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Panzer in die Türkei? - Inhalt


vom:
15.12.1999
Update: 26.04.2000


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Panzer in die Türkei?:

  Hintergrund-Informationen

aus: Wehrtechnik IV/99

Brief aus Ankara

Hakki Aris

Das Kampfpanzerprogramm des türkischen Heeres unterscheidet sich klar von den früheren Beschaffungsprogrammen der türkischen Streitkräfte. Es ist ganz interessant festzustellen, daß die Türkei bisher eigentlich nie einen Panzer im wahrsten Sinne des Wortes »gekauft« hat, sondern die Kampfpanzer aus Überschuß-Militärhilfe-Programmen aus den USA, Deutschland und dem Bündnis erhalten hat. In diesem Sinne dient das neue Panzerprogramm auch als Lernprogramm.

Falls die türkischen Streitkräfte in der Lage sind, das »Moderne Panzerprogramm« wie geplant durchzuziehen, das heißt in ähnlicher Weise wie die F-16-Koproduktion bezüglich des Umfangs und der Einbeziehung der heimischen Industrie, dann bin ich der Überzeugung, daß es das größte industrielle Rüstungsvorhaben wird, das jemals bei einem Umfang von mehr als 10 Mrd. US$ von der Türkei unternommen wurde.

Beabsichtigt ist zunächst, 1.000 neue Kampfpanzer mit hoher Beteiligung der heimischen Industrie zu bauen. Dies schließt nicht das geplante Panzer-Modernisierungs-Programm ein, bei dem die Kommunalität wesentlicher Unterbaugruppen ein wichtiger Beitrag der Industrie zum Gesamtprogramm sein wird.

Heimische Zulieferer haben bereits die Bereiche, in denen sie tätig werden wollen, identifiziert, als da sind: Fahrzeugelektronik, Femmeldegerät, Rechner, Zielerfasssung und Navigation (Aselsan), vollständige Hauptwaffe und Munition (MKEK) zusätzlich zu den Arbeiten nationaler Hauptauftragnehmer bei der Wanne, Endmontage, Antrieb und Getriebe.

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Neuartig ist der Auswahlprozeß der heimischen Hauptauftragnehmer, wobei nach einer Vor-Qualifikation die Bewerber-Teams identifiziert wurden, die ihrerseits dann mit der internationalen Industrie gemeinsam Joint-Ventures bilden sollen.

Fünf derartige Bewerber-Teams wurden vor einigen Monaten genannt: Asmas, BMC, FNSS, Otokar und Roketsan. Dies erfolgte im Anschluß an die lang erwartete Angebotsaufforderung, die im September an fünf Hersteller erging: Frankreich, Deutschland, Italien, die Ukraine und die USA. Der Schlußtermin war mit Ende November knapp bemessen und so verblieb nicht viel Zeit für die Sichtung, und die Italiener zogen zurück.

General Dynamics Land Systems brachten als erstes in der Türkei ein Jomt Venture zustande, dank der starken Präsenz in der Türkei.

So wurde das Team ABRAMS geschaffen, zusammen mit BMC, Nurol und Hema. Der Zeitdruck, um den »passenden« Partner zu finden, führte zu hektischen Kreisläufen, wobei GIAT eine Vereinbarung mit Roketsan abschloß, während Otokar inzwischen mit Krauss-Maffei Wegmann flirtet, so daß FNSS und Asmas nur mit den Ukrainern Händchen halten können.

Die Zeit läuft weg und alle Konkurrenten sind der Meinung, daß eine zeitliche Verlängerung des Abgabetermins erforderlich ist. Im Falle, daß eine solche Verlängerung verweigert wird, ist sogar ein Boykott beabsichtigt.

Politische Eingriffe werden bei diesem Programm eine wichtige Rolle spielen. Derartige Anzeichen waren bereits bemerkbar, als Anfang des Jahres amerikanische Offizielle Bedenken über den Grad des Technologietransfers äußerten. Während die amerikanische Regierung die Vermarktung des M1A2 an die Türkei genehmigte, unterlägen ein möglicher Auftrag und die zu transferierende Technologie einer Ratifizierung durch den Kongreß.

Die Situation in Deutschland war (und ist) noch viel komplizierter, da der politische Druck, um einen solchen Verkauf zu verhindern, offen ausgeübt wird. Höhepunkt der Gegnerschaft war Mitte Oktober die Tagung des Bundessicherheitsrates, bei der entschieden werden sollte, ob der Leopard 2A5 an der Erprobung im Rahmen des türkischen »Modern Tank Programs« teilnehmen darf. Zum ersten Mal gab es mit drei für und zwei Gegenstimmen keine einstimmige Zustimmung.

Bundeskanzler Schröder erklärte in einer Pressekonferenz, daß es eine schwere politische Beeinträchtigung wäre, wenn man den Leoparden einem Bündnispartner verweigert (wobei die Türkei ihre Bündnistreue mehr als einmal bewiesen hat), ihr aber andererseits den Status eines Kandidaten für die Mitgliedschaft in der EU zuerkennt.

Auf derselben Sitzung des Bundessicherheitsrates soll der Verkauf der Panzerhaubitze PzH 2000 an die Türkei abgelehnt worden sein. Man kann dies als Kompromißlösung ansehen. Der Antrag bezog sich allerdings nicht auf den Kauf einer bestimmten Stückzahl kompletter Systeme, sondern um eine Anzahl wichtiger Großkomponenten, die in der Türkei beim Einbau in heimische Plattformen durch die Panzerwerkstatt des Heeres erprobt werden sollten. Die Ablehnung kann man als schlichtes Embargo ansehen. Derartige Vorgänge haben zwischen den zwei Bündnispartnern schon verschiedentlich zu Irritationen geführt.

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Die Entwicklung bezüglich des Leopard 2 wird als positives Zeichen gesehen, falls damit eine Lösung für die Zukunft gefunden wurde.

Das Panzerprogramm wird sich allem Anschein nach verzögern und zwar einmal wegen der terminlichen Verschiebung und hinsichtlich möglicher Veränderungen im Management. Die Türkei wird in jedem Fall das »Modern Tank Program« als das aufwendigste industrielle Rüstungsprogramm zu Beginn des 21. Jahrhunderts durchführen.

Hakki Aris

Quelle: Wehrtechnik IV/99, S. 79
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