Drohender Krieg gegen Iran


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Drohender Krieg gegen Iran

 Hintergrund-Informationen

Quelle: Frankfurt Rundcshau, 05.02.06

Ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Eskalation

Michael Lüders

Im Streit um das Atomprogramm Irans schenken sich die großen Streitparteien, Teheran und Washington, nichts. Europa hat vergeblich versucht, die Lage zu entschärfen. Wer greift zuerst zur Waffe?

Es gibt kein Patentrezept im Umgang mit den nuklearen Ambitionen Teherans. Die Entscheidung, das iranische Atomprogramm im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu verhandeln, ist jedoch ein entscheidender Schritt in Richtung Eskalation. Die nächste Stufe dürfte die Androhung oder Verhängung von Sanktionen gegen Iran sein, verbunden mit der Warnung, Teheran sei nur noch "wenige Monate", so der Bundesnachrichtendienst (BND), vom Bau der Atombombe entfernt. Der Ruf nach einer militärischen Option wird mit großer Wahrscheinlichkeit immer lauter werden.

Die iranische Führung hat mit ihrer unklugen Politik maßgeblichen Anteil an dieser Entwicklung. Insbesondere die antisemitischen Ausfälle von Präsident Mahmoud Ahmadinedschad und seine Drohungen gegen Israel haben im Westen den Eindruck von Unberechenbarkeit und Feindseligkeit festgeschrieben - ungeachtet der Tatsache, dass man sowohl in Washington als auch in Jerusalem über diese Dummheit vermutlich sehr dankbar war. Eine bessere Argumentationshilfe gegen die Islamische Republik konnte Ahmadinedschad gar nicht liefern.

Tatsache ist, dass es bislang keine Hinweise auf den Bau einer iranischen Atombombe gibt. Tatsache ist auch, dass niemand der iranischen Führung glaubt, es gehe ihr allein um die friedliche Nutzung der Atomenergie. Das gilt auch für arabische Regierungen, die sich in dieser Frage in seltener Eintracht mit den USA und der EU verbunden wissen. Vor allem Saudi-Arabien, der ewige Rivale Irans im Ringen um die Vorherrschaft in der islamischen Welt, fürchtet einen Machtzuwachs Teherans. Überdies wollen die Araber nicht in einen Konflikt zwischen Israel und Iran hineingezogen werden.

Doch auch die Regierung in Washington ist mitverantwortlich für die Eskalation der Krise. Aus den Fehlern in Irak scheint man nichts gelernt zu haben. Noch immer fehlt es an Pragmatismus. (Das gilt freilich auch für die wenig diplomatischen Worte an die Adresse Teherans von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Wochenende.) Sowohl in Afghanistan als auch in Irak hat Teheran nach dem 11. September 2001 zunächst die US-Politik unterstützt und sich als Bündnispartner angeboten. Mit Hilfe Schweizer Unterhändler übersandte das iranische Außenministerium im Frühjahr 2003 der US-Regierung einen detaillierten Plan zur Normalisierung der politischen Beziehungen. Darin enthalten war die Bereitschaft, die Unterstützung von Hamas und Hisbollah einzustellen. Washington lehnte den Vorschlag brüsk ab - der Einfluss der anti-iranischen Lobby war offenbar zu mächtig.

Im Oktober 2003 gelang es der EU, Teheran zum Aussetzen der Uran-Anreicherung zu bewegen. Ziel war es, politische, strategische und nukleare Fragen in einem Gesamtpaket zu behandeln, das ebenfalls die Normalisierung der Beziehungen zu Washington zum Ziel hatte. Die Regierung unter US-Präsident George W. Bush lehnte das ab und ließ die Verhandlungen scheitern.

Die Islamische Republik wurde 2002 von Bush auf der "Achse des Bösen" verortet, Washington strebt offen einen Regimewechsel in Teheran an, US-Truppen stehen in fast allen Nachbarländern Irans. Iran formuliert vor diesem Hintergrund seine Sicherheitsinteressen. Um Teheran davon abzuhalten, die Atombombe zu bauen, bedürfte es einer klaren Sicherheitsgarantie - der Verpflichtung Washingtons, Iran nicht anzugreifen. Eine solche Garantie aber wird die Regierung Bush auf keinen Fall abgeben. Und das bedeutet: die Weichen in Richtung "präventiver Militärschlag" sind gestellt.

Iran ist aber nicht Irak. Der Populist Ahmadinedschad weiß sehr genau, wie er die anti-westliche Stimmung von Marokko bis Indonesien für seine Zwecke nutzen kann. Er sieht sich als islamischer Robin Hood, der westlicher Arroganz entschlossen entgegentritt. In der Tat waren die Beziehungen zwischen dem Westen und der islamischen Welt noch nie so angespannt, wie die gewaltsame Eskalation im Karikaturenstreit erneut unterstreicht. So gesehen arbeitet die Zeit keineswegs gegen den iranischen Präsidenten.



Quelle: Frankfurter Rundschau, 05.02.06


Michael Lüders ist Nahost-Experte.

Website: www.fr-aktuell.de
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