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Erstellt:
12.06.1999


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zu: Kosov@ - Was tun gegen Krieg

Wer hat gesiegt im Krieg gegen Jugoslawien, wer verloren?

ein Resümée

Darmstädter Friedensforum

Der US-amerikanische Präsident Bill Clinton hat am 10. Juni 1999 vollmundig verkündet, die NATO habe gegen Jugoslawien einen "Sieg" errungen. Das serbische Parlament hat den "Friedensplan" der G8-Staaten gebilligt, das jugoslawische Militär handelte eine "technisch-militärische Vereinbarung" über die Einstellung sämtlicher Kampfhandlungen beider Seiten (das heißt auch das Ende des Bombardements der Bundesrepublik Jugoslawien durch die NATO) und den Rückzug der jugoslawischen Sicherheitskräfte aus.

Zwar hat die NATO das erklärte Ziel dieses Krieges, den sicheren Verbleib von Kosovo-Albanern in ihrer Heimat, nicht erreicht. Auch hat die vollständige Zerstörung der jugoslawischen Infrastruktur im Kosovo wie in den übrigen Landesteilen wohl kaum zu einem besseren und friedlicheren Zusammenleben der unterschiedlichen Volksgruppen in Jugoslawien beigetragen. Aber egal. Aus Sicht der westlichen Kriegsbeteiligten hat Milosevic klein beigegeben. Er hat kapituliert, verloren. Die NATO feiert den ersten "Sieg", der ausschließlich aus der Luft errungen wurde. Recht haben sie! Oder?

Auch der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic erklärte sich zum Sieger. In einer Fernsehansprache verkündete er seinem kriegsgebeutelten Volk stolz: "Wir werden das Kosovo nicht aufgeben, Wir haben das Kosovo niemals aufgegeben. Heute ist die territoriale Integrität und Souveränität Jugoslawiens von den G8-Staaten und der UNO garantiert. ... Offene Fragen bezüglich einer möglichen Unabhängigkeit des Kosovos aus der Zeit, bevor die Aggression begann, wurden mit dem Belgrader Abkommen beantwortet. ... Wir haben gezeigt, daß unser Militär unverwundbar ist, ich bin sicher, wir haben das beste Militär auf der Welt..."

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Kosov@ - Was tun gegen Krieg
Zwar mögen Zweifel an seiner letzten Aussage erlaubt sein. Aber tatsächlich wird in dem 12-Punkte-Plan der G8-Länder wie in der UNO-Sicherheitsresolution zum Jugoslawienkrieg anerkannt, daß der Kosovo ein Teil der Bundesrepublik Jugoslawien bleibt und lediglich mit Autonomierechten ausgestattet wird. Außerdem wurde in den Sicherheitsratbeschluß ausdrücklich hineingeschrieben, "die Verantwortung für die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der Sicherheit" liege vorrangig in der Verantwortung des Sicherheitsrates, also nicht bei der NATO, wie diese im Jugoslawienkrieg glauben machen wollte. "Wir haben gesiegt, wir Serben haben die NATO besiegt", zitierte das Darmstädter Echo gestern einen siegestrunkenen jungen Mann aus Belgrad. Hat er etwa auch recht?

Da sei doch die Frage erlaubt: Worum wurde dieser Krieg eigentlich geführt?

Die NATO begann am 24. März 1999 ihren dem Völkerrecht, dem Grundgesetz und dem NATO-Statut widersprechenden Angriffskrieg gegen Jugoslawien, um Präsident Milosevic "zur Räson" zu bringen. Seine "Obstruktionspolitik" bei den "Friedensverhandlungen" im Rambouillet und die massenhaften Vertreibungen, Ermordungen und Menschenrechtsverletzungen im Kosovo zwängen die "internationale Gemeinschaft" in Form der NATO zum "humanitären Eingreifen". Die NATO wollte den jugoslawischen Präsidenten zur Unterschrift unter den in Rambouillet vorgelegten Vertrag erzwingen.

Eigentlich hatte die serbische Verhandlungsdelegation sich auch gar nicht gegen eine Unterschrift unter den Vertrag gewehrt. Über den politischen Teil des Abkommens war nahezu Einigkeit erzielt worden. Nur den nachträglich hinzugefügten militärischen Regelungen (d.h. Kapitel 7 mit Anhang B) konnten und wollten die Serben nicht zustimmen.

Jetzt, nach 11 Wochen Krieg, behauptet die NATO, die Serben in die Knie gezwungen und mehr herausgehandelt zu haben als ursprünglich vorgesehen. Was ist daran wahr? Ein Vergleich der am 10.6.99 verabschiedeten Resolution des UN-Sicherheitsrats für eine Friedenslösung im Kosovo mit den Regelungen des Rambouillet-Abkommens in der Fassung vom 23.2.99 bringt Aufschluß (Numerierung der Passagen zu Vergleichszwecken):

Regelungen des Rambouillet-Vertrags

(1)"Die Anwendung von Gewalt im Kosovo wird sofort aufhören." Die Einhaltung durch alle Seiten wäre u.a. durch die vorgesehene Anwesenheit einer OSZE-Implementierungsmission und internationaler Hilfsorganisationen möglich gewesen.

(2)Es war keine aktive Beteiligung des UN-Sicherheitsrates am Friedensprozeß und seiner Umsetzung vorgesehen.

(3)"Der Status ... der Sicherheitskräfte im Kosovo einschließlich des Rückzugs" wird in dem Abkommen geregelt. Diese Regelungen waren von den Serben akzeptiert.

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Kosov@ - Was tun gegen Krieg
(4)"Die Parteien vereinbaren, daß die NATO eine Streitmacht aufstellen wird." Diese sollte dem Abkommen durch Durchsetzung verhelfen. Kapitel7 und der zugehörige Anhang B hatten vorgesehen, daß sich die NATO ohne UN-Mandat nicht nur im Kosovo sondern in ganz Jugoslawien frei und nach Belieben bewegen könnte. Damit wäre die Souveränität Jugoslawiens in hohem Maße verletzt worden - den Serben war somit die Zustimmung zum Vertragswerk unmöglich.

(5)Die Vertragsparteien erkennen die Notwendigkeit humanitärer Hilfe, des "Wiederaufbaus und der dauerhaften wirtschaftlichen Erholung" an. Dabei wird insbesondere vereinbart, daß "die Europäische Kommission innerhalb eines Monats eine internationale Geberkonferenz organisiert." Außerdem wird zugesagt, daß "die internationale Gemeinschaft die Mittel ... zur Verfügung stellt."

(6)Der Vertrag regelt den Aufbau einer eigenen Verwaltung, die Durchführung von Wahlen, die Funktion eines Ombudmans. Nach Ablauf von drei Jahren besteht die Möglichkeit, im Rahmen einer Volksabstimmung den Status des Kosovo neu zu bestimmen. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Kosovo wäre damit die Abspaltung von Jugoslawien gewiß.

(7)Die Vertragsparteien verpflichten sich, mit dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien zusammenzuarbeiten.

(8)Die militärische Entwaffnung der "anderen Streifkräfte" (gemeint ist die UCK) ist vorgesehen, bleibt im Detail aber dem Kommandeur der KFOR überlassen.

Resolution des UN-Sicherheitsrates

(1)Es wird das unverzügliche und nachprüfbare Ende der Gewalt im Kosovo durch jugoslawische Sicherheitskräfte vereinbart. Die Regelung bezüglich des Verhaltens der kosovo-albanischen UCK bleibt vage.

(2)Der UN-Sicherheitsrat hat die Friedenslösung durch seine Resolution gebilligt und damit auf eine völkerrechtliche Basis gestellt.

(3)Der Rückzug der jugoslawischen Sicherheitskräfte aus dem Kosovo "nach einem zügigen Zeitplan" wird festgeschrieben.

(4)Die "Stationierung von zivilen und Sicherheitskräften im Kosovo unter Leitung der Vereinten Nationen" soll u.a. dazu dienen, die Einstellung der Feinseligkeiten und des Rückzugs zu überwachen, den Waffenstillstand (auch zwischen Serben und UCK) zu überwachen und die Entwaffnung der UCK zu organisieren. Die Resolution beschränkt sich auf den Kosovo und verweist auf die "Verpflichtung ... zur Souveränität und territorialen Integrität der Bundesrepublik Jugoslawiens."

(5)Die sichere Rückkehr der Flüchtlinge und die ungehinderte Arbeit humanitärer Hilfsorganisationen werden zugesichert, außerdem "Unterstützung beim Wiederaufbau der Schlüsselinfrastruktur und dem übrigen wirtschaftlichen Wiederaufbau". Die UN-Resolution begrüßt die Absicht, einen "Stabilitätspakt für Südosteuropa" einzuführen.

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Kosov@ - Was tun gegen Krieg
(6)Im Kosovo wird eine Interimsverwaltung aufgebaut, deren Hauptaufgabe die Errichtung einer "substantiellen Autonomie und Selbstverwaltung des Kosovo innerhalb der Bundesrepublik Jugoslawien" ist. Die Details sollen den im Abkommen von Rambouillet entsprechen. Unklar bleibt dabei, ob dies die vorgesehene Volksabstimmung einschließt.

(7)Diese Regelung ist auch in der UN-Resolution enthalten.

(8)Die "UCK und andere bewaffnete kosovo-albanische Gruppen" werden aufgefordert, jegliche "offensive Aktionen zu beenden und die Forderungen für die Entmilitarisierung zu erfüllen."

(Fast) alle sind Verlierer!

Verlierer sind bei diesem Krieg, der ohne zwingenden Grund geführt wurde, (fast) alle:

* Mindestens jeder zweite Kosovo-Albaner flüchtete
  ins Ausland oder schlug sich die vergangenen
  Wochen als Binnenflüchtling durch. Der Kosovo
  ist großenteils zerstört, die Felder blieben
  unbestellt, die Umwelt ist schwer geschädigt,
  Rückstände der Munition mit abgereichertem Uran
  bleiben für lange Zeit eine gefährliche Last. Und
  mit dem Abzug der jugoslawischen Armee fürchten
  nun ihrerseits die Serben die Rache der UCK und
  haben mit ihrem Exodus aus Kosovo begonnen.

* Die Infrastruktur und Industrie von Serbien und
  der Vojvodina, in etwas geringerem Umfang auch
  von Montenegro sind fast vollständig zerstört.
  Der bitterarme Sandschak mit seiner moslemischen
  Bevölkerungsmehrheit ist extrem gefährdet.
  Jugoslawien wurde in seiner Entwicklung weit
  zurückgeworfen. Im ganzen Land führten die
  NATO-Bombardements zu schweren Umweltschäden und
  Verseuchungen mit abgereichertem Uran.

* Die Menschen anderer Katastrophengebiete oder
  Hilfsprogramme in der übrigen Welt
müssen ihre
  Gürtel noch enger schnallen. Das Geld wird jetzt
  in Europa dringender gebraucht. Der "Balkanplan"
  für die wirtschaftliche Konsolidierung
  Südosteuropas wird für künftige "Wohltaten" kaum
  noch Spielraum lassen.

* Die europäischen Länder haben nicht nur diesen
  Krieg mitfinanziert, sie werden auch das Geld für
  den Wiederaufbau des Balkan aufbringen müssen. Die
  Ankündigung des deutschen Finanzministers Eichel,
  daß in den kommenden Jahren die Rentenerhöhungen
  niedriger ausfallen werden, gibt davon erst einen
  kleinen Vorgeschmack.

* Auf allen Ebenen sind Abrüstungsverhandlungen
  ins Stocken geraten. Wenn die führende Weltmacht
  USA vorzeigt, daß das Recht beim Stärkeren liegt,
  haben andere Staaten kaum Anlaß, Rüstung zu
  verringern. Im Gegenteil: Rußland kündigte als
  Gegenmaßnahme zur unübersehbaren konventionellen
  Überlegenheit der USA an, wieder in die
  Entwicklung taktischer Atomwaffen zu investieren.

* Die Friedens- und Konfliktforschung versuchte
  seit langen Jahren, zivile Lösungsmöglichkeiten
  für solche Konflikte aufzuzeigen. Bislang wurden
  ihre Erkenntnisse von den PolitikerInnen rüde
  ignoriert, nun wird ihr hohnlachend vorgeworfen,
  daß ihre (nie befolgten) Rezepte den Krieg ja auch
  nicht verhindert hätten.

* Bestrebungen, den Umgang der Nationen miteinander
  vom Faustrecht weg hin zum Völkerrecht zu
  verlagern, haben einen herben Rückschlag erlitten.
  Mit der vordergründigen Argumentation, im Kosovo
  "humanitäre Hilfe" leisten zu wollen, hat die NATO
  der Kanonenbootpolitik zu einem neuen Höhenflug
  verholfen.

Doch es gibt auch Gewinner.

* Die US-amerikanische Regierung hat ihren Kopf
  durchgesetzt. Sie hat die NATO
  instrumentalisiert, sich selbst für einen
  Angriffskrieg mandatiert und den UN-Sicherheitsrat
  lächerlich gemacht. Die ganze Welt hat verstanden,
  wer momentan das Sagen hat.

* Die Aktien der Rüstungsindustrie sind in den
  vergangenen drei Monaten gewaltig gestiegen. Einen
  Ausblick auf künftige Profiterwartungen gibt die
  Mitteilung des Rüstungsgiganten Raytheon, daß er
  mit einem Auftrag in Höhe von mindestens US$ 1
  Milliarde rechnet, weil das Pentagon sein
  Waffenarsenal nach diesem Krieg wieder füllen
  müsse. In den USA, in Europa (wo die
  Westeuropäische Union zu einem "schlagkräftigen"
  Instrument ausgebaut werden soll) und in der
  ganzen Welt dürfen sich Rüstungskonzerne auf satte
  Umsatzsteigerungen freuen

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Kosov@ - Was tun gegen Krieg


Darmstädter Friedensforum, c/o Regina Hagen,Tel. 06151/47114, Fax: 47105

E-Mail:   regina.hagen@jugendstil.da.shuttle.de





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