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Ostermär-
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vom:
16.04.2001


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Abschlußrede des Nürnberger Friedensforums am 16 April 2001

20ster OSTERMARSCH 2001

Hans-Joachim Patzelt

Liebe Ostermarsch -Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Heute zum 20sten Ostermarsch des Nürnberger Friedensforums in ununterbrochener Folge bin ich als dienstältester Sprecher, der das Auf und Ab von Anfang an miterlebt und mitgestaltet hat, vergattert worden, zwei Fragen zu beantworten, die uns immer wieder gestellt werden:

zum einen; haben sich die 20 Ostermärsche eigentlich gelohnt und die andere Frage: sind Ostermärsche noch zeitgemäß und überhaupt noch nötig?

Ihr habt heute, bei diesem unwirtlichen Wetter, mit Eurer Teilnahme bereits eine Antwort gegeben - vielen Dank, dass Ihr da seid Und gute Argumente haben wir allemal.

Als wir vor 20 Jahren begannen, uns gegen die Stationierung der amerikanischen atomaren Mittelstreckenraketen Pershing II und Cruise Missiles zu wehren, waren wir nach Meinung der Stationierer eine "radikale Minderheit" und Handlanger Moskaus.

Aber unserem Aufruf zu unserem ersten Ostermarsch der neueren Geschichte 1982 folgten trotz des ebenfalls ungemütlichen Wetters so viele Menschen, dass der Platz hier vor der Lorenzkirche förmlich überquoll. Wir waren überwältigt. Die Menschen hatten erkannt, welch tödliche Gefahr diese neuen 6-Minuten-Atomraketen mit sich brachten.

In der Folge waren hunderttausende Demonstranten in unserem Lande unterwegs und es war gelungen, eine überwältigende Meinungsmehrheit gegen diese Raketen zu erreichen.

Und die Regierung Kohl?

Unter dem Motto "Die demonstrieren - wir regieren" ließ sie zu" dass die amerikanischen Atomraketen in unserem Land stationiert wurden. Damit sollte auch gleichzeitig der Friedensbewegung der Garaus gemacht werden.

Aber sie irrten gewaltig, das Gegenteil war der Fall! Für mich heute noch faszinierend: es gab keine Resignation.

Jetzt lautete unsere Losung eben: "Die Raketen müssen wieder raus!"

Wieder waren Hunderttausende unterwegs, der Druck auf die Regierung Kohl wuchs erneut. Und Franz-Josef Strauß versuchte, es uns gleichzutun. Er karrte seine Anhänger nach München. Mit den vorgestanzten Plakaten "Raketen für die Freiheit" - ein Flop.

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Strauß demonstrierte einmal und nie wieder.

In Wackersdorf allerdings zeigte er dann sein wahres Gesicht, als er seine Polizisten auf uns einknüppeln und uns von Hubschraubern aus mit CS-Giftgas besprühen ließ. Er wollte mit der WAA unbedingt seine eigene Atombombe - doch er scheiterte.

Aber richtig erschrocken sind die Raketenstationierer erst, als sich die Forderung; "Die Nulllösung jetzt!" weltweit durchsetzte und Reagan zu einem Abkommen mit Gorbatschow zwang, der das seit längerem schon anbot.

Und man soll`s nicht glauben, die Kohlregierung blockierte. Sie wollte die Pershings und Cruise Missiles nicht mehr hergeben - zu Hunderttausenden mußten wir nachhelfen.

Doch dann war es soweit.

Die Schlagzeile der Nürnberger Nachrichten am 2. September 1988, also nach unserem 7. Ostermarsch, lautete; "USA begannen mit Pershing II - Abzug", Und jetzt wird`s richtig lustig - der Regierungssprecher Friedhelm Ost nannte die Demontage der Raketen in diesem Zeitungsartikel ein ".. wichtiges Ereignis der Nachkriegsgeschichte" - die Politik der Bundesregierung kohl habe damit greifbare Ergebnisse gebracht - Zitat Ende. Jetzt schmückten sich also mit fremden Federn.

Wie dann der Abzug der Raketen praktisch ablief, möchte ich Euch nicht vorenthalten. Wieder aus dem Gericht der Nürnberger Nachrichten - Zitat:

"Als sich gestern um 10.00 Uhr das Gittertor der US-Basis in Heilbronn zur Seite schob und der erste amerikanische Transport aus der von Journalisten und Atomwaffengegnern umlagerten Einfahrt herausfuhr, wurden Applaus und "Zugabe!"-Rufe laut..."

Und diese "Zugabe!"-Rufe hallen bei mir bis heute noch nach - das heißt: weiter Abrüsten!

Und es geht nicht nur um Raketen.

Aber die Frage, ob sich unsere Ostermärsche gelohnt haben, ist für diesen Abschnitt sicher beantwortet. Und nicht nur das.

Sicher, wir sind heute weniger - aber diejenigen, die auf Militär setzen, wissen seither genau, was es bedeuten kann, wenn Menschen mißtrauisch werden, wenn zur angeblichen "Verteidjgung" aufgerüstet wird. Aber so grobschlächtig wie unter Helmut Kohl geht das nicht mehr. Heute müssen schon Werte wie Menschenrechte und humanitäre Hilfe bemüht werden, um eine Zustimmung für ein weltweites militärisches Eingreifen erreichen zu können.

Wer ist denn eigentlich nicht für Menschenrechte und humanitäre Hilfe!?

Es war aber schon ein starkes Stück unserer nicht mehr ganz so neuen Bundesregierung, diese berechtigten Anliegen der Menschen, auch in unserem Lande, zu mißbrauchen für die Begründung, deshalb Jugoslawien bombardieren zu müssen.

Spätestens seit der aufsehenerregenden ARD-Sendung am 8. Februar dieses Jahres: "Es begann mit einer Lüge" ist klar geworden, mit welchem Aufwand und Mitteln Herr Scharping und Co manipuliert haben, um eine möglichst große Akzeptanz für eine grundgesetzwidrige Beteiligung am Krieg gegen Jugoslawien herzustellen.

Und das hat durchaus seine Wirkung gehabt und macht uns auch weiterhin zu schaffen. Aber Lügen haben kurze Beine!

Und da schauen wir mal genauer hin.

Was ist das für ein Getöse um den Abbau von Kasernen und Soldaten? Der Rüstungshaushalt wird angeblich reduziert - ja ist denn jetzt die Abrüstung ausgebrochen?

Und wie klammern sich die Kommunalpolitiker an ihre Militäreinrichtungen! Noch nie was von Umstellung von Rüstung auf Ziviles gehört?! Wo bleibt ihre Forderung, das Geld, das bisher für Militärisches aufgewendet wurde, für Ziviles in ihrer Kommune zu belassen?

Aber es stimmt natürlich, Herr Scharping braucht mehr Geld für seinen Umbau der Bundeswehr zu einer Interventionsarmee in aller Welt.

Auch will er gleichzeitig zwei Kriege nach dem Vorbild Jugoslawiens führen können.

Also weg mit dem alten Schrott! High-tech-Kampfsoldaten werden benötigt und sollen von 60.000 auf 150.000 aufgestockt werden. Für die Verteidigung unseres Landes?

Oder zur militärischen Durchsetzung ihrer weltweiten wirtschaftlichen Interessen? Ganz klein stand es in der Zeitung: 220 Milliarden DM brauchen sie in den nächsten Jahren dafür, und ihre jährlichen 50 Milliarden sowieso - welch eine gigantische Verschwendung Die Rüstungsindustrie freut sich und wir müssen es alle bezahlen! Und das Geld für Soziales fehlt allenthalben!

Aber auch von unseren Kommunalpolitikern hört man dazu nichts.

Nürnberg ist doch die Stadt des Friedens und der Menschenrechte!

Und unser Oberbürgermeister fährt nach Bremen, um sich Anregungen für ein Friedensmahl zu holen. Wie wär`s, wenn er sich beim Nürnberger Ostermarsch blicken ließe. Wir haben Anregungen genug für sein Friedensmahl - allerdings inhaltlicher Art!

Egon Bahr sagte hier in einer Veranstaltung im Nürnberger Gewerkschaftshaus" seine Partei wäre "in den Jugoslawienkrieg hineingeschliddert".

Ja wirklich nur "geschliddert"?

Dann müssen wir aber dafür sorgen, dass sie nicht in den nächsten Krieg hineinschliddern!

Mal schauen, wann auch unsere Kommunalpolitiker aus den Regierungsparteien wieder das Sprechen lernen und aus ihrer nach oben gerichteten Erstarrung aufwachen. Wer nicht in der Lage ist, den Jugoslawienkrieg kritisch aufzuarbeiten, der läuft in die Sackgasse der Aufrüstung. Der hat auch den größenwahnsinnigen Weltraumplänen von Bush nichts entgegenzusetzen!

Ich glaube, ich habe die Frage "Sind die Ostermärsche noch zeitgemäß und überhaupt noch nötig?" längst beantwortet.

Unsere Erfahrung aus 20 Jahren Ostermärschen ist: Offenheit und Hartnäckigkeit zahlen sich aus - Minderheiten können zu Mehrheiten werden!

Wir konzentrieren uns jetzt auf einen bundesweiten Appell, der lautet; "Kriege verhindern - Einsatzkräfte auflösen".

Vor drei Wochen haben wir hier vor der Lorenzkirche - am 2. Jahrestag des Beginns der Bombardierung Jugoslawiens - die ersten Unterschriften gesammelt.

Der Text lautet:

"Ich lehne den Umbau der Bundeswehr in eine Interventionsarmee ab und fordere die Bundesregierung auf,

 die dafür vorgesehenen 150.000 Soldaten starken "Einsatzkräfte" aufzulösen

 die damit verbundenen Beschaffungen neuer Waffen und Ausrüstungen zu stoppen, und

 die dadurch eingesparten 100 Milliarden Euro in zivile Projekte zu investieren (z.B. Bildung, Umwelt, Soziales)"

Packen wir es an!

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit



E-Mail:   arno.weber@t-online.de
Internet: http://www.fen.baynet.de/frieden/regio.html
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