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vom:
06.07.2000


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Rüstungsexport:

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Die Militärausgaben sinken seit Jahren, die Reste der deutschen Rüstungsindustrie kämpfen nur noch ums Überleben

Im Kriechgang

Die Woche, Peter Würth

Was waren das noch für Zeiten, als Kalte Krieger beiderseits des Eisernen Vorhangs agierten. Doch nun hat der Kapitalismus gesiegt, und die Rüstungsfirmen leiden am meisten darunter. Es geht ihnen richtig schlecht Kaum einer will ihre Ware noch haben, nicht mal mehr ein paar größenwahnsinnige afrikanische Colonels gehen noch richtig auf militärische Shopping-Tour. Eine ganze Industrie klammert sich an einzelne Geschäfte, jedes Schiff, jeder Panzer ist ein kleiner Hoffnungsschimmer.

Zwar sind die Militärausgaben 1999 weltweit wieder um 2,1 Prozent gestiegen, in Russland sogar um 24 Prozent, dies aber nach jahrelangem Rückgang. Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri, das seit mehr als 30 Jahren internationale Waffen-Statistiken veröffentlicht, sieht jedenfalls keine Trendwende. "Eigentlich sollte man jetzt eher von Stabilisierung und Stagnation nach vielen Jahren mit dramatisch sinkenden Militärausgaben sprechen", sagt Institutschef Adam Daniel Roffeld. "Bis aufwenige Länder mit besonderen Bedingungen wie Russland wird es keine neue Explosion der Rüstungskosten geben."

Seit dem Ende der 80er Jahre sind die Militärausgaben in Westeuropa um 40 Prozent gesunken, die Rüstungsproduktion in Russland erreicht gerade noch 15 Prozent des Standes der Sowjetunion. Auch in Deutschland wurde der Rüstungsetat von 53,3 Milliarden Mark 1990 auf noch 45,3 Milliarden (23,2 Mrd. Euro) gekürzt. Und davon sind nur geschätzte 5 Milliarden (2,6 Mrd. Euro) für Investitionen vorgesehen, also Aufträge an die Rüstungsindustrie - zehn Jahre zuvor war es noch doppelt so viel. Der Anteil der Rüstungsindustrie am deutschen Bruttosozialprodukt beträgt gerade noch 0,3 Prozent, der Anteil am deutschen Export ist von 0,62 Prozent (1993) auf 0,16 Prozent gesunken.

Die Situation der deutschen Wehrtechnik sei dramatisch, klagte jüngst der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, Gustav Humbert. Der Bereich Luft- und Raumfahrt innerhalb der Wehrtechnik habe seit 1990 die Hälfte seines Umsatzes verloren. Detlef Moog, Vorstand des Waffen- und Munitionsbereichs der Rheinmetall Detec AG: "Es wird kaum noch etwas in die Entwicklung investiert." In das Klagelied stimmt auch Ernst Otto Krämer ein, Vorstandsvorsitzender der Vereinigung Wehrtechnisches Gerät (VWG) und gleichzeitig der Rheinmetall Detec AG. Nach dem Spar-Programm von Finanzminister Hans Eichel mit Einsparungen im Verteidigungsetat von 18,3 Milliarden Mark (9,4 Mrd. Euro) bis 2003 werde "dieser Industriezweig in Deutschland keine Zukunft mehr haben". Krämers Vorstandskollege Moog erklärt: "Die deutsche Rüstungsindustrie ist in Teilen in ihrer Substanz gefährdet. Wenn ein Auftrag wegbricht, steht gleich ein ganzer Sektor zur Disposition."

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Die Rüstungs-Lobby beklagt vor allem, dass Heer; Luftwaffe und Marine seit dem Mauerfall kaum noch Munition bekommen. Die entsprechenden Etats wurden um 80 Prozent gekürzt. Moog: "Der Munitionstitel im Verteidigungshaushalt ist im letzten Jahr zehnt von rund 2,6 Milliarden Mark auf 600 Millionen reduziert worden." Lenkflugkörper vom Typ Milan oder die Luftabwehrrakete Roland liegen nach Angaben der Hersteller zum Teil schon seit 25 Jahren in den Bundeswehrdepots, dabei garantiert etwa Rheinmetall nur für zehn Jahre. Moog: "Wir warnen immer wieder; dass man Munition nicht 15, 20 Jahre lagern kann. Da sind chemische Komponenten drin, die sich verändern."

Die Rüstungsindustrie hat in den vergangenen zehn Jahren versucht, sich auf die friedlicheren Zeiten einzustellen. Die Produktionskapazitäten wurden um die Hälfte, die Entwicklungskapazitäten um ein viertel reduziert. Munitionsspezialist Moog nennt ein Beispiel: "Wir sind seit zwei Jahren bei den Mindestkapazitäten. Früher konnten wir beispielsweise 1.000 Rohre für Kanonen pro Jahr produzieren, das haben wir jetzt auf 60 Rohre runtergefahren: Das ist das Mindeste, darunter würde uns Know-how wegbrechen." Von 280.000 Arbeitsplätzen in der deutschen Rüstungsindustrie 1990 sind 90.000 übrig geblieben. 20.000 weitere Arbeitsplätze sind durch die jetzt geplanten Etatkürzungen bedroht.

Einige Unternehmen wie IWKA in Karlsruhe haben sich gänzlich aus dem Geschäft zurückgezogen, andere, wie die Rheinmetall Detec AG in Ratingen bei Düsseldorf, versuchen sich mit Zukäufen in dem Markt zu behaupten. Rheinmetall Detec hat mit der Übernahme der Kuka Wehrtechnik und der Henschel Wehrtechnik von IWKA jetzt die Systemführung bei gepanzerten Transport-Fahrzeugen wie dem Fuchs oder dem Marder übernommen. Das Unternehmen gilt als führend in Europa bei der Heerestechnik, es liefert Waffen und Munition, gepanzerte Fahrzeuge und Elektronik.

Größter deutscher Hersteller ist die Daimler-Chrysler-Tochter Dasa, die im Herbst 1999 mit Aerospatiale-Matra aus Frankreich und der spanischen Casa zum europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS fusionierte. Die EADS steht noch im Konkurrenzkampf mit der British Aerospace, aber auf Dauer, da sind sich die Experten einig, kann nur ein großer europäischer Rüstungskonzern gegen die Amerikaner bestehen.

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Nach den Zahlen des Sipri-Instituts stand Deutschland 1998 an vierter Stelle der rüstungsexportierenden Länder in der Welt. Mit einer Gesamtsumme von 1,99 Milliarden Mark (1,02 Mrd. Euro) ist der Abstand zur führenden Waffenexport Nation USA (23,2 Milliarden Mark / 11,9 Mrd. Euro) allerdings gewaltig. Frankreich, die Nummer zwei, exportierte 1998 Rüstungsgüter im Wert von 7,1 Milliarden Mark (3,6 Mrd. Euro), Russland noch von 2,4 Milliarden (1,2 Mrd. Euro). Deutschland lieferte in den letzten Jahren nach Spanien (235 Leopard-II-Panzer für 3,8 Milliarden Mark / 1,94 Mrd. Euro), Südafrika (Schiffe für 3,6 Milliarden Mark / 1,84 Mrd. Euro), Chile (320 gebrauchte Leopoard-I-Panzer), Israel und Indonesien. Die Türkei hat seit 1970 für rund 7 Milliarden Mark Rüstungsgüter eingekauft und im Juli vergangenen Jahres einen Vertrag über den Bau von sechs Minenjagd-Booten bei Bremer Werften unterzeichnet.

Politisch umstritten ist derzeit noch der Export von 1.000 Leopard-II-Panzern und 145 Kampfhubschraubern Tiger im Wert von zusammen 14 Milliarden Mark (7,2 Mrd. Euro) an die Türkei und von 64 Spürpanzern vom Typ Fuchs an die Vereinigten Arabischen Emirate.

Die Rüstungsindustrie setzt bei allem Wehklagen paradoxerweise gerade in die rot-grüne Regierung gewisse Hoffnungen. Viele Sozialdemokraten, aber auch Grüne sind geneigt, beim Export ein Auge zuzudrücken, wenn heimische Jobs gesichert werden. Außenminister Joschka Fischer etwa wird eine durchaus aktive Vermittlerrolle bei Verhandlungen der Dasa mit der griechischen Regierung über den Verkauf von Eurofightern nachgesagt.

Hilfreich ist für die Firmen auch ein Abkommen, das der damalige Verteidigungsminister Helmut Schmidt 1972 mit seinem französischen Amtskollegen Michel Debre über den Export gemeinsam gefertigter Rüstungsgüter beschloss. Danach darf keine der beiden Regierungen die andere "daran hindern, Kriegswaffen oder sonstiges Rüstungsmaterial, das aus einer gemeinsam durchgeführten Entwicklung oder Fertigung hervorgegangen ist, in Drittländer auszuführen oder ausführen zu lassen".

Ähnliche Abkommen gibt es auch mit den Briten und anderen Ländern. Da nach Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) inzwischen 70 Prozent aller wehrtechnischen Projekte mit ausländischen Partnern realisiert werden, können deutsche Politiker praktisch nur noch den Export des Leopard-II-Panzers verhindern: Er wird vollständig von deutschen Firmen produziert.


aus: Die Woche, 23. Juni 2OOO - Wirtschaftsteil
Internet: http://www.woche.de
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