USA-Irak


vom:
05.11.2002


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 Stellungnahmen/Aufrufe

Bericht des Rates der EKD.
Zur 7. Tagung der 9. Synode der EKD (Timmendorfer Strand, 3.-8.11.02) u.a. zum Thema: Irakkrieg

Manfred Kock

(...)

2.2 Internationale Gewalt eindämmen

Die Attentate auf die Synagoge in Djerba und die Vergnügungsviertel auf Bali, die Geiselnahme von Moskau, die Serie der schweren Ausschreitungen gegen internationale Entwicklungs-Einrichtungen in Pakistan, die Übergriffe auf christliche Gemeinden in einigen islamischen Staaten, der fortgesetzte Terror in Nordirland, die Morde der ETA und gewaltsame Übergriffe gegen Minderheiten in vielen Ländern zeigen, wie verwundbar die Welt geblieben ist.

2.2.1 Den Terrorismus bekämpfen - die Freiheit schützen

Der Krieg gegen das Talibanregime in Afghanistan hat zwar partielle Fortschritte im Kampf gegen das Terror-Netzwerk gebracht, aber keinen eindeutigen Erfolg.

Der Versuch, die Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September 2001 dingfest zu machen und ihr unmittelbares Umfeld zu bekämpfen, hat weitere Tausende unschuldiger Opfer unter der Zivilbevölkerung gefordert. Das Ende des Schreckens ist noch nicht in Sicht. Die Terrororganisation Al Qaida ist offenbar noch nicht zerschlagen. Das Taliban-Regime in Afghanistan scheint zwar vertrieben, aber das Land selber wie auch seine miteinander verfeindeten Nachbarn Pakistan und Indien sind von innerer Stabilität weit entfernt. Die blutigen Kämpfe einzelner Gruppen in Afghanistan, die stockende internationale Hilfe für die notleidende Bevölkerung hemmen den Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes. Immerhin scheinen sich in Afghanistan mit dem Ende des alten Regimes die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verbessert zu haben, doch die Lockerungen für Frauen sowie bei den Informations- und Unterhaltungsangeboten verdecken nur notdürftig, wie instabil die Lage ist. Gegenwärtig verhindert die Präsenz internationaler Friedenstruppen einen direkten Rückfall Afghanistans in den Bürgerkrieg. Aber ein Erfolg im Kampf gegen den Terror ist das nicht.

Wenn vor Jahresfrist unsere Bedenken gegen ein militärisches Vorgehen groß waren, so scheinen sie im Rückblick eher gerechtfertigt als ausgeräumt. Es liegt in der Natur von Terror-Netzwerken, dass sie durch militärische Aktionen nicht besiegt werden können. Zudem habe ich den Eindruck, dass militärische Terrorbekämpfung den Terroristen eher weiteren Zulauf aus radikalisierten Schichten verschafft.

Es wird vor allem auf eine breite internationale Zusammenarbeit ankommen und darauf, das Bündnis im Kampf gegen den Terror zusammenzuhalten. Wer sich dabei auf den Primat der militärischen Option fixiert, wird mehr zerstören als schützen.

Angesichts der tatsächlichen Bedrohung durch den Terrorismus können wir uns nicht in völliger Sicherheit wiegen. Doch dürfen um der Sicherheit willen weder die Freiheit aufgegeben noch die Grundrechte und die Menschenrechtskonventionen ausgehöhlt werden. Wenn der Kampf gegen Terrorismus und Kriegsverbrechen glaubwürdig bleiben soll, darf keine einzelne Nation für ihre Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter Immunität beanspruchen.

Die Menschenrechte haben universale Geltung. Das richtet sich auch an die eigene, westliche Adresse. Auf dem amerikanischen Militärstützpunkt Guantanamo auf Kuba werden etwa 600 verdächtige Al-Qaida- und Talibankämpfer unbefristet als Gefangene festgehalten. Gegen sie wurde bisher weder eine Anklage erhoben noch wird ihnen hinreichend rechtlicher Beistand gewährt. Das ist nach Auffassung vieler internationaler Menschenrechtsgruppen mit der Rechtsordnung nicht in Einklang zu bringen. So richtig es ist, dass die an den Ereignissen des 11. September 2001 Schuldigen verfolgt und bestraft werden müssen, so unerlässlich bleibt, dass dies nach den Prinzipien der allgemeinen Menschenrechte geschieht und dass dabei Gerechtigkeit im Vordergrund steht und nicht der Eindruck aufkommt, es gehe dabei um Rache.

Ein Krieg gegen den Irak - erst recht ohne UNO-Mandat - wäre ein Rückschlag für den gesamten Mittleren Osten. Antiwestliche Tendenzen in islamischen Ländern würden sich verstärken.

Das Regime Saddam Husseins, das die ihm bei der Vereinbarung des Waffenstillstands nach dem Golfkrieg 1991 auferlegten Bedingungen bis heute nur teilweise erfüllt hat, ist für gravierende Menschenrechtsverletzungen gegenüber der Bevölkerung des Irak verantwortlich. Geheimdienstquellen zufolge soll Saddam Hussein sich - möglicherweise mit Erfolg - bemüht haben, Massenvernichtungswaffen zu entwickeln. Rufen, nach denen die vom Irak ausgehende Gefahr eine präventive Selbstverteidigung mit militärischen Mitteln notwendig mache, ist der Rat der EKD jedoch entschieden entgegengetreten. Wenn überhaupt, dann darf diese nur in Situationen in Betracht gezogen und angedroht werden, in denen ein Angriff unmittelbar bevorsteht. Hierfür bestehen im Fall des Irak keine verlässlichen Anhaltspunkte.

Ein militärisches Einschreiten der USA gegen den Irak hätte keine völkerrechtliche Legitimität. Ein Militärschlag ist nur dann im Einklang mit dem Völkerrecht, wenn er entweder als Maßnahme der kollektiven Sicherheit nach Art. 42 bzw. Art. 53 der UN-Charta, d.h. aufgrund eines Beschlusses des UN-Sicherheitsrates, oder durch das Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 UN-Charta gerechtfertigt ist. An diesen beiden Möglichkeiten bestehen in Bezug auf den Irak nicht nur Zweifel in Europa, sondern auch in den USA selber, wie die dortige parlamentarische Diskussion, wie aber auch die zahlreichen öffentlichen Proteste zeigen. Wir wissen uns in dieser Frage in Übereinstimmung mit unseren ökumenischen Partnerkirchen in den USA und der Mehrzahl der amerikanischen und englischen Kirchen.

Insbesondere müssen wir uns die Frage stellen, ob nicht die Androhung von Waffengewalt gegen den Irak die Schwelle für die Rechtfertigung des Einsatzes von Waffengewalt überhaupt herabsetzt. Dies hätte auch Bedeutung für die Zukunft: Konsequenz wäre eine Aushöhlung des Aggressionsverbotes und damit eine Schwächung dessen, was wir schützen wollen. Der Aufruf zur Einhaltung von UN-Charta und UN-Resolutionen wird erheblich entkräftet, wenn der Aufrufende selbst die UN-Charta nur selektiv anwendet. Das friedliche Zusammenleben der Staatengemeinschaft und die Geltung des Völkerrechts kann man am effektivsten dadurch unterstützen, dass man sich selbst an diese Regeln hält. Deshalb ist eine deutsche Beteiligung an einem Präventivkrieg auch aus Gründen der Verfassung und des Strafrechts nicht möglich.

(...)


Präsis Manfred Kock ist Ratsvorsitzender der Ev. Kirche in Deutschland (EKD).

E-Mail: info@ekd.de

Website: www.ekd.de/personen/3219_ratsmitglied_kock.html
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