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Erstellt:
14.04.1999


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zu: Kosov@: Hintergrundinformationen zum Konflikt

Der gewaltfreie Widerstand wurde im Stich gelassen

Der Konflikt begann nicht erst mit den NATO-Angriffen

Christine Schweitzer

Die Kriege in Jugoslawien begannen mit dem Konflikt im Kosovo und sind nun in den Kosovo zurückgekehrt. Aber weder Aufreihung geschichtlicher Daten (von der Schlacht auf dem Amselfeld 1389 bis zum albanischen Vasallenregime der Achsenmächte im 2. Weltkrieg noch die Perioden von Verfolgung und gewaltsamen Demonstrationen Mitte der 50er Jahre und 1980/81), noch das Paradigma des "ethnischen Konfliktes" genügen, um zu erklären, warum es zu diesem Zeitpunkt zur Zuspitzung kam. Wichtige Faktoren sind:

1. Der Kosovo liegt im Dreiländereck zu Makedonien, Bulgarien und Albanien und hat deshalb immer eine strategische Bedeutung für Jugoslawien gehabt.

2. Bis Ende der 80er Jahre wuchs das ökonomische Gefälle des Kosovo zu den anderen jugoslawischen Republiken, obwohl viel Wirtschaftshilfe in die Region gesteckt wurde. (Dabei wurden allerdings nur Energiewirtschaft und Schwerindustrie gefördert anstelle arbeitsintensiver Industrien; die Arbeitslosigkeit war 1985 dreimal höher als im jugoslawischen Durchschnitt.)

3. Die außenpolitischen Beziehungen zwischen dem sozialistisch-blockfreien Jugoslawien und dem chinaorientierten Albanien waren immer schwierig und wirkten sich auf die Politik gegenüber dem Kosovo aus.

4. Die Struktur Jugoslawiens selbst mit seinen national definierten Republiken legte nahe, alles national zu legitimieren und zu denken. Daraus resultierende Argumentationen waren auf der Seite der Kosovo-Albaner die Forderung, als staatsbildende Nation anerkannt zu werden. Während von serbischer Seite die Position vertreten wurde, daß Albaner im Unterschied zu den anderen sechs jugoslawischen Nationen einen eigenen Staat außerhalb der Grenzen Jugoslawiens besaßen und deshalb die Albaner im Kosovo nur nationale Minderheit sein konnten.

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Kosov@: Hintergrundinformationen zum Konflikt
5. Die lange konfliktreiche Geschichte und gegenseitige Ängste und Mißtrauen machten jede konstruktive Konfliktbearbeitung von Anfang an sehr schwierig.

6. Nach dem Tode Titos begann ein Kampf um die Macht in Jugoslawien, der zum Großwerden mehrerer mit nationalistischen Argumenten operierender Politiker führte. Aus dieser Sicht handelt es bei den Konflikten im südslawischen Raum im Kern nicht um ethnische Konflikte sondern um das Machtstreben und den Machterhalt politischer Cliquen und Perschkeiten wie Milosevic (und Tudjman usw.).

Die Zeit des gewaltfreien Widerstandes

Wenn heute darüber gesprochen werden muß, welche Gelegenheiten es gegeben habe, den Konflikt mit anderen als gewaltsamen Mitteln zu bearbeiten, dann ist die Phase des gewaltfreien Widerstandes gegen die Gleichschaltung durch Serbien, die ungefähr von Sommer 1989 bis Herbst 1997 dauerte, von besonderer Bedeutung. In dieser Zeit versuchten die Kosovarer unter Führung ihres gewählten Präsidenten Ibrahim Rugova, sich gegen die Aufhebung der Autonomie 1989 zur Wehr zu setzen und ihr dann schnell formuliertes Ziel der Unabhängigkeit des Kosovo durchzusetzen.

Dieser Widerstand, von der Kosovarer Führung als "friedliche Strategie" bezeichnet, wurde von praktisch der gesamten Bevölkerung mitgetragen. Trotz seines letztendlichen Mißerfolges, ist er ein beeindruckendes Beispiel dafür, über welch langen Zeitraum eine gewaltlose Strategie aufrechterhalten werden kann. Dabei war er anfangs durchaus nicht vorhersehbar. 1988 erwarteten die meisten Beobachter der Situation im Kosovo eine Intifada, nicht gewaltfreien Widerstand. Die Entscheidung für Gewaltfreiheit stellte eine rein pragmatische Entscheidung dar, wobei einige der Führer der Kosovo-Albaner mit den Theorien von Gandhi u.a. vertraut waren. Man war sich gewiß, daß jedes andere Vorgehen zu einem Krieg mit unvorstellbaren Opferzahlen führen würde.

Der gewaltfreie Widerstand konzentrierte sich auf den Aufbau eines parallelen, von Albanern getragenen Systems. Öffentliche Aktionen (Demonstrationen z.B.) wurden nach 1991 als zu gefährlich betrachtet. Man fürchtete - im Nachhinein kann man sagen, zu recht - dem serbischen Regime einen Vorwand für gewaltsames Durchgreifen zu liefern. Besondes wirksam wurde es in den Bereichen Schule (Aufbau von Schattenschulen und Weiterführung der albanischen Universität in privaten Räumlichkeiten), Gesundheitssystem (besonders mittels der humanitären Organisation "Mutter Theresa") und Regierung (Wahlen zu Parlament und Regierung; Einzug von Steuern u.a.).

Allerdings fehlte dem Widerstand eine Strategie, wie seine Ziele - die Unabhängigkeit von Serbien/Jugoslawien - aus eigener Kraft erreicht werden ken. Stattdessen setzte man von Anfang an auf die internationale Gemeinschaft quasi als Retter, die dem Kosovo die Selbständigkeit geben und durch die Stationierung von Truppen absichern sollte.

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Eine zweite Schwäche des Widerstandes war seine Passivität. Der Alltag ging weiter, ohne daß Veränderungen sichtbar wurden und ohne daß besondere Akte des Widerstandes durchgeführt werden konnten. Hier zeichnete sich allerdings 1997 eine Veränderung ab, als die StudentInnen in Prishtina mit Demonstrationen für die Wiedereröffnung von Schulen und der Universität begannen. Zur gleichen Zeit begannen allerdings auch die gewaltsamen Aktivitäten der Kosovo-Befreiungsarmee. Sie war die andere Antwort auf den Stillstand in der politischen Situation.

Ein drittes kritisch zu sehendes Element war das Fehlen jeglicher Dialogbereitschaft mit dem Gegner. Lange Zeit galt jeder Kontakt, auch zu serbischen Oppositionellen, als verratsverdächtig.

Als Fazit läßt sich festhalten, daß der gewaltfreie Widerstand im Kosovo versagte, weil es ihm nicht gelang, den Konflikt gewaltlos so voranzutreiben, daß alle Konfliktparteien in einen Suchprozeß nach einer Lösung eingebunden wurden, sei es durch ein politisches Engagement der internationalen Staatengemeinschaft oder durch eine stärkere Thematisierung des Problemes innerhalb der Jugoslawischen Föderation. Erst die Terrorakte der Befreiungsarmee und die massiven Gegenaktionen der serbischen Polizei und des Militärs riefen die internationale Gemeinschaft auf den Plan, die zuvor eher geneigt war, die Vorgänge im Kosovo als interne Angelegenheit Serbiens bzw. Jugoslawiens anzusehen und damit dem Widerstand eine faktische Unterstützung zu versagen. Dieses ungeschickte und auf gewaltsame Intervention konzentriertes Vorgehen löste dann letztlich die Katastrophe aus, vor der seit 1989 immer wieder gewarnt wurde, nämlich die Vertreibung der Kosovo-Albaner aus ihrer Heimat.



E-Mail:   c.schweitzer@bionic.zerberus.de





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