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Krise in Mazedonien


vom:
23.07.2001


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Krise in Mazedonien:

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PRESSEDIENST Nr. 064/01, Datum: 23. Juli 2001

Beschluss des Bundesvorstandes

Bundesvorstand Bündnis 90/ Die Grünen

Angelika Beer: UN-Mandat keine Voraussetzung

Der Bundesvorstand von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat auf seiner heutigen Sitzung einen Beschluss zu einem möglichen Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien gefasst. Wir geben Ihnen nachfolgend den Wortlaut zur Kenntnis:

"1.Seit Jahren bedrohen nationalistische und gewalttätige Strömungen, die ein Großkroatien, ein Großserbien und jetzt ein Großalbanien anstreben, das friedliche Zusammenleben der Völker, Religionen und Kulturen auf dem Balkan. In Mazedonien ist der Frieden gefährdet. Der Minderheitenkonflikt in Mazedonien schwelt seit Jahren. Die albanischen Parteien fordern Gleichberechtigung als konstituierende Volksgruppe neben den slawonischen Mazedoniern. Die jüngsten Auseinandersetzungen in Mazedonien wurden im Februar 2001 durch albanische Milizen vor allem aus dem Kosovo, aber auch aus Mazedonien ausgelöst. Diese haben sich als mazedonische UCK/ NLA strukturiert. Die mazedonische Regierung hat inzwischen die Kontrolle über Teile des Landes verloren. Setzen sich die Hardliner auf beiden Seiten durch, dann ist eine gewaltsame Zuspitzung bis hin zum Bürgerkrieg nicht auszuschließen.

2. Wir begrüßen den bisherigen Einsatz der Bundesregierung im Rahmen der internationalen Gemeinschaft, eine politische Lösung für Mazedonien zu suchen. Erste Erfolge sind bereits erkennbar. Das wichtigste Ergebnis ist der vereinbarte Waffenstillstand, der bisher trotz einiger Zwischenfälle eingehalten wird. Wir unterstützen die Bundesregierung in ihren aktuellen Bemühungen, einen stabilen dauerhaften Rahmenvertrag zu erreichen. Eine grundsätzliche Einigung über die politische Lösung muß auf wesentliche Grundprinzipien aufbauen. Dieses sind vor allem territoriale Integrität, einem Bekenntnis zu Mazedonien als multiethnischen Staat sowie der Verzicht auf einen Sonderstatus für Teilgebiete. Eine politische Lösung kann aber nur von Dauer sein, wenn sie von vertrauensbildenden Maßnahmen begleitet wird. Deshalb sind Verfassungsfragen von besonderer Bedeutung. In diesem Zusammenhang begrüßen wir das Angebot des ehemaligen Bundespräsidenten Herzogs zusammen mit dem Verfassungsexperten und ehemaligen französischen Justizminister Badinter sich an den Beratungen zu beteiligen. Wir begrüßen auch die Beschlüsse des G 8 Gipfels in Genua, die diese Linie noch einmal bestätigt haben.

3. Im Vorfeld und während des Kosovo-Krieges hat Mazedonien hunderttausende albanische Flüchtlinge aus dem Kosovo aufgenommen. Das UN- Flüchtlingshilfswerk UNHCR und viele Nichtregierungsorganisationen halfen bei ihrer Betreuung. Zur Zeit sind durch die Auseinandersetzungen in Mazedonien wieder Menschen auf der Flucht. Über 100.000 Menschen hat der UNHCR gezählt, die sich seit Februar diesen Jahres vor der Gewalt in die umliegenden Regionen und Staaten geflüchtet haben. Wir erwarten, dass niemand aus Deutschland nach Mazedonien abgeschoben wird. Dies gilt auch für Roma, die - wie schon im Kosovo - erneut Gefahr laufen, zwischen die Konfliktparteien zu geraten. Zusätzlich muss die deutsche Rückkehrpraxis in den Kosovo berücksichtigen, dass diese Region seit Februar zusätzlich zu allen anderen Problemen nun auch noch rund 75.000 Flüchtlinge aus Mazedonien aufgenommen hat. Diese Flüchtlinge belegen Wohnraum und müssen vom ohnehin knappen Budget der Gastfamilien leben.

4. Der NATO-Rat hat in seinem Beschluss vom 29.6.2001 ein Szenario für einen möglichen militärischen Einsatz von NATO-Soldaten beschlossen. Der NATO Rat beschreibt hierfür die notwendigen Bedingungen:

a) Vorliegen einer allgemeinen Rahmenvereinbarung zur politischen Lösung der Problem in Mazedonien

b) Einigung über einen Waffenstillstand und seine Modalitäten

c) Selbstverpflichtung der NLA zu freiwilliger Waffenabgabe, parallel hierzu soll sich die mazedonische Regierung zur Entwaffnung der bewaffneten slawo-mazedonischen Zivilisten verpflichten.


Hierin sehen auch wir die notwendigen Voraussetzungen für einen Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien. Wir sind der festen Überzeugung, erst wenn alle drei Voraussetzungen erfüllt sind, kann ein Einsatz der NATO das erhoffte positive Resultat erzielen. Die NATO steht vor der Aufgabe, eine Zementierung ethnischer Siedlungsgrenzen zu verhindern. Deshalb ist ein sensibles Vorgehen in der Region erforderlich. Wir fordern deshalb die Konfliktparteien auf, sich endlich an einer friedlichen Lösung zu beteiligen. Der Kern und Unterschied zu den vorhergehenden Einsätzen der Bundeswehr wäre die Freiwilligkeit und Übereinkunft der betroffenen Konfliktparteien. Das Schreiben von Präsident Trajkowski vom 14. Juni 2001 an NATO-Generalsekretär Robertson mit der Bitte um Unterstützung seines "Planes und Programmes zur Überwindung der Krise in Mazedonien" bietet eine Grundlage. Nur so kann eine Situation verhindert werden, in der die NATO zwischen die beiden Konfliktparteien gerät. Das Hilfegesuch der mazedonischen Regierung ist Voraussetzung um eine völkerrechtliche Legitimation zu erreichen.

5. Ein solcher Einsatz wäre kein Kampfeinsatz, sondern eine friedensbewahrende Maßnahme.


Es ist der UNO lange gelungen, Mazedonien aus den Kriegen der Regionen herauszuhalten. Eine UN-Blauhelmtruppe, UNPREDEP, war bis 1998 in Mazedonien für die Grenzsicherung zur Bundesrepublik Jugoslawien stationiert. Nachdem Mazedonien Taiwan anerkannt hatte, mußte diese Mission auf Druck Chinas im UN-Sicherheitsrat - parallel zur Zuspitzung der Situation im Kosovo - abgebrochen werden. Dieses hat leider das Vertrauen in die UNO bei den Menschen in Mazedonien geschwächt. Wir begrüssen das Engagement der Bundesregierung, einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates zu erreichen. Dies ist leider auf Ablehnung aller Beteiligten gestossen. Dennoch fordern wir die Bundesregierung auf, auch weiterhin auf eine politische Einbindung der UNO hinzuwirken.

6. Ein weiterer Unterschied zur Situation im Kosovo 1999 ist auch, dass anders als in Jugoslawien unter Milosevic in Mazedonien eine gewählte, demokratisch legitimierte Regierung unter Einschluss albanischer Vertreter an der Macht ist. Auch wenn die Situation der ethnischen Minderheit, der Albaner in Mazedonien oft unbefriedigend ist, ist ein Vergleich mit der Lage der albanischen Minderheit im Kosovo unangebracht. Mit politischer Unterstützung von Bündnis 90/Die Grünen hat die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft in der Vergangenheit viel zur Lösung der Minderheitenfrage getan. Zum Beispiel wird in der mehrheitlich von Albanern bewohnten Stadt Tetovo eine Universität eingerichtet. Hierdurch konnten zum erstenmal nach Jahrzehnten Albaner wieder an einer Universität lernen, an der ihre Sprache gesprochen wurde. Die aktuelle Zuspitzung konnte solche Maßnahmen aber nicht verhindern. Deshalb muss präventiv alles versucht werden, ein Abrutschen in einen Bürgerkrieg zu verhindern."





PRESSEMITTEILUNG Nr. 0491/2001

Datum: 31.07.2001

UN-Mandat keine Voraussetzung für geplanten Friedenseinsatz der NATO in Mazedonien

Zu anderslautenden Agenturmeldung erklärt Angelika Beer, verteidigungspolitische Sprecherin:

Die Grünen halten grundsätzlich ein UN-Mandat für jeden Auslandseinsatz der Bundeswehr für wünschenswert.

Dies ist allerdings keine Voraussetzung für den geplanten Friedenseinsatz der NATO in Mazedonien. Die Einladung der mazedonischen Regierung an die NATO sowie bereits bestehende Verträge zwischen KFOR und Mazedonien sind die rechtliche Grundlage dafür, dass die von der UCK freiwillig abzugebenden Waffen durch ein NATO-Kontingent eingesammelt werden.

Der NATO-Ratsbeschluss von 29.06.2001 enthält kein Mandat für eine militärische Erzwingung der Umsetzung der politischen Vereinbarung.

Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Pressestelle, 11011 Berlin, Tel.: 030/227-57212, Fax: 030/227-57213,
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