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27.04.2000


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24.04.2000

Rede vor der Robert Schuman Kaserne der Deutsch Französischen Brigade

Ulrich Rodewald

Liebe Freundinnen und Freunde,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir wollen beginnen mit einer Minute der Erinnerung an die Opfer von Kriegen. Den Toten, Verstümmelten, Vergewaltigten, Vertriebenen und Flüchtlingen. Krieg kennt keine Gewinner, Krieg kennt nur Opfer. Und es gibt nur Opfer, weil es Täter gibt.

Wenn gegenwartäig Menschen wie Sie und ich sich versammeln, dann braucht es nicht lang, daß die Oberen und auch viele Medien von uns als den "Fundamentalpazifisten" reden.

Niemand kommt auf die Idee, einen Metzger als Fundamentalmetzger zu bezeichnen, einen Busfahrer als Fundamentalbusfahrer, eine Lehrerin als Fundamentallehrerin. Ein Metzger ist ein Metzger, eine Lehrerin eine Lehrerin. Nur bei Pazifisten ist das anders. Da soll es Pazifisten und "Fundamentalpazifisten" geben.

Diese Unterscheidung ist nicht nur unsinnig. Sie soll zugleich den Pazifismus überhaupt herabsetzen.

Auf der einen Seiten die, die für den Frieden sind, aber auch für den Krieg. Wie 1999, als wieder Krieg von deutschem Boden ausging. Die "guten" oder wie sie zu Tucholskys Zeiten genannt wurden, die "gesunden" Pazifisten. Das sind die, die die vorgeblichen Zeichen der Zeit erkannt haben. Daß es nämlich zur Normalität gehöre, Kriege zu führen und man sich dieser Normalität nicht entziehen könne. Und da die Bundesrepublik heute zur "Normalität4` zurückgekehrt sei, gehöre halt auch ein "normaler" Krieg dazu.

Und daneben die "Fundamentalpazifisten". Das sind die unbelehrbaren, die engstirnig verstockten, Leute, mit denen man einfach nicht reden kann, die nach wie vor im Krieg nichts Vernünftiges entdecken können. Eben Menschen wie Sie und ich.

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Mit dieser Unterscheidung zwischen den "guten" Pazifisten" und den Fundamental- Pazifisten soll verwischt werden, daß "es nur eine Sorte Pazifismus gibt den, der den Krieg mit allen Mitteln bekämpft Jeder Pazifismus; der den Krieg für Petroleum, für Industrien, für Schutzzölle nicht rundweg ablehnt, ist überhaupt keiner. ... "Es lebt kein vollsinniger Kaufmann auf der Erde, der Milliarden und Milliarden in ein Geschaft hineinsteckt, das er niemals auszunutzen gedenkt. Das tut aber der Militarismus. Und es gibt so eine Art Naturgesetz: was man jahrelang, mit dem Aufwand der äußersten Geldanlagen, vorbereitet, das muß sich eines Tages von selbst auslösen. Geladene Gewehre gehen einmal los ... Auf die Lügen, als gäbe es so etwas wie einen richtigen und einen falschen Pazifismus, wollen wir nicht hereinfallen." Sagt Tucholsky.

Ich begrüße Sie zu den Oster-Aktionen des Friedensrates. Frieden ist das Mindeste, haben wir sie ganz unbescheiden betitelt. Frieden ist das Mindeste, denn "hinter dem Frieden gibt es keine Existenz mehr. "(Gustav Heinemann)

Wir stehen hier vor der Kaserne der Deutsch Französischen Brigade( DFB). Schenkt man Veröffentlichungen über ihren Sinn und Zweck Glauben, dann ist diese DFB kein militärischer Großverband, sondern eine großartige Einrichtung zur Verständigung zwischen Deutschen und Franzosen insbesondere und der Verständigung zwischen den Völkern im allgemeinen.. und wenn die Bundeswehr erst einmal auch Soldatinnen in Kampfverbänden einsetzt auch eine zwischen Deutschen und Französinnen.)

Oder die DFB hilft ganz uneigennützig, mehr zivil eigentlich. Wie bei der Beseitigung des Gift Öls in der Bretagne. Doch halt, schon hier bekommt der Anstrich Risse: Noch während freiwillige zivile Helfer ohne Schutzkleidung gegen das krebserregende 01 ankämpften, schloß die Ölgesellschaft Total ein Stillschweigeabkommen über diese Tatsache mit der franz. Regierung über das Ausmaß der Katastrophe. Räumgerät und Schutzkleidung mußte her. Militär verfügt über so etwas. Auch Einheiten der DFB rückten aus. Ein Staatssekretär der Landesregierung belobigte kürzlich die Soldaten und wurde gemeinsam mit dem Kommandeur nicht müde, die zivilen Einsätze der DFB zu loben. Von der Gefährlichkeit des Öls war dabei keine Rede. Das Eigenlob stinkt wie das Öl des gesunkenen Frachters "Erika": Denn der Zusammenhang ist ein ganz anderer :Die DFB wurde eingesetzt, nicht zuerst, um Vögel zu retten und Strände zu säubern, sondern um das Stillschweigen über diesen Skandal zu sichern und den Gewinn und das Ansehen der Ölgesellschaft Total zu mehren.

Da freuen wir uns in Müllheim schon eher auf den Einsatz der Soldaten der DFB bei der diesjährigen Tour de France : Rennräder statt Panzer. Zu schön, um wahr zu sein, die Wirklichkeit sieht anders aus:

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Wenn sich auch die Manöverberichte der DFB lesen wie ein Touristik Katalog: Trainiert wird der Krieg.

"Krieg für Petroleum, für Industrien, für Schutzzölle. Und es gibt so eine Art Naturgesetz: was man jahrelang, mit dem Aufwand der äußersten Geldanlagen, vorbereitet, das muß sich eines Tages von selbst auslösen. Geladene Gewehre gehen einmal los."

Zu unserer Beruhigung wird uns gesagt, daß allein schon die bi-nationale Zusammensetzung der DFB Alleingänge ausschlösse. Als würde ein Krieg annehmbarer, wenn er gemeinsam mit Alliierten geführt würde. Als sei ein Krieg gar keiner, wenn er von der NATO geführt würde. Wird Krieg deswegen weniger mörderisch, weil/wenn er gewinnbar ist?

Nein, die DFB ist keine Einrichtung der Völkerverständigung, sondern der Völkervernichtung. Allen anderslautenden Behauptungen zum Trotz. Die DFB ist Bestandteil der schnellen Eingreiftruppe der NATO, sie wird Bestandteil der Kriegsstreitkräfte der Europäischen Union.

Deshalb haben wir uns heute hier versammelt. Um friedlich und gewaltfrei für eine lebenswerte Welt zu demonstrieren. Um den Kräften der Zerstörung unsere Kreativität, unsere Kräfte des Aufbauens und der Verständigung entgegenzusetzen.

Die DFB zerstört schon heute. Ganz einfach durch ihre Existenz. Sie entzieht unserer Gesellschaft Mittel, die in vielen anderen Bereichen des Lebens fehlen. In den Schulen, den Alters- und Pflegeheimen, bei den Anstrengungen, die Zahl der arbeitslosen Menschen in unserem Land zu verringern. Allein in Müllheim sind in bauliche Vorhaben der DFB 100 Millionen DM vergeudet worden..

Krieg und Frieden sind keine abstrakten, unanschaulichen Begriffe. Krieg ist, wie der Frieden, konkret, faßbar, gegenständlich.

Hätten wir mehr Zeit, ich würde mit Ihnen sprechen über die anstehende Neustrukturierung der Bundeswehr. Wie immer sie ausfallen mag: Weiterhin werden immense menschliche und materielle Ressourcen vergeudet, start sie einer zivilen Nutzung zu kommen zu lassen. Und dies in einer Situation, in der Deutschland umgeben ist von befreundeten Staaten. Weichen für die Zukunkt werden gestellt. Wohin geht die Reise?

Hätten wir mehr Zeit, ich würde mit Ihnen sprechen über die Reise des BND Chefs nach Tscheschenien, während wir - auch hier in Müllheim - gegen den Krieg in Tscheschenien protestierten und protestieren

Hätten wir mehr Zeit, ich würde mit Ihnen sprechen über die Entwicklungslinien der Politik - gerade auch der deutschen - gegenüber dem ehemaligen Jugoslawien. Einer Entwicklung, die dazu geführt hat, daß heute vor dreizehn Monaten von deutschem Boden wieder Krieg ausging.

Heute, da sich der Kampfnebel gelegt hat und wir etwas klarer sehen wird deutlich: Krieg schafft keinen Frieden. Er schafft nur neues Unheil. Und wieder, wie nach dem Golf Krieg üben sich Journalisten in Selbstkritik, daß sie wohl zu sehr den Verlautbarungen der Politiker und Militärs Glauben geschenkt hätten.

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Hätten wir mehr Zeit, ich würde mit Ihnen sprechen über den möglichen Export von 1000 Kampfpanzer an die Türkei,,über den jüngsten Spendenskandal, der ja auch scheint es irgend etwas mit Rüstung zu tun hat, wie der Flick-Skandal ja auch schon. usw. usw.

Krieg ist konkret. Im Krieg werden Menschen auf staatliche Anordnung hin ermordet, verletzt, vergewaltigt. Krieg ist, wenn einem Jungen der Dickdarm heraushängt, einem Mädchen das Auge herausläuft,. einem alten Mann der Kopf zerschmettert wird.

Krieg ist Vernichtung menschlichen Lebens.

Ich möchte mir die Zeit nehmen und mit Ihnen sprechen über Jslatko Jovanovic. Jlsatko Jovanovic ist Serbe und heute 28 Jahre alt. Als 20-jähriger sollte er in den Krieg. Jslatko Jovanovic wollte nicht kriegführen und flüchtete. Nach Müllheim. Nach drei Jahren wurde er abgeschoben. Nun mußte er doch zur Armee und in den Krieg. Als er aus dem Krieg zurückkam" hatten amerikanische Soldaten aus versehen das Haus zerbombt", wie die BZ Lokalredaktion in verharmlosender Weise schreibt.

Jslatko Jovanovic flüchtete wieder. Nicht nach Deutschland, das war zu unsicher, sondern nach Italien. Nach Mailand. "Hat illegal täglich 10 Stunden für 1000 Mark monatlich gearbeitet und davon 600 Mark für die Miete in einer maroden Fabrik gezahlt. Als der gasbetriebene Stromgenerator explodierte, starben seine hochschwangere Frau, die beiden Kinder (3 und 5 Jahre alt) sowie seine Schwägerin und deren Mann."

Da sind in einem Einzelschicksal ganz konkret die zerstörerischen Kräfte des Militärs und des Krieges zu sehen. Wir achten hoch die Hilfsbereitschaft der Müllheimer Bürgerinnen und Bürger, die sich für Jslatko Jovanovic einsetzen, ihm helfen. Wir vergessen aber auch nicht, daß es viele Jslatko Jovanivics gibt.. Gestern hieß er Fatinir Sahiti, Asylbewerber aus Neuenburg, abgeschoben am 4.Mai 1998 in den Kosovo, getötet von serbischen Marodeuren am 28.Mai 1998. Wir denken an alle Opfer bundesdeutscher Abschiebepolitik. wir wollen nicht, daß Menschen von Bomben ermordet werden, ihre Häuser zerstört werden.. Wir wollen keinen Krieg.

Wie Müllheimer Bürgerinnen und Bürger ihre schöpferische Hilfe im Falle von Jslatko Jovanovic einsetzen, so wollen wir unsere Kreativität einsetzen gerade für solche Menschen, die sich dem Irrsinn des Krieges entziehen: die desertieren oder den Kriegsdienst verweigern.

In Bernau bei Berlin ist an der Wand der alten Stadtmauer das Relief eines Geschundenen, darunter liegt eine Platte mit der Inschrift:

Gewidmet allen Deserteuren und Verweigerern, deren Heimat die Mutter Erde ist, die im Feind den Menschenbruder erkennen, die statt auf Generäle auf den BefehI ihres Gewissens hören, die nicht an Ideologien, sondern am Leben hängen, deren Angst kleiner als ihre Liebe ist.

In diesem Sinne beginnen wir heute dafür zu werben, daß sich auch Müllheim den Städten in der Bundesrepublik und in Europa anschließt, die sich zum "Kommunalen Schutz von Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern bereit erklärt haben. Wir fordern die Organe der Stadt Müllheim auf "Flüchtlinge, die aus Armeen kriegführender Staaten oder aus Bürgerkriegsarmeen desertiert sind oder sich als Kriegsdienstverweigerer einer Einberufung entzogen haben, aufzunehmen, sie vor Abschiebung zu schützen und ihre materielle Grundversorgung zu gewährleisten." Daß nicht wieder Menschen verbrennen müssen, ehe den Überlebenden Hilfe widerfährt.

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So wie wir möchten, daß sich die Gremien der Stadt Müllheim diesem Anliegen nicht verschließen, so gelingt es vielleicht auch Ihnen in Ihren Gemeinden für eine entsprechende Erklärung zu sorgen. Was in Bonn, Münster und Freiburg machbar ist, warum sollte das nicht auch im Dreieckland gelingen?

Und wir werben wieder für die Aktion "Urlaub vom Krieg" des Komitees für Grundrechte und Demokratie, mit der es Kindern aus dem ehemaligen Jugoslawien ermöglicht wird, sich zumindest 14-Tagelang von ihren fürchterlichen Erlebnissen während des Krieges zu erholen und die wir hier in Müllheim schon im fünften Jahr unterstützen.

Ich wünsche Ihnen und mir, daß wir von den Aktionen in Müllheim Kraft und Zuversicht mitnehmen für unsere weitere Arbeit damit wir uns nächste Ostern um mit Tucholsky zu enden - sagen können:

Unser Pazifismus (ist) so gesund wie in rotbackiger Junge. Er strahlt, er brüllt, er zappelt mit den Beinen, und wir wollen uns alle Mühe geben, das Kind zu schaukeln, ... Nun erst recht


Ulrich Rodewald, Friedensrat Müllheim
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