Naher Osten, Israel/Palästina

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29.08.2006


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Naher Osten, Israel/Palästina

 Archiv: Libanonkrieg 2006

Rede anlässlich der Kundgebung gegen den Krieg im Nahen Osten vor dem Rathaus in Paderborn am 12.8.2006

Sehr gehhrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

Eugen Drewermann

In Dankbarkeit für Ihr Engagement, gemeinsam in allen Sprachen erklären wir, was auf den Straßen eben ausgerufen wurde: leazoo ?t hammil chavah awqafua al-harb. Stop the war. Schluss mit dem Krieg. Und dies sagen wir nicht allein bezogen auf die Massaker in Nordisrael und im Libanon, dies sagen wir, weil der Standpunkt der Menschlichkeit gebietet, dem Krieg an allen Orten, aus allen Vorwänden oder Scheingründen, ein für alle Mal ein entschlossenes Nein entgegen zu setzen. Jeder, der in diesen Tagen noch den Mut aufbringt, die Zeitung zu lesen und die Fernsehnachrichten sich anzuschauen, sieht, was überall auf Erden das Wort "Krieg" bedeutet: zerfetzte Menschenleiber; zerbombte Straßen; verelendete Krankenhäuser; verzweifelte, leidende Menschen, die schon wieder in ihrem eigenen Schmerz die Neigung haben, mit zusammengebissenen Zähnen das Gleiche zurückzugeben, was ihnen angetan wurde. Und die Blutmühle der Gewalt, des Hasses, der Rache wird auf diese Weise niemals aufhören. Denn schon um Krieg zu führen, müssen sämtliche menschliche Barrieren hinweg gebrochen sein.

In meiner Hand ist ein Brief der israelischen Botschaft in Deutschland, in welchem Herrn Lada`a, der gerade zu den Waffenlieferungen in den Nahen Osten gesprochen hat, erklärt wird, dass Israel sich selbstverständlich an die Konventionen der UN hält. Aber, dass es nicht verboten ist, Streubomben zu verwenden, Phosphorbomben einzusetzen und Zivilisten zu Opfern eines Krieges zu machen, der (angeblich) der Selbstverteidigung dient, der aber seit vier Wochen alles im Libanon zerstört, in der Infrastruktur, in der Verwaltungsstruktur, in den Wohnvierteln, um die Bevölkerung dort in eine menschliche Katastrophe zu treiben, aus welcher ein Entkommen für keinen der Betroffenen mehr zu sehen ist. Streubomben einzusetzen bedeutet, eine ganze Fläche so groß wie einen Sportplatz, mit einer einzigen Bombe zu belegen, die die menschlichen Leiber bis zur Unkenntlichkeit zerfetzen. Bandbomben einzusetzen wissen die Älteren hier aus Paderborn in der eigenen Erinnerung sich noch zu vergewärtigen, besteht darin, Menschenleiber in lebendige Fackeln zu verwandeln. Das ist im wörtlichen griechischen Sinn eine Ganzkörperverbrennung, ein Holocaustoma. Will Israel dieses grauenhafte Wort tatsächlich in seine Praxis übernommen wissen? Kann es im Sinne eines israelischen Selbstverständnisses liegen, diese Art von Praxis im Umgang mit Menschen zu legitimieren? Ich höre sagen, so müssen wir tun, weil die Hisbollah sich versteckt hinter Zivilisten. Ist es die Legitimation, Verbrechen mit Verbrechen heimzahlen zu wollen? Du hast mir meine Tochter ermordet: das ist ein Verbrechen, ohne Zweifel, Katjuschas auf Kiriat Schemonah sind Verbrechen; also bringe ich deinen ganzen Clan, deine ganze Familie um, zum Ersatz dafür. Im Verhältnis 1 : 10. Ist das die Logik, mit der man Menschlichkeit zu verteidigen vorgibt? Ist das der Schutz von Unschuldigen? Oder nicht lediglich die Potenzierung des Verbrechens durch das Verbrechen? Nicht einmal der Name "Krieg" ist für diese Massaker gerechtfertigt. Wir sprechen heute von einer asymmetrischen Kriegsführung und meinen damit, dass die einen aus zehn Kilometern Höhe herunter völlig unangefochten am Boden jede Art von Entsetzen anrichten können, während unter am Boden aus dem Versteck heraus hinterhältig und feige, wie es dann genannt wird, Menschen ihr eigenes Leben riskieren, um das Leben anderer zu vernichten. Israel nennt, was es derzeit tut, gemeinsam mit George W. Bush, einen Anti-Terror-Krieg; doch klar ist, dass auf diese Weise für jeden getöteten "Terroristen" zwei neue wiederauferstehen werden. Man will die Hisbollah zerschlagen? So stärkt man sie. Wie viel Hass, wie viel Rachegefühl ist in Jahrzehnten in der ganzen Region aufgebaut worden?

Deshalb erklären wir heute diesem Krieg unser entschiedenes Nein und jedem Krieg unser entschiedenes Nein. Schlimm ist nicht nur, dass Menschen traumatisiert werden durch die Gräuel, die man ihnen zufügt. Die amerikanische Armee hat heute und die israelische Armee wird morgen ein Problem haben, das man posttraumatisches StressDisorder nennt. 100.000 GIs, schätzt man in den Vereinigten Staaten, leiden bis zum Irrsinn darunter, dass sie Soldaten haben sein müssen. Was passiert, wenn man Leuten beibringt: du musst für gewöhnlich acht Stunden in der Fabrik und im Büro zubringen, du musst dann noch vier Stunden mit deinen Kindern spielen und nachts deine Frau verwöhnen. Aber jetzt, wenn Krieg ist, wirst du Frauen und Kinder ermorden, weil sie jenseits der Demarkationslinie von Nordisrael wohnen. Jetzt, wenn du Soldat bist, wirst du bis in den Nordlibanon gehen, bis in die Bekaa-Ebene, bis nach Beirut, bis nach Sidon, und alles, was angreifbar erscheint, weil es dort Hochhäuser gibt, Krankenhäuser gibt, Wasserversorgungsstationen gibt, Elektrizitätswerke gibt, Brücken gibt, Autobahnen gibt, das alles in Schutt und Asche legen, egal, wie viele Hunderte oder Tausende von Menschen dabei ermordet oder für den ganzen Rest ihres Lebens zu unbehandelbaren Krüppeln, zu ewig Schmerz empfindendem Fleisch werden. Der Wahnsinn der bürgerlichen Gesellschaft: hier bist du Privatmann und zu Diensten als Steuerzahler; dort bist du Soldat und zu Diensten der Soldateska, das ist eine Schizophrenie, die irgendwann kollabiert. Und genau das geschieht.

Die Leute kommen aus den Massakern im Irak zurück, und sie sind unberechenbar für ihre eigene Frau und ihre eigenen Kinder. Es passieren Morde. Sie schlagen ihre eigenen Kameraden in irgendeiner Disko tot. Sie sind schwer traumatisiert und bedürfen einer langen psychiatrischen Behandlung, von der man nicht weiß, ob sie je erfolgreich sein wird.

Weil das so ist, fordern wir die Abschaffung des Militärs als einer ständigen Einrichtung der bürgerlichen Gesellschaft. Es hat noch nie in der menschlichen Geschichte irgendein Problem gelöst. Und es wird in der ganzen künftigen menschlichen Geschichte niemals ein Problem lösen. Krieg erweitert alle bestehenden Probleme. Dies sagen wir aus einem internationalen selbstverständlichen menschlichen Eindruck, einer Evidenz heraus, die in der Humanität selber liegt. Menschen sind nicht das Opfermaterial zum Siegen. Frauen und Kinder sind nicht das Material, um sich endlich durchzusetzen. Frau Condolesa Rice hat nicht das Recht in Rom zu sagen: Wir setzen im Nahen Osten eine Neue Ordnung durch, und alle, die dagegen sind, werden merken, dass wir die Stärkeren sind.

Wie könnte man die Probleme im Nahen Osten lösen? Was könnte Israel tun, statt sich hinter einer riesigen Mauer das eigene Gefängnis zu errichten? Was wäre möglich, um das Staatsgefängnis, das sich heute Palästina nennt im Griff der Israelis, endlich zu öffnen, zu einer Gemeinsamkeit zweier biblischer Völker, zweier semitischer Brudervölker. Nehmen Sie die simple Rechnung, dass die Vereinigten Staaten von Amerika jeden Tag, den Gott ins Land schickt, eine Milliarde Dollar ausgeben, für nichts anderes als Rüstung. Und dann hören Sie, wie die deutsche Regierung beschließt, denn doch wohl zehn Millionen Euro zur Hilfe in den Libanon zu senden. Es ist noch nicht einmal rein rechnerisch ein Hundertstel, nicht einmal ein Prozent, der militärischen Rüstung der Vereinigten Staaten von Amerika, deren Riesenbudget zurzeit in die Hände der Israelis zum Zerbomben des Libanons fließt.

Auf diese Weise erweitert man alles, was bereits schlimm ist, zum Allergrässlichsten. Umgekehrt, mit den Syrern darf man nicht sprechen, lautet die Politik Israels, genauso wie die der USA seit Jahren. Man darf und will mit Syrien nicht sprechen, weil man dann verhandeln müsste über den Golan. Was aber wäre, wenn Israel erklärte, wir hören damit auf, das Wasser aus dem See Genezareth abzuzapfen, aus dem Jordan abzuzapfen, auf den Litani-Fluss zuzumarschieren im Libanon, damit wir die Wasserversorgung auch dort kontrollieren können? Was wäre, wenn Israel sagen könnte, wir setzen mal ein paar Milliarden Dollar ein zur Trinkwasseraufarbeitung, zur Meerwasserentsalzung, zur Versorgung von Palästina, der Westbank, des Gaza-Streifens mit den Grundnahrungsmitteln, die ein Überleben, wenigstens am Existenzminimum, ermöglichen?

Es gäbe ein paar Aktionen, die auf der Stelle bei Konversion der riesigen Kriegsrüstung in zivile Ziele dem Frieden im Nahen Osten dienen würden. Man würde im Libanon längst begriffen haben, dass ein Friede zwischen Arabern und Israelis auf der Basis der Zusammenarbeit möglich ist. Technologie, Knowhow, all das könnte von den Israelis transferiert werden in die ganze Region. Der Libanon war einmal ein Staat, der wie eine Perle im Orient glänzte. Eine Verbindung zwischen Christen und Arabern, zwischen Muslimen und Maroniten, eine Balance der Politik, die unvergleichlich war. Warum musste man das alles zerstören und zerbomben? Ich höre die endlose Logik: Du aber hast angefangen! Nein, du hast angefangen! Auf keinem Pausenhof in Paderborn würde ein Lehrer diese Idiotie bei Pubertierenden hinnehmen. Er würde sagen, die Frage ist jetzt nicht, wer angefangen hat; die Frage lautet, wie jetzt aufgehört wird.

Aber selbst, wenn man die Rechnung aufmachen wollte, wer denn nun begonnen hätte, wie denn soll historisch bilanziert werden? Mit der Balfour-Deklaration von 1917? Mit der Vertreibung von Arabern aus ihren Dörfern und Städten in einem Land, in dem vermeintlich keine Menschen wohnten? Damit, wie Jabotinsky seinen Terror gegen die Araber eröffnete nach 1945? Wie man das King-David-Hotel in die Luft gesprengt hat, bis dass die Briten ihre Kolonialpolitik im Nahen Osten der UNO mit der Kriegserklärung aller arabischen Staaten 1948 bei der Gründung Israels übergaben? Mit Sabra und Schatila, als man christliche Milizen in die Palästinenserlager in Beirut schickte, um sie auszurotten? Kein Mensch konnte zählen, ob es am Ende 500 oder Tausend Tote waren. So what? Wenn sie nur weg waren. Kann man zynischer Politik machen, als das seit Jahrzehnten geht? Oder liegt die Ursache in der arabischen Intifada? Oder in der Ermordung von Rabin 1995? Jedenfalls hat es keinen Sinn, zu sagen, für jede Katjuscha eine Bombe, für jede Bombe wieder eine Katjuscha. Wir müssen aus dem Irrsinn der Vergeltung, des Rechthabenwollens um jeden Preis ein für alle Mal heraus. Krieg ist niemals mehr ein Mittel zur Durchsetzung von Recht. Krieg ist die Kapitulation davor, den Rechtsstandpunkt dem Anderen vermitteln zu wollen.

Erasmus von Rotterdam konnte dies im 16. Jahrhundert bereits sagen: Wer, wenn Krieg geführt wird, wäre denn der Meinung, nicht für Recht zu kämpfen? Wer trägt denn seine Haut zu Grabe, ohne viele große Ideale?

Aber deshalb bin ich dankbar, den Frauen, den Kindern, den Männern aus dem Libanon, die hier stehen, denn sie alle sagen: Unsere Kinder sollen nicht so aussehen, wie die auf dem Plakat. Unsere Männer sollen nicht so verenden, wie die auf dem Plakat. Wir selber wollen nicht so enden, wie die auf dem Plakat. Aber, wenn es schlimm ist, dass eine libanesische Frau mit Splitterbomben zerfetzt wird, dann ist es genauso schlimm, dass ein israelisches Kind in Haifa zerfetzt wird von einer Katjuscha. Menschen sind Menschen und man kann sie nicht teilen. Man kann nicht sagen, ein Mord drüben jenseits der Grenze gefällt uns, denn er trifft den Gegner, den wir hassen. Aber bei uns sind wir wehleidig und schreien bis zum Jüngsten Tage um die Rache Gottes.

Es ist nicht nur im Kern ein humanitäres, sondern wesentlich auch ein religiöses Problem. Wie kommt es denn, dass es dem Westen gelingt, den Islam als paranoide Ersatzgröße für den Bolschewismus in der Nachfolge von 1989 zum Weltgegner der westlichen Zivilisation zu deklarieren? Wie ist es möglich, dass George W. Bush vor zwei Tagen davon reden kann, dass es einen Islamfaschismus gäbe? Als wäre es immer noch möglich, die arabische Welt zu bekämpfen, wie man im Zweiten Weltkrieg Hitler bekämpft hat. Wie konnte Donald Rumsfeld glauben, dass die Bevölkerung in Bagdad ihn als Befreier empfangen würde, wie die Franzosen in Paris die Amerikaner 1945? Wie ist es überhaupt möglich, eine Politik solcher Ignoranz zu betreiben? Wenn wir uns aus dem Irak zurückziehen, erklärte noch letzte Woche Donald Rumsfeld, dann werden die Muslime zurückkehren wollen nach Südspanien. Bitte schön, Herr Rumsfeld, besuchen sie Südspanien. Ich empfehle Granada, ich empfehle die Al Hambra. Und sie werden Duzende von Male den Spruch lesen: wala ghaliba ilallah. Es gibt nur einen einzigen Sieger, der heißt Gott. Und ganz sicher nicht George W. oder Rumsfeld. Was der Islam uns bringen könnte, wäre eine Versöhnung aller Menschen in dem einen gemeinsamen Wort Gottes. Wer die erste Sure spricht: bismullahi rahmani rahim, kann menschliche Grausamkeit nicht vereinbaren mit dem Willen Gottes des Allbarmherzigen. Wer begreift, dass in der 17. Sure des Korans Mohamed im Traum bei Nacht nach Jerusalem versetzt wurde, versteht, dass man den Koran symbolisch, innerlich und mystisch interpretieren muss, so wie jede Religion. Dann aber ist es nicht möglich, nach der Logik von Texten im Abstand von 3.000 Jahren zu erklären, Gott hat uns das Land gegeben, Gott hat uns das Land gegeben, um eine Siedlungspolitik zu betreiben, die sich religiös motiviert, aber keinerlei rechtliche und humanitäre Evidenzen für sich aufzubringen weiß. Albert Einstein konnte 1920 sagen, das Schicksal der Zionisten in Palästina wird davon abhängen, ob es ihnen gelingt, mit den Arabern in Frieden zu leben. Martin Buber konnte sagen, wer ein Heiliges Land betritt, kann dies nur mit einer geläuterten Seele. Wie kann man eine Heilige Stadt bewohnen und dabei Menschen rechtlich und wirtschaftlich ruinieren und vertreiben, nur um die eigenen Geschäfte aufzumachen? Dies ist nicht Religion, dies ist ein Verrat an Gott. Weil es aus Allah, aus Gott oder Jaweh nichts anderes macht, als einen nationalegoistischen Popanz, als jemanden, der nur dafür da ist, die Ideologie der eigenen Seite aufzurüsten und zu motivieren, bis zum Verlust jedes Schuldgefühls. Menschlich wie religiös kann Krieg nicht die Sache der Menschlichkeit und Sache der Religion sein. Deshalb möchten wir bessere Worte hören, als sie bisher Papst Benedikt XVI. über die Lippen kamen. Krieg, spricht er, ist stets die schlechteste Lösung. Wir sagen, Krieg ist überhaupt keine Lösung. Das, und ein für alle Mal, hätte er zu sagen, statt dessen wird wieder mal mit Ausflüchten herumdebattiert, ob nicht vielleicht doch unter Umständen ein Krieg die ultima ratio sein könnte.

Allein die deutsche Militärrüstung für diese ultima ratio verplempert 30 Milliarden Euro pro Jahr, als hätten wir genug davon. Mit den 30 Milliarden könnten wir eine wunderbare Sozialpolitik aufbauen, wirklich blühende Landschaften im Osten erhalten, und wir könnten eine Entwicklungspolitik finanzieren, die den Gründen des Krieges endlich die Wurzeln abgraben würde. Nichts von alle dem, statt dessen Waffenlieferungen, wie wir vorhin gehört haben, in ganz großem Stil, nur um daran zu verdienen.

Im Prinzip gehen wir damit nach den humanitären und den religiösen Gründen bereits zu den politischen Gründen über. Warum das alles, fragt man sich. Heute wissen wir, dass die Regierung Bush von Anfang an den Krieg gegen den Irak wollte. Sie hat uns belogen, Zug um Zug: Waffen, die es nicht gab; Terrorbündnisse, die es nicht gab; Befreiung von einem Diktator, die nie stattgefunden hat, die auch nie stattfinden konnte. Aber Riesenaufträge von Dick Cheney, für seine HalliburtonFirma. Milliardenaufträge, die nur den Amerikanern bei der Wiederherstellung der Schäden zugute kommen sollen, die sie selber angerichtet haben. Die irakische Bevölkerung hat nach 1991 nach dem 2. Golfkrieg gezeigt, wie sie all die riesigen Zerstörungen im eigenen Lande reparieren konnte. Man lasse sie endlich selbst entscheiden und selber leben.

In Palästina ganz genau so. 1992 lag mit dem Osloer Abkommen ein Friedenskonsens zwischen Juden und Palästinensern auf dem Verhandlungstisch ratifizierungsfertig vor. Damals bekam ein Mann wie Arafat den Friedensnobelpreis, wer kann sich daran noch erinnern? Die Leute, denen das nicht gefiel, hießen: Benjamin Netanjahu und Ariel Scharon. Der Erstere kam nach Rabins Ermordung ins Amt und erklärte hinter verschlossenen Türen, dass Oslo niemals umgesetzt werden wird. Stattdessen ging die Siedlungspolitik weiter. Die Pfeilspitzenpolitik ins Fleisch der Palästinenser ging weiter. Genau so wollte man es. Man musste Arafat isolieren. Man musste ihn zum Kriegsverbrecher erklären. Man sagte, erst wenn eine demokratische Wahl in Palästina stattfindet, werden wir Frieden mit euch schließen können. Die demokratische Wahl haben wir und siehe da, sie gefällt nicht dem Staate Israel. Man ermordet diejenigen, die das palästinensische Volk selber gewählt hat. Warum überlässt man den Palästinensern nicht die Lösung der Frage, wie mit der Hamas zu verfahren ist im eigenen Lande? Wo auf Erden gibt es einen Staat, der das Recht hat, zu sagen, du hast zwar gewählt, aber wir diktieren dir, wie du hättest wählen sollen, indem wir alle abschaffen, ermorden, füsilieren, dezimieren, die du als deine eigenen Vertreter installiert hast. Denn, wer dich vertritt, bestimmen wir, damit am besten wir uns gleich selber vertreten.

Was wir sehen ist weltumspannend: Es wäre möglich, verschiedene Rechtsstandpunkte, die miteinander am Verhandlungstisch nicht kompatibel erscheinen, an eine internationale Schiedsstelle zu delegieren. Als eine solche ist einzig legitimiert die UNO. Was hat sie getan? Nachdem Kanaa bombardiert worden war, von den Israelis, drängte Kofi Annan mit aller moralischen Macht an den Weltsicherheitsrat. Jetzt oder nie sollte ein sofortiger Bombenstopp, ein sofortiger Waffenstillstand ausgerufen werden. Das war das Gebot der Stunde. Das war die Funktion der UNO. Das war das Gebot der Menschlichkeit. Derjenige, der es hintertrieben hat, heißt Bolton, Botschafter der Vereinigten Staaten in Washington bei der UNO, und im Hintergrund stand W. Bush, der genau den Mann in die UNO schicken wollte, damit sie machtlos wird. Die Sabotage der UNO bedeutet nichts weiter, als dass die Völker, die mitten in der Verzweiflung sind, an die Durchsetzung internationalen Rechts nicht mehr glauben können. Und dafür zuständig sind die Vereinigten Staaten von Amerika.

Eben deswegen brauchten wir hier in Deutschland eine Regierung, die im Rahmen der vereinigten europäischen Regierungen den Amerikanern über den Teich sagt: Wir als eure Freunde wollen nicht einen globalen Hegemonialanspruch einer einzigen Macht über die Erde, die zu nichts weiter im Stande ist, als den Zugriff auf Erdöl, Bauxit, Uran und allem, was ihr gefällt, für internationale Politik zu erklären. So etwas wäre möglich, wenn wir nicht die Kanzlerin, Frau Merkel, gerade im Amt hätten. Sie sitzt in Petersburg, sie nimmt hin, dass drei Tage später ausgerechnet die Bild-Zeitung ihr quasi ein erotisches Verhältnis zu George W. Bush zudichtet. Dann hört sie, dass der Krieg im Libanon von den Vereinigten Staate von Amerika längst beschlossene Sache ist. Dass man von Katar aus die angeforderten 500-Kilo-Bomben auf den Flugzeugträger gerade verschifft, damit sie im Libanon zum Einsatz kommen. Dass George W. in Petersburg nur dagesessen hat, um seine eigenen Verbündeten zu hintergehen. Und von all dem nun kein einzig Wort. Stattdessen eine diplomatische Friedenskosmetik, die lediglich den Waffengang verlängern soll.

Heute Nacht konnten Sie hören, dass tatsächlich der UN-Sicherheitsrat ceasefire beschlossen hat, ein Ende der Kampfhandlungen. Und die Folge ist: drei Stunden später die nächste Nachricht, die israelische Bodenoffensive wird ausgedehnt bis zum Litani-Fluss. Genau das, war bisher, amerikanische Politik. Wir verlängern den Krieg, wir verlängern den Krieg, eine Woche, vier Wochen, fünf Wochen, so lange, wie die Israelis Zeit brauchen, Fakten zu schaffen. Egal, über wie viele Araber hinweg die Dampfwalze ihrer Merkabas rollt und ihre Raketen einschlagen. Dies ist keine humane Politik, dies ist eine infame Politik, die wir in Europa bekämpfen müssen. Inzwischen hören wir von den Friedensaktivisten in den Vereinigten Staaten, und wir in Europa sollten sie gefälligst unterstützen von außen, weil nach dem 11. September 2001 nicht einmal mehr die Demokraten zu einer geordneten Opposition in den Vereinigten Staaten im Stande wären. Wenn wir erklären in Europa, wir sind nicht in der NATO, um die Hegemonialansprüche der USA durchzusetzen, wir wollen die Beseitigung des Militärs zugunsten einer Politik des Friedens global, wir wollen die gewaltigen Mittel an Energie, an Rohstoffen, an Wissen, an Geld, an humaner Zuwendung endlich dafür eingesetzt sehen, dass Menschen miteinander leben können, dann hätten wir eine Grundlage, die Zukunft von Morgen zu bauen und sie nicht zu verstellen, mit den blutbeschmierten Wänden der Vergangenheit.

In all dem steckt zusätzlich noch ein Öko-Problem. Die Vereinigten Staaten von Amerika akzeptieren nicht einen internationalen Kriegsverbrechergerichtshof. Wie denn auch, sie stünden als erste dran am Pranger. Es gibt UNO-Beschlüsse gegen die Verteilung von Landminen, boykottiert von Israel und den USA. So könnten wir dran bleiben. Es gibt Protokolle zur Rettung des Klimas, global in Kyoto, unterschrieben von Clinton, nicht unterschrieben von George W. Bush.

Alleine, was Menschen im Krieg der Umwelt und den Kreaturen an ihrer Seite zufügen, ist von unvorstellbarer Entsetzlichkeit. Nebenbei, wie wenn es nichts bedeuten würde, treibt ein Ölteppich vor der Küste des Libanons von 170 Kilometern Länge und 30 Kilometern Breite mit Treibrichtung zu den Stränden Syriens und der Türkei, nach Zypern. Wenn wir Pech haben oder sollten wir idiotischerweise sagen, wenn wir Glück haben, vielleicht noch in die Ferienziele von Griechenland; dann endlich wüssten wir, wie Krieg stinkt, er auch nach Erdöl stinkt. Vielleicht würde es uns dann nachdenklich machen. Und es würde die Parole erneuern, die wir die ganze Zeit vortragen: Nein zu jedem Krieg. Und Peace now in Bezug zu diesem Krieg. Krieg trägt niemals den Namen der Menschlichkeit, denn er verroht die Menschen im Kern, die ihn führen müssen bis zur Schizophrenie und bis zum Wahnsinn. Krieg trägt niemals den Namen des Religiösen oder des Heiligen, denn er macht Gott zum Verräter seiner selbst. Und Krieg trägt niemals den sinnvollen Namen der Politik, denn er ist das Ende der Möglichkeit, sich international zu verständigen. Und jeder Rückweg danach ist schwerer als vorher. Deshalb Schluss mit dem Wahnsinn, Schluss mit der Blasphemie und Schluss mit dem Irrsinn!

Ich danke Ihnen sehr.

Den Libanesen unter Ihnen sage ich gerne maasalama und denen auf Deutsch: Gehet hin in Frieden.



E-Mail: kontakt (at) initiative-gegen-krieg-paderborn (Punkt) de

Website: www.initiative-gegen-krieg-paderborn.de
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