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vom:
08.07.1998


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Rüstungsexport:

  Hintergrund-Informationen

Kontrolle und erlaubte Schiebereien

Ralf Hofer

Zum Umgang mit Kontrollen im internationalen Rüstungsgeschäft

Waffenhändler wegen Giftgaslieferungen vor Gericht, illegaler Transport von Militärausrüstungen an der Grenze gestoppt, BND leiert Plutonium-Geschäft an, mutmaßlicher Waffenhändler tot aufgefunden. Das Geschäft mit Waffen ist gefährlich und viele Händler starben schon eines mysteriösen Todes. Doch wer denkt, daß staatliche Kontrollen hier eingreifen könnten, irrt. Annähernd ungehinderten Rüstungsexport propagierte Bundesaußenminister Klaus Kinkel im Februar 1996 vor Vertretern des "Arbeitskreises Wehrtechnik der Industrie in Schleswig-Holstein": "In der Relation ist das minimal, was nicht laufen kann. (...) Es gibt ein paar Grenzen, aber wir haben schon einiges getan", erklärte er anläßlich einer Nachfrage zur Lieferung von deutschen U-Booten an Taiwan (Bonner Generalanzeiger - dpa vom 13.2.96).

Das Geschäft mit Waffen wird überall auf der Welt auf höchster politischer Ebene verfolgt und dabei spielen Regierungsvertreter und Politiker keine passive Rolle. Dieses Geschäft ist ein politisches: zwischen guten und bösen Lieferungen, zwischen akzeptablen und nicht akzeptablen Ländern, zwischen Krisenregionen und stabilen Regionen wird auf politischer Ebene entschieden. Dabei wird immer wieder deutlich, daß die politischen Entscheidungen wenig mit Moral zu tun haben. Im Einzelfall ist die scheinbar widersprüchliche Befürwortung und Ablehnung von Rüstungsexporten in einer Sichtweise eingeschlossen, die Waffengeschäfte nicht per se ablehnt, sondern im sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Kontext sieht. So werden Lieferungen an Partnerländer der NATO, wie der Türkei, von vornherein nicht in Frage gestellt und Versicherungen der Empfängerländer, z.B. die Waffen nicht gegen Kurden oder zur inneren Aufstandsbekämpfung einzusetzen, wird geglaubt. Exportverbote bzw. -einschränkungen und Kontrollen - ob national oder staatenübergreifend - sind dabei einzig Mittel zur Durchsetzung außenpolitischer Interessen, sprich der gute verläßliche Partner bekommt Waffen, andere nicht. Kontrollen helfen, diese Sortierung abzusichern.

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Rüstungsexportkontrolle für wen?

840 Milliarden US Dollar wurden 1994 weltweit für militärische Zwecke ausgegeben, so die US Arms Control and Disarmament Agency (ACDA: World Military Expenditures and Arms Transfers, Washington 1995). 56 Prozent dieser Ausgaben fallen auf die Allianz der NATO-Staaten. In unseren Medien erscheinen diese Informationen selten, da die öffentliche Sichtweise auf spezielle kritische Länder wie z.B. Libyen eingeschränkt ist. Dabei ist es richtig, daß diese kritischen Länder häufig eine aggressive Außenpolitik verfolgen und innenpolitisch "stabile" Verhältnisse nur durch gewaltige Polizei- und Militärapparate sowie durch Unterdrückung oppositioneller Strömungen durchsetzen. Hier greifen die moralischen Ansätze, gleichwohl die umfangreichsten Waffengeschäfte durch die Käufe bzw. Verkäufe und Kooperationen der Staaten getätigt werden, die sich zu einem sogenannten Sicherheitspakt verschworen haben. Durch Kooperationsabkommen der führenden Industriestaaten im europäischen wie internationalen Maßstab werden Waffen ständig modernisiert und erneuert, neue Waffengenerationen drängen auf den Markt.

Dieser ständige Wandel läßt alte Bestände der nationalen Armeen zur Dispositionsmasse der Verteidigungsministerien werden, so daß mittlerweile beim weltweiten Großwaffenhandel der Anteil von gebrauchtem Material - sozusagen Second-Hand - gegenüber neuen Produkten überwiegt (BICC 1996; SIPRI 1995).

Gerade der Second-Hand-Markt mit unbestimmbaren Verkaufspreisen macht deutlich, daß die weltweite Zählerei wenig über den tatsächlichen Rüstungsexport wiedergibt, insbesondere, wenn die Problematik der nicht mitgezählten Komponentenlieferungen und der Kleinwaffen hinzukommt. An verschiedenen Stellen wird der Versuch unternommen, Rüstungsexporte zu zählen. Um die wichtigsten zu nennen: SIPRI, das UN-Waffenregister und ACDA. Für die Kritik ist nicht in erster Linie entscheidend, ob eine monetäre oder quantitative Zählung vorgenommen wird, sondern daß bei allen dreien in der alten Tradition internationaler Sicherheitspolitik nur die Großwaffen gezählt werden, d.h. die Potentiale aufgelistet, die zwischenstaatliche Kriege führbar machen lassen. So steht die Auflistung und Interpretation von Großwaffenlieferungen im Mittelpunkt bei Tendenzaussagen für das weltweite Rüstungsgeschäft und ebenfalls bei Kontrollfragen.

Für Deutschland ist die europäische Kooperation neben der Weitergabe von ausrangierten Großwaffen ein wichtiger Bestandteil der Rüstungsproduktion und die europäischen Produzenten sind exportorientiert. Forschung und Entwicklung werden zwar vor allem mit Blick auf die Beschaffungsnachfrage der nationalen Armee getätigt, jedoch ist das Augenmerk immer auch auf den Exportmarkt gerichtet. Die Elemente- bzw. Komponentenbauweise mit einer Vielzahl von Varianten, die auf verschiedene Einsatzmöglichkeiten und Geldbeutel abgestimmt sind, sollen (auch zukünftig) die Marktanteile sichern. Die Rüstungsproduktion der großen Exportländer USA und Rußland wird durch komplizierte High-Tech-Waffen bestimmt. Zu erschwinglichen Preisen können diese auf den Weltmarkt nur durch eine große Abnahme in der nationalen Beschaffung angeboten werden. Gerade kleinere Staaten verlangen aber nicht nur billige, sondern auch einfach zu bedienende Waffen, die ohne größere Probleme einsatzfähig sind. Hier spielt die europäische Rüstungsindustrie eine wichtige Rolle, da sie versucht, spezielle Waffen mit diesen Kriterien zu entwikkeln.

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Um einen reibungslosen Export europäischer Waffen zu garantieren, sind umfangreiche Kontrollmechanismen unerwünscht. So sind in der EU nach neuester Gesetzeslage alle Kontrollmechanismen für die Überführungen von Waffenkomponenten innerhalb der Gemeinschaft weggefallen. Im Gegensatz zur Diskussion über Übereinkünfte für den Export konventioneller Waffen, die stark durch die unterschiedlichen nationalen Souveränitätsansprüche geprägt ist, hat man hier eine gemeinsame Ebene gefunden. Eine umfangreiche Liste für die sogenannten Dual-Use Güter, das heißt für zivile Produkte und Komponenten, die eine mögliche militärische Nutzung nicht ausschließen, ist durch die EU-Mitgliedsstaaten erstellt worden, um eine Kontrollmöglichkeit für Lieferungen außerhalb der EU zu haben. Durch den Wegfall von Genehmigungen innerhalb der EU haben sich dagegen die Kooperationsbedingungen innerhalb der EU erheblich verbessert. Einzig beim Export außerhalb der Gemeinschaft greifen die durch den Maastrichter Vertrag "harmonisierten" Kontrollmechanismen. Zuerst ist die EU-Dual-Use-Verordnung ein Mittel, um unerwünschte Lieferungen zu kontrollieren bzw. zu verhindern und die Praxis muß beweisen, inwieweit durch Kontrollen die Rahmenrichtlinien eingehalten werden, die sich die EU selbst für den Export von Waffen und Rüstungsmaterialien auferlegt hat, z.B. keine Lieferung in Regionen bzw. Länder, in denen Konflikte herrschen.

Wassenaar-Abkommen

In gleicher Weise ist auch das sogenannte Wassenaar-Abkommen zu bewerten, das als Nachfolgesystem der aufgelösten Technologie-Kontrollbehörde CoCom gehandelt wird. Nach der Auflösung von CoCom, das die Lieferung von militärisch relevanter Technologie in die früheren Warschauer Pakt-Staaten, China und Kuba verhindern sollte, ist das Wassenaar Abkommen in Richtung "sensible Staaten" ausgerichtet. Nach einem ersten Treffen im Dezember 1995 im niederländischen Städtchen Wassenaar hatte man nach Wien zur Gründungskonferenz von "The Wassenaar Arrangement" (TWA) geladen. Im April 1996 setzten sich dort Vertreter von 28 Ländern zusammen, um eine neue Struktur für eine gemeinsame Exportkontrolle von Waffentechnologie und Waffenelektronik in "sensible Regionen" zu schaffen. Neben den westlichen Industriestaaten waren auch Rußland, Polen, die Slowakei, Tschechien und Ungarn anwesend. Sitz der zukünftigen Organisation soll Wien sein. Im Gegensatz zur CoCom und der EU-Dual-Use-Verordnung wird die TWA keine Länderlisten erstellen, in die waffenfähige Elektronikbauteile bzw. Technologien nicht geliefert werden darf. Die Kontrolle soll über die nationalen Exportgesetze laufen, die aufeinander abgestimmt werden. Schwierigkeiten gab es jedoch gleich von Anfang an, da sich die USA eine konkrete Aufstellung von geplanten Lieferungen erhoffte, jedoch kein anderes Land von diesem Vorschlag begeistert war. Auch gab es hinsichtlich der Konfliktregionen Differenzen zwischen den USA und Rußland. Nunmehr soll eine Folgekonferenz im Juli 96 für Angleichungen der Positionen sorgen, da der Grundsatz von allen Ländern getragen wird, daß sensible Waffentechnologie für Großwaffen in den Händen der führenden Industriestaaten verbleibt und damit angeblich in den Händen der Friedensstifter.

Das Kriegsgeschäft mit Kleinwaffen

Verlassen wir einmal das Gebiet der Großwaffen, obwohl sich gerade hier zeigt, daß es billiger ist, Waffen zu verschenken, als sie zu vernichten. Aber bei der Vernichtung von Kleinwaffen ist die Kostenfrage ebenfalls bestimmend und gerade in ehemaligen Kriegsgebieten wird häufig gewartet, bis durch den individuellen und illegalen Verkauf von gebrauchten Waffen bzw. nicht mehr benötigtem Kriegsmaterial eine "Abrüstung" geschieht. Und für den bisherigen Besitzer schafft dies sogar noch einen zusätzlichen Obolus. So sind die heutigen bzw. früheren Konfliktgebiete, sei es Angola, Mosambik, Afghanistan oder Ex-Jugoslawien, zu Orten eines regen Waffenhandels geworden. Pistolen, Gewehre, Handgranaten, Panzerfäuste und Minen sind hier zu erwerben wie Äpfel auf dem Obstmarkt. Gerade diese Kleinwaffen sind für die heutigen Kriege entscheidend, ohne die Bedeutung von Großwaffen als eher traditionelle Waffe zwischenstaatlicher Kriege zu mindern. Der momentan weltweit vorherrschende ist der innerstaatliche Krieg. Er wird geführt unter Anwendung von Kleinwaffen, und in den letzten Jahren sind 70% aller Kriegstoten und verletzten Opfer durch den Einsatz von Kleinwaffen.

Es scheint so, daß die Kontrolle des Kleinwaffenhandels aus dem Interessenfeld der internationalen Politik fällt. Kleinwaffen üben nur eine regional begrenzte Bedrohung aus. Der Einsatz und die Kräfte sind einschätzbar, und Überraschungen durch weitreichende Raketen mit chemischen Gefechtsköpfen, Kampfflugzeugen und anderen Großwaffen sind auszuschließen. So sind bei Kriegen mit Kleinwaffeneinsatz allein internationale Interessen in den Regionen - wie die Ausbeutung von Rohstoffen - zu sichern.

Internationale Kontrollregime

Sämtliche internationalen Kontrollregime sind in einfacher Manier gestrickt, sei es das Atomabkommen (NTR), das Abkommen über den Export von B- und C-Waffentechnologie oder das Raketentechnologieregime (MTCR): Alle diese Kontrollregime verfolgen in erster Linie die Absicherung der Vorherrschaft weniger Staaten im internationalen Gefüge. Auch die neuesten Bemühungen, eine einheitliche Minenkonvention durchzusetzen, entsprechen dieser Stoßrichtung. Die Einschränkung auf detektierbare bzw. automatisch abschaltbare Landminen vermindern das Risiko, daß z.B. deutsche Soldaten bei UN-Missionen auf diese Minen treten. Krieg wird damit kalkulierbarer - allein für die führenden Industriemächte.

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Eine Politik, die darauf setzt, daß Waffengeschäfte im Kontext sicherheitspolitischer Momente zu fassen sind und Kontrollen nur dort ansetzen, wo der von den herrschenden Ländern gesetzte sicherheitspolitische Rahmen verlassen wird, kann nur als eine kriegstreiberische Politik bezeichnet werden. Jede Waffenlieferung, egal ob an Frankreich, Indien, Großbritannien, die USA, Indonesien oder Türkei erhöht das militärische Potential. Und es entspricht dieser Gesinnung, daß illegale Lieferanten - insoweit sie der betuchten Rüstungsindustrie oder der Regierung angehören - zumindest vor deutschen Gerichten nicht allzuviel befürchten müssen. Auch weiterhin ist das Strafmaß beim Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz gering. Einzig bei den oben schon angesprochenen Massenvernichtungsmitteln sind ganz im Sinne der oben ausgeführten Stoßrichtung die Bestrafungsmöglichkeiten bis hin zu mehrjähriger Haft vorhanden. Doch auch hier bleiben die Konsequenzen aus, wenn es um die Verhaftung führender Mitarbeiter des BNDs oder Angehöriger des bayerischen Landeskriminalamtes geht, die nachweislich mit Plutonium handelten.


Ralf Hofer ist Mitarbeiter der BUKO-Kampagne "Stoppt den Rüstungsexport!" in Bremen

E-Mail:   rexbuko@oln.comlink.apc.org
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