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vom:
Januar 2000


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Uranmunition und andere Verstöße:

  wiss. Hintergrundinformationen

Überblick und Hintergrund

Was sind DU-Waffen? Wo und Wie wurden sie eingesetzt?

Reinhard Wolff

1. Historische Einleitung

2. Was sind DU-Waffen?

3. Überblick über DU-Waffen-Typen

4. Wer besitzt DU-Waffen?
Wer ist potentieller Besitzer? (Voraussetzungen, Länder)
Wer hat wann und wo erprobt?


5. Wann und wo wurden DU-Waffen eingesetzt?

6. Golfkriegs-Syndrom und andere Pathologien

7. Toxizität von Uran -Ausbreitung in der Umwelt, Inkorporationswege beim Menschen

8. Welche Ursachen werden diskutiert?

9. Problem der Risikoeinschätzung von Umweltnoxen

Ausgewählte Quellen



1. Historische Einleitung

Das Element Uran wurde von Klapproth 1789 in Form des Dioxids aus Pechblende isoliert. Er benannte das neue Metall nach dem kurz zuvor entdeckten Planeten Uranus. In Joachimsthal diagnostizierte der leitende Arzte im staatlichen Radiuminstitut erstmals 1926 einen Lungenkrebs. Löwy publizierte 1929 zwei Fälle. Schließlich stellte sich eine erhöhte Sterblichkeit in Joachimsthal heraus, was durch den Anstieg der Lungenkrebsrate bedingt war. Als Ursache der Bergarbeiterkrankheit wurde Radioaktivität identifiziert. Jenseits der Grenze im sächsischen Schneeberg waren pathologische Einflüsse schon länger bekannt; 1895 erwähnt ein Frankfurter Chirurg Lungensarkome der Bergarbeiter. In der Berufskrankheitenverordnung von 1925 schließlich ist die "Schneeberger Lungenkrankheit" als Berufskrankheit anerkannt. Grundlage dafür waren Statistiken über die Todesursachen.

Zunächst wurde Uran hauptsächlich in Form von Uranfarben genutzt. Die großtechnische Anwendung begang mit dem amerikanischen Waffenprogramm: die Hiroshima-Bombe war eine Uran-Bombe.

In den letzten Jahren gerät wieder Uran durch die Verwendung von abgereichertem Uran in sogenannten "DU-Waffen" in die Diskussion.



2. Was sind DU-Waffen?

Um Uran in konventionellen Leichtwasserreaktoren als Brennstoff verwenden zu können, muß der Anteil des U-235-Anteils erhöht werden. Durch verschiedene physikalische Verfahren, wie Gasdiffusion oder Zentrifugenprozesse, beträgt er letztlich je nach Reaktortyp 3-4 % gegenüber 0,71 % im natürlichen Isotopengemisch. Für Einzelheiten möchte ich auf den Vortrag von Herrn Diehl verweisen.

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Neben dem notwendigen angereicherten Uran entsteht als Nebenprodukt das für die kerntechnische Industrie praktisch wertlose abgereicherte Uran. Die Bezeichnung "DU" ist von dem englischen Terminus "depleted uranium" abgeleitet. Im DU ist verständlicherweise der U-238-Anteil erhöht. U-238 ist ein Alpha-Strahler. Außerdem ist es das erste Isotop einer Zerfallskette, die beim Blei endet. Die radiologische Belastung resultiert daher nicht nur aus dem U-238 selbst, sondern auch aus den Tochternukliden. U-238 hat eine Halbwertszeit von 4,5 Milliarden Jahren.

DU ist das Material der Wahl für Waffen, weil die Dichte 1,7mal der Dichte von Blei entspricht. Sie beträgt 19,3 glcm3. Daher haben DU-Geschosse eine hohe Durchdringungsfähigkeit und können als panzerbrechende Waffen eingesetzt werden.

DU ist als Abfallprodukt der Kerntechnik viel preiswerter zu haben als Blei oder Wolfram. DU ist selbstentzündlich (pyrophor). Fein verteilte DU-Partikel entzünden sich spontan und bilden Aerosole, wenn sie ein Ziel getroffen haben bzw. bei einem Brand. Diese Staubteilchen gefährden Überlebende, Militärs wie Zivilisten, wenn sie in den Körper gelangen. Luft, Wasser und Boden werden kontaminiert.



3. Überblick über DU-Waffen-Typen

DU-Waffen sind eine neue Generation von Anti-Panzern-Waffen. Großbritannien und die USA haben DU-Waffen als konventionelle Waffen eingestuft, obwohl sie auch die Kriterien für chemische und radiologische Waffen erfüllen würden. Andererseits ist auch in Großbritannien und USA abgereichertes Uran radioaktiver Abfall, der speziell gelagert werden muß.

Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Waffentypen. Vom Golfkrieg und Kosovo sind folgende Typen bekannt:

-120 mm Granaten von M1A1 Abrams-Panzer,

-kleinkalibrige 30 mm-Geschosse aus A-10 (Warthog) und A-8B Flugzeuge, britische Challenger Panzer, US- und britische Phalanx-Gewehre.

-Amerikanische Heckenschützen verfeuerten 7.62 mm und wahrscheinlich 0,5-kalibrige DU-Geschosse.



4. Wer besitzt DU-Waffen?
Wer ist potentieller Besitzer? (Voraussetzungen, Länder)
Wer hat wann und wo erprobt?


In den 50er Jahren bekam das US-Verteidigungsministerium Interesse an abgereichertem Uran, weil es extrem dicht, entzündlich, billig und in großen Mengen in den USA anfällt. In den 60er und 70er Jahren liefen Forschungen und Tests im Freien. Sie bestätigten die Effektivität von DU-Gewehr-Munition, die die kinetische Energie ausnutzen. Sie explodieren nicht, sondern dringen in das Ziel ein, fragmentieren und verbrennen wegen ihrer pyrophoren Eigenschaft und der extrem hohen Temperatur beim Eindringen.

1978 begang man mit der Produktion von DU-Munition, die zuerst in Panzer- und Flugzeugkanonen Verwendung fand. Außerdem wurde es 1988 zum ersten Mal beim M1 Abrams Panzer als Armierung eingesetzt.

Neben den USA besitzt Großbritannien DU-Waffen. Das britische Verteidigungsministerium testet und entwickelt DU-Munition seit 1981 bei Eskmeals an der Küste von Wales (Cumbria) im Lake District Nationalpark. Das geht aus einem Bericht der britischen Umweltbehörde hervor. In diesem Fall wird großer Wert auf den Schutz der Arbeiter und der Bevölkerung gelegt. 90 % des Gewichtes der verschossenen Projektile wurde in den ersten dreizehn Jahren geborgen, 94 % bis 1994. Das Ziel befindet sich in einem "Tunnel" genannten einseitig offenen Gebäude, das über ein Filtersystem verfügt und dessen Wände mit Hochdruckreinigern dekontaminiert werden. Das kontaminierte Wasser wird anschließend endgelagert. Luftproben werden in einem Labor vor Ort gemessen.

Im März 1998 haben nach Informationen der IPPNW die USA einen neuen Test mit Bombenhülsen ohne atomaren Sprengkopf in Alaska durchgeführt, die abgereichertes Uran enthielten. Es sollte festgestellt werden, wie tiefgefrorene Erde durchdrungen wird.

Neben dem hauptsächlichen Einsatz im Golf und Balkan müssen folgende Zwischenfälle erwähnt werden. Im April 1999 feuerte die US Navy versehentlich einige hundert DU-Schuß auf Vieques, Puerto Rica. In Japan gab es einen ähnlichen Zwischenfall auf einer unbewohnten Insel, der von offiziellen US-Stellen im Verteidigungsministerium bestätigt wurde.

Grundsätzlich können alle Länder, die über die entsprechende Technik verfügen, auch DU-Waffen herstellen. Prinzipiell ist neben der reinen Waffentechnik eine Kerntechnik, insbesondere die Anreicherung, Voraussetzung. Natürlich kann man auch den Rohstoff importieren. Damit ist die Proliferationsgefahr nie auszuschließen. Hinzuweisen ist auf die Schwierigkeiten bei der Verarbeitung, wenn fein verteilter Staub entsteht.

Durch Waffenhändler sind DU-Waffen mittlerweile verbreitet worden in mindestens 16 weitere Länder einschließlich Thailand, Taiwan, Bahrain, Israel, Saudi-Arabien, Griechenland, Korea, Türkei, Kuwait. Andere Staaten werden vom Pentagon aus Sicherheitsgründen nicht genannt.



5. Wann und wo wurden DU-Waffen eingesetzt?

Erstmalig wurden DU-Waffen bei der Operation "Wüstensturm" 1991 im Golfkrieg eingesetzt. Es war ein Test unter Kriegsbedingungen. Die TIME schrieb im Februar 1991: "Anfang vom Ende: Der Golf-Krieg." Ein Plan für den dritten Weltkrieg habe seinen ersten realen Test auf dem Boden und im Himmel des Persischen Golfs. Eine Strategie für Zentraleuropa werde validiert im Wüstensand des Golfgebietes. Insgesamt wurden schätzungsweise 300 t verschossen. Dan Fahey gibt an, daß am Ende des Golfkrieges 290.000 kg DU die militärische Ausrüstung und den Boden in Saudi-Arabien, Kuwait und Süd-Irak kontaminierten.

Der Einsatz von DU-Waffen im Kosovo war anfänglich Spekulation, wurde aber in einer Presseerklärung im Mai 1999 von Major General Chuck Wald zugegeben.

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Zivilisten und Militärs, die einer DU-Exposition im Golfgebiet ausgesetzt waren, leiden heute an Gesundheitsproblemen, wie Nierenschäden und Krebs. Nierenschäden sind typisch für Schwermetalle und Krebs kann durch ionisierende Strahlung ausgelöst werden. Somit war der Verdacht nahe, daß DU der Auslöser der Gesundheitsschäden ist oder zumindest daran beteiligt



6. Golfkriegs-Syndrom und andere Pathologien

Im Golfgebiet berichtete erstmals Prof. Günther über ein neues Krankheitsbild in der Zivilbevölkerung. Er brachte seine Beobachtungen mit DU-Geschossen in Verbindung. Beim sogenannten Golfkriegs-Syndrom bei den Golfkriegsveteranen handelt es sich um ein diffuses Krankheitsbild, das Ähnlichkeiten zu den Pathologien in der Zivilbevölkerung aufweist. Ebenso werden Mißbildungen bei Kindern beobachtet.

Im Staat Mississipi sind 67 % der Kinder von Golfkriegsveteranen missgebildet geboren worden oder weisen Organfehlfunktionen auf. Bei den Veteranen bzw. dem mit Aufräumarbeiten beschäftigten Personal wird ein Multi-Organversagen und ein Aids-ähnliches Syndrom beobachtet.

Der Irak legte 1995 der UN eine Studie vor, nach der im Südirak Leukämien und andere Krebsarten stark zugenommen haben, ebenso unklare Krankheitsbilder. Offizielle Stellen berichten von einem Zuwachs von 20 %. Irakische Wissenschaftler bringen dies mit DU in Verbindung. Einige Studien zeigen einen statistisch signifikante Korrelation zwischen der DU-Exposition und den Krebsfällen.



7. Toxizität von Uran -Ausbreitung in der Umwelt, Inkorporationswege beim Menschen

(1) Chemo- und Radiotoxizität

Nach Tests der US-Army verbrennen 18-70 % eines DU-Geschosses und oxydieren zu extrem kleinen Partikeln. Ein 120 mm-Geschoß aus einem Abrams-Panzer erzeugt so 900-3.400 g Urandioxidstaub. Diese Aerosole bestehen zu 50-96 % aus inhalierbaren Teilchen, von denen wiederum 52-83 % in der Lunge unlöslich sind und somit eine große Verweilzeit dort haben. Als Schwermetall ist Uran Chemotoxisch und durch die ionisierende Strahlung der Zerfallsreihe radiotoxisch. Man geht davon aus, daß bei hohen Dosen eine schwermetallvergiftung und bei niedriger Dosis eine Nierenschädigung resultiert. Im Golfgebiet wurden dagegen auch das Auftreten von Tumoren und Krankheitsbilder wie Fehlgeburten oder Mißbildungen beobachtet, die in Verbindung mit der Rad iotoxizität gebracht wurden.

(2) Inkorporationswege

Gesundheitsschäden resultieren durch die durch Aufnahme von Uran in Boden und Grundwasser über folgende Wege:

-Kinder essen Erde,

-Inhalation von Staub,

-Ingestion von Trinkwasser,

-Ingestion von Nahrung, die auf kontaminiertem Boden wächst.

Gesundheitsschäden bei Arbeitern im Uranbergbau resultieren dagegen hauptsächlich durch die Inhalation von Uranstaub.

Die Risikobewertung ionisierender Strahlung im Niederdosisbereich wird kontrovers diskutiert. Klar ist, dass es für die Zelltransforamtion keine Schwellendosis gibt. Grundsätzlich kann jede noch so kleine Strahlen menge (Energiedosis) einen Schaden in der Zelle setzen. Neben dem reinen lonisationseffekt spielt bei der strahlenchemischen und -biologischen Wirkungskette auch die Bildung sogenannter freier Radikale eine große Rolle, die chemisch äußerst aktiv sind. Zu der radiologischen Bewertung und dem heutigen Kenntnisstand sei auf die Ausführungen von Professor Kuni verwiesen.



8. Welche Ursachen werden diskutiert?

Neben DU werden als potentielle Ursachen für die vielfältigen Krankheitsbilder auch chemische Noxen, wie Kampfstoffe oder Chemikalien, die als Schutz gegen andere Noxen wirken diskutiert. Ein Beispiel sind Vaccine als Schutz gegen Nervengas oder biologische Waffen. Bei Ölbränden werden chemische Gifte und Rauch freigesetzt. Außerdem wurden Pestizide und Insektizide gegen die Sandfliege eingesetzt als Schutz vor Leishmaniase.

Von westlichen Truppen wurde z.B. Napalm eingesetzt. Die Angaben über den Umfang sind widersprüchlich. Das Pentagon behauptet, es sei nur eingesetzt worden, um Öl zu entzünden. Die Washington Post berichtet auch über den Einsatz gegen verschanzte Truppen.

Die Analyse von Pflanzen-, Wasser-, Boden-, Urin- und Blutproben aus der Golfregion bestätigte den Einsatz weiterer chemischer Kampfstoffe wie Mycotoxine. Synergistische Effekte dürfen daher nicht ausgeschlossen werden. Die beobachteten Krankheitsbilder scheinen multifaktoriel bedingt zu sein, wobei nach dem heutigen Stand der Strahlenbiologie und der bisherigen Praxis von Bewertungskriterien eine größere Rolle der radiotoxischen Wirkung nicht ausgeschlossen werden kann. Weitere unabhängige Forschungsarbeiten sind hier notwendig. Die kanadische Strahlenexpertin Rosalie Bertell diskutiert Einflüsse auf das Immunsystem im Niederdosisbereich, was die Immunpathologien erklären könnte.



9. Problem der Risikoeinschätzung von Umweltnoxen

Ein kausaler Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung ist im Bereich der Umweltmedizin nur schwer nachzuweisen. Gerade im Niederdosisbereich oder bei vielfältigen Ursachen sind epidemiologische Studien in der Regel nicht hilfreich. Daher wird schon länger gefordert, Wirkungsmechanismen auf molekularer und zellulärer Ebene aufzuklären. Dies kann die einzige sinnvolle Alternative zu epidemiologischen Studien sein. Im Bereich der Strahlenbiologie ist man in den letzten Jahren in diesem Bereich weit gekommen. Das Problem ist jedoch, im konkreten Fall Förderungen und Aufträge zu bekommen.

Auf der anderen Seite sollte man sich, speziell im Falle der DU-Waffen, fragen, ob man auf konkrete Forschungsergebnisse warten sollte, ehe man Konsequenzen zieht. Sollten nicht ethische Grundsätze und Plausibilitätsbetrachtungen ausreichen?

Ich hoffe, wir kommen auf unserer Tagung dem aktuellen Kenntnisstand und der Klärung dieser Frage näher.

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Ausgewählte Quellen:

Elsner, Karbe: Von Jächimov nach Haigerloch. Der Weg des Urans für die Bombe. Zugleich eine Geschichte des Joachimsthalers Lungenkrebses, Hamburg, 1999

U.S. Agency for Toxic Substances and Disease Registry (ATSDR): Toxicological Profile for

Uranium, Draft for Public Comment, September 1997

Jacob, P. et al.: Machbarkeitssstudie zur Verknüpfung der Bewertung radiologischer und chemosch-toxischer Wirkungen von Altlasten, Umweltbundesamt, Berlin, 197

Physicians for Social Responsibility: lssue Brief: Depleted Uranium Weapons, July 1999

Fahey, Dan: Depleted Uranium Weapons: Lessons from the 1991 Gulf War, in: Depleted

Uranium. A Post-War Disaster for Environment and Health, LAKA, Amsterdam, 1999

Beginning of the End: The GuIf War. 25.2.1991

Kontakt:
e-mail: 1179-882@online.de

aus: Dokumentation der Tagung "Uran-Waffen im Einsatz: Irak, Kosovo, ... " vom 21.-23.01.2000 in der Ev. Akademie Mülheim a.d. Ruhr (
http://www.ekir.de/akademie.htm)


Reinhard Wolff ist Diplom-Physiker und Medizinphysiker
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