglichkeiten. "Schrottig" waren die Waffen des ehemaligen NATO-Feindes keineswegs, rechtfertigten sie doch die jahrelange Hochrüstung des Westens. Man entschied sich für einen beispiellosen Ausverkauf und es ist abzusehen, daß die dann folgende massenhafte Verschleuderung dieser Waffen eine nachhaltige und verheerende Wirkung auf die allgemeine Haltung in Bezug auf Rüstungsexporte hat.

Die Tatsache, daß - wie auf einem Basar - eine Unmenge von Waffen billig bis umsonst abgegeben wurde, hat die Zurückhaltung bei Waffenkäufen vollends untergraben und für die deutsche Rüstungsindustrie Zeichen gesetzt.

Nach dem 2.Golfkrieg, in den Jahren 1991-1993, hielt man sich noch etwas bedeckter! Die internationalen Inspektoren stellten bekanntlich eine Fülle von bundesdeutschen Zulieferungen für Saddam Husseins Aufrüstungsprogramm fest. Die deutschen Giftgaskomponentenlieferungen an den Irak sind hinlänglich bekannt. Damals begann eine Debatte um die Verschärfung der Exportlieferungen und Intensivierung der Kontrollen. Wie scheinheilig, daraufhin einen solchen Waffenbasar zu veranstalten!

Der größte Nutznießer war zweifellos die Türkei. Die Türkei unterhält nach der Zahl der Soldaten mit 500.000 Mann die zweitgrößte NATO-Armee nach den USA. Doch die Bundesrepublik Deutschland bediente sie aus Beständen der NVA, als müßte sie eine völlig neue Armee aufbauen.

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Z.B. 5.000 Maschinengewehre mit mehreren hundert Millionen Schuß Munition, dazu 5.000 Panzerfäuste RPG 7 mit 250.000 Granaten ...und und und

Oder: Ein Geschenk von mehr als 250.000 Kalaschnikows.

Zur Rechtfertigung der Exportgenehmigung hieß es, die türkischen Streitkräfte nutzen die Gewehre vom Typ Kalaschnikow selbst. Indes, die türkische Armee ist komplett mit dem deutschen G3-Gewehr ausgestattet und fertigt diese nach einer Lizenz des deutschen Herstellers Heckler und Koch selbst. Wozu dann einen zweiten Gewehrtyp? Keine Armee der Welt führt ohne Not einen zweiten Gewehrtyp ein. Das bringt nur unnötige Probleme im Hinblick auf die Logistik, Munition, Ausbildung etc. Ein Teil der Gewehre wurde für die Bewaffnung der "Dorfschützer" im kurdischen Kriegsgebiet eingesetzt, ein anderer Teil ist auf der muslimischen Seite unter Bruch des UN-Embargos in Bosnien zum Einsatz gekommen.

Griechenland beklagte sich über die Aufrüstung des lokalen Rivalen Türkei. Doch statt die Lieferungen an die Türkei zu begrenzen, lieferte die Bundesregierung auch an Griechenland: 200 Schützenpanzer, 9 Millionen Schuß Munition, eine Batterie Fla-Raketen und 1.000 Kraftfahrzeuge, getreu dem Motto: es ist genug für alle da.

Die NVA-Waffen katapulierten Deutschland in der SIPRI-Statistik nach vorne, weil SIPRI bei dem NVA-Material 40% des Neupreises rechnet. Die erklärte deutsche Restriktivität jedoch gibt es, auch ohne das NVA-Gerät, nur auf dem Papier. Denn genehmigt wird fast alles. Der Bundessicherheitsrat ist das oberste Entscheidungsgremium für Rüstungsexporte. Er entscheidet nach dem Konsensprinzip und unterliegt keiner parlamentarischen Kontrolle. Die fünf Mitglieder (Wirtschafts-, Finanz-, Verteidigungs-, Innen-, und Außenminister) dieses Ausschusses setzen sich bei brisanten, strittigen Anträgen zusammen. Vorsitzender ist der Kanzler. Bei einem Nein des Auswärtigen Amtes aufgrund außenpolitischer Bedenken kann das Geschäft nicht laufen.

Im Februar diesen Jahres propagierte Bundesaußenminister Klaus Kinkel vor Vertretern des "Arbeitskreises Wehrtechnik der Industrie in Schleswig-Holstein" annähernd ungehinderten Rüstungsexport. Ein Signal: "In der Relation ist das minimal, was nicht laufen kann." sagte er. "Es gibt ein paar Grenzen," erklärte Kinkel (Bonner Generalanzeiger vom 13.2.96) und nannte als Beispiel den geplanten Verkauf von U-Booten an Taiwan.

Die U-Boote nach Taiwan wurden vom Bundessicherheitsrat nicht genehmigt. Zum Veto gegen das Rüstungsgeschäft kam es aufgrund chinesischer Einwände. Es ist kein Geheimnis, daß gute Beziehungen zur VR China für Deutschland sehr wichtig sind. China hat im UNO-Sicherheitsrat ein Veto-Recht bezüglich der Aufnahme neuer Mitglieder und der Bundesregierung ist sehr an einer Mitgliedschaft gelegen. Somit verweigerte der Bundessicherheitsrat bereits 1992 die U-Boot-Lieferung nach Taiwan. Sehr zum Ärger der deutschen Rüstungsindustrie, die diesen Beschluß nicht akzeptiert und seitdem penetrant Vorstöße unternimmt, den Beschluß umzustoßen, um doch noch liefern zu können. Unterstützt von hochrangigen und einflußreichen Politikern, wie dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Schröder und seinem ehemaligen Bremer Amtskollegen Klaus Wedemeier, die aus ihrer Haltung "Pro-Marinerüstungsexport" keinen Hehl machen.

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Offiziell schreibt man sich jedoch weiterhin die restriktive Linie auf die Fahnen. So erklärt das Auswärtige Amt, nach den zitierten Pressemeldungen und den damit einhergehenden Irritationen, auf meine Anfrage zur aktuellen außenpolitischen Position der Bundesregierung in Fragen des Rüstungsexportes, daß "Herr Kinkel weiterhin die bewährte restriktive Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung vertritt". Und "die Kontrolle der Ausfuhr sensitiver Güter stellt einen wichtigen Beitrag zur Friedenssicherung dar. Die Politik konnte nach Beendigung des Ost-West-Konfliktes in verschiedenen Punkten den veränderten Gegebenheiten angepaßt werden."

Etwas deutlicher zeigt sich die Haltung der Bundesregierung auf die Forderung von kirchlichen Vertretern nach einer weitergehenden Restriktivität in der Rüstungsexportpolitik auf nationaler und europäischer Ebene. Man gibt zu bedenken, "daß die zur Wahrnehmung vitaler Interessen nötigen Handlungsspielräume nicht beseitigt werden dürften" (Reaktionen der Dialogpartner aus der Darstellung des Dialogprogrammes der GKKE (Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung) des Schwerpunktes: Rüstungsexportpolitik auf nationaler und europäischer Ebene, zur Auswertungsfachtagung vom 12.-15.3.96).

Rüstungsexporte sind also ein bedeutendes außenpolitisches Instrumentarium, das man auch als solches ausschöpfen will. Die erklärte Restriktivität existiert nur in offiziellen Verlautbarungen. In der praktischen Politik wird sie unterlaufen und ausgehöhlt.

Ende 1994 hieß es: Bonn beschränkt Sonderkontrollen für Rüstungsexport. Die Bundesregierung reduzierte die Zahl der Länder, die besonders strengen Rüstungsexportkontrollen unterliegen, drastisch. Die "Länderliste H" - das ist die Liste mit Staaten, die auch keine DUAL-USE-Güter erhalten sollen - wurde von 32 Staaten auf 16 reduziert. Und danach wurde nochmal kräftig gestrichen. 1996 sind nur noch sechs Länder übrig: Kuba, Afghanistan, Iran, Irak, Libyen und Nordkorea. Dual-Use-Güter sind rüstungsrelevante Güter, die sowohl militärisch als auch zivil verwendet werden können. Sie machen den Löwenanteil deutscher Rüstungsexporte aus. Das sind z.B. Werkzeugmaschinen zur Bearbeitung von Geschoßrohren, elektronische Geräte zur Zielerfassung und Kommunikationssysteme. Berühmtes Beispiel ist die Lieferung einer deutschen Giftgasanlage nach Libyen, die als Chemiefabik für Schädlingsbekämpfung exportiert wurde. Länder wie China, Indien, Pakistan, oder auch Saudi-Arabien, Südafrika, Taiwan und Vietnam dürfen nun beliefert werden.

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Ein aktuelles Beispiel deutscher Rüstungsexportpraxis unter dem Deckmantel der Restriktivtät ist der kürzlich genehmigte Export des Panzers "Wiesel" nach Indonesien. Seit Sommer 1995 versucht die zur Frima Rheinmetall gehörende Kieler MaK-Systemgesellschaft eine Exportgenehmigung für ihren Klein-Panzer nach Indonesien zu bekommen. Von einem 100-Millionen-DM-Geschäft ist die Rede. Keine Bedenken gegen den Export haben das Wirtschafts- und Verteidigungsministerium. Das Auswärtige Amt blockierte interessanterweise aufgrund der Menschenrechtsverletzungen in Ost-Timor. Nun wurden die Klein-Panzer doch genehmigt, trotz massiver Proteste einer großen Anzahl von Nicht-Regierungs-Organisationen. Anläßlich des EU-Asien-Gipfeltreffens Anfang März 1996 forderten sie in einem offenen Brief die Bundesregierung auf, die Genehmigung nicht zu erteilen und sich dem von der Westeuropäischen Union ausgesprochenen Waffenembargo anzuschließen.

Sieben Panzer der Kieler MaK Systemgesellschaft dürfen als sog. Truppenversuchsmuster nach Indonesien geliefert werden. Sie gelten als Vorläufer einer größeren Lieferung. Der Wiesel-Panzer, flexibel im Inneren einsetzbar, eignet sich besonders für die Aufstandsbekämpfung im Dschungel und im Straßenkampf. Die Panzer "light-Version" der Bundeswehr wiegt gefechtsbereit vier Tonnen und ist absolut geländegängig, sowohl für extrem bergiges Terrain, als auch in der Wüste. Nur schwimmen kann er nicht! Der Panzer im Porsche-Design kann an einem Fallschirm vom Hubschrauber herabschweben. In Indonesien kann er mit den aus Deutschland gelieferten Transall-Transportflugzeugen oder mit den gelieferten NVA- Landungsschiffen verlegt werden.

1970 erteilte die neu gebildete sozialdemokratische Bundesregierung den Auftrag zur Entwicklung eines leicht gepanzerten, lufttransportfähigen Waffenträgers. Nach der Auslieferung der ersten Prototypen 1986 wurden mit Beginn der Serienfertigung seit 1992 343 Stück an die Bundeswehr geliefert.

Zwei Wiesel passen in einen Bundeswehr-Transporthubschrauber. Die Kieler Panzer eignen sich für den "out of area"-Einsatz und sind ein wichtiger Bestandteil der Krisenreaktionskräfte. Und was der Bundeswehr recht ist, könnte der indonesischen Armee billig sein, denn gerade baut Jakarta eine schnelle Eingreiftruppe auf.

Die Bundesregierung verteidigt das heikle Geschäft hingegen mit der Begründung: Für "Einsätze gegen aufständische Gruppen" sei das Kettenfahrzeug "nicht geeignet". Getestet wurden die Wiesel bereits in Somalia, auch nach Bosnien kam der Mehrzweckpanzer mit - bestückt mit Maschinenkanonen und Panzerabwehrraketen. Das Verteidigungsministerium begründete dies mit der Notwendigkeit, die deutschen Soldaten gegen "bewaffnete Banden" schützen zu müssen.

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Damit die Wiesel-Panzer nicht eingesetzt werden, wie jüngst englische Schützenpanzer in Ujungpandang auf Sulawesi, als StudentInnen gegen eine Fahrpreiserhöhung protestierten, werden wir mit weiteren Aktionen versuchen, die Lieferung zu verhindern!


Andres Kollig ist Mitarbeiterin der BUKO-Kampagne "Stoppt den Rüstungsexport!" in Bremen
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