USA-Irak


vom:
18.12.1998


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Für die Beendigung der amerikanisch-britischen Luftangriffe auf Irak

Angelika Beer, MdB

Bonn, 18.12.98

Wir bedauern die Eskalation des Konfliktes im Irak. Wir befürchten, daß durch die Verschärfung der Lage im Nahen Osten auch der israelisch-palästinensische Friedensprozeß beeinträchtigt wird. Wir hoffen, daß keine Vergeltungsschläge gegen Israel gerichtet werden und setzen uns für die umgehende Einstellung der Luftangriffe ein. Nur durch einen neuen Vermittlungsversuch der Vereinten Nationen und die Wiederaufhahme der Inspektionsarbeit durch UNSCOM wird langfristig sichergestellt werden können, daß Irak sein Massenvernichtungsprogramm aufgibt.

Die Verantwortung für die jetzige Entwicklung trägt Saddam Hussein. Er hat trotz eindeutiger Warnungen der Amerikaner die Zusammenarbeit mit der UNSCOM verweigert und damit den nächtlichen Angriff der Amerikaner und Briten geradezu provoziert. Dies bestätigt einmal mehr, daß der totalitäre Herrscher bereit ist, das Leiden der Irakischen Bevölkerung für seine skrupellose Machtpolitik in Kauf zu nehmen. Dies hat er in der Vergangenheit bereits mit dem Einsatz chemischer Waffen gegen die Kurden im Norden Iraks in grausamster Weise unter Beweis gestellt.

Die Entscheidung für den Luftangriff kommt zwar nicht überraschend - dennoch bleibt festzuhalten, daß dafür kein völkerrechtliches Mandat vorliegt und der Einsatz völkerrechtlich bedenklich ist. Der Bezug auf die Resolution 1154 vom O2.O3.98 reicht nicht aus. Wir bedauern, daß das Plädoyer Kofi Annans vom 15 l2., trotz der Behinderung der UNSCOM jetzt nicht militärisch zu reagieren, von den USA ignoriert wurde.

Festzuhalten bleibt, daß es dank der Inspektionen in den letzten Monaten gelungen ist, die Massenvernichtungswaffen Iraks weitestgehend unter Kontrolle zu bekommen und zu zerstören. Neben der völkerrechtlichen Frage ist auch die der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu stellen: die Behinderung von Inspektionen kann keine Rechtfertigung für massive Luftangriffe auf Irak sein.

Die Ankündigung der Amerikaner im November 1998, den Irak ohne jede weitere Vorwarnung anzugreifen, wenn das UNSCOM Team behindert wird, hat die Amerikaner selbst unter Zugzwang gesetzt. Militärische Eskalation beinhaltet immer auch die Glaubwürdigkeitsfalle. Militarische nationale Alleingänge beschädigen die Glaubwürdigkeit der internationalen Staatengemeinschaft als Rechtsgemeinschaft und ihre Fähigkeiten für konstruktive Konfliktbearbeitung. Wir wissen, daß das Völkerrecht ein weiches Recht ist. Gerade aus diesem Grunde sollten wir sehr vorsichtig und sensibel damit umgehen. Unser Verhalten darf nicht anderen als Legitimation für Völkerrechtsbrüche dienen.

Die Angriffe sind Beleg dafür, daß die Strategie der Militärischen Abschreckung an der Unberechenbarkeit Saddam Husseins gescheitert ist. Die Bombardierungen symbolisieren das Scheitern der US-Irakpolitik seit 1991, da alle bisherigen militärischen und nichtmilitärischen Mittel die erklärten Politikziele nicht erreicht haben.

Die politischen Ziele wurden in der Vergangenheit immer weiter verschoben: zuerst 1990 Befreiung Kuwaits, dann Beseitigung der Massenvernichtungswaffen (allerdings begrenzt auf Irak und mehr im Hinblick auf die gesamte Region); und jetzt Sturz Saddams, was aber weder durch das Völkerrecht noch durch UNO-Resolutionen gedeckt ist. Für die Region stellt die gegenwärtige militärische Eskalation keine Lösung, sondern einen zusätzlichen Faktor der Destabilisierung dar. Notwendig ist die Erarbeitung eines politischen Konzeptes für den Mittleren und Nahen Osten, das u.a. die Abrüstung der Region zum Ziel hat.

Die Sanktionspolitik hat im Ergebnis zur Stärkung Saddams geführt. Die Zivilbevölkerung leidet, die Kinder verhungern, und Saddam ist es durch propagandistische Verdrehungen der Realitaten gelungen, die eigene Verantwortung für die internationale Isolation des Landes zu verdecken und statt dessen die Bevölkerung mit sich zu solidarisieren. Die Sanktionspolitik der Vereinten Nationen muß überprüft werden. Der Sturz Saddams kann nur durch die Stärkung der demokratischen Opposition und der Gesellschaft erfolgen, nicht durch deren Schwächung.

Die Politik Saddams in eine Gefahr für die Region. Wir sind der Ansicht, daß ihm seine Grenzen deutlich gemacht werden müssen. Bombenangriffe auf Bagdad sind aber kein geeignetes Mittel, um die Gefahren von Proliferation einzudämmen. Die Verhinderung der Produktion von C + B Waffen kann nur durch die Wiederaufnahme von UN-Inspektionen erfolgen. Die Luftschläge auf Militärstützpunkte und lndustrieanlagen, in denen möglicherweise Massenvernichtungswaffen produziert werden können, bieten keine Gewähr dafür, daß nicht auch in Zukunft im kleineren Labormaßstab die Produktion von chemischen und biologischen Waffen erfolgt. Ein solches Restrisiko ist durch Luftschläge nicht zu beseitigen.

Wir hoffen, daß Irak sich schnell in die friedliche Staatengemeinschaft zurückbegibt. Voraussetzung hierfür ist, daß unter Aufsicht der UNO alle Optionen zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen aufgegeben werden müssen.

Erste notwendige Schritte:



-sofortige Einstellung der Luftangriffe



-Verhandlungsauftrag für Kofi Annan mit dem Ziel, daß UNSCOM ungehindert die Arbeit wieder aufnehmen kann



-das Leiden der Menschen und humanitäre Folgen müssen berücksichtigt und möglichst reduziert werden. Spendenaufrufe für die Bevölkerung, wie derzeit von Caritas veröffentlicht, finden unsere Unterstützung



-eine Überprüfung der aktuellen Situation und ein Neuanfang der bislang gescheiterten Politik der Staatengemeinschaft gegenüber Irak steht auf der Tagesordnung.



-die internationale Staatengemeinschaft ist aufgefordert, ein politisches Konzept für den Nahen und Mittleren Osten zu formulieren, der auch die regionale Abrüstung zum Ziel hat



-die Weigerung Rußlands, den START II Vertrag wegen des Luftangriffs zu unterzeichnen, kann nicht kritiklos hingenommen werden. Gerade auch die Entwickilung im Nahen Osten macht deutlich, wie wichtig die nuklearen Abrüstungsbemühungen sind. Wir fordern die Duma auf, diesen Prozeß nicht weiter zu verzögern.



-Der Schwächung der Vereinten Nationen ist entgegenzutreten und die notwendige Reform der VN voranzutreiben.




E-Mail: angelika.beer@mdb.bundestag.dbp.de
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