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01.04.1999


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zu: Kosov@: Erklärungen gegen den Krieg

Memorandum

"Nur eine zivile Politik mit Perspektive kann den Frieden in Kosovo schaffen und langfristig sichern"

JuristInnen gegen ABC-Waffen, Sektion BRD der IALANA

I. Die Behauptung, "der Westen" habe sich über Jahre hinweg um eine friedliche Lösung des Kosovo-Konflikts ernsthaft, aber erfolglos bemüht, deshalb bleibe jetzt nur noch der militärische Angriff der NATO als einzig realistische Option, eine "humanitäre Katastrophe" zu verhindern, ist falsch.

1. Bereits der in diesen Tagen mehrfach öffentlich
   erhobene Vorwurf des Vizepräsidenten der
   Parlamentarischen Versammlung der OSZE und
   CDU-Bundestagsabgeordneten Willy Wimmer (von 1988
   bis 1992 Parlamentarischer Staatssekretär im
   Bundesverteidigungsministerium), die Regierungen
   wichtiger NATO-Staaten wie Großbritannien und USA
   hätten bewußt in den letzten Jahren auf ein
   militärisches Eingreifen der NATO im Kosovo
   hingearbeitet und eine nichtmilitärische
   Konfliktlösung letztlich hintertrieben, muß alle,
   die dem NATO-Angriff das Wort reden, aufrütteln
   und bedarf einer sorgfältigen Prüfung.

2. Das Ausmaß der Entrechtung der albanischen
   Bevölkerung und die Brisanz der Situation in
   Kosovo ist im Westen seit vielen Jahren bekannt.
   Trotzdem wurde der Kosovo-Konflikt im
   Dayton-Abkommen ausgeklammert. Die gewaltfreie
   Politik der Kosovo-Albaner erfuhr über Jahre
   hinweg vom Westen keine Unterstützung im Sinne
   vorbeugender Konfliktbearbeitung. Die westlichen
   Regierungen versagten so denjenigen die
   hinreichende Unterstützung, die - wie der
   Kosovo-Politiker Rugova und seine Anhänger - über
   viele Jahre ohne Gewalt mit zivilen Mitteln um
   eine politische Kompromißlösung rangen, und
   überließen sie lange Zeit der politischen Willkür
   Belgrads.

3. Die Politik der Regierungen des "Westens" bei der
   Verteidigung von Menschenrechten war und ist in
   hohem Maße unglaubwürdig. Double standards sind
   an der Tagesordnung, was nicht nur ein Vergleich
   mit dem Verhalten gegenüber der
   menschenrechtswidrigen Politik der - vom Westen
   zudem noch mit Waffen belieferten - Türkei in der
   Kurdenfrage zeigt. Diese unglaubwürdige und
   widersprüchliche Politik des Westens hat ganz
   wesentlich dazu beigetragen, den Einsatz für die
   Verteidigung von Menschenrechten im Kosovo zu
   diskreditieren. Einige Beispiele:

- Einerseits wurde das Vorgehen der Angehörigen der
  serbischen Armee und Sonderpolizeieinheiten im
  Kosovo - zu Recht - als menschenrechtswidrig
  verurteilt. Andererseits lehnten es die
  Regierungen der NATO-Staaten ab, die Angehörigen
  der serbischen Armee und Sonderpolizeieinheiten
  aufzufordern, zu desertieren und so dazu
  beizutragen, dem serbischen Regime das für seine
  menschenrechtsfeindliche Politik im Kosovo
  erforderliche Repressionspersonal zu entziehen.

- Sowohl in Deutschland als auch in anderen
  europäischen Staaten wurde desertierten
  serbischen Bürgern die Anerkennung als politische
  Flüchtlinge mit dem "Argument" verweigert, wer aus
  der serbischen Armee oder den serbischen
  Sonderpolizeieinheiten desertiere und deshalb
  bestraft werde, werde nicht politisch verfolgt;
  denn Deserteure würden in jedem Land der Welt (zu
  Recht) bestraft.

- Einerseits wurde und wird das serbische Regime
  beschuldigt, ethnische Säuberungen durchzuführen
  und gegen die Bevölkerung des Kosovo Völkermord zu
  begehen, vor dem man sie militärisch schützen
  müsse. Andererseits wurde über Jahre hinweg bis
  heute von den hiesigen Asylbehörden die Annahme
  einer sog. Gruppenverfolgung von Kosovo-Albanern
  u.a. mit dem Argument abgelehnt, es gebe kein -
  für eine Asylanerkennung erforderliches -
  staatliches Verfolgungsprogramm Serbiens gegen die
  Bewohner des Kosovo. Abgelehnte Asylbewerber
  wurden sogar bis vor kurzem auf der Grundlage des
  mit dem Milosevic-Regime im Jahre 1996
  abgeschlossenen sog. Rückführungsabkommen nach
  Serbien abgeschoben.

4. Das Waffenembargo gegenüber den Konfliktparteien
   im Kosovo ist nicht eingehalten und hinreichend
   überwacht, sondern sogar - offenkundig nicht nur
   durch Staaten des ehemaligen Ostblocks, sondern
   gerade auch vom Westen - gebrochen worden. Die
   terroristischen Aktionen der albanischen
   Untergrundarmee UCK -..."organisierte und
   militärisch bewaffnete Aufständische" im Sinne von
   Art. 87a Abs.4 des Grundgesetzes - wären nicht
   möglich ohne die Waffenlieferungen aus den USA
   und anderen Staaten. Die Terroraktionen der UCK
   einerseits und die brutalen Gegenschläge des
   undemokratischen und korrupten Milosevic-Regimes
   andererseits konnten so erst zur Eskalation der
   Gewalt im Kosovo in den letzten Monaten führen.

5. Das von dem US-Vermittler Richard Holbrooke im
   Oktober 1998 ausgehandelte Abkommen mit
   Jugoslawien ist - auch vom Westen -nur
   unzureichend und implementiert worden.

- Es ist unterlassen worden, die
  OSZE-Beobachtermission personell ausreichend
  auszustatten. Statt der vereinbarten - ohnehin zu
  geringen - 2.000 OSZE- Beobachter sind nur etwa
  1.200 geschickt worden.

- Es ist unterlassen worden, vor Ort im Kosovo
  ausreichend starke internationale Polizeikräfte
  und UN-Blauhelme deeskalierender Art unter der
  Hoheit des UN- Sicherheitsrates und mit Zustimmung
  der Konfliktparteien als "Puffer" zwischen Serben
  und Kosovo-Albanern zu stationieren, um den
  Waffenstillstand zu sichern.

- Es ist unterlassen worden, ein ziviles
  "Entfeindungsprogramm" zu entwickeln, das auf
  Kooperation vor allem auch mit den reformwilligen
  Kräften in Serbien und im Kosovo setzt.

6. Der Abschluß des in Rambouillet ausgehandelten
   "Friedensabkommens" ist bislang letztlich
   ausschließlich deshalb nicht zustande gekommen,
   weil die NATO und ihre Mitgliedsstaaten darauf
   bestanden haben und bestehen, daß NATO-Verbände
   unter NATO-Kommando, nicht aber die UNO mit einem
   starken "Blauhelm-Kontingent", die Einhaltung das
   Abkommen überwachen. Eine solche Politik trug
   letztlich erpresserische Züge und hätte auch die
   Rechtswirksamkeit eines solchen - unter
   Kriegsandrohung zustandegekommenen - Abkommens in
   Frage gestellt. Es war absehbar, daß nicht nur
   das Milosevic-Regime, sondern auch die serbische
   demokratische Opposition und die große Mehrheit
   der serbischen Bevölkerung ein solches
   "NATO-Protektorat" ablehnen würden.

7. Es ist nicht die Schuld der UN-Organisation, daß
   sie bisher zu schwach war, um für eine friedliche
   Lösung des Kosovo-Konflikts sorgen zu können.
   Vielmehr hatten und haben gerade wichtige
   NATO-Staaten kein Interesse an einer "UN-Lösung"
   im Kosovo und überhaupt an einer funktionierenden
   und starken UNO mit entsprechenden Kompetenzen.
   Es war und ist - wie auch die Debatten um die neue
   NATO-Strategie zeigen - offenkundiges Ziel, die
   NATO zu einer Interventionsallianz aufzubauen und
   zu etablieren. Auch am Beispiel des Kosovo hat
   sich gezeigt: Sofern die UNO dabei nicht dabei
   willfährig mitwirkt oder gar stört, wird sie als
   uneffektiv diskreditiert, an der Wahrnehmung ihrer
   Aufgaben gehindert und "weggedrückt".

- Es ist symptomatisch, daß die USA mit fast 2
  Milliarden DM UN-Beiträgen in Rückstand sind, so
  daß die UNO schon aus finanziellen Gründen kaum
  Handlungsfähigkeit gewinnen kann.

- Fast alle NATO-Staaten - mit den USA an der Spitze
  - haben sich bislang geweigert, dem
  UN-Sicherheitsrat für eine Überwachung eines
  Kosovo-Friedensabkommens gemäß Kap.VI der
  UN-Charta "UN-Blauhelme" oder auch notfalls gemäß
  Art. 43 der UN-Charta Truppenkontingente, für
  Zwangsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen.

- Die Regierungen der USA, Frankreichs und
  Großbritanniens und alle sie unterstützenden
  Regierungen sind unglaubwürdig, wenn sie
  einerseits die UNO als "handlungsunfähig"
  kritisieren, weil die russische Regierung im
  UN-Sicherheitsrat von ihrem Veto-Recht gegen eine
  Ermächtigung der NATO zu militärischen
  Zwangsmaßnahmen gegen Serbien Gebrauch gemacht
  hat, während sie andererseits zugleich selbst
  nicht bereit sind, die UN-Entscheidungsstrukturen
  zu reformieren, insbesondere auf ihr Veto-Recht im
  UN-Sicherheitsrat zu verzichten.

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Kosov@: Erklärungen gegen den Krieg
II. Der militärische Angriff gegen Jugoslawien verstößt in eklatanter Weise gegen die UN-Charta und geltendes Völker- und Verfassungsrecht

Auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. März 1999 (Az.: 2 BvE 5/99), die sich inhaltlich ausdrücklich nicht mit der Frage der Rechtsmäßigkeit der Bundeswehrbeteiligung an den NATO-Militäraktionen gegen Jugoslawien befaßt, muß festgestellt werden:

1. Der Bundeswehreinsatz im Krieg gegen Jugoslawien
   verläßt die Grenzen, die das "Out-of-area-Urteil"
   des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994
   gezogen hat. Nach dieser Entscheidung bietet Art.
   24 Abs. 2 des Grundgesetzes eine
   verfassungsrechtliche Grundlage lediglich für eine
   Verwendung der Bundeswehr zu Einsätzen, die im
   "Rahmen und nach den Regeln" eines Systems
   kollektiver Sicherheit stattfinden. Die Regeln der
   UN-Charta und der NATO-Vertrag, der die
   NATO-Staaten ausdrücklich auf eine strikte
   Beachtung der UN-Charta und des geltenden
   Völkerrechts verpflichtet, gestatten keinen
   völkerrechtswidrigen Angriff.

2. Dem völkerrechtlichen Gewaltverbot des Art.2 Ziff.
   4 der UN-Charta unterfällt "jede" Art der
   Anwendung militärischer Waffengewalt.

- Es gibt kein Völkergewohnheitsrecht zur
  einzelstaatlichen "humanitären Intervention", da
  es dazu jedenfalls an der erforderlichen
  übereinstimmenden Rechtsüberzeugung in der
  Staatengemeinschaft mangelt. Das "Recht zur
  humanitären Intervention" steht nach geltendem
  Völkerrecht nur den Organen der UN zu.

- Der UN-Sicherheitsrat hat weder eine eigene
  militärische Zwangsmaßnahme nach Art. 42 UN-Charta
  beschlossen noch dazu einzelne NATO-Staaten (Art.
  42, 48 UN- Charta) oder die NATO als
  Regionalorganisation (Art. 53 UN-Charta)
  ermächtigt.

- Der Ausnahmefall des Art. 51 UN-Charta, der die
  Notwehr und Nothilfe zugunsten eines angegriffenen
  Staates rechtfertigt, liegt evidentermaßen nicht
  vor, denn keiner der NATO-Staaten ist militärisch
  angegriffen worden, kein angegriffener Staat hat
  um Nothilfe gebeten.

3. Die Teilnahme der Bundeswehr an dem militärischen
   Angriff auf Jugoslawien stellt zudem einen
   schwerwiegenden Bruch des der deutschen
   Wiedervereinigung zugrundeliegenden
   2+4-Vertrages dar. Nach dessen Art. 2 ist es
   zwingendes geltendes Recht, daß das vereinte
   Deutschland "keine seiner Waffen jemals einsetzen
   wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner
   Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen."

4. Das deutsche Soldatengesetz verbietet in seinem 
   10 Abs. 4 jedem militärischen Vorgesetzten,
   völkerrechtswidrige Befehle zu geben.

5. Die Entscheidung der Bundesregierung, deutsche
   Soldaten im Rahmen der NATO in den Krieg zu
   schicken. setzt die Soldaten und ihre
   Vorgesetzten auch erheblichen strafrechtlichen
   Risiken aus. Denn wer an einem
   völkerrechtswidrigen Krieg aktiv teilnimmt und
   dabei Menschen tötet, handelt völkerrechtswidrig
   und kann sich nicht auf einen strafausschließenden
   Rechtfertigungsgrund berufen.

6. Der NATO-Angriff hat zudem auch prekäre Folgen für
   die Sicherheitslage der NATO-Staaten: Wenn Rußland
   dem angegriffenen Staat Jugoslawien militärischen
   Beistand leisten würde, könnte es sich unter
   Umständen auf das Nothilferecht des Art. 51 UN-
   Charta berufen.

III. Entgegen den Behauptungen der NATO und ihrer Mitgliedstaaten gibt es durchaus Alternativen zu den völkerrechtswidrigen Bombenangriffen auf Jugoslawien

1. Das Bombardement der NATO muß sofort beendet
   werden. Es ist den Menschen, die unmittelbar
   darunter zu leiden haben, keine Stunde länger
   zuzumuten, darauf zu warten, ob die NATO oder das
   Milosevic-Regime den "längeren Atem" hat. Die NATO
   darf nicht länger die Luftwaffe der UCK sein; das
   Milosevic-Regime darf nicht länger die Menschen in
   seinem Herrschaftsbereich für seine verfehlte
   Politik als Geisel nehmen.

2. Offenkundig finden die Kontrahenten ohne das
   Einschalten Dritter bisher nicht einmal zu
   einem Waffenstillstand. Deshalb muß
   UN-Generalsekretär Kofi Annan schnellstmöglich
   eine Vermittlungsinitiative ergreifen und zunächst
   einen sofortigen Waffenstillstand aushandeln. Bei
   der Wahrnehmung seiner Aufgaben nach der UN-Charta
   darf er weder von einer Regierung noch von einer
   Autorität außerhalb der UNO Weisungen erbitten
   oder entgegennehmen (Art. 100 Abs. 1 UN-Charta).
   Eines förmlichen Auftrages des UN-Sicherheitsrates
   bedarf er für eine solche Vermittlungs- und
   Friedensmission im Kosovo-Krieg nicht. Nach Art.
   100 Abs.2 der UN-Charta sind alle Mitgliedsstaaten
   der UN verpflichtet, den ausschließlich
   internationalen Charakter der Verantwortung des
   UN-Generalsekretärs zu achten und nicht zu
   versuchen, ihn bei der Wahrnehmung seiner
   Aufgaben zu beeinflussen.

3. Unter seinem Vorsitz sollten die Verhandlungen
   über eine friedliche Zukunft des Kosovo (z.B. am
   UN-Sitz in Genf) unverzüglich wieder aufgenommen
   werden. Dabei muß der zentrale Fehler der
   bisherigen Rambouillet-Verhandlungen vermieden
   werden, nämlich ein Abkommen durch die Androhung
   eines militärischen NATO-Angriffs erreichen zu
   wollen und ein "NATO-Protektrorat" im Kosovo oder
   gar in ganz Jugoslawien anzustreben.

4. Erstes Ziel dieser Friedensverhandlungen unter
   der Schirmherrschaft von Kofi Annan sollte es
   sein,

- die fast erreichte Übereinkunft über die zivilen
  Bestandteile des "Rambouillet-Paketes" fest
  zuschreiben,

- die Entsendung eines ausreichend starken im
  Kosovo zu stationierenden
  "UN-Blauhelm-Kontingents" (mit mindestens 30.000
  bis 50.000 Angehörigen) unter UN-Hoheit mit
  Zustimmung der Konfliktparteien zur Durchsetzung
  und Überwachung eines Waffenstillstandes,

- wirksame Maßnahmen zur Überwachung und
  Überwachung eines Waffenembargos zu vereinbaren.

5. Die vielfältigen Verwerfungen und Spannungen auf
   dem Balkan bedürfen einer weiten politischen
   Perspektive zu ihrer Lösung. Die nationalistischen
   Rivalitäten gilt es aufzulösen zugunsten einer
   kooperativen Haltung zur Entwicklung der ganzen
   Region. Die Menschen aller Gruppierungen und
   Völker müssen dadurch begreifen, daß sie
   gegeneinander nur verlieren werden, aber im
   Miteinander über ethnische Grenzen hinweg alle
   gewinnen können. Dazu bedarf es der Unterstützung
   aus ganz Europa und darüber hinaus.

6. Die Perspektive besteht in der baldmöglichsten
   Einleitung einer "Balkan-Kooperation", die als
   Ziel eine Verbindung mit der EU ermöglicht. Daran
   können sich alle Staaten und Völker beteiligen,
   die kooperationsbereit sind und auf gewaltsame
   Konfliktaustragung verzichten. Hierüber ist mit
   den Gesellschaften, also den BürgerInnen in
   Serbien, Montenegro, im Kosovo und den anderen
   Balkanstaaten ein offener und öffentlicher Dialog
   in den vielfältigsten Formen so zu entwickeln, der
   nicht von den Herrschenden unterbunden werden
   kann. Die Menschen selbst müssen ihr Interesse an
   einer solchen Perspektive begreifen und deshalb
   für Frieden und Versöhnung eintreten. Das wäre
   gleichzeitig ein großer Schritt in Richtung
   Demokratisierung und zunehmender gegenseitiger
   Toleranz. Beide sind wesentliche Schlüssel zur
   Befriedigung des Balkans.

7. Aus dem Ausland, aus den vielen Staaten Europas
   muß die Botschaft von oben und unten kommen: Wir
   sind an der Seite derer, die auf Gewalt
   verzichten, ihren Geschwisterkampf beenden und
   sich zur Kooperation zusammenfinden. Diese
   Botschaft muß ganz ausdrücklich die serbische
   Bevölkerung einschließen und ansprechen. Dies
   hätte eine enorme sozialpsychische Bedeutung, um
   das Trauma, Serbien müßte sich gegen die ganze
   Welt verteidigen, überwinden zu können. In diesem
   Zusammenhang sollte auch die baldmöglichste
   Rückkehr der jugoslawischen Föderation in die
   OSZE auf die Tagesordnung gesetzt werden.

8. Das politische Instrument, um eine solche
   Kooperation in Gang zu setzten, könnte eine
   institutionalisierte Dauerkonferenz sein, wie sie
   im Ost-West-Konflikt in der Form der "Konferenz
   für Sicherheit und Zusammenarbeit" (KSZE, heute
   OSZE) recht erfolgreich praktiziert wurde. Diese
   "Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit auf
   dem Balken" hätte die Aufgabe, die Fundamente für
   eine gemeinsame Entwicklung zu erarbeiten, die
   mit einem "Balkan-Marschall-Plan" verwirklicht
   werden sollte. An diesem Vorhaben können sich alle
   europäischen Staaten beteiligen, die auf Gewalt
   gegeneinander verzichten. Dort ginge es nicht mehr
   um den scheinbar ethnischen Konflikt zwischen
   kosovo-albanischer, serbischer Bevölkerung usw.,
   sondern um den Dialog zwischen
   kooperationsbereiten Kräften auf dem Balkan.

9. Von der EU sollten Konsultationsgespräche über
   eine solche Balkanzusammenarbeit, erforderliche
   Vorbereitungsschritte und Verfahren eingeleitet,
   aber auch die Bereitschaft zur materiellen
   Unterstützung eines solchen Vorhabens signalisiert
   werden. Westpolitiker werden nach den
   erforderlichen Finanzmitteln fragen. Doch eine
   solche Politik ist weit billiger als die
   militärische NATO-Intervention, die wöchentlich
   mehrere Hundert Millionen DM kostet. Die ist für
   alle, einschließlich der EU-Staaten, viel
   zukunftsträchtiger und kann Fundamente für eine
   stabile Entwicklung auf dem Balkan legen.

10. Im Sinne einer zivilen Konfliktbearbeitung können
    ferner die folgenden Instrumente wirksam sein:

* Waffenrückkauf-Programme,

* Anhörungen und Vermittlungsbemühungen auf den
  verschiedenen Ebenen,

* Gewaltfreiheitspakte auch in lokalen Bereichen,

* Bildung von Wahrheits- und Versöhnungskommissionen
  (nach dem südafrikanischen Modell).

* Zu klären ist auch der Umgang mit
  Kriegsverbrechern, die wohl auf allen Seiten
  verübt worden sind.

Es gilt die Bedingungen für den Prozeß der Konfliktbearbeitung günstig zu gestalten, während die Lösungen von den Kontrahenten selbst erarbeitet und vereinbart werden müssen.

11. Die Entfaltung einer Perspektive für zukünftige
    Entwicklung und Vertrauensbildung gehören
    zusammen. Darum ist es wichtig, daß nach
    Erreichung eines Waffenstillstandes auf vielen
    Ebenen (Kirchen, Gewerkschaften, Berufsverbände,
    Wissenschaft, Medizin, Wirtschaft usw.) Serien von
    Zusammenkünften organisiert werden, in welchen
    Erwartungen und Möglichkeiten der Entfaltung von
    Zusammenarbeit erörtert werden. Ganz in diesem
    Sinne sind alle Kräfte und Gruppierungen, die sich
    für eine friedliche, zivile Lösung einsetzen, zu
    unterstützen. Dies kann durch die Bereitstellung
    finanzieller Mittel erfolgen, durch Einladungen
    ins Ausland, um den Gruppen ein internationales
    Forum zu geben, durch Bereitschaft der Medien, die
    gewaltfreie Arbeit bekannt zu machen, durch die
    Ausrichtung von Regionalkonferenzen, auf denen
    sich Friedens- und Anti-Kriegsgruppen, Gruppen aus
    verschiedenen Staaten der Region besprechen und
    Zusammenarbeit vereinbaren können usw.. Dabei muß
    die eigenständige Arbeit solcher Gruppen
    respektiert und Hilfe zur Selbsthilfe geleistet
    werden.

12. Um eine solche Entwicklung zu ermöglichen, muß
    nach Erreichung eines Waffenstillstandes der
    aktuelle Konflikt um den Status des Kosovo
    entschärft werden, ehe er später unter der neuen
    Perspektive überprüft und geregelt werden kann.
    Es erscheint daher sinnvoll, zunächst eine
    vorläufige, möglichst großzügige
    Autonomie-Regelung zu vereinbaren, die in
    bestimmten Intervallen entsprechend den gemachten
    Erfahrungen und der neuen Entwicklung im Rahmen
    der KSZE für Südost-Europa zu überprüfen ist. In
    diesem Zusammenhang sollte der serbischen Seite
    die Aufhebung der verhängten Sanktionen zum
    frühestmöglichen Zeitpunkt in Aussicht gestellt
    werden.

13. Die humanitäre Hilfe, die die kosovo-albanische
    und serbische Bevölkerung gegenwärtig benötigt,
    ist nicht nur unter dem Aspekt der Linderung von
    Not zu begreifen, sondern auch als ein Signal an
    die Menschen dort, daß die europäische Politik nun
    ein neues Verhältnis zu den Balkanstaaten sucht,
    dass nicht mehr auf Miliäraktionen und
    geopolitischen Interessenskalkülen wie in der
    langen Vergangenheit beruht, sondern auf der
    Einsicht, daß die europäische Zusammenarbeit allen
    Menschen und Völkern in diesem Kontinent zu
    dienen hat. Das ist freilich eine große
    Herausforderung für alle Europäer.

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Kosov@: Erklärungen gegen den Krieg
gez. der Vorstand der deutschen IALANA

IALANA, Postfach 1169, 35001 Marburg, Tel.: 06421/23027, Fax: 06421/15828







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