Drohender Krieg gegen Iran


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Drohender Krieg gegen Iran

 Redebeiträge/Kundgebungen

Rede bei der Demonstration des Frankfurter Bündnisses gegen den Krieg am 18.3.06 auf der Hauptwache

Liebe Freundinnen und Freunde,

Stefanie Haenisch (Frankfurt)

Heute demonstrieren wir in vielen Städten der Bundesrepublik gemeinsam mit hunderttausenden in aller Welt gegen Bushs globalen Krieg.

Dieser Krieg begann 2001 mit der Bombardierung Afghanistans, es folgte die Invasion des Irak 2003 und jetzt wird der Iran mit Angriff bedroht. Angeblich geht es der US-Regierung um Massenvernichtungswaffen und Demokratie. Tatsächlich geht um Öl und Macht.

Bushs Strategie ist: mit der militärischen Kontrolle der Ölquellen die weltweite wirtschaftliche Vorherrschaft der USA wieder zurück zu gewinnen.

Staaten mit Regierung, die für die USA unsichere Kantonisten sind, werden zu Schurkenstaaten erklärt und müssen beseitigt werden.

"Unsichere" Bevölkerungen, also Bevölkerungen, die über ihr Leben und ihre Gesellschaft selber bestimmen wollen, werden entweder als Unmündige oder Terroristen bezeichnet.

Das geschieht auch mit der irakischen Bevölkerung.

Denn ihre überwältigenden Mehrheit fordert

"Schluss mit der Besatzung des Irak"

Wir stehen an ihrer Seite.

Und wir stehen an der Seite der Millionen in den USA, England und den anderen an der Kriegskoalition beteiligten Staaten, die rufen

"Kein Blut für Öl!" "Bringt die Soldaten heim !

Der normale Fernsehzuschauer und Zeitungsleser in Deutschland kann sich nicht erklären, warum 80 - 90 % der Iraker für ein Ende der Besatzung sind.

Das Bild, das wir von der Wirklichkeit im Irak gezeichnet bekommen, ist das von Bombenanschlägen, Entführungen, Angriffen auf Moscheen, Kampf zwischen Konfessionen. Aber die Masse der irakischen Bevölkerung erlebt in erster Linie eine andere Wirklichkeit.

Diese Wirklichkeit ist, dass seit Kriegsbeginn 300.000 bis 500.000 Menschen infolge des Krieges umgekommen sind - unmittelbar durch Kampfhandlungen und Bombardierungen, und mittelbar durch die Zerstörung von Krankenhäusern, Abwasseranlagen und Kraftwerken. (Die im Flugblatt genannte Zahl 100.000 war eine seriöse Schätzung vor 1 « Jahren, im Sommer 2004)

Gerade vorgestern begann wieder eine Offensive zur Bekämpfung von "Aufständischen" in der Gegend von Tikrit, und das bedeutet wieder Angriffe auf große Städte mit zehntausenden, auch hunderttausenden Einwohnern.

Bei den grauenhaften Angriffe auf Falludscha im Herbst 2004 starben allein 4000 Menschen, viele sind durch den Einsatz von Sprengbomben zerfetzt worden oder durch weißen Phosphor am lebendigen Leib verbrannt. Aber nicht nur Falludscha hat große Zerstörungen erlebt - auch, Al -Kaim, Kerbala, Nadjaf, Haditha, Hit, Bakuba, Baghdad, Ramadi, Samarra.

Wer nicht sterben will, muss fliehen. Hunderttausende müssen in Zeltlagern leben - in brennender Hitze und schlimmer Kälte.

Über 20 % der Iraker müssen von weniger als einem Dollar pro Tag leben. Strom gibt es zwischen 2 und 6 Stunden am Tag. Man muss sich vorstellen, wie die Frauen, die ja angeblich befreit werden sollten, unter diesen Bedingungen für ihre Familien sorgen müssen.

Direkt nach dem Einmarsch und dem von Bush großartig verkündeten "Sieg" wurden 100.000 ende entlassen, nicht nur aus der Armee, sondern auch Lehrer, Ärzte, Verwaltungsangestellte. Die US-Besatzer befahlen die Privatisierung von 200 Staatsbetrieben. Das waren die großen Fabriken im Irak. Praktisch hieß das: die Arbeit wurde eingestellt.

Die Zölle wurden sofort abgeschafft. Billige Waren überschwemmen den irakischen Markt, noch mehr Leute wurden arbeitslos.

Inzwischen liegt die Arbeitslosigkeit bei ca. 70 %. Auf Befehl der US-Besatzungsbehörden bekommen nur ausländische Unternehmen Aufträge. Es gibt Arbeit, insbesondere für teures Sicherheitspersonal (Das sind ca. 15.000 bewaffnete Kräfte) und teure eingeflogene Fachkräfte. Als ob es keine Fachkräfte im Irak gäbe.

Zehntausende sitzen in Gefängnissen und Lagern. Folter und Demütigungen wie in Abu Graib sind nur die kleine Spitze des Eisbergs.

Von dieser gewalttätigen Wirklichkeit erfahren wir hier fast nichts. Ich nenne das Desinformation.

Diese Besatzung durch die westlichen Mächte, dieser seit drei Jahren, Tag für Tag, wirtschaftlich und militärisch fortgesetzte Krieg, dass ist die Gewalt die die irakische Bevölkerung erfährt und ertragen muss. Die Besatzung ist heute die Hauptquelle von Chaos und Gewalt im Irak. Sie muss beendet werden.

Noch weniger erfahren wir von den tatsächlichen politischen Verhältnissen im Irak. Seit vielen Monaten wird in unseren Medien eine tiefe Spaltung der irakischen Bevölkerung nach Konfessionen beschworen.

Unter Saddam hätten "die" Sunniten "die" Schiiten beherrscht. Schon das stimmt nicht. Saddam Husseins Herrscher-Clique bestand aus beiden Konfessionen. Auf den 52 Spielkarten der US-Armee, auf denen die Köpfe der meist gesuchten Saddam Vertrauten abgebildet waren, waren 38 schiitische Köpfe - nur 16 hatten Saddams Religion.

In der sozialen Struktur des Irak sind immer noch die Stämme wichtig. Doch die sind nicht nach Religion zu unterscheiden - Heiraten zwischen Schiiten und Sunniten sind üblich; deswegen ist die Religionszugehörigkeiten in den Stämmen oft gemischt.

Als das Gerücht über einen Bombenanschlag unter pilgernden Schiiten zu einer Panik mit hunderten von Toten führte, wurde ihnen sofort von der Bevölkerung geholfen - völlig unabhängig von der Religionszugehörigkeit.

Nach dem Anschlag auf die schiitische Moschee von Sammara gingen in vielen Städten hunderttausende wütende Iraker auf die Straße.

Sunniten und Schiiten vereinten sich unter der Parole "Nein zu Amerika! Nein zum Terrorismus"

Noch gibt es im Irak keinen Bürgerkrieg in dem Sinn, dass Teile der Bevölkerung gegeneinander kämpfen.

Aber es gibt Kämpfe und Morde zwischen den Parteimilizen der großen Parteien, die bei den Wahlen angetreten sind. Die von den USA vorformulierte Verfassung heizt diese Kämpfe zwischen den Eliten an, weil sie hoffen, mit dem Wohlwollen der USA auch an einen Teil der Öl-Pfründe zu kommen.

Auch "die" Kurden sind kein einheitlicher Block. In den mehrheitlich kurdischen Provinzen gibt es Oben und Unten und keine ungebrochene Loyalität zur kurdischen Regierung.

Vor zwei Tagen zum Beispiel, am Donnerstag, demonstrierten tausende in Halabja gegen die kurdische Regierung. Halabja ist der Ort, in dem Saddam Hussein 1988 während des Irak-Iran Krieges 5.000 Kurden mit Giftgas umbrachte. Bei der Demonstration schossen Sicherheitskräfte in die Menge. 1 Person wurde getötet (10 verletzt).

Die Meinungsbildung in Deutschland wir aber nicht nur durch die Desinformation in den Medien eingeschränkt. Unser Recht auf freie Information wird staatlicherseits beschnitten.

Im letzten Herbst hatten verschiedene Gewerkschaftsgliederungen und viele Gruppen aus der Anti-Kriegsbewegung zwei Gewerkschafter der Unabhängigen Gewerkschaft der Ölarbeiter aus dem Südirak eingeladen, um die Informationssperre und das Bild vom terroristischen Widerstand wenigsten ein Stückchen weit aufzubrechen.

Die Kollegen wollten uns berichten, wie sie verhindert haben, dass die Besatzungstruppen ihre Ölanlagen besetzen, wie sie erfolgreich gegen den von den US-Besatzungsbehörde verfügten Lohnstopp und für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung in der Region Basra gekämpft haben, wie sie verhindert haben, dass der Subunternehmer eines amerikanischen Großkonzerns sie arbeitslos macht und sie vom technologischen Wissen abgeschnitten werden, wie sie die kriegszerstörten Ölanlagen wieder zum Laufen gebracht haben, wie sie gemeinsam mit den Hafenarbeitern in Basra erzwungen haben, dass ein dänischer Konzern nicht den Hafenbetrieb übernimmt.

Sie wollten berichten, dass sie diese Kämpfe gegen die Privatisierung und gegen den Raub des Reichtums des Irak nur deshalb erfolgreich geführt haben und führen können, weil sie sich nicht in Schiiten, Sunniten oder Araber und Kurden haben spalten lassen. Sie wollten uns erklären, dass sie ihren Kampf verstehen als Teil des Widerstands gegen die Besatzung und den Ausverkauf des Iraks. Doch dazu kam es nicht.

Denn plötzlich, zwei Tage vor Beginn der Rundreise, wurde ihnen - ohne Angabe von Gründen - das Einreisevisum verweigert.

Etwa zum gleichen Zeitpunkt geschah das auch bei zwei Ärzten aus Falludscha, die nach Norddeutschland eingeladen worden waren. Ist das Bürokratismus, Zufall, Versehen?

Seit Anfang dieser Woche bin ich mir sicher, dass das nicht so ist. Ein Vertreter der Irakischen Patriotischen Allianz, konnte zwar auf Einladung der Linkspartei einreisen, aber dass Berliner LKA erteilte ihm Redeverbot und lies den Veranstaltungsort von einer Hundertschaft umstellen.

Die Besatzungsmächte stehen im Irak mit dem Rücken an der Wand. 80 -90 % aller Iraker sind für das Ende der Besatzung. Zwischen 45 und 60 % unterstützen den bewaffneten Widerstand. 80 % aller Anschläge sind gegen die Koalitionstruppen gerichtet.

In den USA halten nur noch 32 % der Bevölkerung Bush für einen guten Präsidenten. Eine Mehrheit der US-Bürger ist für eine Beendigung des Irak-Krieges.

Trotzdem spricht Bush von einer "Strategie für den Sieg im Irak"

Diese "Strategie" besteht in der "Irakisierung" des Krieges. Der Kampf gegen die irakische Bevölkerung soll von irakischen Soldaten geführt werden.

Die gegenwärtig laufende Angriffswelle ist Teil (ich zitiere Bush) "der Ausbildung der Iraker, so dass sie den Kampf .... übernehmen können". Außerdem sollen Soldaten der Besatzungstruppen innerhalb von Einheiten der irakischen Polizei eingesetzt werden, damit diese lernend-mithelfend ausgebildet werden. Man kann sich schon heute ausrechnen, dass die irakischen Lehrlinge noch stärker Ziel von Angriffen werden als bisher.

So wächst die Gefahr eines Bürgerkrieges.

Je länger die Besatzung besteht, desto mehr können die Unterschiede zu Gegensätzen werden. Die Besatzung ist nicht mehr außerhalb der irakischen Gesellschaft. Sie ist innerhalb der Gesellschaft. Mit dem Aufbau der Arme und der Polizeikräfte. Der Staat wird kolonisiert. Sie hat ihre Arme in jede Organisation der Gesellschaft ausgestreckt. Es gibt abertausende ausländische Söldner, es gibt "private" Armeen.

Ein schnelles Ende der Besatzung könnte diese Gefahr bannen.

Doch Bush will den "Sieg im Irak". Sonst können die 14 Militärstützpunkte nicht gebaut werden. Die sind aber Teil der Strategie der USA zur Unterwerfung der Ölregion.

Mit der "Irakisierung" des Besatzungskrieges will die US-Regierung den Rücken in den USA selbst frei bekommen für den geplanten Angriff auf den Iran, der sehr, sehr vielen unschuldigen Menschen das Leben kosten wird.

Bush steckt die Welt in Brand!

Koste was es wolle!

Die EU kann den USA militärisch nicht das Wasser reichen. Die EU-Regierungen hätten es lieber etwas friedlicher gehabt, aber wenn es nicht zu ändern ist ? Lieber mitgegangen, als abgehängt. Deswegen stehen jetzt auch Frankreich und Deutschland offen an der Seite des Kriegstreibers Bush.. Eine Niederlage im Krieg gegen den Irak würde ein schwerer Schlag für die forcierte weltweite Durchsetzung des neoliberalen Projekts im Interesse aller großen Konzerne bedeuten, auch von Siemens, EADS, BASF, Daimler-Benz, Hochtief, und wie sie alle heißen.

Können wir gegen diesen Wahnsinn etwas ausrichten ?

Ich denke, wir müssen und wir können es.

Vor drei Jahren sind weltweit gemeinsam 40 Millionen Menschen gegen den Angriff auf den Irak auf die Strasse gegangen. Wir haben Bush und Blairs Rechtfertigungen für den Krieg als Lügen gebrandmarkt. Damals konnten wir den Krieg nicht verhindern. Aber es ist unserer Bewegung zu verdanken, dass die Kriegstreiber sehr schnell zugegeben mussten, dass ihre Kriegsgründe erlogen waren.

Gerade weil wir diesen Erfolg hatten, ziehen die Herrschenden heute eine weitere Karte: die Karte des kulturellen Rassismus. Wir sollen den Menschen in den Ländern muslimischen Glaubens alles zutrauen: Fanatismus, Antisemitismus, völlige Irrationalität und Aggressivität. Zumindest sind sie so dumm, sich gegen den glücksbringenden Westen aufhetzen zu lassen.

Doch wir sollen dumm gehalten werden. Das zeigen auch die jüngsten Informationen über die Zusammenarbeit zwischen den deutschen und amerikanischen Geheimdiensten.

Noch wichtiger ist: diese Enthüllungen werfen wieder ein Schlaglicht auf die massive und ständige Unterstützung des Krieges und der Besetzung des Irak durch die Bundesregierung.

Das amerikanische Kriegsministerium, hat Deutschland in einer Liste als "nicht der Koalition angehörend, aber kooperierend" aufgeführt. (FAZ 1.3.06)

Die schwarz-rote Regierung betont, dass sie die Außenpolitik der rot-grünen Regierung fortsetzen will. Auch die personelle Kontinuität ist gewahrt. Außenminister Steinmeier war Teil des innersten Kreises der Vorgänger-Regierung.

Heute sind, wie in den vergangenen drei Jahren, die US-Stützpunkte auf dem Boden Deutschlands für die Durchführung des Krieges der USA im Mittleren Osten enorm wichtig. Die Bundesregierung unterbindet nicht die Nutzung dieser Stützpunkte für diesen Zweck und beteiligt sich damit weiter an Bushs Kriegen.

Wenn wir die Fortsetzung der Kriegspolitik von Bush verhindern wollen, dann müssen wir die Bundesregierung dazu bringen jegliche Unterstützung für die Aufrechterhaltung der Besatzung einzustellen und die Bundeswehr aus Afghanistan und Somalia abzuziehen

Das ist sicherlich nicht einfach. Doch am 15. Februar 2003 waren in Deutschland eine halbe Million Kriegsgegner auf der Straße. Unser Ziel muss sein, diese Anti-Kriegsbewegung wieder lebendig zu machen und zusammen zu bringen.

Als Erstes müssten wir der ungeheuren Desinformation den Kampf ansagen, der Hetze gegen Muslime entgegentreten, durchsetzen, dass Vertreter der irakischen Opposition gegen die Besatzung in Deutschland reden können.

Wir müssen den Mut haben aktiv einzutreten für die Forderung

Schluss mit der Besatzung des Irak

Kein Krieg gegen Iran

Lasst uns den Welt- Kriegstreiber Bush stoppen



E-Mail: StefanieHT@gmx.de
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