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Erstellt:
12.05.1999


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 8.5.1999
 Berlin


zu: Kosov@: Reden gegen den Krieg

Horst Schmitthenner, IG Metall

Abschlußkundgebung Berlin 8. Mai 1999

Horst Schmitthenner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Industriegewerkschaft Metall

Rede anläßlich der Demo

"Stoppt den Krieg - Helfen statt bomben"

am 8. Mai 1999 in Berlin



- Es gilt das gesprochene Wort -



Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

was selbst die größten Pessimisten nicht für möglich hielten, geschieht. Seit 7 Wochen führt Deutschland Krieg. Nacht für Nacht sind deutsche Soldaten daran beteiligt, Jugoslawien und angrenzende Gebiete mit Bombenteppichen zu überziehen, Angriffe auf Straßen, Brücken, Versorgungseinrichtungen und öffentliche Gebäude durchzuführen.

Die Kriegsberichterstattung versucht uns zu vermitteln, dass die Präzision der Nato-Angriffswaffen einen "sauberen" Krieg ermöglicht. Doch erneut ist deutlich, dass es einen solchen Krieg nicht gibt.

Unschuldige Menschen werden getötet oder verletzt, die Flüchtlingswellen der Kosovo-Albaner wachsen, Not und Elend wird verbreitet.

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

ich weiß, die Dramatik der Situation verbietet, es sich mit vorschnellen Schuldzuweisungen leicht zu machen. Aber ich kann es drehen und wenden wie ich will: Der NATO-Angriff auf Ex-Jugoslawien ist eine inhumane, völkerrechtwidrige und verhängnisvolle Aggression. Und deswegen fordere ich: Stopp der NATO-Bombardierung - und zwar sofort!

Um gewollten oder ungewollten Missverständnissen vorzubeugen: Meine entschiedene Ablehnung der NATO-Aggression ist keine Unterstützung, geschweige denn eine Sympathieerklärung für die serbische Führung in Belgrad. Im Gegenteil, die Ermordung und Vertreibung von Menschen aus ihren angestammten Lebensräumen ist ein Verbrechen, das sofort und ohne jede Vorbedingung beendet werden muss.

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Kosov@: Reden gegen den Krieg
Aber die westliche Staatengemeinschaft gewinnt keine moralische Überlegenheit, indem sie mit gleicher Münze heimzahlt.

Nachdem die NATO kein Mandat der UNO zum militärischen Eingreifen erhalten hat, wird der Weltöffentlichkeit ganz praktisch und brutal vorgeführt, was die neue NATO-Strategie bedeutet.

Der Angriff auf Ex-Jugoslawien sei legitim, weil dort die Menschenrechte mißachtet und Auflagen der internationalen Gemeinschaft zur friedlichen Lösung des Konfliktes nicht eingehalten werden, heißt es.

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

das ist nicht mal die halbe Wahrheit. Ob militärisch interveniert wird oder nicht hat in dieser NATO-Strategie wenig mit Menschenrechten zu tun. Sonst hätten in den letzten Jahren zig Interventionen stattfinden müssen. Erklärtes Ziel der NATO nach dem Ende des Kalten Krieges ist es, sich keinen anderen internationalen Gremien unterzuordnen, sondern ihre Einflußgebiete militärisch selbst abzusichern. Damit sollen die eigenen ökonomischen, politischen und strategischen Interessen gesichert und durchgesetzt werden. Das ist die ganze Wahrheit.

In diesen Wandel der NATO-Strategie wurde still und leise auch die Bundeswehr einbezogen. So heißt es im "Weißbuch" des Verteidigungsministeriums von 1994: "Für die NATO ist neben die Kernfunktion der kollektiven Verteidigung die Unterstützung internationaler Maßnahmen zur Konfliktverhütung und Krisenbewältigung getreten." Daraus folgt dann logisch: "Das Einsatzspektrum der Bundeswehr wird auf der Grundlage der Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen von der humanitären Hilfe in Katastrophen und Konfliktgebieten über die Beteiligung an Einsätzen zur Friedenssicherung bis hin zum Einsatz in der internationalen Krisenbewältigung reichen."

Und was Außenminister Fischer von der Notwendigkeit eines UNO-Mandates bei dieser Strategie hält, hat er auf der Wehrkunde-Tagung in München erklärt: "Zwangsmaßnahmen bedürfen im Regelfall der Legitimierung durch die von der Weltgemeinschaft dazu autorisierten Organisationen." - Ausnahmen sind also möglich und gewollt.

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

diesem militaristischen Denken müssen wir uns entschieden entgegenstellen!

Wir brauchen eine breite Debatte über die zukünftige Rolle von NATO und Bundeswehr. Dieser Wandel des Auftrages von Armeen ist für demokratische Gesellschaften schlichtweg unwürdig und in seiner Konsequenz für viele Menschen brutal und vernichtend.

Die verfassungsrechtliche Beschränkung der Bundeswehr auf defensive Landesverteidigung hat gerade in Deutschland eine geschichtliche Begründung, die viele Menschen mit ihrem Leben bezahlt haben. Sie kann und darf nicht einem neuen, anmaßenden Selbstverständnis als einem allmächtigen Weltpolizist geopfert werden.

 zum Anfang


Kosov@: Reden gegen den Krieg
Die NATO repräsentiert 10 Prozent der Weltstaatengemeinschaft und tätigt mehr als zwei Drittel der Weltmilitärausgaben. Das Ende des Kalten Krieges wurde nicht zum Anlaß genommen, diese Ausgaben zu senken und statt dessen mit diesem Geld dringende Menschheitsprobleme wie die Ernährung und die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen anzupacken. Das wäre der wirkliche Schutz der Menschenrechte.

Und auch dieser Krieg kostet Geld. Jede Nacht werden Millionen DM verpulvert. Geld, das dringend gebraucht werden würde. Nicht nur für die Bevölkerung in den beteiligten NATO-Staaten sondern insbesondere auch im Kosovo und auf dem gesamten Balkan. Ich will gar nicht darüber spekulieren, wer die Kosten der deutschen Beteiligung am Militäreinsatz zu bezahlen haben wird. Die Unternehmen, die seit Jahren Waffen in die Region liefern, werden es nicht sein.

Und auch nicht die politischen Eliten, die die Waffenlieferungen zulassen und dann im Kriegsfall Soldaten hinterherschicken.

Auch diesmal werden die offenen Rechnungen der abhängig Beschäftigten, den Arbeitslosen und den sozialen Bedürftigen präsentiert werden. Wäre dieses Geld als Entwicklungshilfe vor der Eskalation der Auseinandersetzungen eingesetzt worden, wäre den Menschen in der Region tatsächlich geholfen worden. Die großen Entwicklungsunterschiede in der Region haben doch erst zur staatlich-politischen Krise beigetragen. Und die Bundesrepublik hat durch ihre Anerkennungspolitik die Unterschiede verstärkt und so zur Verschärfung der Lage auf dem Balkan beigetragen.

So wurde es jahrelang versäumt, eine friedliche Konfliktlösung zu erreichen.

Jetzt wird Krieg geführt.

Obwohl klar ist: Mit Krieg können die sozialen Probleme der Menschen auf dem Balkan nicht gelöst werden.

Jeder weitere Angriff erhöht nur den Haß und verschlechtert die Bedingungen für einen zukünftigen Frieden. Ein anderer Weg muß beschritten werden.

- Der sofortige Stopp der NATO-Bomben muß den Weg
  freimachen für eine politische Konfliktlösung

- Verfolgung und Vertreibung der Menschen im Kosovo
  müssen sofort gestoppt werden

- Es muß eine Balkan-Konferenz einberufen werden
  unter Federführung der UNO und unter Beteiligung
  Rußlands sowie der regionalen Regierungsvertreter
  und Vertreter nationaler Gemeinschaften

- den Flüchtlingen aus dem Kosovo muss sofort
  wirksam geholfen werden.

Einen anderen Weg gibt es nicht. Krieg ist kein Mittel der Politik.

Schluß damit!



Horst Schmitthenner ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Industriegewerkschaft Metall

E-Mail:   horst.schnitthenner@igmetall.de
Internet: http://www.igmetall.de





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