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munition
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vom:
Januar 2001


update:
Januar 2001


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Uranmunition und andere Verstöße

 Pressestimmen

Presse vom 22.-28.01.2001

diverse Zeitungen

22.01.

SZ: Mit scharfer Munition aus der Deckung

Bremer Nachrichten Scharpings "Risiko Null"

FR: Scharping rüffelt unsensible US-Informationspolitik bei Uranmunition

24.01.

ap: Auch Bundeswehr schoss möglicherweise mit Uranmunition

25.01.

taz: Über Zivilisten wurde kaum geredet

ND: Uran-Munition von NVA übernommen

Remscheider GA: Untersuchung über Rheinmetall-Tests mit Uranmunition angeordnet

Darmstädter Echo: Panzerwald in Viernheim

26.01.

Freitag: 31.000 Granaten - gehärtet und effizient

taz: Uranmunition ächten





Quelle: SZ vom 22.01.2001 Politik

Mit scharfer Munition aus der Deckung

Scharping erinnert Bündnispartner USA an Informationsauftrag und spricht von "verdammter Pflicht und Schuldigkeit" / Von Christoph Schwennicke

Sarajewo/Prizren - Ach wäre doch überall Balkan. Verteidigungsminister Rudolf Scharping, in Deutschland stark unter Druck wegen der Uran-Munition, steht im Speisesaal des Feldlagers Rajlovac bei Sarajewo und hält am ersten Abend seines zweitägigen Truppenbesuchs in Bosnien und im Kosovo fest: "Die Debatte, die in Deutschland stattfindet, unterscheidet sich offenbar sehr von dem, wie sie hier stattfindet." Zu diesem Zeitpunkt, Scharping ist schon wieder entspannt, hatte die Reise des Ministers bereits einen Gutteil des Zwecks erfüllt: Alle zu sprechenden Bundeswehrsoldaten in Rajlovac hatten deutlich zu erkennen gegeben, dass sie sich wegen der mit Uran angereicherten Munition der Nato nicht in Gefahr fühlen. Der Straßenverkehr, so hatte ein General ausgeführt, sei hier viel gefährlicher als herumliegende Munition. Oder wie es ein anderer formulierte: "Keinerlei Aufgeregtheiten. Die Menschen haben hier ganz andere Probleme."

Hoheit über die Art der Fragen

Nicht, dass Scharping von Beginn der Reise an so entspannt gewesen wäre. Im Gegenteil. Bei der ersten Fragerunde mit dem befehlshabenden Oberst der deutschen SFOR-Kräfte übernimmt Scharping die Moderation und vorsorglich auch die Hoheit über die Art der Fragen. Eine Frage lässt ihn besonders erkennbar aus der Haut fahren. Was er dazu sage, dass der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, 2900 Zeugen auffahren könne, die bestätigten, die ersten deutschen Balkansoldaten seien nicht hinreichend auf die Risiken der Uran-Munition hingewiesen worden? "Ich habe nicht die Absicht, das zu kommentieren", sagt Scharping.

Da kämpft ein Minister und fühlt sich ungerecht behandelt. Er, der für sich in Anspruch nimmt, alles zum Schutz der deutschen Soldaten getan zu haben, muss für etwaige Versäumnisse vor seiner Zeit einstehen - und für die mäßige Informationspolitik der USA, die für die verschossene Munition verantwortlich sind. In seinen Augen läuft gerade ein politisches Ränkespiel gegen ihn. Die PDS habe ein Interesse, den Kosovo-Krieg im Nachhinein zu delegitimieren, sagt er. Und die Union spiele ihr dabei "in fahrlässiger Weise in die Hände". Überhaupt, so ist Scharpings politische Bewertung der letzten Tage, geht die Opposition vor nach dem Motto: "Wir haben zwei rausgeschossen. Jetzt müssen wir versuchen, an die Eckpfeiler der Regierung auch noch ranzukommen."

Einige Zweifel an der letzten Sorgfalt bei der Vorbereitung der deutschen Soldaten werden aber auch bei Scharpings Besuch befördert. Der befehlshabende Oberst beispielsweise berichtet von drei deutschen Soldaten, unter ihnen sind zwei Ärzte, die sich über unzureichende Vorabinformation beklagt hätten. Eine Radiologin der Bundeswehr sagt, sie sei zwar über das "spezielle Risiko der DU-Munition" vorab informiert worden. "Das ist aber je nach Wehrbereich sehr unterschiedlich wahrgenommen worden."

Der Verteidigungsminister verschärfte unterdessen bei seiner Ortsbesichtigung den Ton gegenüber den USA. Er werde sich "nicht damit zufrieden geben, dass unsere amerikanischen Freunde ihrer Informationspflicht dadurch Genüge tun, seitenlange Auszüge aus dem Internet zur Verfügung zu stellen. Das können wir selber." Von einer "Frage der Vertrauensgrundlage im Bündnis" spricht Scharping noch, und von der "verdammten Pflicht und Schuldigkeit eines Partners". Die USA hatten in den Kriegen in Bosnien 1994/95 und im Kosovo 1999 Zehntausende uranhaltige Geschosse abgefeuert. Uran-Munition ist besonders gehärtet und wird zur Bekämpfung gepanzerter Ziele verschossen. Scharping hat wiederholt erklärt, die Strahlung der Geschosse sei zu vernachlässigen. Beobachtet werden müsse jedoch die Giftigkeit des Schwermetalls Uran. Erst vorige Woche hatte Scharping den amtierenden US-Botschafter einbestellt und zur Aufklärung über mögliche Gesundheitsrisiken aufgefordert. Daraufhin hatten die Amerikaner eine Liste mit neun Zwischenfällen übergeben, bei denen möglicherweise Uran-Munition eine Rolle spielte.



Quelle: Bremer Nachrichten (
http://www.bremer-nachrichten.de)

Scharpings "Risiko Null"

Uran-Munition im Mittelpunkt des Ministerbesuchs in Bosnien. Von unserem Korrespondenten Andreas Herholz

Sarajevo. Der Strahlenschützer lieferte den Beweis "Risiko Null". Professor Herwig Paretzke hält Rudolf Scharpings Kriegstagebuch "Wir dürfen nicht wegsehen" vor das Urangeschoss und schon hört der Geigerzähler auf zu knistern. Der Verteidigungsminister ist zufrieden und lässt im Konferenzraum des Feldlagers Progres im Kosovo noch einen weiteren Kronzeugen zu Wort kommen: "Zwei Tage vor Abmarsch sind wir informiert worden", weist der Vorwürfe zurück, das Ministerium habe die KFOR-Soldaten im Unklaren über die Gefahren der DU-Munition gelassen. "Haben wir irgendwo einen Hinweis, dass davon ein besonderes Risiko ausgeht?", fragt der Verteidigungsminister, blickt in die Runde der Soldaten und Journalisten und gibt die Antwort selbst: "Wir haben den Hinweis nicht." Die Diskussion über mögliche Gefahren der im Krieg eingesetzten DU-Munition (DU - abgereichertes Uran) - für den Chef der Truppe ist sie "eine Debatte, die vor allem in Deutschland stattfindet" und hier von den Soldaten in Bosnien-Herzogovina und im Kosovo "viel nüchterner" geführt werde. Risiko für die Bundeswehr-Einsatzkräfte von KFOR und SFOR? Das sei "nur beachtlich gering". Keine Gefahr, so die Botschaft.

Bei seinem Ortstermin wird der "Minister im Minenfeld" nicht müde, sich und sein umstrittenes Krisenmanagement zu verteidigen. "Wenn Sie von Deutschland nach New York fliegen, ist die Strahlung 24mal höher als wenn Sie ein halbes Jahr im Kosovo neben der Munition stehen", gibt Scharping Entwarnung und reagiert dünnhäutig und gereizt auf allzu kritische Fragen. Gerade noch als "Reservekanzler" im Gespräch, nun als "Wackelkandidat" mit dem Rücken zur Wand - eine Rolle, die dem eitlen Brandt-"Enkel" gar nicht gefällt.

Lücken in der Informationspolitik und Unwahrheiten, wie sie der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes Bernhard Gertz Scharping vorwirft? "Das kommentiere ich nicht", will sich der Chef der Hardthöhe erst nicht dazu äußern, lässt dann aber den Vertrauensmann der Truppe in Rajlovac antworten: "Gertz wird ein Problem bekommen, Soldaten zu finden, die das bestätigen", weist Wolfgang Bender die Kritik des Bundeswehrverbandes zurück. "Die Stimmung in der Truppe ist gut", beobachtet Bender. Nur die Ehefrauen und Partner machten sich Sorgen wegen der "übersteigerten Hysterie" zu Hause. "Personen, die damit umgehen, sollten aufpassen, dass sie keine schmutzigen Hände in den Mund nehmen", warnt Scharpings Berater, der Münchner Strahlenexperte Paretzke, dennoch vor giftigen Schwermetallstäuben.

Der Verteidigungsminister verweist immer wieder auf die "klare Vorschriftenlage" im Umgang mit Munition und die frühe umfassende Information in der Öffentlichkeit. Doch es gibt auch andere Stimmen: Zwei Ärzte aus dem Feldlazarett zum Beispiel, die sich nicht genug über die Uran-Munition informiert fühlten, um die Soldaten über mögliche Gefahren zu beraten. Oder eine Radiologin, die davon spricht, dass die Information "in den verschiedenen Wehrbereichen sehr unterschiedlich verlaufen ist". Sie und ihre Kollegen hätten sich schließlich per Internet mit Informationen versorgt.

Doch statt bohrender Fragen über die strahlende DU-Munition zu stellen, klagen die Soldaten bei ihrem Dienstherrn vor allem über andere Probleme: Beförderungsstau, drohende Standortschließungen ("Wenn ich wieder zurückkomme ist meine Einheit vielleicht aufgelöst, oder ich stehe vor verschlossenen Türen"), zu hohe Telefon- und Internetkosten und die viel zu langsame Feldpost. Zwei Tage lang lässt der Verteidigungsminister bei seinem nachgeholten Weihnachtsbesuch jede Menge Kronzeugen zu Wort kommen: Immer an seiner Seite Strahlenfachmann Professor Paretzke, der ihm wissenschaftliche Rückendeckung gibt. "Wir sind hier keiner Gefährdung ausgesetzt", lautet auch das Fazit des Kommandeurs des deutschen Kommandos in Rajlovac, Oberstleutnant Gareiß. Fragen und Widerspüche bleiben: Weshalb soll die NATO künftig auf Uran-Munition verzichten, wenn sie nicht gefährlich ist? Mit der Uran-Munition sei "ein hohes Maß an Sensibilität und Emotionalität" verbunden. Außerdem seien mit dem Einsatz anderer Geschosse die gleichen Ergebnisse zu erzielen, windet sich Scharping und versucht, in die Rolle des Aufklärers zu schlüpfen: Es sei die "verdammte Pflicht und Schuldigkeit eines Freundes, zu informieren", fordert der Verteidigungsminister von den USA Aufklärung über die Spuren von Plutonium in der Munition. "Ich werde mich nicht damit zufrieden geben, dass unsere amerikanischen Freunde ihrer Informationspflicht dadurch nachzukommen glauben, dass sie uns nur eine Menge Seiten aus dem Internet überreichen", schießt er weiter gegen Washington.



Quelle: FR

Scharping rüffelt unsensible US-Informationspolitik bei Uranmunition

Dem Minister sind "Ausdrucke aus dem Internet" nicht genug / Gesundheitsgefährdung durch DU-Geschosse hält er für gering

Von Axel Vornbäumen

Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) will den Regierungswechsel in Washington dazu nutzen, die zurückhaltende Informationspolitik der USA bei militärischen Angelegenheiten zu verändern - dies sei "die verdammte Pflicht und Schuldigkeit einer befreundeten Regierung".

PRIZREN, 21. Januar. Scharping ist in der laufenden Diskussion um das so genannte "Balkan-Syndrom" weiterhin verstimmt, dass die USA nur unzureichend Auskunft über die Verwendung uranhaltiger Munition während des Kosovo-Krieges gegeben haben. Bei einem Truppenbesuch deutscher Sfor- und Kfor-Soldaten in Bosnien und Kosovo sagte der Minister am Wochenende, er werde sich "nicht damit zufrieden geben, dass unsere amerikanischen Freunde glauben, dass sie ihrer Informationspflicht genüge tun, dadurch, dass sie seitenlange Ausdrucke aus dem Internet überreichen. Das können wir uns selber besorgen."

Nach Ansicht des Ministers, der vergangene Woche deswegen auch den Geschäftsträger der US-Botschaft in Berlin einbestellt hatte, sind insbesondere die USA zu unsensibel mit den Bedenken der Öffentlichkeit umgegangen, uranhaltige Munition könne Krebs verursachen. Man könne, so Scharping, "in einer aufgeheizten Situation nicht so tun, als wäre da gar nichts".

Scharping selbst betonte allerdings vor den Soldaten, dass er die Gesundheitsgefährdung durch die DU-Munition für die in Bosnien und Kosovo stationierten Truppen für praktisch nicht gegeben hält. Bei einem Flug in die USA nehme man mehr Strahlung auf, als wenn man sich ein Jahr lang in einem Meter Abstand neben ein uranhaltiges Geschoss stellen würde. Der Minister zeigte sich dennoch verärgert darüber, dass die USA bei einem Mediziner-Treffen der Nato in Brüssel keine präzise Auskunft hätten geben können.

Die in Kosovo und Bosnien stationierten Soldaten bewegt die Diskussion um das Balkan-Syndrom indes weit weniger als die Öffentlichkeit im Heimatland. Nach Angaben des Kommandeurs des Deutschen Heereskontingents der Sfor-Soldaten in Sarajevo, Oberst Hans Robert Gareißen, sei zwar "initiiert durch die öffentliche Diskussion im Heimatland ein erhöhter Informationsbedarf zu decken", eine Beunruhigung sei aber weder seitens der Soldaten noch seitens der heimischen Bevölkerung festzustellen. "Die Menschen haben hier ganz andere Probleme, als sich mit der Belastung von DU-Munition zu beschäftigen", sagte Gareißen.

Vorwürfe des Chefs des Bundeswehrverbandes, Oberst Bernhard Gertz, er könne zur Not 2.900 Soldaten benennen, die als Zeugen aussagen würden, sie seien vor ihren Balkan-Einsätzen unzureichend über gesundheitliche Gefahren informiert worden, wurden bei dem Truppenbesuch Scharpings von Soldaten zurückgewiesen.

Scharping animierte die Soldaten mehrfach, über ihre Sorgen und Nöte zu berichten. Die präsentierten ihre eigene Gefährdungsskala. Brigadegeneral Bernd Hografe sagte, die größten Gefahren gingen vom Straßenverkehr aus, dann folgten Sprengfallen, Überfälle und Hinterhalte.

Auch am Sonntag beim Besuch des deutschen Kfor-Kontingents in Prizren bemühte sich Scharping, die Ungefährlichkeit von DU-Munition zu dokumentieren. Er ließ einen Strahlenschutzexperten ein uranhaltiges Geschoss direkt vor seinen Augen auf Strahlung untersuchen. Der Wissenschaftler demonstrierte, wie die ohnehin geringe Strahlung der Munition besonders effektiv abgehalten werden kann: Er hielt ein Buch zwischen Geschoss und Messgerät - Titel: "Wir dürfen nicht wegsehen". Autor: Rudolf Scharping.



Quelle: Nachrichtenagentur ap - 18.08 Uhr

Auch Bundeswehr schoss möglicherweise mit Uranmunition

Berlin (AP): Auch die Bundeswehr hat möglicherweise Uranmunition verschossen. In Raketen der Nationalen Volksarmee und der Roten Armee, die von der Bundeswehr Anfang der 90er Jahre übernommen wurden, sei abgereicherte Uranmunition enthalten gewesen, sagte Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping am Mittwoch in Berlin. Es könnte auch zu einem Verschuss gekommen sein, erklärte er.

Nach Angaben Scharpings wurden 1.500 Raketen des Flugzeugs MIG 29 von der Bundeswehr übernommen, 1.000 seien entsorgt und 500 umgerüstet worden. Es gebe Hinweise, dass einige der Geschosse abgefeuert worden seien, sagte der SPD-Politiker nach einer Sitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestags. Scharping forderte die USA erneut auf, lückenlos über die Verwendung von Uranmunition aufzuklären. «Wir brauchen Messergebnisse und belastbare Fakten, Einschätzungen reichen nicht aus», sagte er.

Unterdessen kündigte die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn an, dass zwölf Jahre nach dem Absturz einer amerikanischen Militärmaschine im Dezember 1988 über Remscheid die Umstände erneut geprüft würden. Die aktuelle Diskussion um Uranmunition und neue, anonyme Beschuldigungen, dass damals amtliche Messdaten gefälscht worden seien, hätten sie zu der Überprüfung veranlasst, erklärte die Grünen-Politikerin. (..)

Der Heeresinspekteur der Bundeswehr, Helmut Willmann, verteidigte Scharping gegen Vorwürfe, schlechte Informationspolitik betrieben zu haben. Willmann betonte, dass er mit dem ersten Befehlshaber der im Kosovo-Krieg auf den Balkan entsandten Bundeswehrsoldaten, Hartmut Harff, darüber gesprochen habe. Harff habe ihm bestätigt, dass es bereits vor Einsatzbeginn im Juni 1999 Warnungen über den Umgang mit uranhaltiger Munition an die Truppe gegeben habe. (..)



Quelle: taz, 25.01.

Über Zivilisten wurde kaum geredet

Der Verteidiungsausschuss des Bundestages erörtert die Gefahren von Uran-Munition - nicht nur im Kosovo. Sorge macht den Abgeordneten, dass die Munition außer mit Plutonium mit weiteren Transuranen verunreinigt sein soll. Das wird nun geprüft.

Bettina Gaus

Wäre Rudolf Scharping als Politiker nicht vor Strafverfolgung geschützt - er hätte dem Verteidigungsausschuss wohl besser nicht anbieten sollen, ein bisschen Uran-Munition zur nächsten Sitzung mitzubringen. So etwas kann nämlich teuer werden:

Zu einer Strafe von 3.000 Mark hat das Amtsgericht Berlin-Tiergarten einen Arzt verurteilt, der nach einem Irak-Besuch ein Geschoss mit Resten von abgereichertem Uran der Strahlenklinik der Freien Universität Berlin zur Untersuchung übergeben hatte.

Das Hessische Ärzteblatt veröffentllchte1995 in einem Sonderdruck Einze1heiten über den Fall. Demnach hatte eine Gruppe von Ärzten 1992 den Irak bereist und beobachtet, wie Kinder mit herumliegenden Geschossen und Hülsen spielten. Den Medizinern wurde von mehreren Leukämiefällen berichtet. Professor Siegwart G. nahm ein Geschoss mit, weil, so das Ärzteblatt, "im Irak keinerlei Untersuchungsmöglichkeiten bestanden".

Die Zeitschrift zitiert den telefonischen Untersuchungsbefund des Rudolf Virchow Krankenhauses: "Die Strahlung ist nicht stark, aber natürlich ist dringend davon abzuraten, dass Kinder damit spielen. Wir haben das Geschoss der Berliner Polizei übergeben." Die Staatsanwaltschaft wurde aktiv. Sie klagte den Arzt an, radioaktive Abfälle rechtswiedrig nicht ordnungsgemäß abgeliefert zu haben. In der Urteilsbegründung hieß es später: "Durch falschen Umgang mit dem Projektil entsteht die Gefahr der Kontamination und Inkorporation radioaktiven Materials, was zu einer Gesundheitsgefährdung führen kann.

Die Mitglieder des Verteidigungsausschusses wurden dieser Gefahr nicht ausgesetzt. Nachdem die Unionsparteien das Uran-Mitbringsel von Scharping abgelehnt hatten - "Kasperletheater" -, verzichtete der Minister darauf und beschränkte sich gestern auf mündliche Informationen. "Die Botschaft sollte sein: Das Strahlerisiko ist vernachlässigbar gering", sagte hinterher ein Teilnehmer. Allerdings habe der Inspekteur Sanitätswesen darauf hingewiesen, dass die arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen im Bereich radioaktiver Strahlung keine Grenzwerte vorsähe, weil immer ein Restrisiko bestehe. Geprüft wird derzeit, ob die Uran-Munition außer mit Plutonium noch mit weiteren Transuranen verunreinigt ist. Dieser Verdacht wird unter anderem durch eine Stellungnahme des US-Verteidigungsministeriums genährt. Ein Sprecher hatte mitgeteilt, dass drei Munitionsfabriken denen sie wiederaufbereitetes Uran verarbeitet hatten. Beim Gebrauch bereits kontaminierter Werkzeuge sei dann auch die Munition mit Transuranen verunreinigt worden. Die Spuren seien jedoch zu gering um ein Risiko für Gesundheit oder Umwelt zu bedeuten.

Der deutsche Verteidigungsausschuss befasste sich gestern erneut vorwiegend mit der Frage möglicher Gesundheitsrisiken für die auf dem Balkan eingesetzten Soldaten. Die Lage der dort lebenden Zivilbevölkerung habe dagegen "eine vergleichsweise sehr geringe Rolle" gespielt. Außerdem gilt das Interessese von Öffentlichkeit und Fachleuten nach wie vor fast ausschließlich dem Kosovo - die Tatsache, dass Uran-Munition auch in Bosnien verschossen wurde, findet kaum Beachtung.

Immerhin soll Scharping dem Ausschuss gestern mitgeteilt haben, dass die damalige Bundesregierung einen Befehl zum ABC-Schutz vom Februar 1997 auch dann noch für ausreichend gehalten hatte, als sie einige Monate später vom Einsatz der Uran-Munition in Bosnien erfuhr. Weitere Maßnahmen wurden offenbar nicht veranlasst.

Fragen nach dem Zeitpunkt und dem Weg der Information über den Einsatz von Uran-Munition in Bosnien sowie nach Maßnahmen zum Schutz der dort lebenden Bevölkerung hatte die taz bereits vor zwei Wochen an das Verteidigungsministerium gerichtet. Wir wollten außerdem wissen, weshalb das Ministerium für die in Bosnien stationierten Bundeswehrangehörigen nicht die gleichen systematischen Gesundheitsuntersuchungen veranlasst hat wie für die Soldaten in Kosovo.

Die Fragen seinen "sehr komplex" und "detailliert", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in einer ersten Stellungnahme. Er bat um Verständnis dafür, dass die Beantwortung einige Zeit in Anspruch nehmen könne. Weitere Informationen waren bislang nicht zu erhalten. Rudolf Scharping hat gestern übrigens erneut jede Kritik an seiner Informationspolitik vehement zurückgewiesen.



Quelle: Neues Deutschland 25.01

Bundeswehr:

Uran-Munition von NVA übernommen

Noch am 9. Januar gegenüber ND dementiert

Berlin (dpa/ND): Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) hat am Mittwoch in Berlin mitgeteilt, es gebe Hinweise, dass die Bundeswehr in den neunziger Jahren abgereicherte Uran-Munition aus Beständen der Nationalen Volksarmee der DDR und der Westgruppe der Sowjetarmee verschossen hat. Scharping berichtete, nach der deutschen Wiedervereinigung habe die Bundeswehr Bestände der NVA und der Sowjetarmee übernommen. In Lenkflugkörpern der MiG 29 sei abgereicherte Uran-Munition enthalten gewesen. Davon seien 1500 übernommen worden. 1.000 seien im Wege der Kampfmittelbeseitigung entsorgt und 500 durch Entfernung des Uran-Kerns umgerüstet worden. Es gebe Hinweise, dass acht bis zehn Geschosse abgefeuert worden seien.

"Neues Deutschland" hatte bereits am 10. Januar über diese von der NVA übernommenen Bestände berichtet. Sowohl die zuständige 3. Luftwaffendivision als auch das Verteidigungsministerium hatten jedoch noch am Tage vor Erscheinen des Berichts jede Kenntnis über die Übernahme und die Verwendung der NVA-Munition abgestritten.

Beim Wehrbeauftragten sind Scharping zufolge bislang 26 "textgleiche" Beschwerden von Soldaten eingegangen, die sich für den Umgang mit Uran-Munition in Kosovo ungenügend aufgeklärt fühlten. Man könne nicht erwarten, dass alle Soldaten auf alle Einzelheiten beim Einmarsch in ein feindliches Umfeld achteten. Das bedeute nicht, dass es die Anweisungen nicht gegeben habe, so Scharping.



Quelle: Remscheider General Anzeiger

Untersuchung über Rheinmetall-Tests mit Uranmunition angeordnet

Hannover (dpa) - Das niedersächsische Umweltministerium hat Untersuchungen über die Schießversuche mit Uran-Munition im Landkreis Celle angeordnet.

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hatte in den 70er Jahren Tests mit derartigen Schießkörpern unternommen. Das Umweltministerium habe Untersuchungen angeordnet. Unterdessen das zuständige Gewerbeaufsichtsamt Celle aufgefordert, mitzuteilen, was damals passiert ist und ob sie es überhaupt gewusst haben, sagte eine Sprecherin in Hannover.



Quelle: Darmstädter Echo

Panzerwald in Viernheim

VIERNHEIM (SP). Bei einem Unfall auf dem US-Truppenübungsplatz im Wald zwischen Viernheim und Lampertheim ist 1982 keine Radioaktivität freigesetzt worden. Dies haben die Amerikaner dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch schriftlich mitgeteilt. Damals sei keine so genannte DU-Munition (Depleted Uranium, abgereichertes Uran) im Spiel gewesen. Dies teilte der Regierungssprecher Dirk Metz gestern in Wiesbaden mit. Nach Bekanntwerden der entsprechenden Nachrichten am Wochenende hatte die Landesregierung die US-Streitkräfte um Aufklärung gebeten.

Bei einem Unfall am 23. März 1982 sei ein Kampfpanzer vom Typ M 60 A1 in Brand geraten. Die amerikanischen Streitkräfte hätten zu diesem Unfall mitgeteilt, dass dieser Panzertyp keine DU-Munition führe. Auch der Unfallbericht gebe keinerlei Hinweise, dass derartige Munition involviert gewesen sei, so der US-Verbindungsoffizier weiter.

Bei einem Vorfall in Fulda am 5. August 1981 hätte ein Kampfpanzer vom Typ M 60 A3 bei einer Ladeübung mit einer Übungsgranate versehentlich eine scharfe Granate abgeschossen. Dabei hätte es sich eindeutig um ein so genanntes "Tungsten-Geschoss" gehandelt. Auch hier sei keine DU-Munition im Spiel gewesen.



Quelle: Freitag Nr. 5 - 26.01.2001

31.000 Granaten - gehärtet und effizient

Die Uran-Munition der USA und das Völkerrecht - Schon die Haager Landkriegsordnung von 1907 verbietet die Anwendung "vergifteter Waffen"

Es besteht kein Zweifel, dass bei der Kosovo-Intervention der NATO in erheblichem Umfang Urangeschosse zur Anwendung gekommen sind. Aufgrund ihrer enormen Durchschlagskraft sind diese Geschosse insbesondere Weise geeignet, starke Panzerungen zu durchbrechen. Umstritten ist dabei allerdings, inwieweit diese Munition beim Aufschlag Strahlung und Gifte freisetzt. Aus der Sicht des humanitären Völkerrechts - der im Gegensatz zu Friedenszeiten geltende Rechtsordnung bewaffneter Konflikte - wirft ,die Anwendung von Urangeschossen eine Reihe beträchtlicher rechtlicher Fragen auf.

Zunächst einmal vor allem die der "Zurechenbarkeit", das heißt: Ist die NATO, ist der einzelne Mitgliedsstaat überhaupt verpflichtet, humanitäres Völkerrecht einzuhalten? Hier wäre zunächst darauf zu verweisen, dass die Mitglieder des Paktes als Einzelstaaten den einschlägigen Verträgen beigetreten sind, sprich: den vier Genfer Konventionen aus dem Jahr: 1949, denen ausnahmslos alle NATO-Staaten angehören. Einige haben zudem die Zusatzprotokolle aus dem Jahr 1977 (ZP 1 und ZP II) ratifiziert. Daraus wiederum folgt: Für die Einzelmitglieder der Allianz besteht ein unterschiedlicher rechtlicher Bindungsgrad an Regeln humanitären Völkerrechts. Die NATO selbst besitzt in diesem Sinne keine Bindung an völkerrechtliche Verträge, woraufhin denn auch Jugoslawien 1999 nach der Kosovo-Intervention nicht den Nordatlantikpakt, sondern dessen Mitgliedsstaaten wegen der Verletzung des Gewaltverbots vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verklagt hat (das Urteil steht noch aus; vorsorgliche Maßnahmen wurden durch dieses Gericht jedoch abgelehnt). Das heißt, jeder NATO-Staat muss in jedem Fall prüfen, ob sich Entscheidungen der Allianz mit seinen völkerrechtlichen Pflichten decken. Im Falle von Rechtsverletzungen kann Schadenersatz die Folge sein, auch eine internationale, individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit von Militärs ist keineswegs ausgeschlossen.

Da nun die 31.000 Granaten mit abgereichertem Uran offenkundig allein von den US-Streitkräften verschossen wurden, ist im weiteren lediglich auf die völkerrechtliche Pflichtenlage der USA einzugehen - bezogen auf den Umstand, wonach das humamtäre Völkerrecht etliche Verbote von Kampfmitteln einschließt. Falls die Urangeschosse Plutonium freisetzen, so wäre Artikel 23a, der Haager Landkriegsordnung (LKO) vom 18. November 1907 einschlägig. Dieser verbietet die Verwendung von Gift und vergifteten Waffen, woran die USA gebunden sind. Es handelt sich bei diesem Verbot nicht nur um die älteste Einschränkung hinsichtlich der Kampfmittel, die entsprechende Regel der LKO trägt unstrittig auch gewohnheitsrechtlichen Charakter. Dieses Verbot gilt im Übrigen gemäß, Artikel 54, Zusatzprotokoll 1 (ZP 1) der Genfer Konvention, auch für die Vergiftung von Nahrungsmitteln. Allerdings unterliegen unbeabsichtigte und unerhebliche giftige Nebenwirkungen von ansonsten erlaubten Kampfmitteln nicht dieser Bestimmung.

Schließlich kennt das humanitäre Völkerrecht ein Verbot bestimmter Kampfmethoden - mit anderen Worten, das Recht der ,Konfliktparteien, Mittel zur Schädigung des Gegners anzuwenden, ist nicht unbegrenzt. Es ist eindeutig verboten, Angriffe gegen die Zivilbevölkerung als solche zu richten. Zu jeder Zeit muss zwischen Personen, die an Kampfhandlungen teilnehmen und Zivilisten unterschieden werden (Artikel 4,8 ZP 1). Zugleich dürfen nach Artikel 51 des Zusatzprotokolls I der Genfer Konventionen militärische Ziele nur unter "größtmöglicher Schonung" der Zivilbevölkerung angegriffen werden. Da jedoch die USA diese Dokument nicht unterzeichnet haben, sind sie vertragsrechtlich an diese Bestimmung nicht gebunden. Gleichwohl wäre hier aber der "Unterscheidungsgrundsatz" geltend zu machen: eine allgemein verbindliche Norm des Völkergewohnheitsrechts, deren Geltung auch in Washington nicht bestritten wird. Sie verpflichtet dazu, stets danach zu fragen, ob der Angriff auf Panzer in ziviler Umgebung und das Nichtbeseitigen abgeschossener Panzer mit möglichen Gefährdungen für die Zivilbevölkerung diesem "Unterscheidungsgrundsatz" widerspricht. Bisherige Erkenntnisse im Verbindung mit dem Einsatz von Uran-Munition legen einen solchen Schluss nahe - für abschließende Urteile scheint es noch zu früh.

Die Gefährdung von eigenen Soldaten durch die Verwendung ,von Uranbomben dürfte vom Grundsatz her nicht als ein Problem des humanitären Völkerrechts angesehen werden. Hierbei geht es wohl eher um die "Obhutspflicht" des Staates gegenüber den in seinen Diensten stehenden Personen.

Dr. Hans-Joachim Heintze ist Dozent am Institut für Friedenssicherungstecht und Humanitäres Völkerrecht an der Ruhr-Universität Bochum und verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift Humanitäres Völkerrecht.

siehe dazu auch den Beitrag von
Manfred Mohr "Einige grundlegende Aspekte der Völkerrechtswidrigkeit von Uranwaffen"



Quelle: taz

Uranmunition ächten

Europarat fordert Totalverbot von Uranmunition. Nato bleibt stur: Kein Gesundheitsrisiko erkennbar

STRASSBURG/BERLIN (dpa/ddp): Der Europarat hat ein totales Verbot von uran und plutoniumhaltiger Munition gefordert. Herstellung, Tesls, der Gebrauch und der Verkauf dieser Waffen müssten geächtet werden, heißt es in einer von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats verabschiedeten Entschließung. Der Einsatz von uranhaltiger Munition im Kosovo durch die Nato hat nach Auffassung der Abgeordneten "lang anhaltende Auswirkungen auf die Gesundheit und Lebensqualität in Südosteuropa und beeinträchtigt künftige Generationen".

Die Nato und die Vereinten Nationen wurden aufgefordert, einmedizinischesÜberwachungsprogramm für die Zivil bevölkerung, auf dem Balkan eingesetzte Soldaten und Mitarbeiter der Hilfsorganisationen aufzulegen. Die Abgeordneten verlangten die Ausarbeitung einer internationalen Konvention, die künftig kriegsbedingte Umweltschäden begrenzen soll.

Die Nato beharrt jedoch auf ihrer Position: Die Überreste abgereicherter Uranmunition bedeuten kein Gesundheitsrisiko für Soldaten und Bevölkerung im Kosovo. Das bekräftigte Nato-Generalsekretär George Robertson gestern nach einem Gespräch mit Verteidigungsminister Rudolf Scharping. Er sagte, es könne ,,kein wissenschaftlicher Zusammenhang" zwischen den Erkrankungen einiger Soldaten und ihrem Dienst im Kosovo bewiesen werden. Zum gleichen Ergebnis seien auch die Studien des deutschen Verteidigungsministeriums gekommen. Robertson betonte aber; die Nato nehme das Thema sehr ernst. Alle verfügbaren Informationen würden weiterhin gesammelt und umgehend der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

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