Naher Osten, Israel/Palästina

update:
29.08.2006


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 Archiv: Libanonkrieg 2006

Erklärung des Geschäftsführenden Vorstandes von pax christi zum geplanten Einsatz der Bundeswehr

Deutschland muss politisch Verantwortung für einen gerechten Frieden im Nahen Osten übernehmen

Pax Christi

Die Blauhelmmission UNIFIL der Vereinten Nationen im Libanon soll von der Größe und dem Mandat her deutlich erweitert werden: 15.000 Blauhelme sollen Regierung und Armee des Liba-non helfen, die prekäre Lage zu stabilisieren, das Aufflammen neuer Kämpfe zwischen dem Staat Israel und der Miliz der Hisbollah verhindern und weitere Eskalationen "robust" im Rahmen des Artikels VI der VN-Charta unterbinden. Die Bundesregierung hat am Wochenende mehr als 1200 Bundeswehr-Angehörige, insbesondere der Marine zur Überwachung der libanesischen Küste, zugesagt und stellt damit nach Italien und Frankreich voraussichtlich das drittgrößte Kontingent.

pax christi erhebt erhebliche Bedenken gegen eine Beteiligung an der militärischen Mission und kritisiert die Debatte um den Einsatz deutscher Soldaten im Libanon als teilweise unaufrichtig und vordergründig.

"Historische Gründe" werden teils für, teils gegen einen Einsatz deutscher Soldaten in Nahost an-geführt. Die Übernahme von "Verantwortung" wird fast ausschließlich militärisch verstanden. Mit diesen Schlagworten wird die Auseinandersetzung mit den konkreten Szenarien umgangen und die Diskussion vermieden, ob die Voraussetzungen für eine deutsche Beteiligung gegeben sind. pax christi sieht mehrere Voraussetzungen derzeit nicht erfüllt.

Bis vor kurzem wäre die Präsenz deutscher Soldaten im Nahen Osten völlig undenkbar gewesen. Die Schuld am Holocaust und am Zweiten Weltkrieg begründete ein Tabu, das gesellschaftlich breit getragen war. Deutsche Soldaten dürfen in militärischen Konfliktsituationen israelischen Sol-daten nicht gegenüber stehen. pax christi bezweifelt, dass die Aufgabe dieses Tabus und deren Folgen ausreichend bedacht und diskutiert wurden. Wenn nun Bodentruppen abgelehnt, aber ein Marineeinsatz und unterstützende Leistungen im Bereich Aufklärung und Versorgung angeboten werden, so wird die nötige Auseinandersetzung mit dem Tabubruch gleichfalls umgangen. Sobald sich Deutschland an der Mission beteiligt, ist es mitverantwortlich für Ziel und Umsetzung der gesamten Mission und für ihre Folgen, auch wenn deutsche Soldaten nicht in Kampfhandlungen im Grenzgebiet verstrickt werden.

pax christi hält die Ziele der geplanten Mission für fragwürdig. Gesprochen wird zwar von einer Stabilisierung des Waffenstillstands und einer Trennung der Fronten an der israelisch-libane-sischen Grenze, was nicht einfach ist, solange Israel noch die libanesischen Sheba-Farmen besetzt hält. Die letzten Tage haben außerdem gezeigt, dass sich Israel nicht von gewalttätigen "Geheimoperationen" abhalten lässt. Gegen Raketenangriffe der Hisbollah schützen die VN-Blau-helme ebenso wenig. Das Ziel, die libanesische Regierung zu stärken, kann mit militärischen Mitteln allein nicht erreicht werden.

Fragwürdig ist auch, ob die Aktionen der VN-Soldaten tatsächlich neutral gegenüber den israe-lischen und arabischen Interessen bleiben können. Gesprochen wird davon, den Waffennach-schub für die Hisbollah zu unterbinden. Doch die immensen militärischen Kapazitäten und Waf-fenlieferungen an Israel blieben unangetastet. Das Besatzungsregime in den palästinensischen Gebieten und die Besetzung der syrischen Golanhöhen bestünden fort.

Zu bedenken ist weiterhin, ob nicht der Einsatz der Blauhelme instrumentalisiert werden kann für Strategien westlicher Mächte, denen an einem größeren Einfluss im Nahen und Mittleren Osten gelegen ist. Sie verfolgen eine Neuordnung des "Broader Middle East" in ihrem Interesse und der "Kampf gegen den Terror" könnte dabei als falsches Etikett dienen.

pax christi hält VN-mandatierte Einsätze zum Schutz bedrohter Bevölkerungen für gerechtfertigt. Ob die internationalen Truppen diesem Ziel dienen können, hängt von dem konkreten Mandat ab. In diesem Falle sollte der deutsche Beitrag nicht militärisch sein.

pax christi betont:

Wenn Deutschland einen Beitrag leisten will zum Aufbau von Frieden, Sicherheit und nationaler Souveränität in diesem Konflikt, dann muss es



Rüstungslieferungen in die Region unterbinden, vor allem die Auslieferung der Dolphin U-Boote und des Truppentransporters Dingo an Israel stoppen,



gegenüber den Konfliktparteien auf die Umsetzung aller VN-Resolutionen drängen. Dazu gehören neben der Entwaffnung der Hisbollah das Ende der israelischen Besatzung im Westjordanland, in Ostjerusalem, Gaza und Golan, das Ende der illegalen Besiedlung und der Annexion von Land zum Bau der Sicherheitsanlagen sowie die Anerkennung des Rückkehrrechts der palästinensischen Flüchtlinge und entsprechende Regelungen,



die humanitären und die Wiederaufbau-Hilfen und den Zivilen Friedensdienst in dieser Region ausweiten,



an der Vorbereitung einer umfassenden "Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen und Mittleren Osten" mitwirken. Frieden und Sicherheit im Nahen Osten entstehen nur, wenn internationales Recht endlich Anwendung findet und Gerechtigkeit einkehrt.


Bad Vilbel, 28.08.2006



Kontakt:

Pax Christi-Sekretariat der deutschen Sektion, Postfach 13 45, 61103 Bad Vilbel, Tel.: 06101/2073, Fax: 06101/65165



E-Mail: sekretariat (at) paxchristi (Punkt) de

Website: www.paxchristi.de
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