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11.11.1999


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Rüstungsexport:

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Doch der Bundeskanzler kann Ausnahmen von der Vertraulichkeit zulassen / Der Vorwurf des Geheimnisverrates

"Die Sitzungen des Bundessicherheitsrates sind geheim"

FAZ, Günther Bannas

BERLIN, 10. November. Mit spitzen Fingern zeigen die Verantwortlichen der im Bundessicherheitsrat vertretenen Ministerien aufeinander und weisen einander die Schuld zu, für Indiskretionen aus dem geheim tagenden Gremium verantwortlich zu sein. Über angebliche Listen von Anfragen aus dem Ausland nach, deutschen Waffen wurden in Zeitungen, von Verhandlungen über die Neufassung der Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung wurde bekannt. Abstimmungsergebnisse im Bundessicherheitsrat wurden - unter Berufung auf überaus gut informierte Quellen - veröffentlicht. Der geschäftsführende SPD-Fraktionsvorstand befasste sich jetzt mit den Umständen und nahm zustimmend eine Bemerkung von Innenminister Schily zur Kenntnis, rechtliche Schritte seien zu prüfen, um "eine undichte Stelle" im Regierungsapparat zu schließen. Freilich ist noch nicht geklärt, wer diese Aufgabe übernehmen solle. Und es wird sich als ein Problem für den Untersuchungsauftrag und den damit Betrauten erweisen, dass es nicht eine, sondern offenbar mehrere. undichte Stellen gibt, die zudem parteipolitisch unterschiedlich gefärbt sind.

Ursache der Debatte, die die misstrauischen Umgangsformen in der rot-grünen Koalition kennzeichnet, sind die unterschiedlichen Auffassungen über die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung. Die Grünen wollen sie ganz verbieten, wie sie es jedenfalls in ihren Wahlprogrammen niedergelegt haben. Sie suchen nach dem "Einstieg in den Ausstieg" und haben in ihren Oppositionszeiten deshalb vor allem Waffenexporte in die Türkei angeprangert.

Außenminister Fischer hat aus innerparteilichen Gründen deutlich zu machen, er könne der SPD widerstehen und das Anliegen der Grünen einigermaßen erfolgreich durchsetzen. Die Abstimmungsniederlage, die er im Bundessicherheitsrat bei der Anfrage über die Lieferung eines deutschen Testpanzers an die Türkei erlitt, schadete jedoch auf doppelte Weise seinem Ansehen. Die SPD und auch Bundeskanzler Schröder warfen ihm vor, er habe bei seinem ablehnenden Verhalten die sicherheitspolitischen Interessen der Nato an dem südöstlichen Bündnispartner vernachlässigt. Für manche Grüne war Fischers Niederlage ein Beleg, der Außenminister trete gegenüber dem größeren Koalitionspartner nicht hart genug auf. Er hätte, wenn er nur gewollt hätte, das Geschäft verhindern können, sagen sie Entsprechend stammte das Dementi zu Berichten, weitere Waffenlieferungen an die Türkei, Pakistan und andere Staaten des Nahen Ostens seien geplant, aus dem Auswärtigen Amt. Diese Stellungnahme führte zu Verwerfungen in der Koalition. Der Vorwurf wurde erhoben, das Auswärtige Amt habe gegen die gebotene Vertraulichkeit der Beratungen des Bundessicherheitsrates verstoßen. Dagegen wurde erwidert, es müsse die Möglichkeit bestehen, Falschmeldungen richtig zu stellen.

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Früher wurde nicht abgestimmt

Es ist aber nicht nur der rot-grüne Streit über die Rüstungsexportpolitik, der die Indiskretionen fördert. Es sind auch die Lösungsformen Entscheidungen herbeizuführen, die dazu beitragen. Seit der Bildung der rot-grünen Bundesregierung wird im Bundessicherheitsrat regelrecht abgestimmt. Das erleichtert Fischer zwar das Geschäft, weil er nun im internen grünen Disput guten Gewissens sagen kann, er sei von der SPD-Mehrheit überstimmt worden. Doch kann er damit nur operieren, wenn das Auswärtige Amt sein Abstimmungsverhalten öffentlich macht und erklärt - und damit gegen die Geheimhaltungsregeln verstößt. Auch Verteidigungsminister Scharping hat - bei einer engen Auslegung - gegen diese Regeln verstoßen, als er im Sinne eines Friedensversuches jetzt bemerkte, auch er sei mehrfach im Bundessicherheitsrat überstimmt worden.

Es war die FDP, die als ehemals kleinerer Koalitionspartner Öl in das rot-grüne Feuer goss. In den Zeiten der Regierung von Bundeskanzler Kohl wurde - nach deren Darstellungen - im Bundessicherheitsrat nicht abgestimmt. Die beiden Außenminister Kohls, zunächst Genscher und später Kinkel, gerieten damit nicht in die Minderheit. Streitfragen über Rüstungsgeschäfte wurden vorab beantwortet. Genscher und Kinkel hätten sich mit ihrer restriktiven Haltung stets durchgesetzt, heißt es jetzt. Nach dem damals üblichen Verfahren musste es auch so sein - im Bundessicherheitsrat wurden die Entscheidungen stets einvernehmlich getroffen. In seiner Geschäftsordnung sind Abtimmungen nicht vorgesehen.

In der Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates heißt es ausdrücklich: "Die Sitzungen des Bundessicherheitsrates sind geheim." Er sei ein Kabinettsausschuss der Bundesregierung, der Fragen der Sicherheitspolitik, der Verteidigung, der Abrüstung und der Rüstungskontrolle berate und, soweit erforderlich, Vorentscheidungen treffe. Er bereite einschlägige Entscheidungen des Bundeskanzlers oder der Bundesregierung vor. Das Gremium wurde 1955, also mitten im Kalten Krieg als "Bundesverteidigungsrat" gegründet. Bis in die achtziger Jahre befasste es sich nicht nur mit Fragen der Rüstungspolitik, sondern auch mit darüber hinausreichenden sicherheitspolitischen Themen. Danach wurde der Bundessicherheitsrat immer mehr zu einem Gremium von Rüstungsexportgeschäften der deutschen Industrie zu beschränken hätte. Die sicherheitspolitischen Entscheidungen über den Einsatz der Bundeswehr außerhalb des Nato-Gebietes wurden nicht im Bundessicherheirat besprochen.

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Ursprünglich gehörten dem Bundessicherheitsrat das Bundeskanzleramt, das Auswärtige Amt, das Verteidigungsministerium, das Bundesinnenministerium (weil ihm die Aufgaben der zivilen Verteidigung oblagen), das Bundeswirtschaftministerium (wegen seiner Zuständigkeiten für die Exportpolitik) und das Bundesfinanzministerium (wegen der finanzpolitischen Auswirkungen der Entscheidungen) an. Bei Bedarf wurden stets auch andere Ressorts hinzugezogen. 1958 setzte die FDP ihr Begehren durch, auch das - damals von der FDP geführte - Bundesjustizministerium müsse dort vertreten sein Die rot-grune Koalition verabredete im Herbst vergangenen Jahres, auch das Entwicklungshilfeministerium gehöre in den Bundessicherheitsrat. Damit sollte die Absprache der Koalition deutlich gemacht werden bei der Genehmigung von Rüstungsexporten sei auf die Einhaltung der Menschenrechte in den betroffenen Staaten und auch auf die entwicklungspolitischen Folgen von Waffenexporten zu achten. Zudem nehmen - nach der Geschäftsordnung des Gremiums - weitere Beamte an den Sitzungen teil. Dazu zählen der Chef des Bundeskanzleramtes, der Chef des Bundespresseamtes der Bundesregierung, der Generalinspekteur, der Präsident des Bundesnachrichtendienstes und auch der Chef des Bundespräsidialamtes. Jedoch kann der Bundeskanzler den Kreis der Teilnehmer einer Sitzung auf die Kabinettsmitglieder beschränken.

Dem Kanzleramt zugeordnet

Penibel hat der frühere Justizminister Schmidt-Jortzig (FDP) versucht, die Indiskretionen aus deneuen Bundesregierung aufzulisten. Viel ist dabei nicht herausgekommen. In Zeitungen fand Schmidt-Jortzig als mutmaßliche Qellen die anonymen "Regierungskreise", in einem Blatt den Hinweis "wie aus der Bundeskanzleramt zu erfahren war" sowie Ankündigungen Fischers über sein künftiges Abstimmungsverhalten und das jüngste Dementi aus dem Auswärtigen Amt. Die FDP begründet damit einen Antrag, den sie in den Bundestag eingebracht hat und mit dem sie zugleich die Hürden beschreibt, die einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wegen Geheimnisverrat im Wege stehen.

Grundlage der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft könnten allein die Geschäftsordnungen der Bundesregierung und des Bundessicherheitsrates selber sein. Dieser ist ein Ausschuss des Bundeskabinetts, wie es deren viele gibt - für die "Neuen Länder", den Jahreswirtschaftsbericht, die Zukunftstechnologien und den Umweltschutz. In der Geschäftsordnung der Bundesregierung, in der die Unterausschüsse nicht eigens erwähnt werden, heißt es: "Die Sitzungen der Bundesregierung sind vertraulich" Insbesondere seien Mitteilungen über Ausführungen einzelner Bundesminister und über das Stimmenverhältnis bei Abstimmungen "ohne besondere Ermächtigung des Bundeskanzlers unzulässig". Diese Anmerkung bedeutet, dass Schröder sowohl nach Kabinettssitzungen als auch nach Sitzungen des Bundessicherheitsrates Ausnahmen von der Regel machen könnte. Der Bundessicherheitsrat ist dem Bundeskanzleramt zugeordnet. Seine Sitzungen werden vom Bundeskanzler selbst geleitet. Die Vorbereitungsgespräche auf der Ebene der Staatssekretäre beteiligten Ministerien liegen in der Hand des außenpolitischen Abteilungsleiters im Bundeskanzleramt, Steiner. Mithin kann das Bundeskanzleramt den Geheimhaltungsgrad von Informationen aus dem Bundessicherheitsrat neu klassifizieren.

In Paragraf 353 b des Strafgesetzbuches (Verletzung des Dienstgeheimnisse und einer besonderen Geheimhaltungspflicht) heißt es, wer als Amtsträger Geheimnisse "unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet", werde mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe bestraft. Doch ist in dem Gesetz eine Einschränkung enthalten: "Die Tat wird nur mit Ermächtigung erfolgt." Der FDP-Antrag zielt darauf, das Parlament solle die Bundesregierung zur Erteilung dieser Ermächtigung auffordern. Diese zu erteilen wäre, sollte die Staatsanwa1tschaft ermitteln wollen, Sache des Bundeskanzlers. Er könnte sie auch verweigern, sollte das aus Gründen der Koalitionsräson opportun sein.


aus: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11.11.1999

E-Mail:   g.bannas@faz.de
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