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vom:
24.04.2000


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Ostermärsche und -aktionen 2000:

  Hintergrund-Informationen

Vor 55 Jahren: Massenmorde und Nachkriegsplanung

Viele Täter blieben unbehelligt

Ulrich Sander (ND)

aus: Neues Deutschland 22.04., S. 13 "Geschichte"

Alljährlich finden zu Karfreitag in der Dortmunder Bittermark Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Faschismus statt. Auch in diesem Jahr sprachen am Mahnmal Vertreter französischer Zwangsarbeiter und deutscher NS-Opfer sowie Politiker der Stadt Dortmund und des Landes Nordrhein-Wesffalen.

Am 24. Januar 1945 wies die Gestapoleitstelle Düsseldorf auf Anweisung des obersten Chefs Heinrich Müller vom Berliner Reichssicherheitshauptamt (RSHA) die Gestapo in Dortmund, Düsseldorf, Köln und Münster an: »Die gegenwärtige Gesamtlage wird Elemente unter den ausländischen Arbeitern und auch ehemalige deutsche Kommunisten veranlassen, sich umstürzlerisch zu betätigen... Es ist in allen sich zeigenden Fällen sofort zuzuschlagen. Die Betreffenden sind zu vernichten, ohne im formellen Weg vorher beim RSHA Sonderbehandlung zu beantragen.« Auf Grund dieses Befehls wurden in den folgenden Wochen und Monaten, von Januar bis April, allein in Köln 300 Menschen umgebracht, in der Bittermark und im Rombergpark bei Dortmund ebenfalls rund 300 Menschen verschiedenster Nationalität und am Wenzelnberg bei Solingen 71 Häftlinge. Historiker sprechen von weiteren »Kriegsendphasenverbrechen« im Kalkumer Wald bei Ratingen, in Mülheim, Essen, Oherhausen und Duisburg, in Hagen, Lüdenscheid und anderen Städten des heutigen Nordrhein-Westfalens. Das Hitler-Regime wollte seine politischen und weltanschaulichen Gegner mit in den Untergang reißen. Die Alliierten dürften auf »keine aufbauwilligen Kräfte« in Deutschland treffen. Zugleich ging es darum, Zeugen der Naziverbrechen zu beseitigen.

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Zum Hohn der Opfer sind viel zu viele Nazi- und Kriegsverbrecher nach 1945 mit dem Leben davongekommen. So auch in Nordrhein-Westfalen, darunter der einstige NSDAP-Gauleiter Albert Hoffmann und der 55-Standartenführer Walther Albath. Letzterer hatte als Chef der Sicherheitspolizei und des SD die eingangs zitierte Anweisung vom Januar 1945, den Freibrief zu vielfachem Morden, an die Dortmunder Gestapo gefunkt. Unbehelligt starb er 1989 in Dortmund im gesegneten Alter von 85 Jahren. Hoffmann, der im Zuge von Hitlers »Nero-Befehl« noch am 26. März 1945- zum Glück vergeblich - angewiesen hatte, 23 000 ausländische Zwangsarbeiter und 7.000 Kriegsgefangene in und im Umkreis von Dortmund in Stollen zu jagen und diese dann zu fluten, wurde von einem Nachkriegsgericht freigesprochen.

Von dem etwa 150-köpfigen Exekutionskommando der Dortmunder Gestapo, das nach Ostern 1945 in alle Welt flüchtete, kamen 1951/52 lediglich 27 Mörder vor Gericht. 15 Angeklagte wurden freigesprochen. Die zwölf verurteilten Gestapo-Leute erhielten zwischen zwei und sechs Jahren Gefängnis - wegen »Beihilfe zur Tötung«. Die höchste Strafe von zehn Jahren erhielt ein ehemaliger KPD-Mann und KZ-Häftling, der einstige Kameraden verraten haben soll.

Da viele Gestapo-Beamte nach 1945 wieder in ihre Funktionen als Kriminalbeamte zurückkehren konnten, kam es zu einer grotesken Situation, als der Rombergpark-Prozess vorbereitet wurde: Die Beamten, die hierzu die Vernehmungen durchführten, hatten genau so viele Straftaten begangen, wie die von ihnen vernommenen Angeklagten. Entsprechend dünn waren die Ergebnisse der Verhöre.

Wenn heute, 55 Jahre nach der Befreiung, an die Opfer des deutschen Faschismus gedacht wird, soll man in der Bundesrepublik auch nicht die Schande verdrängen, wie nachsichtig mit den Tätern umgegangen worden ist. Und wie lange blieb die Verstrickung deutscher Industrieher in die Verbrechen der Diktatur Tabu! Ebenso wie ihre im guten Einvernehmen mit SS-Wirtschaftsführern zu Kriegsende getroffenen Maßnahmen, um nicht mit dem Hitler-Regime in den Strudel des Abgrundes gerissen zu werden, und ihre rechtzeitigen Nachkriegsplanungen. Schon am 10. August 1944, zur Zeit der Massenverhaftungen im Rahmen der Aktion »Gitter« und der Massenhinrichtungen im Gefolge des 20. Juli 1944, fand laut US-Geheimdienstberichten im Straßburger Hotel »Maison« ein Treffen von Vertretern der SS und großer Konzerne statt. Repräsentanten des »Freundeskreises SS« aus Firmen wie Krupp, IG Farben, Messerschmitt, Siemens, Daimler Benz, AEG, Flick AG, Dr. Oetker, Wintershall und Bosch schufen einen Fonds, der das Überleben der deutschen Unternehmen wie auch vieler SS-Führer sichern sollte. Auch Gestapo-Chef Müller konnte auf Grund dieser Verabredung im Ausland untertauchen - er wurde nie gefasst.

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Man stelle sich vor: Deutsche Unternehmer diskutierten mit SS-Wirtschaftsführern Themen, die allen anderen Deutschen damals den Kopf gekostet hätten. Wie soll es weitergehen nach dem verlorenen Krieg? Diese Frage erörterte beispielsweise Wilhelm Zangen, Chef von Mannesmann und der »Reichsgruppe Industrie«, mit 55-Brigadeführer Otto Ohlendorf, der sowohl Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium als auch Chef des Sicherheitsdienstes Inland der SS war. Die »Reichsgruppe Industrie« hatte ein »Institut für Industrieforschung« geschaffen, dem der spätere westdeutsche Wirtschaftsminister und Bundeskanzler Ludwig Erhard vorstand. Als dieser sein »Wirtschaftswunder« für Westdeutschland konzipierte, stand ihm zur Seite Ohlendorf, letzter Wirtschaftsminister in der Dönitz-Regierung. 1951 holte ihn seine braune Vergangenheit ein. Der einstige Kommandeur einer SS-Einsatzgruppe, die im Osten 90000 jüdische Menschen ermordet hatte, wurde hingerichtet. Auch der Protest der Bundesregierung, die Erhards Partner retten wollte, an die Adresse der Amerikaner nützte ihm nicht mehr.

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