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Panzer in die Türkei? - Inhalt


vom:
15.12.1999
Update: 29.03.2000


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Panzer in die Türkei?:

  Hintergrund-Informationen

Deutsche Panzer für die Welt

Stefan Gose

Die europäische Panzerindustrie hat das Ende des Kalten Krieges verschlafen. In der Europäischen Union werden 4 konkurrierende Kampfpanzer, 16 verschiedene gepanzerte Rad- und Kettenfahrzeuge sowie eine Unzahl von abgeleiteten Panzervarianten produziert. (1) Der Markt für die stählernen Kolosse ist allerdings geschrumpft. Denn die Armeereduzierungen seit 1990 begannen stets bei den überdimensionierten Landstreitkräften. Für künftige Interventionstruppen sind 60-Tonnen-Leopard-Panzer so wenig zu gebrauchen, wie zu transportieren. Spät reagiert die Panzerbranche nun mit Fusionen, Kooperationen und einer Exportoffensive zum Erhalt der eigenen "Systemfähigkeit". Die jüngsten Beschaffungsentscheidungen und die geplanten Leopard II-Exporte schaffen Tatsachen, durch die ein europäisches Panzerkartell unter Führung von Krauss-Maffei Wegmann wahrscheinlich wird.




Wer wird Chef des Panzermonopols?
Der deutsche Panzermarkt ist zum Ende des Jahrtausends auf drei "Systemfirmen", die Panzerfahrzeuge entwickeln und produzieren können, zusammengeschmolzen: Krauss-Maffei Wegmann (im Besitz der Mannesmann-Demag AG), Henschel Wehrtechnik und KUKA (beides Töchter der IWKA) sowie der MaK/Rheinmetall-Gruppe. Daneben existieren zahlreiche Zulieferer wie Blohm+Voss (Panzerwannen und Türme), Diehl (Panzerketten), MTU/DASA (Motoren), Renk und Zahnradfabrik Friedrichshafen/ZF (Getriebe), Rheinmetall W&M (Waffenanlagen, Kanonen), STN Atlas Elektronik (Feuerleitsysteme, Aufklärungselektronik), oder Zeiss Optronik (Sensoren, Laser).

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Bereits heute existieren nationale Panzermonopole. Denn arbeitsteilig ist Krauss-Maffei Wegmann auf mittlere und schwere Panzerfahrzeuge spezialisiert. Die IWKA-Töchter Henschel und KUKA produzieren leichte und mittlere Panzerfahrzeuge. MaK/Rheinmetall hat sich auf Spezialpanzer konzentriert und ist nebenbei europäischer Marktführer für Panzerkanonen. Etwa 7.000 Beschäftigte zählt die deutsche Panzerindustrie 1999. Hinzu kommen etwa 13.000 MitarbeiterInnen von Zulieferfirmen. In der Rangfolge steht Krauss-Maffei Wegmann mit 2.200 Beschäftigten und einem Umsatz von ca. 1,3 Mrd. DM (1999) an erster Stelle.(2) Trotz dieses vergleichsweise kleinen Marktsegments genießt die Branche eine unverhältnismäßig große staatliche Zuwendung.(3)

Deutsche Panzerindustrie: wer baut was?


Henschel Wehrtechnik GmbH (Kassel)

Umsatz 1998: 150 Mio. DM
670 Beschäftigte


Produktion: SPz Marder 1; SPz Marder 1A3; SpähPz Luchs; TPz Fuchs; PZAbwPz Jaguar 1; gepFz 4x4 Condor; gepFz 4x4 UR416; RadPz TH400; SPz TH495; MLRS-Trägerfzg.; M 113 Umrüstung

Krauss-Maffei Wehrtechnik GmbH (München)

Umsatz 1998: 726 Mio. DM
920 Beschäftigte


Produktion: KPz Leopard 1; KPZ Leopard 2; KPz Leopard lA5; (KWS II); FLakPz Gepard; BPz 3 Büffel; Faltstraßengerät; MiV Skorpion; GTK

KUKA Wehrtechnik GmbH (Augsburg)

Umsatz 1998: 120 Mio. DM
475 Beschäftigte


Produktion: SPz Marder 1-Turm; Spz Wiesel 1-Turm; SPz Marder 1A3; SpzMl2; M 109A3 (NDV)

MaK System Wehrtechnik GmbH (Kiel)

Umsatz 1998: 284,8 Mio. DM
730 Beschäftigte


Produktion: KPz Leopard 1; KPz Leopard 2; KPz Leopard 2A5; (KWS II); BPz 2 Büffel; PiPz Dachs; BrPz Biber; MiRPz Keiler; SPz Marder 1A3; SPz WieseL 1; SPz Wiesel 2; PzH 2000; Fahrgestell GTK

Wegmann & Co GmbH (Kassel)

Umsatz 1998: 556,4 Mio. DM
1.068 Beschäftigte


Produktion: KPz Leopard 1-Turm; KPz Leopard 2-Turm; KPz Leopard 2A5; -Turm; FlakPz Gepard-Turm; PzH 2000; ArtRakW LARS; ArtRakW MARS; TPz Fennek; GTK-Waffenträger; LeFLaSys Ozelot

Abkürzungen:

ArtRakW - Artillerie-Raketenwerfer, BPz - Bergepanzer, BrPz = Brückenlegepanzer, FlakPz = Flugabwehrpanzer, gepFz 4x4 - gepanzertes Allradfahrzeug, GTK - gepanzertes Transportfahrzeug, KPz = Kampfpanzer, KWS - Kampfwertsteigerung, LeFlaSys - Leichtes Flugabwehrsystem, MiRPz - Minenräumpanzer, MiV = Minenverlegepanzer, NVD - Nutzungsdauerverlängerung. PiPz - Pionierpanzer, PZAbwPz - Jagdpanzer, PzH -Panzerhaubitze, RadPz - Radpanzer, SpähPz - Spähpanzer, SPz - Schützenpanzer, TPz - Transportpanzer,

Quelle: Dieter Hanel: Gepanzerte Fahrzeuge aus Deutschland, in: Wehrtechnik 111/99 (Oktober), S. 34

Auftragslage als industrielle Vorentscheidung
Der militärische Trend geht zum kleinen beweglichen - vor allem luftverlastbaren - Panzer. Doch Gewinne werfen vor allem die schweren Systeme ab. Deshalb frohlockte die Branche noch 1998, als Volker Rühe die Bestellung von 185 Panzerhaubitzen 2000 (Krauss-Maffei Wegmann) für 1,75 Mrd. DM in Auftrag gab. Diese Fossilien für Panzerschlachten des Kalten Krieges soll die Bundeswehr bis 2002/3 erhalten.
(4) Auch der 6 Mrd. DM-Auftrag für 3.000 Gepanzerte Transportfahrzeuge/GTK ging 1998 an das Krauss-Maffei-Konsortium Artec.(5) Der Kassensturz der neuen Bundesregierung senkte allerdings die Ertragserwartungen der Panzerindustrie. Die "Kampfwertsteigerungsstufe III" des Leopard II (größere Kanone, größere Reichweite) wurde 1999 gestrichen.(6) 1999 liegen die Panzerkäufe der Bundeswehr bei 451 Mio. DM, 2002 sollen sie auf 761 Mio. DM steigen, 2004 liegen "nur" noch Aufträge für 202 Mio. DM in den Panzerschränken. Für 2006 erwartet die Panzerindustrie wieder Bundeswehraufträge bis zu 714 Mio. DM.(7) Just in dieser "Auftragslücke" 2003/4 hat nun die türkische Regierung Bedarf für 1.000 Kampfpanzer für 14 Mrd. DM angemeldet. Jeder deutsche Lobbyist würde gefeuert, der bei dieser Perspektive nicht auf Krauss-Maffei Wegmann als künftigen Systemführer einer "arrondierten" europäischen Panzerindustrie setzen würde.

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Lange Zeit galt zwar Rheinmetall als der flexibelste Kandidat, zumal dessen Kanonen noch für nahezu jedes deutsche Panzerfahrzeug gebraucht wurden. Doch die Krauss-Maffei AG entzog sich der drohenden Übernahme, indem sie Ende 1998 mit Wegmann ein Joint Venture gründete und damit die Kriegskasse des Konkurrenten Rheinmetall überforderte.

Doch die künftige Neuordnung der europäischen Panzerindustrie hängt nicht allein von den deutschen Unternehmensgrößen ab. Mit Spannung erwarten die Konzernzentralen, ob sich Verteidigungsminister Scharping gegen die von Finanzminister Eichel angekündigten Rüstungseinsparungen von 18,6 Mrd. DM bis 2003 erwehren wird. Trotz Reduzierungen von schwerem Gerät steht nämlich noch ein Großprogramm auf der Warteliste: die "Neue Gepanzerte Plattform/NGP", die ab 2007 den Leopard II ersetzen soll. Immerhin über 3.500 Leopard II wurden bisher fürs In- und Ausland produziert.

Europäische Konkurrenz am Boden
Zur Stärke der deutschen Panzerindustrie gesellt sich die Schwäche der europäischen Konkurrenz: In Großbritannien steht gerade der Hoflieferant für schwere Kampfpanzer (Challenger), Vickers, zum Verkauf. Rolls Royce hatte den defizitären Rüstungsmischkonzern (Marinewerft, Panzer, Turbinen) im September übernommen, um zum europäischen Marktführer für Schiffs-, Flugzeug- und Panzerantriebe zu avancieren. Nun sollen die branchenfremden Vickers Sektoren ausgegliedert werden. Die britische GKN Defense, Produzent der leichten Panzerfahrzeuge Dessert Warrior und Piranha, konzentriert sich seit der Fusion mit der italienischen Agusta vom März 1999 auf ihr Hubschrauber-Geschäft GKN Westland Helicopter, wodurch Eurocopter (DASA/Aerospatiale) von Platz eins der europäischen Hubschrauberproduzenten verdrängt wurde. Gleichwohl ist GKN Defense noch am GTK-Joint Venture mit Krauss-Maffei Wegmann beteiligt. Ebenfalls beteiligt an GTK ist der britische Produzent kleinerer Panzerfahrzeuge, Alvis. Doch keines dieser Unternehmen könnte gegenwärtig eine Führungsrolle im europäischen Panzerbau übernehmen.

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In Frankreich sucht die Regierung seit vielen Jahren nach Interessenten für ihren defizitären Hoflieferanten Groupement Industriel des Armements Terrestres/GIAT (Kampfpanzer Leclerc). Da die französische Regierung bisher nicht bereit war, sich von Teilen ihres 100-prozentigen GIAT-Aktienbesitzes zu trennen, lautet die bereits gescheiterte Entwicklungsstrategie des schwerfälligen Konzerns auch weiterhin: Exporte und Joint Ventures. Allerdings ist GIAT weder technologisch noch organisatorisch als europäischer Kooperationspartner attraktiv.(8) Anders sieht es mit Panhard, Frankreichs Produzenten leichter und mittlerer Panzerfahrzeuge (AMX) aus. Zwar ist auch dieser Staatsbetrieb für Fusionen ungeeignet. Doch seit Anfang der 90er Jahre entwickelt Panhard die "Panzerfamilie" Vehicle Blindee Modulaire/VBM, ein Baukastensystem, das sich flexibel für Joint Ventures im zukunftsträchtigen Markt wendiger Kleinpanzer eignet. Auch in Deutschland wurde mit der "Experimentalwanne Gesamtschutz/EGS" ("Stealthpanzer"-Prototyp) bzw. der Neuen Gepanzerten Plattform/NGP erkannt, daß künftig mit gemeinsamen Baugruppen teure Doppelentwicklungen vermieden werden müssen.

Die übrige europäische Panzerindustrie, etwa die italienische OTO/Iveco (Kampfpanzer Ariete) oder die schwedischen Volvo-Saab-Scania (Kampfpanzer CV9O), hat weder das Volumen noch den technischen Standard zur europäischen Marktführerschaft. Neben Nischenprodukten, etwa der schwedischen Häggelunds (Bv206) oder von der österreichischen Steyr-Daimler-Puch AG, bleiben der Branche nur Joint Ventures und mittelfristig die Ausgliederung des unrentablen Panzersektors.

Großfusion oder neuer Konzern: Im Zentrum stehen deutsche Panzerbauer
Dies bedeutet noch nicht automatisch eine Übernahme durch Mannesmann/Krauss-Maffei Wegmann. Denn seit die Bundesregierung die gewohnte Planungssicherheit der Rüstungsindustrie ein wenig ins Wanken brachte, spielt Mannesmann-Demag öffentlichkeitswirksam mit Verkaufsabsichten seiner Wehrtechniksparte. Sollte Mannesmann vom britischen Telekommunikationskonzern Vodafone übernommen werden, würde eine solche Ausgliederung noch wahrscheinlicher. Bis 2002 sind die Auftragsbücher von Krauss-Maffei Wegmann noch mit Panzerhaubitzen und Leopard II Kampfwertsteigerungen gefüllt. Solange kann aber die Bundesregierung mit Entscheidungen über künftige Haushaltseinschnitte, NGP und Türkei-Exporte nicht warten. Von diesen Weichenstellungen der Bundesregierung wird wesentlich abhängen, ob Krauss-Maffei Wegmann unter dem Dach von Mannesmann verbleibt oder den Kern eines ausgegliederten europäischen Panzerkonzerns bilden wird. Auf eines deuten aber bereits heute alle Indizien: Die Systemführerschaft des europäischen Panzerbaus wird künftig in Deutschland liegen (sg)

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Anmerkungen

(1) ami 10/99, S. 54

(2) Wehrtechnik III/99 (Oktober), S. 33ff.

(3) vgl. mit leicht abweichenden Zahlen: Hannes Koch. Eine kleine, radikale Minderheit lebt vom Panzerbau, in: Die Tageszeitung/taz 26.10.99

(4) ami 10/99, S. 30

(5) ami 4/98, S. 31ff

(6) Europäische Sicherheit 6/99, S. 518ff

(7) Wehrtechnik III/99 a.a.O.,

(8) siehe ami 8/98, S. 17f

Aus: antimilitarismus information 12/99, Seite 25-30


Der Autor ist Geschäftsführer der antimilitarismus informationen (ami)

E-Mail:  ami@zedat.fu-berlin.de
Internet: http://userpage.fu-berlin.de/~arend/aim.html
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