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Erstellt:
13.05.1998


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zu: Aktion Jericho - Inhalt

Aktion Jericho

Mauern müssen fallen

Hans Peter Hauschild und Traudl Vorbrodt

Die aktuelle "Null Toleranz" wird heute am deutlichsten im Umgang mit straffälligen AusländerInnen. Immer schneller und ohne Rücksicht auf humanitäre Härten wird abgeschoben. Im Wahlkampf 1998 wird entsprechender Haß geschürt. "Vergebung" wird zum gesellschaftlichen Tabu, obwohl gerade wir Deutschen immer auf die Vergebung unserer nichtdeutschen Opfer angewiesen bleiben werden. Für straffällige Ausländer besteht nicht einmal dann Ausweisungsschutz, wenn sie hier geboren sind oder wenn ihr Lebensmittelpunkt hier ist, wenn sie Partner und Kinder in Deutschland haben, unter Krankheiten leiden, die im Lande ihrer Paßzugehörigkeit nicht behandelt werden usw. Angesichts des persönlichen Leids, das deutsche Behörden mit der brutal durchgesetzten Ausweisung verursachen, stellt sich erneut die Frage, wer eigentlich von wem Vergebung zu erbitten hätte ...

Pax Christi wird 50. Die Wurzeln der Internationalen Katholischen Friedensbewegung sind die Versöhnungsschritte zwischen französischen Opfern und deutschen Tätern nach dem Krieg. Wir hoffen, daß die Aktion Jericho dieses ebenso gesellschaftliche wie zwischenmenschliche Versöhnen aktuell und wirksam fortschreibt. Auch schwere, persönliche Schuld darf nicht dazu verführen, endgültig den Stab über den Tätern zu brechen, so glauben wir. Darum nehmen wir von "ganz unten" her Partei für alle Fremden und gegen nationale Privilegien.

In der Berliner Härtefallberatung von Pax Christi, wo wir die Verzweiflung dieser Menschen hautnah miterleben, wo wir Lösungen für einen legalen Aufenthalt suchen und dabei immer seltener Erfolg haben, entstand die Idee der "Aktion Jericho", der sich bisher über 20 z.T. bundesweite Organisationen angeschlossen haben. Viele der Ausgewiesenen wurden bereits hier geboren oder kamen als Kleinkinder nach Deutschland. Sehr viele sind mit Deutschen oder bleibeberechtigten AusländerInnen verheiratet und haben Kinder. In diesen Fällen werden nicht nur die Ausgewiesenen selbst getroffen, sondern häufig ungleich härter deren Familienangehörige. Partner werden getrennt, Kinder verlieren Vater oder Mutter oder werden gar zu Vollwaisen. Pflegebedürftige und alte Menschen verlieren oft die einzige Bezugsperson. Meistens ist die "Restfamilie" des Täters nach dessen Abschiebung auf Sozialhilfe angewiesen. Oft erwartet sie Verelendung und Isolation. Der Trennung durch die Haft folgt das Einreiseverbot auf unbestimmte Dauer. Häufig müssen die Abgeschobenen im Land ihrer Paßzugehörigkeit untertauchen, um einer nochmaligen Strafe für ihre Tat in Deutschland zu entgehen, z.B. bei Totschlag eines Landsmannes oder wegen Drogendelikten.

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Aktion Jericho - Inhalt
Diese Aktionszeitung will den Aufschrei der Betroffenen, ihrer Familien und Freunde hörbar machen und versucht, Verständnis für ihre existenziellen Probleme zu wecken. Sie will die Verletzung der Menschenrechte bei Abschiebung trotz humanitärer Härten des Einzelfalles bewußt machen und eine "Lawine der Einsicht" lostreten, um zu humanitären Standards zurückzukehren.

Die "Aktion Jericho" und ihr Untertitel "Mauern müssen fallen" erinnern an die Geschichte vom "wunderbaren Mauerfall" der Stadt Jericho im Alten Testament. Migranten, flüchtende Rückkehrer aus Ägypten, belagern die wohlhabende Stadt in der Wüste mit der hohen Mauer und den geschlossenen Toren. Die Mauer fällt ohne menschliches Zutun, nachdem sie siebenmal mit Bundeslade und Fanfare umschritten wurde. Wie in der biblischen Jerichogeschichte hat sich heute die Festung Europa für Hilfesuchende weitestgehend geschlossen. Von ihren Zinnen werden immer mehr Schutzsuchende in eine ungewisse Zukunft und in oft lebensgefährliche Bedingungen gestürzt. Die EU-Mauer wächst. Sie wird aus Feindbildern zum Thema "Innere Sicherheit" konstruiert: fremd = kriminell = raus! Wichtigste Konstruktionsregel: "Selbst schuld" bei Krankheit, Armut, Fremdsein und Delinquenz. Daß sie vor allem gesellschaftlich produziert sind, wird verdrängt.

Und zugleich wird "übersehen", wie offensichtlich der Staat "Kriminalität" organisiert: durch Verweigerung einer legalen Einreise und eines legalen Aufenthaltes; durch Verweigerung des Existenzminimums und legaler Arbeitsmöglichkeiten; durch Verbot von Drogenkonsum und Verhinderung eines legalen Marktes. "Ausländerkriminalität" wird als Grenze der Mitmenschlichkeit propagiert, um sich beim Wegfall alter Grenzen an neuen festklammern zu können. Mit seiner Abschiebepolitik ist Deutschland zur atavistischen Logik der Verbannung und des mutwilligen Quälens aus Rachedurst zurückgekehrt.

Darum fordern wir:

* Wer straffällig wurde, muß die Chance zum
   Neuanfang erhalten, unabhängig von der Art der
   Straftat und unabhängig von der
   Staatsangehörigkeit!


* Wenn die Ausweisung eine humanitäre Härte
   bedeutet, muß sie zurückgenommen werden!




Hans Peter Hauschild leitet die Pax Christi Bistumsstelle Berlin, Traudl Vorbrodt ist Mitglied der Pax Christi Härtefallkommission





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